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Full text of "Geschichte des Claviers vom Ursprunge bis zu den modernsten Formen dieses Instruments nebst einer Uebersicht über die musikalische Abtheilung der Pariser Weltausstellung im Jahre 1867. Von Oscar Paul"

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BESCHICHTE  DES  CLAYIERS 


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vom   Ursprünge 


den  modernsten  Formen  dieses  Instrnnuynts 


nebst  einer 


febersicht  über  die  musikalische  Abtheiliino« 


der  Pariser  Weltaiisslplliing  im  Jahre  1867. 


Von 


Dr.  Oscar  Faul. 


Mit   zahlreichen    Holzschnitten. 


Leipzig. 

Verl  arg  von  A.  H.  Payne. 
1808. 


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GESCHICHTE  DES  CLAWS 

vom   Ursprünge 

Ms  ZU  den  modernsten  Formen  dieses  Instruments 

nebst  einer 

üebersicht  über  die  musikalische  Abtheilung 


der  Pariser  Weltausslelluug  im  Jahre  1867. 


Von 


Dr.  Oscar  Paul. 


Mit    zahlreichen    Holzschnitten. 


Leipzig. 

Verlag   von   A.    H.   Payne. 

1868. 


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HERRN  M.  VON  A8ANT8CHEW8XY 


GEWIDMET 


VOM 


VERFASSER. 


Zur  gütigen  Beachtung. 


Indem  ich  dieses  Buch  der  OefFentHchkeit  übergebe,  bitte 
ich  zugleich  alle  Sachverständigen,  mir  Berichtigungen  der  in 
meiner  Darstellung  etwa  enthaltenen  Irrthümer  so  bald  als  mög- 
lich zugehen  zu  lassen,  da  ich  jedes  Jahr  nicht  nur  eine  Fort- 
setzung dieser  Geschichte  des  Claviers,  sondern  auch  Ergänzun- 
gen und  Verbesserungen  des  Inhalts  in  ausgeführter  Weise  mit 
jener  verbunden  herauszugeben  gedenke.  Aus  diesem  Grunde 
ersuche  ich  die  geehrten  Herren  Instrumentenbauer,  mir  —  dem 
Nichtinstrumentenbauer  —  alle  neuen  Erfindungen  in  Wort  und 
Zeichnung  mitzutheilen,  weil  ich  eine  fortlaufende  (jeschichte 
des  Clayiers  als  das  geeignetste  Mittel  zur  Verbreitung  aller 
Fortschritte  und  zur  Hebung  der  Intelligenz  in  diesem  Zweige 
betrachte. 

Leipzig,  im  Februar  1868. 

Dr.  Oscar  Paul. 


Digitized  by  the  Internet  Archive 

in  2010  with  funding  from 

University  of  Toronto 


http://www.archive.org/details/geschichtedesclaOOpaul 


INHALT. 


Seite 

Vorbemerkung 1 

Erste  Abtheilung. 

I.  Einleitung 2 

II.  Schall-Unterschied  von  Geräusch  und  Klang 5 

III.  Schwingungen  der  Saiten •     •  8 

IV.  Schwingungen  der  Platten  —  Resonanzboden 14 

V,  Tonmessung 16 

VI.  Reine  Stimmung  und  Temperatur 22 

VII.  Das  Wesen  des  Klanges  —  Stärke  und  Klangfarbe 32 

Zweite  Abtheilung. 

I.  Der  Ursprung 42 

IL  Die  ältesten  Formen  der  besaiteten  Ciavierinstrumente  ....  52 

III.  Die  Construction  der  besaiteten  Ciavierinstrumente  bis  Ende  des 

achtzehnten  Jahrhunderts 61 

IV.  Die  Ciavierbauer  bis  zur  Einführung  der  Hammermechanik     .     .  73 
V.  Ursprung  und  Einführung  der  Hammermechanik 82 

VI.~Erntwickelung  des  modernen  Pianofortebaues 119 

VII.  Der  Standpunkt  des  Pianofortebaues  auf  den  Ausstellungen    .     .  149 

Nachträge. 

Zu  Seite  7 233 

Zu  Seite  49 234 

Zu  Seite  187 242 

Zu  Seite  208 243 


yORBEMERKUNG. 


Die  musikalische  Abtheilung  der  Pariser  Weltausstellung,  auf  wel- 
cher man  das  Vollkommenere  mit  dem  Unvollkommeneren  vergleichen, 
das  Dagewesene  und  Nachgeahmte  vom  neuesten  Fortschritt  sicher 
unterscheiden  konnte,  gab  mir  Veranlassunsf,  eine  Geschichte  des  Claviers 
zu  verfassen,  deren  Tendenz  die  Darstellung  der  stufenweisen  Entwicke- 
lung  desjenigen  Instrumentes  ist,  das  in  Folge  seiner  vielseitigen  Ver- 
wendbarkeit zur  Bildung  des  Geistes  und  Herzens  wesentlich  beigetragen 
hat.  Da  die  Construction  der  besaiteten  Clavierinstrumcnte,  welche 
wir  unter  dem  Gattungsnamen  „Ciavier"  allein  verstehen,  an  gewisse 
akustische  Bedingungen  geknüpft  ist  und  selbst  zur  wissenschaftlichen 
Forschung  in  der  Akustik  vielfache  Anregung  gab,  so  hielt  ich  es  für 
nöthig,  das  Wesentlichste  aus  diesem  Gebiete  zum  Verständniss  des 
Mechanismus  mit  Vermeidung  aller  das  Ciavier  nicht  direct  bei-ührenden 
Erörterungen  in  gedrängter  Form  der  historischen  Abhandlung  voran- 
zuschicken, während  ich  selbstverständlich  dem  gegenwärtigen  Stand- 
punkt der  drei  gebräuchhchen  Arten  des  Claviers:  Flügel,  tafelförmiges 
Pianoforte,  Pianino,  die  Schlussbetrachtung  widmete.  Der  Vollständig- 
keit halber  lasse  ich  als  Anhang  einen  mit  historischen  Bemerkungen 
durchflochtenen  üeberblick  über  die  musikalische  Abtheilung  der  Pariser 
Ausstellung  folgen,  welcher  zur  Orientirung  bezüglich  des  musikalischen 
Bildungsgrades  verschiedener  Völkerschaften  einen  Beitrag  lieferti  soll. 
Möchten  die  Musiker,  Instrumentenbauer  und  Kunstfreunde  dem  vor- 
liegenden Buche  ihre  wohlwollende  Theilnahme  schenken. 

Leipzig,  im  August  1867. 

Der  Verfasser. 


ERSTE  ABTIIEILÜNG. 


Einleitung'. 

Wenn  auch  im  Alterthume  die  Instrumentalmusik  einen  integriren- 
den  Theil  des  gesammten  Culturlebens  ausmachte  und  alle  Feste  zu 
Ehren  irgend  welcher  Gottheit  durch  Saiten-  und  Flötenspiel  verheri'licht 
wurden:  so  konnte  sich  dieselbe  doch  zu  keiner  Selbständigkeit  erheben, 
zu  keiner  künstlerischen  Freiheit  emporarbeiten;  selbst  das  hochgebildete 
antike  Culturvolk  Griechenlands  war  nicht  im  Stande,  der  Instrumental- 
musik eine  der  Vocalmusik  ebenbürtige  Stellung  zu  erringen.  Erstere 
blieb  Dienerin  der  letzteren,  so  lange  der  Praxis  noch  die  geoi'dneteren 
Grundlagen  des  modernen  Tonsystems  fehlten,  so  lange  sich  die  akusti- 
schen Forschungen  noch  im  Stadium'  der  Kindheit  befanden.  Zwar  ist 
nicht  zu  leugnen,  dass  Griechenland  als  die  Wurzel  unserer  heutigen 
Tonkunst  angesehen  werden  muss  und  dass  wir  aus  jenem  Urquell  der 
Wissenschaft  und  Kunst  auch  jetzt  noch  Wasser  des  Lebens  trinken 
können,  welches  in  seiner  Reinheit  so  mancher  trüben  Flüssigkeit  moderner 
Kunstanschauungen  vorzuziehen  ist;  doch  blieb  das  Griechenthum  auch 
immer 'nur  die  Wurzel,  die  erste  Strömung  musikwissenschaftlichen 
Denkens.  Erst  die  modernere  Cultur  brachte  Männer  hervor,  welche  in 
richtiger  Erkenntniss  des  Guten  mit  gewissenhafter  Forschung  das  Wahre 
vom  Falschen  sonderten  und  mit  dauernder  Kraft,  beharrlichem  Willen 
und  edlem  Streben  das  Gebäude  der  Kunst  stützten  und  höher  fülirten. 

Während  in  Griechenland  trotz  der  bewundernswerthesten,  theilweise 
jetzt  noch  dem  Lernbegierigen  nützlichen  Untersuchungen  die  theoretische 


Forschung  nicht  bis  zur  eigentlichen  Polyphonie  ia  unserem  Sinne  durch- 
dringen konnte,  weil  den  akustischen  Ergebnissen  die  praktischen  Ver- 
suche nicht  immer  entsprachen  und  der  Experimentaltheorie  in  der  Inter- 
vallmessung der  richtige  Ausgangspunkt,  d.  h.  der  musikalische  Drei- 
klang, fehlte;  während  auch  das  frühere  Mittelalter  einen  festern  Stand- 
punkt noch  nicht  erringen  und  die  Instrumente  nur  zur  Unterstützung 
des  Gesanges  benutzen  konnte,  weil  auf  damaliger  akustischer  Basis  nur 
eine  empirische  Nachahmung  der  Menschenstimme,  des  von  der  Natur  ja 
selbst  gegebenen  Instrumentes,  möglich  war:  gelang  es  endlich  nach 
manchen  scharfsinnigen,  wenn  auch  oft  vergeblichen  Experimenten  dem 
sechzehnten  Jahrhundert,  durch  kritische  Betrachtung  der  griechischen 
Klanglehren  das  Wesentliche  zu  erkennen  und  somit  den  richtigen  Boden 
zu  gewinnen,  aus  welchem  die  Keime  moderner  Musikwissenschaft  empor- 
spriessen  und  blüthentragend,  fruchtbringend  der  Praxis  einen  hÖhern 
Culturgrad  sichern  konnten.  Fast  zu  gleicher  Zeit  treten  im  1 6ten  Jahr- 
hundert die  im  Studium  des  Clmidkis  Ftolemaens  (2tes  Jahrh.  nach  Chr.) 
und  SoefhiifS  (5tes  und  6tes  Jahrh.  nach  Chr.)  musikalisch-mathematisch 
gebildeten  Männer:  G/area?nn  der  Schweiz*),  Za;V»('0  in  Italien,  Calvisius 
und  Praetorius  in  Deutschland,  Salinas  in  Spanien,  John  Bull  in  England 
auf,  von  denen  namentlich  Zarlino  und  CaJvisws  den  theoi'etischen  Fort- 
schritt anbahnten  und  mit  Zugrundelegung  der  ionischen  Tonart,  welche 
unserem  Dur  entspricht,  den  Durdreiklang  als  Grundelement,  als  Anfangs- 
und Endpunkt  alles  musikalischen  Denkens  feststellten,  woraus  sich  in 
der  Folge  nach  Ueberwinduug  des  Nebeneinanders  der  Accorde  das 

*)  Glarean's  Dodecachordon,  Basel  1547,  ist  ein  sehr  gründliches  Werk,  welches 
aber  trotz  aller  scharfsinnigen  und  der  Nachwelt  nützlichen  Erörterungen  nicht  verkennen 
lässt,  dass  Glarean  in  der  praktischen  Musik  Dilettant  war,  hingegen  Zarlino  den 
schärfsten  Verstand,  die  gründlichsten  mathematischen  Kenntnisse  mit  einer  ausgezeichne- 
ten praktisch-musikalischen  Durchbildung  vereinigte.  Dasselbe  kann  vom  Salinas 
gesagt  werden ,  während  Praetorius  mehr  die  Stelle  eines  vorzüglichen  Compilators 
beanspruchen  darf.  John  Bull  ist  der  fortstürmende  Bekämpfer  des  Alten,  hinge- 
gen Calvisius  mit  grösster  Ruhe  und  Klarheit  als  Auseinanderleger  und  Vertheidiger  des 
Neuen  auftritt.  —  Die  Summe  aller  Streitigkeiten  lässt  sich  in  dem  kurzen  Satze  aus- 
drücken: ,.Ist  das  natüilicheDur  oder  das  natürliche  Moll  Grundsystem,  steht  die  grosse 
Terz  im  Verhältniss  von  4:5,  ist  sie  Consonanz  oder  nicht,  und  welchen  Emfluss  hat 
sie  auf  die  Stimmführung?"  Hieran  reihen  sich  noch  die  Explicationen  über  Consonanz 
und  Dissonanz  und  über  Einführung  der  letzteren  in  den  mehrstimmigen  Satz.  —  Die 
Tonarten  und  Diciklänge  des  sechzehnten  Jahrhunderts  siehe  Paul,  „Die  absolute  Harmonik 
der  Griechen",  S.  40  —  44. 

1* 


Ineinandersein  derselben,  die  organische  Accordkette  entwickelte» 
War  es  doch  schon  Mcimeau,  welcher  mit  seiner  Grundbasstheorie  den 
Stimmengang  dem  modernen  Tonsystem  entsprechend  begründete,  und 
brachten  doch  Sacli  und  Händel  die  Compositionspraxis  mit  ihrem  In- 
einander vonAccorden  zur  höchsten  Combinationsstufe.  Neben  und  nach 
diesen  Männern  verarbeiteten  Heinchen,  Mattheson,  Kirnberger,  Marpitrg 
und  Andere  mehr  oder  weniger  selbstschöpferisch  das  im  Genie  Ge- 
borene und  verbreiteten  dasselbe  zum  Nutzen  der  Künstler,  Kunstfreunde 
und  Instrumentenbauer,  welche  letzteren  die  zunächst  den  Singstimmen 
zu  Gute  kommende  Theorie  erfassten  und  derselben  mit  Hülfe  der  von 
Galilei,  Kepler,  Neivton,  Huygens,  Mersenne,  Guerike  gewonnenen  Re- 
sultate auch  auf  den  Instrumenten  Geltung  verschafften. 

Zunächst  erhielt  natürlich  der  bis  in's  hohe  Alterthum  zurückzuver- 
folgende Orgelbau  durch  jene  periodischen  Errungenschaften  der  Wis- 
senschaft eine  vorher  ungeahnte  Ausdehnung  und  Bedeutung,  wo  hingegen 
die  Beobachtungen  der  akustischen  Gesetze  bei  dem  Erklingen  der  Saiten 
erst  nach  Daniel  Bernouilli,  Leonliard  Eider,  La  Grange,  J.  H.  Lam- 
bert, Giordano  jRiccati  u.  A.  durch  Ghladni  die  zum  rechten  Ziele  führende 
Richtung  und  für  die  Verbesserung  der  Ciavierinstrumente  eine  tiefgrei- 
fende Nutzbarkeit  gewannen.  Welchen  grossen  Einfluss  dieser  treffliche 
Forscher  auf  das  gründlichere  Denken  der  Instrumentenbauer  und  in 
Folge  dessen  auf  die  Vervollkommnung  der  Ciavierinstrumente  ausge- 
übt hat ,  geht  aus  der  alten  „Allgemeinen  musikalischen  Zeitung"  deut- 
lich genug  hervor,  und  es  gereici^t  den  Mitarbeitern  derselben  zur  Ehre, 
die  Forschungen  Chladni's  in  umfassender  Weise  beachtet  und  mit  rich- 
tigem, kritischem  Tacte  dem  grössern  Publicum  vermittelt  zu  haben. 
Als  jedoch  auch  Chladni's  und  nach  ihm  Weber' s  Theonendurch  spätere 
hervorragende  Akustiker,  z.  B.  durch  Savart,  Pellisov,  Handel,  Müller  etc. 
in  einzelnen  Punkten  zum  klarern  Verständniss  gebracht  und  von  der 
Praxis  zum  grössten  Theile  acceptirt  worden  waren,  machte  sich  das 
Bedürfniss  nach  weiteren  Ermittelungen  in  der  Weise  geltend,  dass  man 
ein  neues  selbständiges  Werk  über  Akustik  mit  wahrer  Sehnsucht  er- 
wartete. Dieselbe  wurde  denn  auch  durch  den  grössten  Akustiker  der 
Jetztzeit  H.  Helmholtz*)  so  umfassend  befriedigt,  dass  die  Instrumenten- 

*)  H.  Helmholtz,  die  Lehre  von  den  Tonempfindungen   als  physiologische  Grundlage 
für  die  Theorie  der  Musik:  Braunschweig  1863. 


5 

bauer  zur  Verarbeitung  der  eindringlicben  Lehren  jenes  Meisters  noch 
langer  Zeit  bedürfen  werden.  Neben  jenem  bedeutungsvollen  Forscher 
ist  nun  der  berühmteste  musikalische  Theoretiker  der  Gegenwart  Moritz 
Hauptmann*)  namhaft  zu  machen,  auf  dessen  musikalisch-theoretischer 
Grundlage  i/t'/w/zo/'/'^  seine  physikalische  Accordlehre  aufbaute,  und  wenn 
sich  auch  der  Letztere  nicht  inmier  mit  der  Hauptmann'schen  Ausdrucks- 
weise, d.  h.  mit  der  Hegel'schen  Dialektik,  einverstanden  erklärte  **)  — 
jedenfalls  eine  rein  subjective  Betrachtung  des  deutschen  Styls  — ,  so  zollte 
er  doch  als  Mann  der  Wissenschaft  den  „feinen  musikalischen  Anschau- 
ungen", sowie  der  ganzen  Forschungsmethode  Haiiptmumi's  die  vollkom- 
menste Hochachtung.  Dass  die  Helmholtz'schen  Ermittelungen  bereits 
im  lustrumentenbau  eine  gewisse  Verwerthung  gefunden  haben,  dafür 
liefert  die  Pariser  Weltausstellung  den  unzweideutigsten  Beweis;  diese 
Thatsache  aber  auf  den  Schluss  der  Abhandlung  verlegend,  haUen  wir 
es  aearenwärtio;  für  unabweisliche  Pflicht,  die  zur  Construction  des  Cla- 
viers  nöthigen  akustischen  Vorbedingungen  in  kürzester  Fassung  dar- 
zulegen. 

II. 

Schall  —  riiterschied  vou  (Tieräusch  uud  Klansr. 

Schon  die  (iriechen  erkannten  mit  scharfsinniger  Genauigkeit  die 
Abstufungen  des  Hörbaren  und  unterschieden  bezüglich  der  Verschieden- 
artigkeit des  Schalles  in  klaren  Definitionen  die  Geräusche  von  den 
musikalischen  Klängen.  Zu  den  Geräuschen  gehört  alles  Das,  was 
dem  Ohre  die  Empfindung  der  Unregelmässigkeit  verursacht  und  ohne 
messbare  Verhältnisse  in  fortwährendem  Wechsel  die  verschiedenartig- 
sten Laute  hervorbrmgt***).  Man  könnte  vielleicht  die  Definition  kurz 
so  fassen,  dass  unter  „Geräusch"  die  Unregelmässigkeit  alles  Hörbaren 
zu  verstehen  sei,  da  sich  dieselbe  auf  alle  Arten  von  Geräuschen  anwen- 


*)M.  Hauptmann,  die  Natur  der  Harmonik  und  der  Metrik;  Leipzig  1853. 
**)  Vergl.  Helmholtz,  die  Lehre  von  den  Tonemptindungen,  Seite  427  Anmerkung. 
***)  Die  Griechen  unterschieden  sehr  genau  die  feineren  Geräusche  von  den  musi- 
kalischen Klängen ;  z.  B.  erklärten  sie  die  Laute  beim  Sprechen  als  die  regellose  Thätig- 
keit  des  Stimmorgans,  hingegen  sie  die  Thätigkeit  der  Stimme  bei  der  Erzeugung  eines 
musikalischen  Klanges  als  geregelte  auffassten.  Vergl.  Paul,  die  absolute  Harmonik 
der  Griechen,  S.  2. 


den  Jässt,  z.  B.  auf  das  Sausen  und  Heulen  des  Windes,  auf  das  Zischen 
der  Dampfkessel,  auf  das  Plätschern  des   Wassers,   auf  das  Rollen   des 
Donners,  Rasseln   des  Wagens   u.   s.   w.,   hingegen   der  musikalische 
Klang  in  seiner  Dauer  dem  Ohre  die  Empfindung  der  Gleichmässigkeit 
und   Regelmässigkeit  erregt   und  keinen   Wechsel  verschiedener  Arten 
des    Schalles   erkennen   lässt.    Da  nun   die   Luft   als   die  Trägerin   des 
Schalles  erkannt   worden  ist,   so   kann   man  nach  der  Empfindung  des 
Ohres  schliessen,  dass  bei  den  Geräuschen  die  Erschütterungen  der  Luft 
in  ihren  einzelnen  Bewegungen  unregelmässig  sind   und   daher  keine  in 
Grenzen  zu  fassenden  Verhältnisse  gewinnen  lassen;  dass  aber  die  Em- 
pfindung des  musikalischen  Klanges  nur  durch  regelmässige  Bewegungen 
der  Luft  hervorgebracht  werden  könne,  welchen  wiederum  die  Bewegun- 
gen des  tönenden  Körpers  in  gleichmässiger  Weise  entsprechen  müssten. 
Die  Quelle  des  Schalles,  d.  h.  der  tönende  Körper,  und  die  Leitung  des- 
selben, d.  h.  die  Luft,  sind  also  nur  dann  zur  Hervorbringung  eines  mu- 
sikalischen Klanges  befähigt,  wenn  die  regelmässigen  Bewegungen  bei- 
der in  einer  gewissen   Gleichartigkeit  zu  einander  in  Beziehung  stehen. 
Die  Regelmässigkeit  der  Bewegungen  entsteht   nun   dadurch,   dass  eine 
Bewegung  der  anderen  in  gewissen  gleichen  Zeitabschnitten  und  in  gleich- 
artiger Weise  auf  einander  folgt,  weshalb   man   dieselben  auch  perio- 
dische Bewegungen  genannt  hat.    Daher  fasst  Heimholte,  auf  dessen 
sonst  weit  ausgeführte  Erörterungen   wir  hier  natürlich   nicht  eingehen 
können,  seine  Definition  in  folgende  Worte  zusammen:  „Die Empfindung 
eines  Klanges  wird  durch  schnelle  periodische  Bewegungen  der  tönenden 
Körper    hervorgebracht,   die    eines   Geräusches  durch   nicht  periodische 
Bewegungen".    Die  Akustik  bedient  sich  für  die  Art  solcher  regelmässi- 
gen .Bewegungen  des  Ausdruckes  Schwingungen,  welche,  wie  schon 
gesagt,  ingleichenZeitabschnitten,  d.h.  periodisch,  erfolgen  müssen.  Aus 
diesem  Grunde  nennt  man  die  Länge  der  gleichen  Zeitabschnitte,  d.  h. 
die  Dauer    von   einer   Schwingung  zur  nächstfolgenden,  die  „Schwin- 
gungsdauer" oder  die  „Periode"  der  Bewegung. 

Wie  bereits  bemerkt,  vermittelt  die  Luft  jene  periodischen  Bewegun- 
gen dem  Ohre,  und  um  dies  zu  können,  müssen  analog  den  tönenden 
Körpern  die  Lulttheilchen  periodisch  sich  wiederholende  Schwingungen 
ausführen.  Zur  Veranschaulichung  dieses  Gesetzes  von  der  Fortpflanzung 
des   Schalles   haben   schon   die   Griechen   die  Wasserwellen   in  Betracht 


gezogen,  weshalb  auch  die  neueren  Akustiker  mit  Einschluss  Helmholti^ 
nichts  Neues  sagen,  wenn  sie  an  den  Wasserringen  die  gleichmässige 
Ausbreitung  der  Erschütterungen  beschreiben  und  dann  zu  dieser  Be- 
schreibung der  ringförmigen  Wasserbewegungen  die  kugelförmig  fort- 
schreitenden Luftwellen  in  Parallele  setzen.  So  sagt  z.  B.  übereinstim- 
mend mit  den  Principien  der  modernen  Akustik  Boethius,  der  lateinische 
Interpret  griechischer  Tonlehren  im  5ten  und  6ten  Jahrhundert  nach 
Christo,  in  seinem  Werke  über  Musik*):  „Wenn  man  einen  Stein  in 
eine  ruhige  Wassermasse  wirft,  so  entsteht  eine  ganz  kleine  ringförmige 
Welle;  dann  aber  zerstreuen  sich  die  Wellenmassen  in  grössere  Kreise, 
bis  die  unruhige  Bewegung  von  der  Hervorlockung  der  Wogen  ablässt 
und  sich  nach  und  nach  beruhigt,  indem  sich  die  Wellchen  in  immer 
weiteren  und  grösseren  Umkreisen  verlaufen.  Nachdem  der  Stein  die 
wachsenden  Wellen  gewissermassen  angestossen  hat,  wird  jene  Beweguno- 
zurückgewendet  und  gleichsam  nach  dem  Mittelpunkte  zu,  wovon  sie  aus- 
gegangen ist,  abgerundet.  Wenn  also  auf  dieselbe  Weise  ein  Luftstoss 
einen  Ton  erzeugt  hat,  so  treibt  dieser  zunächst  einen  andern  Luftstoss 
an  und  setzt  so  gewissermassen  einen  runden  Luftstrom  in  Bewegung. 
Auf  diese  Art  wird  der  Ton  vertheilt  und  berührt  zugleich  das  Gehör 
aller  Umstehenden." 

Denkt  man  sich  anstatt  eines  in  das  Wasser  fallenden  Steines  meh- 
rere Steine  von  gleicher  Quantität  und  Qualität,  welche  in  gleichmässi- 
gen  Zwischenräumen  hinter  einander  in  das  Wasser  fallen,  so  werden 
dieselben  bewirken,  dass  auf  der  Wasserfläche  regelmässige  Reihen 
concentrischer  Ringe  entstehen  und  sich  ausbreiten.  Das  Zeitverhältniss, 
in  welchem  die  hierdurch  erregten  Wellen  hinter  einander  einen  schwim- 
menden Körper  treffen,  ist  dann  gleich  den  Zeitabschnitten,  in  denen  die 
einzelnen  Steine  in  das  Wasser  fallen.  „In  derselben  Weise",  sagt  Heim- 
holte, „bringt  in  der  Luft  ein  periodisch  bewegter  tönender  Körper  eine 
ähnliche  periodische  Bewegung  zunächst  der  Luftmasse,  dann  des  Trom- 
melfells in  unserem  Ohre  hervor,  deren  Schwingungsdauer  der  des  tönen- 
den Körpers  gleich  sein  muss." 


*)  Boethius  lib.  1,  cap.  14. 


III. 

Schwinguiig-en  der  Saiteu. 

Da  zur  Klangentstehung  die  Vibration  eines  elastischen  Materials 
erfordert  wird,  so  sind  natürlich  die  Saiten  als  ein  für  dieselbe  günstiges 
Mittel  schon  frühzeitig  in  Anwendung  gekommen,  obgleich  man  die 
Gesetze  für  die  Schwingungen  der  Saiten  erst'in  neuerer  Zeit  correct 
darlegte  und  nachwies.  Dass  die  elastische  Schwingung  eine  wesentliche 
Veränderung  des  innern  Cohäsionszustandes  und  Rückkehr  in  den  nor- 
malen ist,  kann  leicht  an  einer  massig  gespannten  Saite  beobachtet  wer- 
den, welche  man  in  einem  Punkte  aus  ihrer  Gleichgewichtslage  zieht 
und  dann   wieder   sich   selbst   überlässt.    Wenn   wir  z.  ß.  die  Saite  x  y 

I                                                      »^                          ■                '  I 

X  I ^ -^  y 

im  Punkte  s  aus  ihrer  Lage  nach  r  ziehen  und  dann  loslassen,  so  wird  sie 
in  schwingende  Bewegung  gerathen,  welche  man  so  lange  mit  dem  Auge 
verfolgen  kann,  als  sie  in  bedeutender  Raumweite  vor  sich  geht;  ihre 
Schwingungsform  ist  dann  diese*): 


y 
Dieselbe  erlangt  sie  dadurch,  dass  sie  vom  Punkte  r  bis  s  „in  be- 
schleunigter, von  s  bis  v  in  abnehmender  Geschwindigkeit  sich  bewegt, 
bis  die  schwingende  Kraft  in  v  durch  die  vermehrte  Spannung,  welche 
die  Saite  in  der  Curve  erhält,  aufgehoben,  die  Geschwindigkeit  =  0  wird 
und  die  Saite  sonach  momentan  still  steht,  hier  aber  nicht  verweilen  kann, 
wieder  durch  r  nach  s  zurückgeht  und  so  fort  auf  gleiche  Weise  in  glei- 
chen Zeiträumen  nur  nach  und  nach  in  kleineren  Raumdimensionen  hin 
und  her  bewegt  wird".  Wenn  also  die  bewegte  Saite  bei  Ausführung 
der  Schwingungen  durch  die  Gleichgewichtslage  hindurchgeht,  dann  wird 


*)  Vergl.  M.  Hauptmann  ,  .,Klang"  in  Chrysandei''s  Jahrbüchern  für  musikalische 
Wissenschaft  Band  I.  S.  17;  HelmhoUz  S.  78;  desgleichen  Chladni.  Akustik:  über  die 
Transversalschwingungen  S.  63.  wobei  S.  64  die  A.nmerkung  zu  beachten  ist. 


9 

offenbar  die  Geschwindigkeit  der  Bewegung  den  höchsten  Grad  erreicht 
haben,  während  die  äussersten  Grenzen  der  Schwingung,  wie  hier  r  und  v, 
den  höchsten  Grad  von  Langsamkeit,  d.  h.  momentanen  Stillstand,  wahr- 
nehmen lassen.  In  dieser  Schwingungsform  giebt  die  Saite  nur  einen 
Ton,  und  zwar  den  tiefsten  Ton  im  Verhältniss  zu  ihrer  Spannung.  So- 
bald aber  diese  Saite  von  derselben  Spannung  in  der  Mitte  berührt  wird, 
entsteht  ein  Knotenpunkt,  und  sie  nimmt  dann  diese   Schwingungsforra 


an,  in  welcher  sie  die  Octave  des  ersten  Tones,  den  wir  Grundton 
nennen  wollen,  angiebtund  im  Punkte  ^j  ihren  Knotenpunkt  hat.  Zwei 
solcher  Knotenpunkte  erhält  die  Saite  bei  der  Berührung  im  Dritttheile, 
wo  sie  diese  Schwinofunssform  zeigt  und  in  der  Duodecime  des  Grund- 


tones erklingt,  hingegen  sie  bei  drei  Knotenpunkten  in  dieser  Schwingungs- 
form erscheint  und  die  Doppeloctave  ertönen  lässt. 


Ebenso  ist  das  Gesetz  zu  beobachten,  dass  der  Ton  in  dem  Maasse 
höher  wird,  als  man  die  Länge  der  Saite  verkürzt,  während  die  Menge 
der  Schwingungen  in  demselben  Maasse  wächst.  Die  Hälfte  der  Saite 
wird  also  doppelt  so  viel  Schwingungen  machen  als  die  ganze  Saite,  das 
Drittel  dreimal  so  viel  Schwingungen  u,  s.  w.,  was  man  bereits  in  der 
griechischen  Klanglehre  genau  angegeben  findet.  Dagegen  entwickelte 
erst  Mersenne  im  17ten  Jahrhundert,  dass  eine  Saite  bei  unvei-ändert  be- 
lassener Länge  erst  dann  in  der  höhern  Octave  erklingen  könne,  mithin 
Schwingungen  von  doppelter  Menge  und  Schnelligkeit  ausführe,  wenn 
man  ihre  Spannung  viermal  vergrössert  habe,  und  dass  die  neunfache 
Spannung  dazu  gehöre,  um  mit  derselben  Saite  die  Duodecime  des 
Grundtones  zu  erzeugen.  Die  Spannungen  wachsen  somit  im  Verhält- 
niss der  Quadrate  der  Schwingungszahlen  *). 


*)  Johannes  Müller  fasst  in    seinem  Lehrbuche   der  Physik   die  ' Schwingungsgesetze 
in  folgende  vier  Formeln  zusammen: 


10 

Zu  derartigen  Messungen  benutzten  schon  die  Pythagoräer  früh- 
zeitig ein  den  Instrumentenbauern  wohlbekanntes  Instrument:  das  Mo- 
nochord, an  welchem  auf  einem  Kesonanzkasten  eine  einzicre  Saite  aus- 
gespannt  ist,  unter  der  sich  ein  Maassstab  befindet,  um  den  Steg  richtig 
setzen  zu  können.  Mit  diesem  Instrumente  machte  man  auch  die  Be- 
obachtung, dass  die  Schwingungen  von  den  beiden  Befestigungspunkten 
der  Saite  wieder  zurückgeworfen  werden  und  dieselbe  der  ganzen  Länge 
nach  durchlaufen. 

Durch  die  Begegnung  der  Wellen,  welche  durch  die  Befestigung 
der  Saite  an  zwei  Punkten  mit  veranlasst  wird,  bilden  sich  systematisch 
liegende  Ruhepunkte,  an  denen  man  nicht  bloss,  wie  soeben  gezeigt  wurde, 
die  Saite  berühren  kann,  um  höhere  Töne  hervorzubringen,  sondern  welche 
auch  neben  der  einfachen  Schwingung  der  ganzen  Saite,  die  den  Grund- 
ton hören  lässt,  noch  Partialschwingungen  erzeugen,  aus  denen  sich  die 
sogenannten  harmonischen  Obertöne   herleiten  lassen.    Schon  G.  S. 

1)  Die  Schwingungszahl  einer  Saite  verhält  sich  umgekehrt  wie  ihre  Länge,  d.  H. 
wenn  eine  Saite  auf  irgend  einem  Instrumente,  wie  einer  Violine,  einer  Guitarre  etc.,  auf- 
gespannt ist  und  in  einer  gegebenen  Zeit  eine  bestimmte  Anzahl  von  Schwingungen 
macht,  so  macht  sie  in  derselben  Zeit  zweimal,  dreimal,  viermal  u.  s.  w.  so  viel  Schwin- 
gungen, wenn  man  bei  unveränderter  Spannung  nur  Va?  Vsi  V4  ^*^-  ^^^  ganzen  Länge 
schwingen  lässt;  sie  würde  ^1^,  ^jz,  */4  mal  so  schnell  schwingen,  wenn  man  nur  ^/s,  3/^, 
^/g  der  ganzen  Länge  schwingen  liesse. 

2)  Die  Zahl  der  Schwingungen  einer  Saite  ist  der  Quadratwurzel  aus  den  spannen- 
den Gewichten  proportional,  d.  h.  wenn  das  Gewicht,  welches  die  Saite  spannt,  viermal, 
neunmal,  seehzehnraa!  so  gross  gemacht  wird,  während  ihre  Länge  unverändert  bleibt, 
so  wird  die  Geschwindigkeit  der  Schwingungen  zweimal,  dreimal,  viermal  so  gross. 

3)  Die  Schwingungszahlen  verschiedener  Saiten  derselben  Materie  verhalten  sich 
umgekehrt  wie  ihre  Dicke.  Wenn  man  z.  B.  zwei  Stahlsaiten  von  gleicher  Länge 
nimmt,  deren  Durchmesser  sich  wie  1:2  verhalten,  so  wird  die  dünnere  bei  gleicher 
Spannung  in  derselben  Zeit  doppelt  so  viel  Schwingungen  machen  als  die  dickere.  Für 
Darmsaiten  ist  dieses  Gesetz  wohl  nicht  immer  genau  wahr,  weil  sie  nicht  immer  abso- 
lut gleichartig  sind. 

4)  Die  Schwingungszahlen  von  Saiten  verschiedener  Materien  verhalten  sich  umge- 
kehrt wie  die  Quadratwurzeln  ihrer  specifischen  Gewichte.  Wenn  z.  B.  eine  Saite  von 
Kupfer,  deren  specifisches  Gewicht  9  ist,  und  eine  Darmsaite,  deren  specifisches 
Gewicht  1  ist,  gleiche  Länge  und  gleichen  Durchmesser  haben  und  wenn  beide  durch 
gleiche  Gewichte  gespannt  sind,  so  schwingt  die  Kupfersaite  dreimal  langsamer  als  die 
Darmsaite. 

Es  versteht  sich  von  selbst,  dass  diese  Gesetze  nur  für  solche  Saiten  gelten,  die 
ihrer  ganzen  Dicke  und  Länge  nach  homogen  sind,  dass  sie  also  nicht  auf  Darmsaiten, 
welche  mit  Metallfäden  übersponnen  sind,  angewendet  werden  können.  Die  metallische 
Hülle  ist  hier  eine  träge  Masse,  welche  durch  die  Elasticität  der  Saite  in  Bewegung 
gesetzt  werden  muss  und  welche  also  die  Schwingungsdauer  vergrössert. 


11 

Ohm  hat  bewiesen,  dass  es  nur  eine  einzige  Schwingungsform  giebt,  an 
welche  sich  keine  harmonischen  Obertöne  knüpfen,  und  dies  ist  die  pen- 
delartige oder  einfache  SchAvingung,  welche  dem  Pendel  und  der 
Stimmgabel  eigenthümlich  ist.  Sonst  wird  man  bei  fast  allen  tönenden 
Körpern  in  höherem  oder  geringerem  Grade  harmonische  Obertöne  wahr- 
nehmen können,  deren  Vorhandensein  einzelnen  Musikern  und  Physi- 
kern zwar  lange  genug  bekannt  gewesen  ist,  von  denselben  aber  nur  als 
Curiosum  betrachtet  wurde. 

Hdmliolis  hat  für  sich  das  Verdienst  in  Anspruch  zu  nehmen,  die; 
Allgemeinheit  und  Bedeutung  derselben  in  das  rechte  Licht  gesetzt  und 
praktisch  verwerthet  zu  haben.  Aus  dem  oben  Gesagten  geht  nun  her- 
vor, dass  eine  über  einen  Resonanzboden  gespannte  und  in  Schwingung 
versetzte  Saite  nicht  bloss  einen  Tonangiebt,  sondern  das  Ohr  vernimmt, 
namentlich  wenn  es  mit  einem  Hörapparat,  dem  Helmholtz'schen  Reso- 
nator*), bewaffnet  ist,  noch  eine  ganze  Reihe  höherer  Töne,  welche  im 
Gegensatze  zu  dem  Grundtone  harmonische  Obertöne  des  Klanges  ge- 
nannt werden.  In  der  Regel  ist  der  Grundton  von  allen  der  stärkste; 
mit  diesem  bilden  die  Obertöne  zusammen  dieTheiltöne  oder  Partial- 
töne  eines  Klanges,  von  welchem  man  also  nicht  bloss  den  Grundton, 
sondern  auch  die  Octave,  Duodecime,  Doppeloctave  und  von  dieser  letz- 
teren noch  die  Terz,  Quinte,  Septime,  Octave,  None,  Decime  hört;  in  No- 
tenschrift ausgedrückt  besteht  z.  B.  das  kleine  c  aus  folgenden  Partial- 
tönen; 

1  Z      3      ^      5       G         7       89      10 


s 


^^ 


^ 


Kämen  die  Obertöne  mit  dem  Grundtone  in  gleicher  Stärke  zu  Ge- 
hör, so  würden  wir  selbstverständlich  nur  Discordanzen  in  unserer  Cla- 
viermusik  haben;  erstere  besitzen  aber  nicht  die  Fülle  des  letzteren,  und 
durch  geschickte  Anwendung  der  Mechanik  ist  es  möglich,  den  7ten, 
9ten  und  lOten  Partialton  wenn  auch  nicht  immer  ganz  zu  entfernen, 
so  doch  in  einer  Weise  zu  mildern,  dass  ihr   Vorhandensein    kaum   be- 


*)  Schon  Pellisov  gebrauchte  Hörröhre ;  Helmholtz  beschreibt  die  von  ihm  erfundenen 
und  gebrauchten  Seite  74 


12 

merkbar  ist.  Dass  von  diesen  Obertönen  die  Klangfarbe  abhänorior  ist, 
wollen  wir  weiter  unten  bemerken;  gegenwärtig  halten  wir  es  für  hin- 
reichend, die  drei  wichtigen  Sätze,  welche  Helmholts  über  die  Empfindung 
der  Obertöne  aufgestellt  hat,  unseren  Lesern  mitzutheilen*): 

1)  „Dass  die  Ohertöne,  welche  den  einfachen  Schwingungen  einer 
zusammengesetzten  Luftbewegung  entsprechen,  empfunden  werden,  wenn 
sie  auch  nicht  immer  zur  bewussten  Wahrnehmung  kommen." 

2)  „Dass  sie  ohne  andere  Hülfe,  als  eine  zweckmässige  Leitung  der 
Aufmerksamkeit,  auch  zur  bewussten  Wahrnehmung  gebracht  werden 
können." 

3)  „Dass  sie  aber  auch  in  dem  Falle,  wo  sie  nicht  isolirt  wahrge- 
nommen werden,  sondern  in  die  ganze  Klangmasse  verschmelzen,  doch 
ihre  Existenz  in  der  Empfindung  erweisen  durch  die  Veränderung  der 
Klangfarbe,  wobei  sich  namentlich  auch  der  Eindruck  ihrer  grösseren 
Tonhöhe  in  charakteristischer  Weise  dadurch  äussert,  dass  die  Klangfarbe 
heller  und  höher  erscheint." 

Durch  die  Beobachtung  der  Obertöne  gewinnt  die  Ansicht  PeZ/i'sou's, 
welcher  Hclinliolts  geringere  Beachtung  geschenkt  zu  haben  scheint, 
eine  sehr  wirksame  Unterstützung.  Pellisov  glaubt  nämlich,  dass  der 
musikalische  Ton  der  Saiten  von  ihrer  Totalschwingung,  als  solcher,  un- 
mittelbar nicht  erzeugt  werde  und  dass  der  Grund  der  musikalischen 
Töne  tiefer  liegend  gesucht  werden  müsse,  nämlich  in  den  Molecular- 
schwingungen.  Molecularschwingungen  bedeuten  die  durch  die  kleinen 
Theilchen  des  elastischen,  tönenden  Körpers  erregten,  zu  denen  auch  Sa- 
vart  seine  Zuflucht  nimmt,  wenn  er  von  den  verschiedenartigen  Formen 
spricht,  in  welchen  die  Schwingung  von  einem  Körper  auf  den  andern 
übertragen  ward.  Pellisov  erkennt  durch  seine  Experimente,  dass  die 
Totalschwingungen  einer  Saite  nicht  die  tönenden  Schwingungen  sind, 
sondern  dass  in  einem  Falle  die  Totalschwingungen  bloss  das  Mittel  seien, 
welches  die  erste  momentane  Erregung  der  Molecular-  oder  Tonschwin- 
gungen in  abgemessenen  Intervallen  wiederholt  und  erneuert,  wodurch 
die  Dauer  des  Tones  bestimmt  wird,  und  dass  im  andern  Falle  die  Mo- 
lecularschwingung  die  eigentlich   tönende  sei,  ja  dass  der  Ton  der  Mole- 


«•)  Helmholtz  S.   112. 


13 

cularschwingungen  desto  klingender  und  reiner  sei,  je  weniger  die  Saite 
als  Ganzes  dabei  beunruhigt  werde. 

Bringen  wir  z.  B.  die  gespannte  Saite  aus  ihrer  Gleichgewichtslage 
mit  dem  Finger,  so  entsteht  eine  Beugung  oder  Krümmung,  von  deren 
Winkeln  die  erste  Tonerregung  ausgeht;  der  Schlag  des  Hammers  ver- 
setzt die  Saite  ebenfalls  in  eine  winkelförmige  Biegung,  die  desto  grösser 
und  kürzer  wird,  je  stärker  der  Schlag  des  Hammers  die  Saite  triift. 
Derselbe  giebt  zugleich  mit  Veranlassung  zur  Vernehmbarkeit  der  Ober- 
töne. Die  durch  die  ersterregte  Krümmung  der  Saite  erzeugte,  sogenannte 
locale  Compression  des  Saitentheiles  läuft  gleichmässig  durch  die 
ganze  Saite,  wird  aber,  so  oft  sie  auf  eine  veränderte  Lage  der  Saiten- 
Molecule  trifft,  was  bei  jedem  Schwingungsknoten  der  Fall  ist,  nach  die- 
ser veränderten  Lage  der  Molecule  neu  erzeugt  und  vervielfältigt,  d.  h. 
die  Geschwindigkeit  der  fortlaufenden  Molecularerzitterung  ist,  so  lange 
die  Saite  ihre  nämliche  Spannung  behält,  immer  die  nämliche,  aber  die 
verschiedenen  sich  bildenden  Schwingungsknoten  bringen  diese  jedesmal 
neuerzeugten  Molecularschwingungen  in  verschiedenen,  den  aliquoten 
Theilen  entsprechenden,  systematischen  Zeiträumen  in  unser  Ohr.  Wenn 
nun  der  Ton  überhaupt  nur  in  der  beweglichen  Masse,  denMoleculen 
eines  Körpers,  seinen  Grund  hat,  so  hängt  auch  die  Intensität  und  die 
Qualität  eines  Tones  nur  von  den  Moleculen  eines  tönenden  Körpers  ab. 
Im  Grunde  genommen  scheinen  die  Ansichten  Pellisov's  mit  denen  von 
Helmholtjs  übereinzustimmen,  nur  sieht  Letzterer  mehr  auf  die  Wirkung, 
indem  er  den  Klangcharakter  durch  die  Obertöne  bestimmt,  hingegen 
Ersterer  die  Ursache  im  Material  zu  ergründen  sucht. 

Die  Masse  oder  die  Molecule  einer  transversal  schwingenden  Saite 
sind  viel  zu  unbedeutend,  als  dass  man  ihr  einen  eigentlichen  Ton  zu- 
schreiben könnte;  als  eigentliches  Tonwerkzeug  ist  nicht  der  schwingende, 
bloss  tonerregende  Körper,  die  Saite  nämlich,  sondern  das  Instrument, 
aus  welchem  die  Saite  den  Ton  hervorlockt,  zu  betrachten.  Wir  nennen 
dieses  Instrument  den  Resonanzboden. 


14 

IV. 

Schwingungen  der  Platten  —  Resonanzboden. 

CMadni,  welchev  mit  kreisförmig,  oval,  quadratisch,  rechteckig,  drei- 
eckig oder  sechseckig  geschnittenen  Scheiben  —  und  grössere  Holzschei- 
ben verwendet  man  ja  zu  Resonanzdecken  —  die  mühsamsten  Unter- 
suchungen anstellte,  hat  an  diesen  in  Schwingung  versetzten  Platten  ge- 
zeigt, dass  die  Form  der  Molecularvibrationen  von  der  Structur  der 
Klangtafeln  abhängig  ist  und  dass  die  vibrirenden  Platten  ebenso  wie 
die  vibrirenden  Saiten  Töne  erzeugen,  welche  bald  höher,  bald  tiefer  sind. 
Er  beobachtete,  dass  sich  die  Platte  für  jeden  dieser  Töne  in  schwin- 
gende Theile  abtheilt,  welche  durch  Ruhelinien  oder  Knotenlinien  ge- 
trennt sind,  deren  grössere  Zahl  die  Ausdehnung  der  schwingenden  Theile 
um  so  kleiner,  den  Ton  also  um  so  höher  erscheinen  lässt.  Zur  Nach- 
weisung dieser  Kuotenlinien  streute  er  auf  die  obere  Fläche  der  Tafeln 
feinen  trockenen  Sand,  welcher  während  des  Tönens  in  die  Höhe  hüpft 
und  niederfällt  und  sich  endlich  an  den  Knotenlinien  anhäuft,  auf  welche 
Weise  die  sogenannten  Chladni'schen  Klangfiguren  entstehen,  deren  Ab- 
druck auf  Papier  Savarf  in  äusserst  geschickter  Weise  bewerkstelligte. 

Derselbe  wandte  nämlich  statt  des  Sandes  Lackmus  an,  welches  mit 
Gummi  pulverisirt  und  zu  einem  Teige  angemacht,  getrocknet,  von  Neuem 
pulverisirt  und  durchgesiebt  wird,  um  Körnchen  von  passender  Dicke  zu 
erhalten.  Wenn  dieses  farbige  und  hygroskopische  Pulver  auf  der  Platte 
sich  in  den  Knotenlinien  angesammelt  hat,  so  reicht  es  hin,  auf  die  Platte 
ein  mit  etwas  Gummiwasser  befeuchtetes  Blatt  Papier  zu  legen,  um  die 
Figur  durch  einen  leichten  Druck  auf  demselben  zu  fixiren.  Auf  diese 
Weise  ist  es  Savart  gelungen,  mehrere  Hundert  solcher  Figuren  derselben 
Platte  zu  sammeln,  welche  verschiedenen  Tönen  entsprechen. 

Dass  diese  Vielseitigkeit  der  Tonerregung  günstig  ist,  ja  dass  ohne 
Resonanzplatte  die  Tonerregung  bis  zum  Minimum  herabsinkt,  können 
wir  leicht  erfahren,  indem  wir  eine  Saite  mit  wenig  Masse  an  irgend 
einen  Körper,  der  nicht  sehr  leicht  zum  Mitschwingen  zu  bewegen  ist, 
spannen  —  z.  B.  an  eine  massive  Mauer  — ,  und  dieselbe  dann  in 
beliebiger  Tonhöhe  zum  Schwingen  bringen;  der  Ton  wird  in  diesem 
Falle  schon  in  serino-er  Entfernuno-  nicht  mehr  zu  hören  sein.  Verbinden 
wir  hingegen   die  nämliche   Saite  durch   einen  langen  hölzernen  Leiter 


15 

mit  einem  so  entfernt  als  möglich  stehenden  Resonanzboden,  so  wird 
der  Ton  sehr  laut  und  zwar  nicht  von  der  Saite,  sondern  vom  Resonanz- 
boden aus  erschallen. 

PeUisov  nahm,  um  diese  Erfahrung   auffallender   zu  machen,  von 
seinem  Flügel  alle  Saiten  weg,  spannte  sie  mittelst  einer  oft  veränderten 
Vorrichtung,  senkrecht   unter  einander,   in   der  alten  Ordnung  an  einer 
massiven  Mauer  auf  und  brachte  sie,  bloss  mittelst  eines  vom  Steg  aus- 
gehenden   Leiters   aus  Fichtenholz   durch  eine  kleine  Oeffnung  in  der 
tämlicheri  Wand,  mit  dem   im  Nebenzimmer  stehenden  Resonanzboden 
in  Verbindung.     An  den  Saiten  brachte  er  eine  Claviatur  mit  Winkel- 
haken   an,  wie  man  sich  ihrer  bei  senkrecht  stehenden  Fortepianos  be- 
diente,  und  so  vermochte  er  dann  Melodien  zu  spielen,  die  nur  der  im 
Nebenzimmer  befindliche  Zuhörer  sehr  deutlich  und  rein  vernahm,  wäh- 
rend sie  dem  Spielenden  selbst  nur  als   ein  leises,  kaum   vernehmliches 
Geräusch  erschienen.     Er  stellte  auch  in  Folge  seiner  weiteren  Experi- 
mente das  bis  zu  seiner  Zeit  nicht  hinreichend  beachtete  Gesetz  auf,  dass 
ein  Resonanzboden  gerade  an  jenem  Punkte  von  einem  schwingenden 
Körper  am  stärksten   zum  Tönen  gebracht  wird,  der  in  Beziehung  auf 
den  ganzen  Körper  der  unbeweglichste  ist,   ohne  seine  Verbindung  mit 
dem  ganzen  tönenden  Gehäuse  zu  verlieren.    Dies  sei,  sagt  PeUisov,  der 
Zweck  der  sogenannten  „Seelen",   die  man  unter  flache  Resonanzböden 
leimt  und  leimen  muss. 

Von  dieser  Erfahrung  kann  man  sich  sehr  leicht  durch  Hülfe  einer 
Stimmgabel  überzeugen.  Je  entfernter  die  schwingende  Stimmgabel  von 
der  Seele  eines  flachen  Resonanzbodens  aufgesetzt  wird,  je  mehr  beweg- 
lich also  die  Fläche  des  Resonanzbodens  ist,  desto  schwächer  ist  der 
erscheinende  Ton;  je  näher  die  schwingende  Stimmgabel  der  Seele  rückt, 
desto  lauter  klingt  der  Ton. 

Daher  fand  PeUisov,  dass  gerade  diejenige  Bauart  eines  Reso- 
nanzbodens die  beste  sei,  welche  ihn  verhindert,  Transversal- 
schwingungen zu  machen,  oder  sich  als  Ganzes  zu  bewegen, 
ohne  dass  seine  innere  Elasticität  dadurch  gehemmt  werde. 

Zur  Tonerregung  gehört  also  das  Schwingen  der  Saite,  die  Ueber- 
leitung  der  Stösse  auf  den  Resonanzboden,  und  die  Molecularschwingun- 
gen  des  letzteren.     In  der  Praxis  war  man  durch  den  Instinct  schon  auf 


16 

die  Construction  eines  Instrumentes  gekommen,   welche  annähernd  jene 
Bedingungen  erfüllte,  nämlich  auf  die  des  vielerwähnten  Monochords. 


Tonmessmig. 

Das  Monochord  wurde  nach  unseren  früheren  Andeutungen  bereits 
im  Alterthume  zur  Tonmessung  benutzt,  und  durch  die  Theilungen  der 
Saite  fand  man  sehr  bald  die  einfachsten  Intervalle,  welche  man  mit  dem 
Ausdruck  Consonanzen  bezeichnete,  da  die  beiden  das  Intervall  bildenden 
Töne  im  Zusammentönen  oder  besser  im  griechischen  Sinne:  im  Nach- 
einandertönen  die  Empfindung  harmonischer  Zusammengehörigkeit  her- 
vorbrachten und  dem  Hörer  ein  gewisses  Gefühl  der  Ruhe  erzeugten. 
Man  fand  in  der  Hälfte  der  Saite  die  Octave  und  bemerkte,  dass  diese 
Hälfte  die  doppelte  Menge  von  Schwingungen  hatte,  als  der  Grundton, 
mithin  im  Verhältniss  von  1:2  stand;  die  Quinte  ergab  2/3  der  Saiten- 
länge und  3/2  der  Schwingungssahl,  die  Quarte  endlich  ^/^  der  Saiten- 
länge und  ^'3  der  Schwingungszahl*).  Nach  empirischer  Gewinnung 
dieser  Consonanzen  begann  die  Speculation,  welche  von  dem  Verhältniss 
eines  Ganztonintervalles  ihren  Anfang  nahm.  Dasselbe  fand  man  im 
Unterschiede  der  Quinte  und  Quarte,  in  Zahlen  ausgedrückt  nach 
Schwingungen:  ^'a"-*  3»  i^^ch  Saitenlängen:  ^'3:^/4,  und  man  erhielt  daher 
für  das  Ganztonintei vall  das  Verhältniss  von  8 : 9.  Da  man  nun  durch 
das  Gehör  fand,  dass  die  Quarte,  welcher  die  Griechen  von  allen  Conso- 
nanzen den  kleinsten  Umfang  zuschrieben,  aus  zwei  Ganztonintervallen 
und  einem  Halbtonintervali  bestand,  so  musste  natürlich  das  Halbton- 
intervall ein  Zahlenverhältniss  haben,  welches  aus  dem  Unterschiede  der 
Summe  zweier  Ganztöne,  also  ^/gX^  s»  und  der  Quarte  selbst,  d.  h.  */3, 
hervorging.  Dieser  Unterschied  ^'/ei:*  3  ergab  das  Verhältniss  von  243: 
256,  und  die  ganze  Reihe:  Halbton,  Ganzton,  Ganzton,  z.'Q.hcde  oder 
e  f  g  a,  deren  Verhältnisse  waren:  243:256,  8:9,  8:9,  nannte  man  ein 
Tetrachord,  welches  genau  den  Umfang  der  Consonanz  Quarte  inne- 
halten musste.     Für    dasselbe  bildeten  die  eben  angegebenen  Zahlen- 


*)  Ausführlich    habe    ich    mich  über  die   griechische   Klanglehre   in  meiner  Schrift 
„Die  absolute  Harmonik  der  Griechen",  ausgesprochen. 


17 


Verhältnisse  (las  sogenannte  diatonisch-ditonische  Klanggeschlecht,  das 
man  als  Grundgeschlecht  ansah,  hingegen  andere  durch  Speculation  ge- 
wonnene Stimmungen  Abarten  darstellten  *).  Die  alten  Saiteninstrumente 
der  Griechen,  welche  als  Grund  für  die  spätere  Entwickelung  des  Claviers 
anzusehen  sind,  waren  zumeist  in  diesen  Verhältnissen  gestimmt,  und 
ihre  Monochordberechnung  lässt  einen  interessanten  Vergleich  mit  der 
Tonmessung  für  die  Construction  unserer  Saiteninstrumente  ziehen.  Jene 
Abarten  oder  Abweichungen  in  der  Stimmung  von  dem  Grundgeschlechte 
nannten  die  Griechen  Klangfärbungen,  deren  Charakter  im  Bau  ihrer 
Tonarten  eine  grosse  Rolle  spielte .  Merkwürdig  bleibt  die  Thatsache 
dass  das  Verhältniss  der  grossen  Terz  4:5,  welches  dem  Archjtas  (4.  Jahrh. 
V.  Chr.)  und  Bklymus  (um  Christi  Geburt)  bekannt  gewesen  ist,  und  das 
sogenannte  „angespannte  diatonische"  Geschlecht  des  Claudius  Piole- 
mceus  in  den  Verhältnissen  15:16,  8:9  und  9:10,  das  also  ganz  der 
modernen  Anschauung  entspricht,  nicht  eher  als  im  16.  Jahrhundert 
durch  Zarlino  zur  vollen  Geltung  gebracht  wurden,  wo  man  dann  auch 
die  o-rosse  Terz  den  Consonanzen  zugesellte  und  vom  musikalischen 
Durdreiklang  bei  allen  theoretischen  Auseinandersetzungen  auszugehen  an- 
fing. Denselben  finden  wir  schon  unter  den  Obertönen  im  4.,  5.  und  6.  Par- 
tialton ,  wie  es  die  früheren  Entwckelungen  erkennen  liessen.  Durch  die 
Experimente  an   der  Sirene  von  Seeheck,  Cagniard  la  Tour,  Bove,  von 


*)  Der  Vollständigkeit  halber  bemerken  wir  hier  die  griechischen  KlanggescHechter, 
weil  sie  zum  Verständniss  für  die  Stimmung  griechischer  Instrumente  von  Wichtig- 
keit sind: 

ienharmonisches  Geschlecht 
chromatisches  Geschlecht 
diatonisches  Geschlecht    . 
ienharmonisches  Geschlecht 
chromatisches  Geschlecht 
diatonisches  Geschlecht   . 
ienharmonisches  Geschlecht 
chromatisches  Geschlecht 
diatonisches  Geschlecht  . 
( enharmonisches  Geschlecht  .     .     .     .  =  ^Y" 
weich  chromatisches  Geschlecht    .     .  =  "^^j-n 


Ptolemaeus 


angespannt  chromatisches  Geschlecht  =  ^"^j^x  X  'Vii  X  Ve  =  *lz 


weich  diatonisches  Geschlecht 
tonisches  Geschlecht    .     .     . 
ditonisches  Geschlecht     .     . 
angespanntes  Geschlecht 
gleiches  Geschlecht     .     .     . 


=    2«/27  X 

=    =^72.  X 

=    ^727  X 

=    ^739  X 

=  =^719  X 

=  "72,3X 

=  ^2/3.  X 

=  >7i5  X 

=  '7.5  X 


'^'35  X  74  =  73 

^722,  X  ^727  =73 

77  X  78  =  73 
=»738  X  '7.5  =  73 
'7.8  X    75    =    ^'3 

78  X  78  =  73 
^'/30  X  74  =  V3 
"/2-.  X    75    =    ^'3 

'79  X    78    =    73 


X  'V23  X  74  =  73 

X     '7l4    X    75     =   73 


=  2'/2o  X    '"/g    X  77  =  Va 

=  '%  X   77   X  78  =  73 

=  "<'/2.'.3X      78      X    78     =    73 

=  '7-5  X  78  X  '7o  =  73 

=     '%    X     "/.O    X  '79    =    73 

2 


18 

denen  der  Letztere  die  vollkommenste  Art  dieses  Instrumentes,  nämlich 
die  mehrstimmige  Sirene,  herstellte,  wird  nun  auch  deutlich  das 
Verhältniss  des  Durdreiklangs  4:5:6  als  das  richtige  erwiesen,  und  aus 
diesem  können  wir  das  für  unsern  Zweck  noth wendige  Dursystem  mit 
Leichtigkeit  ableiten.  AYenn  wir  die  grosse  Terz  eines  Dreiklangs  mit 
einem  kleinen  Buchstaben,  den  Grundton  und  die  Quint  aber  mit  grossen 
Buchstaben  bezeichnen,  gleichwie  es  M.  Hanjjtmann  in  seiner  Natur  der 
Harmonik  und  der  Metrik  zuerst  gethan  und  nach  ihm  Heimholte  in  sei- 
ner Lehre  von  den  Tonempfindungen  acceptirt  hat,  so  können  wir  den 
Dreiklans: 


i 


^ 


4:5:6 

in  dieser  Form  darstellen:  C — e—G;  an  dem  Quinttone  G  bildet  sich  ein 

4:5:6 

Dreiklanor  gleicher  Gestalt:  G—h—B,  und  an  dem  Grundtone  C  nach 

.  .  4    :    5    :    6  _ 

abwärts  ebenfalls  ein  solcher  von  gleicher  Form:  F — a —  G.  Diese  drei  Drei- 

4:5:6 

klänge  -F— a — C — e—G — h—B  in  Noten  ausgedrückt: 

4:5:6  4:5:6 


^ 


enthalten  in  ihrer  Verbindung  die  wesenthchen  Momente  der  C  dur- 
Tonart,  in  welcher  man  G—e — G  den  Grundaccord,  G — h — D  den 
Oberdominantdreiklang,  F — a — G  den  ünterdominantdreiklang  nennt. 

Mit  Anwendung  des  in  jeder  Stimmung  unveränderlich  bleibenden 
Octavverhältnisses  gewinnen  wir  aus  jener  Accordkette  die  diatonische 
Durtonleiter  mit  ihren  Verhältnissen  von  Ton  zu  Ton.  Denn  wenn  wir 
auf  G  als  den  Ausgangspunkt  des  ganzen  Systems  alle  Töne  beziehen,  so  er- 
halten wir  den  zw^eiten  Ton  der  Scala  durch  die  Versetzung  desi)  in  die 
nächst  tiefere  Octave.  G  ist  von  C  ^/^  =  a/^  und  B  von  G  ebenfalls 
3/2,  von  C  also  ^2X^/2  =  ^/4;  dies  in  die  nächst  tiefere  Octave  versetzt, 
giebt  i/2XV4=®/8-  (^'D  ist  daher  gleich  8:9.  Der  zweite  Ton  der 
Durscala  macht  mithin  in  derselben  Zeit  9  Schwingungen,  während  der 
Grundton  8  macht,  oder  umgekehrt  wird  auf  dem  Monochord  die  Saite 
B  nur  89  der  Länge  von  der  Saite  G  haben,  e  als  dritter  Ton  der 
Leiter  ist  bereits  als  ^[^  von  G  gegeben.  F  in  die  höhere  .Octave  versetzt, 
nämlich  2  X  * /g  =  2  X  2/3  =  4/3,  giebt  den  vierten  Ton  oder  die  Quarte; 


19 

G^^j^  als  fünfter  Ton  oder  Quinte  ist  gegeben;  a  in  die  höhere  Octave 
versetzt,  also  2  X  ^/g  =  i^'/g  =  ^3,  bildet  den  sechsten  Ton  oder  die  grosse 
Sexte;  h  =  ^^  4  X  ^4  =^  2  X  ^4  =  *^8  ist  der  siebente  Ton  der  Scala  oder 
die  grosse  Septime,  welche  zur  Octave  des  Grundtones,  nämlich  zu  c  =  2, 
den  Leitton  bildet.  Wenn  also  die  Octave  C—c  gegeben  ist,  so  haben  die 
Töne  der  Scala  auf  den  Grundton  bezogen  folgendes  Schwingungsverhält- 
niss:  C,  D,  e,  F,  G,  a,  h,  c  (die  Saitenlängen  würden  natürlich  die  umge- 

1      %     5/4     */3     '/2     ^;'3    '^/8    2  ^  _ 

kehrten  Brüche  zeigen),  woraus  die  Differenz  der  einzelnen  Tonstufen  von 
selbst  hervorgeht,  z.  B.  giebt  das  Intervall  D — e  den  Unterschied  von®/« 

und5/4=9/8:^4  =  *0/3(,  =  *<^/9,  odere-F=5/^:*/3=%5  "•  s.  w.  Die 
ganze  Seal  stellt  sich  daher,  wenn  wir  über  die  Tonbezeichnungen  die 
Verhältnissae  zum  Grundton  und  unter  dieselben  die  Differenzen  der  neben 
einander  liegenden  Intervalle  durch  Zahlen  ausdrücken,  unseren  Augen 
so  dar: 

1  9/.  5/4  </3  %  5/3  15/^  2 

C,      D,      e,      F,       G,      a,      h,      c 

Wollten  wir  nun  das  Verhältniss  eines  griechischen  Tetrachordes 
mit  Beibehaltung  der  Hauptmann'schen  Buchstabenbezeichnungen,  z.  B. 
€,  F,  G,  a,  welchem  im  Grundgeschlecht  folgende  Verhältnisse  zukommen: 

1      ^%«         «/h        %  .  .  .  ,  . 

€,  F,  G,  a,  mit  unserem  Tonartverhältniss  vergleichen,  so  würden  wir 
zwischen  unserm  Halbton  15:16  und  dem  griechischen  243:256  die 
Differenz  *6/i5 : ^^^,243  =  ^Vso  finden  und  daraus  erkennen ,  dass  unser 
Halbtonverhältniss  der  Berechnung  nach  ein  wenig  grösser  sei,  als  das 
von  den  Griechen  und  im  Mittelalter  bis  zum  16.  Jahrhundert  n.  Chr. 
gebrauchte,  während  unser  sogenannter  kleiner  Ganzton  zwischen  D  und 
€  oder  G  und  a  um  dasselbe  Verhältniss  80 :  81  kleiner  ist,  als  der  grosse 
Ganzton  8 : 9,  den  die  Griechen  im  Grundgeschlechte  allein  anwandten. 
Wenn  die  Griechen  einem  Saiteninstrumente  die  Stimmung  von  C  dur, 
welche  Tonart  sie  das  lydische  Diapason  nannten,  gegeben  hatten,  so 
mussten  ihrer  Monochordberechnung  zufolge  die  Töne  e,  a  und  h  etwas 
höher  erklingen,  als  es  bei  uns  in  der  natürlichen  Stimmung  der  Fall  ist, 
und  zwar  haben  diese  Töne  eine  um  dieselbe  Differenz  höhere  Stim- 
mung, als  welche  nach  moderner  Anschauung  zwischen  der  vierten  Ober- 
quint  vom  Grundton  aus  gerechnet  und  der  grossen  Terz  desselben  be- 
steht. Zählen  wir  z.B.  vom  grossen  CvierQuinten  nach  oben  ab  nämlich: 

C —  G — d — a — e', 


20 

80  ist  das  eingestrichene  e'  die  vierte  Quint  vom  grossen  C,  welche  zu 
diesem  im .  Verhältniss  von  (3/2)*i=  ^Vie  steht;  versetzen  wir  die  Terz 
des  grossen  C,  also  ^/4,  in  die  Octave  der  vierten  Quint  =  2x2x5/4  = 
2oy^  =  8o/jg,  so  sehen  wir,  dass  sich  die  Terz  zur  vierten  Quint  wie  80:81 
verhält,  mithin  erstere  etwas  tiefer  ist  als  letztere. 

Um  dasselbe  Verhältniss  diiFerirt  aus  ebendemselben  Grunde  der 
zweite  Ton  in  der  G  dur  Scala  mit  dem  sechsten  Tone  in  der  C  dur  Scala;  es 
ist  das  a  in  C  dur  dem  musikalischen  Begriffe  nach  ein  anderer  Klang, 
als  der  zweite  Ton  in  der  G  dur  Scala,  den  wir  mit  A  bezeichnen  wollen, 
obgleich  wir  für  beide  auf  dem  Claviere  nur  ein  einziges  Saitenchor,  nur 
eine  einzige  Taste  haben.  Noch  grössere  Unterschiede  finden  statt  zwi- 
schen Cis  und  Des,  Eis  und  F  u.  s.  w.,  deren  Vermittelung  auf  den 
Tasteninstrumenten  weiter  unten  besprochen  ist  *). 


*)    Chladni  giebt  in   seiner  Akustik  für  das  moderne   Tonsystem   folgende  Tabelle 
(Seite  27): 


% 
"/18 


1)  Einklang  c  :  c 

2)  Der  kleine  halbe  Ton  c :  cis  (wird  bisweilen  auch 

die  übermässige  Prime  genannt) 

3)  Die  kleine  Secunde  c :  des 

4)  Die  grosse  Secunde  c:  d 

5)  Die  verminderte  Terz  c  :  eses  oder  cis  :  es   .     .     . 

6)  Die  übermässige  Secunde  c:  dis 

oder 

7)  Die  kleine  Terz  c  :  es  .     .     .     .     .  • 

8)  Die  grosse  Terz  c  :  e 

9)  Die  verminderte  Quarte  c  :  fes 

10)  Die  vollkommene  Quarte  c :/ 

11)  Die  übermässige  Quarte  c  -.ßs 

12)  Die  verminderte  Quinte  c :  ges 

13)  Die  vollkommene  (reine)  Quinte  c:  g      .... 

14)  Die  übermässige  Quinte  c :  gis 

15)  Die  kleine  Sexte  c :  as 

16)  Die  grosse  Sexte  c:  a       

17)  Die  verminderte  Septime  c  :  bb  oder  cis :  b      .     . 

oder  auch 

18)  Die  übermässige  Sexte  c:  ais 

19)  Die  kleine  Septime  c:  b 

oder 

20)  Die  grosse  Septime  c:h . 

21)  Die  verminderte  Octave  c :  ces' 

22)  Die  vollkommene  Octave  c:  c' .' 

Welcher  von  Gontershausen,  welcher  diese  Tabelle  unverändert  abdruckt,  wie  er 
überhaupt  in  der  Akustik  fast  nur  Chladni  benutzt,  scheint  den  groben  Fehler  unter  2) 
nicht  bemerkt  zu  haben.  Da  derselbe  aus  Chladni  leider  auch  in  manche  Lehrbücher 
der  Physik  übergegangen  ist,  so  wollen  wir  denselben  hiermit  berichtigen.  Von  C  aus- 
gehend kann  Cis  zu  C  niemals  im  Verhältniss  von  25:24  stehen;  das  Verhältniss  würde 


Verhältnisse  der 
Schwingungen 

1 


1,04162/3 
1,06662/3 

1,111179 
/i25  1,152 

'108 1,15742/2, 

1,17183/4 
1,2 
1,25 
1,28 

1,3333V3 
1,38888/9 
1,44 
|1,5 
1,5625 
1,6 

1,66662/3 
1,70662,3 
1,728 
1,7361V9 
1.777779 
1,8 
1,875 
1,92 
2 


Verhältnisse  der 
Saitenlängen 

~l"\        1 


0,96 

0,9375 

0,9 

'■27„4 ,0,86805/» 
'°«/,25  0,864 

0,853373 

0,833373 

0,8 

0,781272 

0,75 

0,72 

0,6944V9. 

0,66662/3 

0,64 

0,625 

0,6 

0,58593/8 
'"/216  0,578772r 
'V125  i0,576 
Vie      0,5625 
/9       ;  0,5555V 
/i5     10,533379 
25/48    !  0,5208' '3 

V2    :o,5 


"/2 


25/ 
/32 

'V25 

•725 

^8 


21 

Man  kann  sich  den  Uml^ing  des  Tonrcichcs  nach  der  Höhe  und 
Tiefe  unendUch  gross  denken;  die  Beschaffenheit  unseres  Gehörorgans, 
sowie  das  Material  der  Saiten  bedingen  aber  ein  gewisses  Maass,  welches 
auf  Ciavierinstrumenten  in  der  Höhe  gewöhnlich  über  das  viergestrichene 
a*'"  und  in  der  Tiefe  über  das  zweiunddreissigfüssige  A„  nicht  hinaus- 
geht, mithin  einen  Umfang  von  sieben  vollen  Octaven  repräsentirt ,  ob- 
schon  die  überhaupt  wahrnehmbaren  Töne  in  einem  Klangbereiche  von 
elf  Octaven  liegen. 

Von  der  deutschen  Naturforscherversammlung  ist  im  Jahre  183^ 
die  für  die  Tonhöhe  der  musikalischen  Scala  von  Scheihler  gegebene 
Bestimmuno;  festg-ehalten  worden,  dass  das  eingestrichene  a'  in  der  Se- 
cunde  440  Schwingungen  zu  machen  habe,  während  die  Pariser  Akademie 
für  denselben  Ton  437,5  Schwingungen  annimmt.  Wir  halten  das  deutsche 
Maass  fest  und  geben  nach  den  bereits  erklärten  Verhältnissen  der  Scala 
€ine  Tabelle  von  A,,  bis  zu  «"": 


27.5 

30  9375 

33 

1^, 
37,125 

E, 
41,25 

F. 

44 

G,  1 
49,5 

A, 

55 

H, 
61,875 

C 
66 

D 
74,25 

E 

82,5 

F 

88 

ö  1 
99 

A 

110 

H 
123,75 

c 
132 

d 
148,5 

.  e 
165 

f 
176 

198 

220 

h 
247,5 

c' 
264 

d' 
297 

330 

f 
352 

39  i3 

-  a' 
440 
a" 
880 

h' 
495 

c" 
528 

d" 
594 

660 

f" 
704 

792 

h" 
990 

c'" 
1056 

d'" 
1188 

e"' 
1320 

1408 

1584 

a'" 
1760 

h'" 
1980 

2112 

d"" 
2376 

e"" 
2640 

f"" 
2816 

3168 

a"" 
3520 

fius  welcher  man  sogleich  das  Schwingungsverhältniss  für  alle  Octaven 
der  diatonischen  Scala  erkennen  kann.  Für  die  chromatische  Scala  er- 
geben sich  die  Verhältnisse,  wenn  man  die  hierzu  nöthigen  Zahlenbe- 
stimmungen in  Anwendung  bringt.  Wenn  z.  B.  das  grosse  Ganzton-In- 
tervall C— Z)  =  8:9  gegeben  ist,  in  welchem  G  66  und  D  74,25  Schwin- 
o-uno-en  macht,  so  nimmt  man  entweder  G  als  Leitton,  um  Des  zu  finden, 
oder  I)  als  Grundton,  um  zu  diesem  den  Leitton  Gis  zu  erhalten.     Im 


richtig  sein,  wenn  wir  von  A  ausgehen  wollten;  denn  dann  wäre  Cis  die  grosse  und  C 
die  kleine  Terz  von  A,  mithin  C:  Cjs= 6/6:^4  =  24: 25.  Von  C  ausgehend  ist  aber  Cis 
der  chromatische  Ton  von  C,  welcher  zu  D  den  Leitton  bildet,  zu  letzterem  also  im 
Verhältniss  von  15:16  steht,  mithin  von  C  "s/j^g  sein  rauss.  CiCis  verhält  sich  also  in 
diesem  Sinne  =128:135. 


22 

ersteren  "Falle  Ist  C — Des  eine  diatonische  und  Des — D  eine  chromatische 
Stufe,  im  letzteren  Falle  ist  C —  Cis  chromatisch  und  Cis — D  diatonisch. 
Der  diatonische  Halbton  ist  stets  nur  im  Verhältniss  von  15: 16  denkbar, 
Des  ist  also  von  C  ^^ji^;   mithin  macht,  wenn  dem  C  66  Schwingungen 
zukommen.  Des  ^^15  X  66  =  70,4  Schwingungen,  und  zwischen  Des  und 
D  besteht  dann  das  chromatische  Verhältniss  von  128:  135,  dessen  Rich- 
tigkeit hier  leicht  dadurch  bewiesen  wird,  dass  man  70,4  mit  *^Vi28  naul- 
tiplicirt,  durch  welche  Rechnung  in  der  That  das  richtige  Schwlngungs- 
verhältniss  für  D  =  74,25  gefunden  wird.  Cis  steht  nun  zu  Cm  demselben 
Verhältniss  wie  D  zu  Des;  wollen  wir  also  Cis  finden,  so  haben  wir  die 
Schwingungszahl  von  (7  ^  66  mit  *'^/i28  zu  multipliciren,  woraus  für  Cis 
die  Schwingungszahl  69,609375  hervorgeht.     Da  Cis  als  Leitton  von  D 
zu  diesem  das  Verhältniss  von  15:16  hat,  so  ergiebt  die  Multiplication 
von  1^/15  mit  69,609375  die  Schwingungszahl  von  D=  74,25.  Wollen  wir 
nun  die  chromatischen  Stufen  zwischen  dem  kleinen  Ganzton,  z.  B.  zwi- 
schen D — -Ersuchen,  welcher  das  Zahlen  verhältniss  9:10  besitzt,  so  be- 
trachten wir  wiederum  entweder  D  als  Leitton,  welchem  der  Ton  Es 
folgen  muss",  zu  dem  E  Im  chromatischen  Verhältnisse  steht,  oder  wir 
sehen  E  als  den  Auflösungston  an,  dem  Dis  als  Leitton  vorausgeht,  in 
welchem  Falle  D :  Dis  dasselbe  Verhältniss  hat,  wie  vorher  Es :  E,  und 
zwar  Ist  dieses  chromatische  Verhältniss  D:Dis  und  Es:E  durch  die 
Zahlen  24 :  25  auszudrücken.  Dis  finden  wir  also,  wenn  wir  entweder  die 
Schwingungszahl  von  D  mit  2^/24»  oder  diejenige  von  E  mit  ^^/jg  multi- 
pliciren; Es  finden  wir,  wenn  wir  entweder  die  Schwingungszahl  von  D 
mit  ^^/i5,  oder  die  von  JE"  mit  2*  g^  multipliciren. 


VL 

Beine  Stimmung  und  Temperatur. 

Aus  dem  Vorhergehenden  dürfte  die  Auffindung  chromatischer  Ton- 
stufen und  der  Unterschied,  welcher  z.  ß.  zwischen  Cis  und  Des,  Dis  und 
Es  besteht,  unzweideutig  hervorgehen.  Dieser  Unterschied  darf  aber  auf 
den  Tasteninstrumenten  nicht  zu  hören  sein,  weil  wir  ja  z.  B.  für  Cis  und 
Des,  Dis  und  Es  u.  s.  w.  nur  ein  Saitenchor,  nur  eine  Taste  zur  Be- 


23 

nutzung  haben.  Es  muss  also  eine  Vermittelung  derartiger  Differenzen 
bewerkstelligt  werden,  deren  Herstellung  durch  die  sogenannte  „gleich- 
schwebende Temperatur"  geschieht,  die  zu  der  reinen  Stimmung, 
in  welcher  jene  Unterschiede  festgehalten  werden,  im  Gegensatze  steht. 
Wollten  wir  die  reine  Stimmung  bei  den  Tasteninstrumenten  anwen- 
den, so  würden  wir  zur  Herstellung  aller  Unterschiede  weit  mehr  Tasten 
nöthig  haben,  als  jetzt  in  der  Praxis  gebräuchhch  sind,  und. durch  die 
Vermehrung  der  Tastatur  die  Handhabung  der  Instrumente  ausseror- 
dentlich erschweren.  Z.  B.  würden  die  Tone  c,  Ms,  desdes  drei  verschie- 
dene Tasten  erfordern,  während  wir  für  alle  drei  Klänge,  welche  dem 
BegrifFe  nach  ganz  von  einander  getrennt  sind,  nur  eine  Taste  besitzen. 

Es  ist  also  ausser  jener  auszugleichenden  Differenz  zwischen  der 
Terz  eines  Grundtones  und  dessen  vierter  Quint  noch  die  sogenannte 
„enharmonische",  wie  sie  z.  B.  zwischen  Ms  und  c  vorkommt,  zu  ver- 
mitteln. Diese  Differenz  kann  aus  der  Terzprogression  als  C — His  zu- 
sammentreten, z.B.  C — JE—  Gis — His,  oder  als  C—Uis  aus  der  Quintreihe 
C—  G—D—Ä—E—H—Fis—  Cis—  Gis—Dis—Äis—Eis—His,\md  wird 
nach  der  verschiedenen  Entstehungsart  auch  in  den  Verhältnissen  ver- 
ßchieden  resultiren.  Es  führt  aber  jede  Art  solcher  Progressionen  so  weit 
vom  Ausgangstone  hinweg,  dass  es  ausser  allem  musikalischen  Interesse 
liegt,  die  Differenzen  dieser  Differenzen  namhaft  zu  machen.  An  einen 
inneren  Einklang  ist  dabei  nicht  zu  denken,  wie  nahe  die  Töne  auch 
äusserlich  zusammenkommen  möchten*). 

Für  das  beste  und  praktischste  Stimmverfahren  zur  Vermittelung  der 
Unterschiede  halten  wir  das  von  M.  Hauptmann  angegebene,  welches 
wir  durch  Notenbeispiele  weiter  ausführen. 

Ein  Ciavier  temperirt  zu  stimmen,  wird  man  von  einem  Tone  aus- 
gehend m  Quinten  fortstimmen  bis  zur  vierten  und  diese  vierte  Quint 
als  Terz  zum  Dreiklang  in  das  erste  Quintintervall  brauchbar  zu  erhalten 
suchen.     Das  Verfahren  hierbei,  um  nicht  in  höher  liegende  Octaven  zu 


*)  Moritz  Hauptmann,  „Temperatur"  S.  32.  —  Chladni  hat  für  die  Temperatur  alle 
Formeln  beigebracht,  welche  vor  und  zu  seiner  Zeit  bereits  aufgefunden  worden  waren. 
Es  findet  sich  aber  in  allen  diesen  Berechnungen  so  viel  Unnöthiges  und  Zweckloses, 
dass  wir  es  vorgezogen  haben,  die  Hauptmann'sche  Abhandlung  „Temperatur"  zu  Grunde 
zu  legen,  in  welcher  zwar  selbstverständlich  keine  neue  Formel  erklärt  ist,  die  sich  aber 
durch  ihre  Darstellung  des  Wesentlichsten  vor  der  Masse  anderer  Abhandlungen  über 
diesen  Gegenstand  vortheilhaft  auszeichnet. 


.24 

gerathen,  ist  so,  dass  man  zu  der  zweiten  Quint  die  tiefere  Octave  rein 
stimmt,  von  diesem  tieferen  Tone  sodann  die  dritte  und  vierte  Quint,  und 
die  tiefere  Octave  dieser  letzteren  in  das  erste  Quintintervall  versetzt, 
z.  B.  Ä  ^ 


Es  ist  offenbar,  dass  diese  Quinten  sämmtlich  etwas  tiefer  als  die  reine 
zu  halten  sind,  weil  die  aus  der  Dreizahl  resultirende  vierte  Quint 
C,  G,  D,  A,  E  ausserdem  gegen  die  Terz,  welche  aus  der  Fünfzahl  her- 

13         9      27      81 

vorgehend  1,  5,  10,  20,  40  nach  e  =  80  führt,  zu  hoch  und  für  diese  nicht 
anzuwenden  sein  würde.  Diese,  von  uns  bereits  oben  besprochene  Diffe- 
renz von  80:81  ist  in  die  vier  Quinten  so  zu  vertheilen,  dass  keine  der- 
selben unerträglich  tief,  der  letzte  Quintton  aber  in  das  erste  Quintinter- 
vall als  Terz  nicht  unerträglich  hoch  gerathe.  Dass  auf  praktischem 
Wege  hier  eine  mathematisch  gleich  bestimmte  Vertheilung  nicht  zu 
verlangen  ist,  wie  sie  nicht  nachzuweisen  sein  würde,  leuchtet  ein. 

Nach  dieser  ersten  Terzbestimmung  ist  auf  gleiche  Weise  fortzu- 
fahren. Der  fünfte  Quintton  wird  in  das  zweite  Quintintervall,  der  sechste 
in  das  dritte  den  Terzton  abgeben  müssen,  bis  sich  der  Zirkel  schliessen 
lässt.  Nachfolgende  Tabelle,  in  welcher  wir  vom  kleinen  a,  der  Oötave 
des  eingestrichenen  «',  ausgehen,  weil  die  meisten  Stimmgabeln  auf 
a'  gestimmt  und  die  mittleren  Tonregionen  dem  Gehöre  am  fasslich- 
sten sind,  wird  das  Verfahren  hinreichend  erklären,  nach  dessen  prakti- 
scher Ausführung  nur  die  Stimmung  der  Octaven  von  jedem  einzelnen 
Tone  übrig  bleibt;  denn  die  Octave  ist  nicht  zu  temi^eriren,  sie  ist  das 
sich  selbst  Gleiche,  oder  wie  Hatq)tmmin  sagt:  „Die  Octav,  das  Intervall, 
in  welchem  die  Hälfte  eines  klingenden  Quantums  sich  gegen  das  Ganze 
des  Grundtones  hören  lässt,  ist  in  akustischer  Bestimmung  der  Ausdruck 
für  den  Begriff  der  Identität,  der  Einheit  und  Gleichheit  mit  sich  selbst. 
Es  bestimmt  die  Hälfte  das  mit  sich  Gleiche  als  andere  Hälfte." 


25 


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68 


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In  früherer  Zeit  hat  man  auch  wohl  andere  Temperaturen  als  die 
„gleichschwebende"  anzuwenden  und  dabei  die  Charakteristik  der  Ton- 
arten geltend  zu  machen  versucht,  wobei  die  damals  weniger  gebräuch- 
lichen Tonarten,  namentlich  die  mit  den  meisten  Kreuzen  versehenen, 
zu  kurz  kamen  und  ihnen  die  aus  der  Stimmung  hervorgegangenen 
Unreinheiten  aufgebürdet  werden  sollten. 

„Wie  wenig  das  aber  überhaupt  pratkisch,  wie  theoretisch  zu  er- 
langen ist,  lässt  sich  leicht  begreifen,  wenn  man  bedenkt,  dass  die  Terz 
des  ersten  Dreiklangs,  wenn  sie  erträglich  rein,  d.  h.  nicht  zu  sehr  ge- 


26 

schärft  hervorgehen  soll,  schon  vier  temperirte  Quinten  erfordert,  dass 
also  von  grösserer  Reinheit  oder  gar  von  absoluter  Reinheit  dieser  näch- 
sten Quinten,  wie  die  sogenannte  Kirnberger'sche  sie  verheisst,  gar  nicht 
die  Rede  sein  kann,  indem  diese  nächsten  Quinten  direct  auf  die  Terz 
des  ersten  Dreiklangs  influiren." 

Dass  Bach  bei  der  Composition  seines  „wohltemperirten  Claviers" 
nur  die  gleichschwebende  Temperatur  im  Sinne  gehabt  haben  kann, 
bezeichnet  sein  historisch  beglaubigtes  Verfahren,  manche  der  Präludien 
und  Fugen  aus  ihren  ursprünglich  zu  Grunde  gelegten  Tonarten  in 
andere  zu  transponiren,  in  welcher  späteren  Gestalt  sie  in  jene  erwähnte 
Sammlung  übergegangen  sind.  Und  gewiss  ist  auch  die  gleichschwebende 
Temperatur  ein  ganz  erträghches  Uebel,  wie  w^r  es  tagtäglich  an  aller 
Ciavier-  und  Orgelmusik  erfahren;  ja  möchte  es  nur  Stimmer  geben 
welche  wirklich  im  Stande  wären,  ein  Instrument  genau  nach  der  gleich- 
schwebenden Temperatur  zu  stimmen,  wir  würden  dann  sicherlich  er- 
kennen, dass  unsere  Ohren  jetzt  an  weit  grössere  Verstimmungsübel 
gewöhnt  sind,  als  sie  uns  durch  jene  „methodische  Verstimmung"  vor- 
geführt werden  können.  In  der  That  nähert  sich  die  gleichschwebende 
Temperatur  weit  mehr  der  reinen  Stimmung,  als  die  Stimmung  so 
mancher  Flügel,  die  wir  in  Concerten  doch  immerhin  noch  erträglich 
finden. 

Wenn  nun  auch  fast  in  jedem  physikalischen  Lehr  buche  die  Berech- 
nung der  gleichschwebenden  Temperatur  angegeben  ist,  so  dürfte  doch 
der  Nachweis  für  obige  Behauptung,  wie  ihn  Morits  Hauptmann  in  klar- 
ster Darlegung  gegeben  hat,  nicht  uninteressant  sein,  weshalb  wir  den- 
selben hier  folgen  lassen. 

„Es  ist  zwischen  dem  Octavverhältniss,  das  wir  nach  Schwingungs- 
zahl mit  C:c  ausdrücken,  eine  Reihe  von  elf  Gliedern  zu  finden,  die  in 

1  ;  2 
geometrisch  gleichem  Verhältniss  zu  einander  stehen,  so   dass   von  den 

Tönen  ,  die  durch  die  Grössen  dieser  Zwischenglieder  bestimmt  werden, 
jeder  gleich  weiten  Abstand  von  seinen  Nachbartönen  erhält.  Der  all- 
gemeine Ausdruck  für  die  Reihe  ist,  wenn  wir  das  erste  Glied  mit  a,  die 
Anzahl  der  Glieder  mit  n,  das  letzte  Glied  mit  s  und  das  multiplicirende 
Progressionsquantum  mit  x  bezeichnen:  a,  ax,  ax^,  ax^ z.    Der 

Werth  für  x  ergiebt  sich  aus  dem  letzten  Gliede,  als:  x=\l-'  Die  obige 


27 

Reihe  ist  aber,  da  uns  das  erste  Glied  als  1,  das  letzte  Glied  als  2,  die 
Anzahl  der  Glieder  als  13  bekannt  sind; 

13—1  13-1  13-1  13—1 

oder  1,  \^2,    V^%    V^2"3 V's^ 

ebenso  1,  2'/i2,  2'/»2,  2^.'i2   .     .     .    o     .     .    .    2^''.2 
und  in  der  Anwendung  auf  die  temperirt  chromatisch -enharmonische 

Tonleiter: 

1  =  C  2'/i2  =  g 

2'/i2  =  eis  =^  des  2'/i2  =  gis  =  as 

2^/12  =  d  2'/i2  =  rt 

2^/12  =  dis  =  es  2'°/i2  =  als  =  5 

2^/i2  =  e  2"/i2  =  h 

2^12  =  /"  2'"i2  =  c 

2®/i2  =^  ßs  =^  ges 
„Dass  diese  Töne,  von  denen  hier  nur  die  nächsten  Doppelbedeutun- 
gen angegeben  sind,  auch  jede  andere,  die  auf  denselben  Clavis  fällt, 
erhalten  können,  ist  selbstverständlich.       So  z.  B.    C  =  Ms  =  desdes, 
F  =  eis  =  gcsges  u.  s.  w. 

„Wenn  wir  nach  den  Gliedern  dieser  Reihe  ein  Quint-  und  ein  Terz- 
verhältniss  untersuchen,  so  wissen  wir,  dass  alle  übrigen  Quinten  und 
Terzen  diesen  ganz  gleich  sind.  Jedes  einzelne  Intervall  hat  die  Grösse 
aller  übrigen  gleichnamigen.  Der  Dreiklang  C—e — G  ist  verhältniss- 
gleich dem  Dreiklang  Cis—eis—Gis,  gleich  dem  Dreiklang  B—fis—A 
u.  s.  f.   In  einem  C  dur  Dreiklang  setzen  wir  nach  dem  Schwingungszahl- 

verhältniss: 

C  =  1,000 

G  =  1,500  (3/2  X  1,000) 

e    =  1,250  e/4  X  1,000). 

„Das  temperirte   G  finden  wir  in  der  Reihe  der  gleichschwebenden 

Temperatur  bestimmt  als:2''i2,  nach  dem  Vorstehenden  also  mit  2,000'/i2 

auszudrücken.     Es  ist  aber 

Log.  2,000  =  0,3010300  X  V12  =  0,1756008  =  Log.   1,498     . 

Das  reine  G  =  1,500 

Das  temperirte  G  =^  1,498 

Differenz  =  0,002 


„Letzteres  hat  zwei  Schwingungen  weniger,  ist  mithin  tiefer  als  das 
reine.  Das  temperirte  e  finden  wir  in  der  Reihe  unter  dem  Ausdruck 
2*/i2  (=  2^'3),  mit  den  Decimalstellen  ist  es  demnach  2,000\ 

Log.  2,000  =  0,3010300  X  1/3  =  0,1003133  =  Log.  1,259*). 
Das  temperirte  e  =^  1.259 
Das  reine  e  =  1,250 

Differenz  =  0,009 
„Das  temperirte  e  hat  neun  Schwingungen  mehr,  ist  mithin  höher 
als  das  reine,  und  zwar  wird  die  Terz  durch  die  Temperatur  in  einem 
bedeutenderen  Grade  erhöht,  als  die  Quint  durch  dieselbe  vertieft  wird. 
Diese  differirt  in  der  dritten  Decimalstelle  um  zwei,  die  Terz  um  neun. 
„Nach  demselben  Verfahren  finden  wir 
fis    rein  =  1,406 
ges  rein  =  1,423 
Der  temperirte  Ton  (2,000"^)  ist  für  Beides  1,414 
f\s  temperirt  =  1,414 
fiS  rein  =  1,406 

Differenz  =  0,008 
Das  temperirte  um  acht  Schwingungen  höher. 
ges  rein  =  1,423 

ges  temperirt  =1,414 
Differenz  =  0,009 

„Es  scheint  nach  diesen  Ergebnissen,  als  ob  einige  Stufen  einen 
geringeren,  andere  einen  grösseren  Eintrag  an  Reinheit  durch  die  Tem- 
peratur erlitten,  wir  haben  aber  die  reinen  Intervalle  hier  nur  von  einem 
Punkte  aus,  nämlich  von  dem  als  Einheit  gesetzten  Caus  betrachtet,  und 
zwar  nur  in  der  einen  Geltung,  wie  sie  in  der  von  C  nach  der  Ober- 
und   Unterdominantseite  ausgehenden   Progression    zuerst   vorkommen: 


*)  Die  Werthe  der  gleichschwebenden  Temperatur  mit  Logarithmen  berechnet  geben 
in  relativen  Schwingungsverhältnissen: 
C  =  1,00000 

eis  oder  des  =  1,05946 
d  =  1,12246 

dis  oder  es     =   1,18920 
e  =  1,25992 

/  =  1,33484 

ßs  oder  ges   =  1,41421 


9 

= 

1,49830 

(fis 

oder 

as 

= 

1,58740 

a 

= 

1,68180 

ais 

oder 

b 

= 

1,78180 

h 

= 

1,88774 

c 

= 

2,00000 

29 

die  Töne  e,  fis,  ges  sind  hier  als  Terztöne,  e=  1,250,  fis=  1,406,  ges  = 
1,423  gesetzt;  es  sind  aber  noch  andere,  ja  es  sind  unendlich  viele  Gel- 
tungen für  einen  mit  demselben  Clavis  ausgedrückten  Ton  vorhanden, 
so  dass  die  Ausgleichung;  der  Verschiedenheit  aller  nahe  bei  einander 
liegenden  Tonstufen  durch  die  gleichschwebende  Temperatur  auch  eine 
gleichmässige  sein  wird.  Es  ist  aber,  wie  schon  bemerkt,  weder  von 
praktischem  noch  theoretischem  Interesse,  diesen  Differenzen  der  Diffe- 
renzen weiter  nachzugehen;  es  sollte  in  dem  hier  von  der  Temperatur 
und  ihrer  Berechnungsweise  Nachgewiesenen  nur  gezeigt  werden,  wie 
wenig  es  eben  die  reale  Abweichung  von  mathematischer  Reinheit  der 
Intervalle  ist,  die  man  durch  die  Temperatur  erhält,  was  diese  von 
unserer  Musik  in  theoretischer  Bedeutung  abweichen  lässt;  denn  ob  eine 
Quint  1,500  Schwingungen  zu  1000  des  Grundtones  macht  oder  1498, 
wird  ihrem  Verständniss  keinen  Eintrag  thun,  und  wir  werden  ganz  gut 
eine  solche  Quint  für  rein  halten  können."" 

Diese  kurze  Darstellung  ist  vom  Autor  noch  weiter  ausgeführt  und 
mit  polemischen  Erörterungen  gegen  die  vermeintliche  ungleichschwebende 
Temperatur  wissenschaftlich  interessant  ausgestattet;  es  bleibt  nur  zu 
bedauern,  dass  diese  Abhandlungen  „Klang"  und  „Temperatur"  nicht 
auch  selbständig  erschienen  smd,  weil  sie  in  Chrysander's  Jahrbüchern 
vielleicht  nicht  die  wünschenswerthe  Verbreitung  finden  dürften.  Wie 
nöthig  eine  solche  Verbreitung  ist,  sehen  wir  aus  dem  im  Jahre  1864  zu 
Frankfurt  am  Main  bei  H.  B.  Brönner  erschienenen  Werke:  „Der  Ciavier- 
bau in  seiner  Theorie,  Technik  und  Geschichte  unter  Hinweisung  seiner 
Beziehungen  zu  den  Gesetzen  der  Akustik",  bearbeitet  von  H.  Welcher 
von  Gontershausen,  in  welchem  wir  noch  das  umständlichste  Stimm- 
verfahren angegeben  und  die  für  dasselbe  ganz  unnöthigen  Explicationen 
über  das  pythagoreische  Komma  aus  Clüadni  beigebracht  finden,  wäh- 
rend die  akustischen  Resultate  des  Seidenfabrikanten  Scheibler  aus 
Crefeld  in  geringschätzender  Weise  ebendaselbst  erwähnt  sind.  Aller- 
dings hat  der  Scheibler'sche  Apparat,  welcher  aus  der  Construction  von 
dreizehn  Stimmgabeln  besteht,  die  genau  den  gleichschwebenden  Halb- 
tönen im  Umfange  einer  Octave  entsprechen,  jetzt  seinen  praktischen 
Nutzen  verloren,  weil  man  dabei  an  eine  ganz  bestimmte,  nicht  überall 
anwendbare  Tonhöhe  gebunden  ist.  Die  bezüglich  des  Scheibler'schen 
Systems  gemachte  Bemerkung  Welcher' s  von  Gontershausen,  dass  es  nun 


30 

eben  keine  Stimmer  gäbe,  „die  neben  der  Tonhöhe  auch  noch  das 
Husten  der  Mücken  hören  und  das  Gräslein  wachsen  sehen"  könnten,  zeigt 
aber  von  grosser  Voreingenommenheit  gegen  das  Scheibler'sche  System, 
das  nach  vorangegangenen  genauen  Untersuchungen  der  Pulse  verschie- 
den gestimmter  Stimmgabeln  aus  einem  Tonmesser  von  zweiundfünfzig 
Gabeln  von  a  bis  a'  bestand,  deren  Vibrationszablen  der  Verfertiger 
genau  kannte.  Zu  diesen  berechnete  er  Tabellen,  in  denen  nachgewiesen 
ist,  zu  welchem  Metronomgrade  jede  dieser  Gabeln  gegen  ihre  nächst 
höhere  vier  Pulse  hören  lässt.  Es  ist  dann,  um  zu  einer  temperirten 
Stufe,  welche  nach  Schwingungszahl  mit  keiner  der  Gabeln  vollkommen 
übereinstimmt,  die  Intonation  zu  finden,  nur  nöthig,  den  Pendelgrad  zu 
ermitteln,  bei  welchem  die  vier  Pulse  zwischen  der  nächst  tieferen  Gabel 
und  dem  gesuchten  Tone  eintreten*).  Der  Erfinder  muthet  aber  diese 
Berechnungen  dem  ausübenden  Stimmer  keineswegs  zu,  sie  sind  nur  zu 
Fertigung  der  chromatisch-enharmonisch-temperirten  Gabel  selbst  nöthig 
gewesen.     Von  diesen  Gabeln  waren   Sätze  zu  sechs  und  zu  dreizehn 


*)  Dr.  Joh.  Jos.  LoeJir  sagt  in  seiner  Schrift  „lieber  die  Scheibler'sche  Erfindung 
überhaupt  und  dessen  Pianoforte-  und  Orgel-Stimmung  insbesondere",  Crefeld  1836' 
Seite  30  Folgendes: 

„Die  Stimmung  des  Pianoforte  geschieht  am  besten  und  einfachsten  auf  folgende 
"Weise:  Man  stimme  nach  zwölf  Stimmgabeln,  welche  nach  §  16  gleichschwebend 
temperirt  sind,  nämlich  6,  h,^c',  eis',  d',  dis',  e',  f,  ßs',  g',  gis'  und  a\  die  gleichnami- 
gen Töne  des  zu  stimmenden  Instrumentes  möglichst  genau  unison  und  stimme  sodann 
weiter  in  Octaven;  —  oder  auch  noch  einfacher  und  fast  gleich  sicher:  Man  stimme 
bloss  nach  sechs  Gabeln  h,  eis',  dis',  f,  g'  und  a'  die  gleichnamig  n  Tasten  und  deren 
theils  auf-,  theils  absteigende  Octaven  h',  eis",  dis",  dis,  f,  g  und  a,  und  stimme  so- 
dann die  sechs  anderen  Scalatöne  b,  c',  d',  e',  ßs'  und  gis',  so,  dass  sie  als  aufsteigende 
und  absteigende  Quinten  gleich  rein  sind,  dass  also  b  als  aufsteigende  Quint  von  dis 
und  als  absteigende  Quint  von  ß,  e'  als  aufsteigende  Quint  von  /  und  als  absteigende 
Quint  von  g',  d'  als  aufsteigende  Quint  von  g  und  als  absteigende  Quint  von  a' ,  e'  als 
aufsteigende  Quint  von  a  und  als  absteigende  Quint  von  /(',  ßs'  als  aufsteigende  Quint 
von  h  und  als  absteigende  Quint  von  eis",  und  gis'  als  aufsteigende  Quint  von  eis'  und 
als  absteigende  Quint  von  dis"  gleich  rein  gestimmt  wird;  was  um  so  gewisser  richtig 
zu  vollbringen  ist,  als  man  dabei  nach  der  Regel  verfährt,  dass  alle  aufsteigenden 
Quinten  etwas  tiefer,  und  alle  absteigenden  etwas  höher  genommen  werden  müssen.  — 
Wer  sieht  nicht  auf  den  ersten  Blick,  dass  diese  Stimmweise  ausser  ihrer  Sicherheit  auch 
um  sehr  vieles  bequemer  ist,  als  die  sonst  übliche? 

Anmerkung.  Es  ist,  wie  sich  von  selbst  versteht,  die  obige  Stimmung  nur  dann 
anwendbar,  wenn  das  Instrument  die  Orchesterstimmung  a'  =  880  Vibrationen  (d.  h. 
880  einfache  oder  440  Doppelschwingimgen)  erhalten  soll;  ausserdem  müssten  die 
Stimmgabeln  eigens  so  wie  sie  für  das  besondere  a'  des  Instrumentes  passen,  ge- 
stimmt sein," 


31 

Stück,  die  ersteren  liir  die  Ganztöne  a,h,  eis,  dis,  f,  g,  die  letzteren  für 
die  zwölf  Stufen  der  chromatisch-enharmonisch-temperirten  Leiter  von 
a  bis  a',  käuflich  zu  haben.  Auch  mit  sechs  Gabeln  ist  es  schon  leicht, 
eine  Stimmung  von  wohlthuendster  temperirter  Reinheit  zu  erlangen, 
indem  zwischen  einer  None  die  mittlere  Quint  nicht  leicht  zu  verfehlen 
ist  und  die  Terzen  a—cis,  h — dis  (dis=es),  cis—f{f=eis),  dis — g{g=-fisfis) 
durch  die  Gabeln  selbst  schon  gesichert  sind.  Mit  dreizehn  Gabeln  aber 
ist  für  jeden  Halbton  eine  feste  Bestimmung  gegeben,  nach  der  man  die 
Töne  nur'  im  Einklang  zu  stimmen  hat.  Wie  praktisch  die  Vortheile' 
dieser  Stimmung  sich  auch  ergeben  hatten,  so  hat  sie  doch  zu  allgemei- 
ner und  dauernder  Anwendung  nicht  gelangen  können;  daran  ist  aber 
die  unabänderlich  feststehende  Tonhöhe  dieses  Apparates  Schuld.  So 
wenig  an  verschiedenen  Orten  zu  derselben  Zeit,  wie  zu  verschiedenen 
Zeiten  an  demselben  Orte  ist  eine  Stimmung  in  gleicher  Höhe  zu  finden 
und  zu  erhalten. 

Für  das  musikalische  Denken  erscheint  allerdings  eine  temperirte 
chromatische  Scala  als  ein  Unding,  und  ein  guter  Musiker  wird  in  seiner 
Schreibweise  niemals  eis  =  f  oder  =  gesges  setzen  mögen;  für  den  Musiker 
kann  der  Begriff  einer  chromatischen  Fortschreitung  nur  in  der  steten 
Gewinnung  eines  weiterführenden  Leittons  bestehen,  er  wird  das  Ver- 
hältniss  dieses  Leittons  zu  dem  nächst  höher  liegenden  Auflösungston 
stets  als  15^16  erkennen  und  mit  ihm  die  chromatischen  Stufen  durch 
die  Ganztonverhältnisse  8:9  und  9:10  bestimmen.  Daher  können  wir 
von  C  aus  die  chromatische  Tonleiter  entweder  in  dieser  Form  schreiben: 


15       : 

16 

15 

:    16 

128 

:     135 

24 

:    25 

15 

:      16 

15 

:    16 

a 

.  eis  .  . 

D  . 

.  dis  . 

.  e  . 

.  F. 

.  ßs  . 

.  G. 

.  gis  , 

.  .  a  . 

.B  . 

.h  . 

.  c 

128 

:     135 

24     : 

•25 

15 

:    16 

15      ; 

:      16 

15      ; 

16 

128 

:    135 

ier 

auch  in 

dieser: 

15 

:      16 

15 

:      16 

15 

:    16 

15     : 

16 

128      : 

135 

128    : 

135 

c. 

.  des  .  . 

,  D  . 

.  es  . 

.  e  . 

.  F. 

.fis. 

.  G  . 

.  as  . 

.  a  . 

.  B  . 

.  h   . 

.  c 

128     : 

135 

24     : 

25 

128    : 

135 

15    : 

16 

15     : 

16 

15    : 

16 

jenachdem  wir    den  Ausgangston    C  als    Grundton    oder    als    Leitton 
betrachten. 


32 

VII. 

Das  Wesen  des  Klanges  —  Stärke  nud  Klangfarbe. 

Nachdem  wir  uns  mit  den  Bedingungen  bekannt  gemacht  haben, 
unter  welchen  die  Erzeugung  und  Messung  der  Klänge  bezüglich 
der  besaiteten,  durch  Anschlag  zum  Ertönen  gebrachten  Ciavierinstru- 
mente möglich  ist,  bleibt  uns  als  Schlusscapitel  der  akustischen  Zusam- 
menstellung noch  die  Erörterung  der  Frage  über  den  Charakter  des 
Klanges  übrig,  damit  wir  wenigstens  annähernd  zum  Bewusstsein  ge- 
langen, aus  welchen  Gründen  sich  die  Klänge  ihrer  Stärke  und  ihrer 
Farbe  nach  unterscheiden.  Schon  die  Griechen  sprechen  von  den  „Fär- 
bungen", deren  Wesen  sich  bei  ihnen  aber  lediglich  auf  die  verschiede- 
nen Tonhöhen  in  der  Zusammenstellung  ihrer  Klanggeschlechter  bezieht, 
mithin  nichts  weiter  als  eine  grössere  oder  kleinere  Schwingungszahl 
eines  Tones  bedeutet,  von  welcher  ja  stets  die  Höhe  desselben  abhängig 
ist.  In  unserem  Sinne  scheinen  sie  wohl  das  Gefühl  für  die  Eigenthüm- 
lichkeit  der  Klangfarben  besessen,  nicht  aber  die  Gesetze  für  dieselbe 
untersucht  zu  haben.  Dagegen  ist  ihnen  das  Gesetz  von  der  grösseren 
oder  geringeren  Stärke  eines  Klanges  vollständig  bekannt  gewesen; 
denn  Soethms  schreibt  aus  griechischen  Schriftstellern  sehr  richtig  die 
Beobachtung  von  der  Schwingungsweite  der  Klänge  ab  und  erklärt  mit 
voller  Sicherheit  an  den  Ringen  der  Wasserwellen,  dass  dieselben  nach 
und  nach  die  Grösse  verlieren  und  sich  endlich  verlaufen;  dasselbe  fände 
bei  den  durch  Stösse  erzeugten  Schallwellen  statt,  welche  ebenfalls  in 
gewisser  Raumweite  nach  und  nach  verschwinden  müssten.  Daher  höre 
ein  Näherstehender  einen  Klang  von  einer  gewissen  Schwingungsweite 
weit  besser  als  ein  in  grösserer  Entfernung  sich  Befindender,  und  umge- 
kehrt würde  man  einen  Klang  von  grösserer  Schwingungsweite  in  weite- 
rer Entfernung  hören,  als  einen  Klang  von  geringerer  Schwingungsweite*). 
Ganz  mit  diesem  alten  Theoretiker  übereinstimmend  sagt  auch  HelniholiZy 
dass  t  Breite  (Amplitude)  der  Schwingungen  der  Grund  von  der  Stärke 
oder  Schwäche  eines  Klanges  sei,  oder  um  seine  Worte  zu  gebrauchen: 


*)  Botthius  lib.  I,  cap.  14,  sagt :  Ita  igitur  cum  aer  pulsus  fecerit  sonum,  pellit  alinm 
proximum  et  quodammodo  rotundum  fluctum  aeris  'ciet.  Itaque  diffunditur  et  omnium 
circumstantium  simul  ferit  auditum,  atque  illi  est  obscurior  vox,  qui  longius  steterit, 
quoniam  ad  eum  debilior  pulsi  aeris  unda  pervenit. 


33 

„dass  die  Stärke  der  Klänge  mit  der  Breite  (Amplitude)  der  Schwm- 
gungen  des  tönenden  Körpers  wachse  und  abnehme".  Was  jedoch  der- 
selbe Forscher  über  die  dai'auf  folgenden  Schwingungen  der  Saite  sagt, 
auf  welche  allein  er  die  Stärke  des  Klanges  zurückzuführen  scheint, 
ist  uns  nicht  recht  einleuchtend,  und  wir  werden  auch  dagegen  die  ge- 
wichtigen  Gründe  anderer  Akustiker  anzuführen  uns  erlauben. 

Hclmlwlt.^  meint:  „Wenn  wir  eine  Saite  anschlagen,  sind  ihre  Schwin- 
gungen anfangs  ausgiebig  genug,  dass  wir  sie  sehen  können;  dem  ent- 
sprechend ist  ihr  Ton  anfangs  am  stärksten.  Dann  werden  die  sichtbaren 
Schwingungen  immer  kleiner  und  kleiner;  in  demselben  Maasse  nimmt 
die  Stärke  des  Tones  ab."  Dies  hat  auch  schon  Chladni  gesagt,  wäh- 
rend Oersted  in  Gehler's  Journal  der  Physik  und  Chemie  im  Sten  Bande 
S.  241  dieser  Ansicht  widersprach*).  Die  genialen  Experimentatoren,  Ge- 
brüder Weber,hahen  aber  die  Ansicht  Oersted^s  zu  widerlegen  versucht,  in- 
dem sie  erklärten:  „Es  ist  nicht  zu  läugnen,  dass  zwar  an  einem  schwin- 
genden Körper  eine  unendliche  Zahl  von  Schwingungsarten  vorhanden 
sein  kann;  allein  sie  fallen  nicht  in's  Ohr  und  nur  die  Hauptschwingung 
des  ganzen  Körpers  bringt  den  Ton  hervor",  woraus  sich  allerdings 
logisch  folgern  liesse,  dass  je  grösser  diese  Hauptschwingungen  seien, 
desto  stärker  sich  auch  der  Klang  vernehmen  lassen  würde.  Dagegen 
macht  nun  PcUisov  mit  der  t'efsten  und  längsten  Saite  eines  flügeiförmi- 
gen Pianoforte  ein  sehr  gelungenes  Experiment.  Er  fasst  dieselbe  in  der 
Mitte,  zieht  sie  aus  ihrer  Gleichgewichtslage  so  Aveit  als  möglich  fort  und 
lässt  sie  dann  schnell  fahren;  dann  entstehen  Schwingungen  der  Saite 
von  so  bedeutender  Excursion,  dass  ihre  Bahn  oft  mehr  als  einen  halben 
Zoll  beträgt.  Diese  bedeutenden  Excursionen  der  Saite  nehmen  natür- 
lich mit  jedem  Augenblicke  an  Grösse  ab,  bis  endlich  die  Saite  ganz  zur 
Kühe  kommt.  Bei  dieser  Wiederkehr  zur  Ruhe  tritt  jedoch  der  merk- 
würdige Umstand  ein,  dass  der  Ton  der  Saite  längst  aufgehört  hat  oder 
verschwunden  ist,  wenn  die  Excursionen  der  Saite  oft  noch  von  einer 
Linie  Breite  sind.  Bringt  man  jedoch  die  nämhche  Saite  mittelst  des 
Hammerschlages  zum  Schwingen  und  Tönen,  so  ist  der  Ton  der  Saite 
äusserst  stark,  während  die  Excursionen  der  Saite  von  kaum  messbarer 
Breite  sind. 


'■)  Pellisov,  Berichtigung,'  eines  Fnndamcntalsatzes  der  Akustik  S.   I. 

3 


34 

Aus  allen  den  resultatlosen  Untersuchungen,  welche  de  la  Hire,  Chladni, 
Wheatstone  etc.  anstellten  und  die  PeUisov  mit  Glück  Aviderlegte,  geht 
nun  mit  Sicherheit  hervor,  dass  die  Schwingungsweite  in  der  Luft  nicht 
von  der  Eaumweite  der  Saitenschwingung,  sondern  von  der  Kraft  des 
auf  die  Saite  ausgeübten  Stosses  abhängt,  und  dies  stimmt  merkwürdiger- 
weise mit  dem  feinen  Urtheil  der  Griechen  vollständig,  überein,  welche 
den  Klang  als  einen  „unaufgelösten  Luftstoss"  betrachten.  DerStoss  ist 
in  seiner  Anwendung  von  zweifacher  Art:  entweder  er  ist  ein  einziger 
durchgreifender  Stoss,  wie  bei  allen  Schlaginstrumenten,  oder  «s  sind 
mehrere  sehr  kurze,  in  bestimmten  Zeiträumen  aufeinander  folo^ende  Stösse, 
wie  bei  den  Streichinstrumenten,  an  welche  sich  nach  PeUisov  noch  die 
Aeolsharfe  anreiht.  Wir  haben  es  hier  nvu'  mit  der  durch  den  Ciavier- 
hammer geschlagenen  Saite  zu  thun,  deren  stärkeres  oder  schwächeres 
Erklingen  einerseits  von  der  Beschaffenheit  des  Stosses,  nämlich  des 
Hammerschlages,  abhängen  wird,  jenachdem  der  Stoss  mehr  oder  weni- 
gere Molecule  des  Saitenkörpers  zugleich  zu  bewegen  vermag. 

Andererseits  haben  wir  aber  auch  schon  gesehen,  dass  keine  Saite 
zur  Tonerzeugung  befähigt  ist,  wenn  sie  nicht  durch  einen  Resonanz- 
körper unterstützt  Avird,  dessen  Beschaffenheit  wir  bereits  andeuteten. 
Der  stärkere  oder  schwächere  Stoss  der  Saite  würde  ohne  Unterstützung 
eines  Resonanzkörpers  spurlos  verschwinden,  und  von  dieser  Unterstü- 
tzung wird  nun  die  Wirkung  des  Stosses  oder  Schlages  abhängen.  Pel- 
lisov  hatte  bereits  gefunden,  dass  der  beste  Resonanzboden  dadurch  ent- 
stehe, wenn  man  ihn  durch  angebrachte  Leisten  verhindere,  Transver- 
salschwingungen zu  machen.  Dr.  Schafhaeidl*),  welcher  mit  Pe??/.50y 
eine  und  dieselbe  Person  zu  sein  scheint,  hat  jene  Ansichten  noch  weiter 
ausgeführt  und  mit  kurzen  Worten  diellauptgrundsätze  von  der  Beschaf- 
fenheit des  Resonanzbodens  angegeben;  demselben  sind  die  Ansichten 
Kütsing' s**)  vorangegangen,  und  dieser  stellt  ebenso  wie  seine  Vorgänger 
am  Resonanzboden  ohne  Steg  und  Rippen  das  Experiment  mit  der 
Stimmgabel  an,  aus  welchem  man  das  Resultat  gewinnt,  dass  eine  ange- 
schlagene Stimmgabel  an  gewissen  Stellen  stärker  als  an  anderen  klingt. 
„Hieraus  lässt  sich  schliessen,  dass  der  Resonanzboden,  wenn  er  durch 


*)  Die  Tianofortebaukuust   der  Deutschen.  Kcpräsentirt   auf  der  ungemeinen    deut- 
schen Industrie-Ausstellung  zu  München  im  Jahre  1854,  München  1855. 
**)  Beiträge  zur  praktischen  Akustik,  1838 


35 

die  Stimmgabel  oder  auch  durch  jeden  andern  schwingenden  Körper 
zum  Klange  gebracht  wird,  sich  in  gewisse,  der  Höhe  des  erscheinenden 
Tones  angemessene,  schwingende  Theile  theilt,  so  dass  Stellen  (Knoten- 
linien genannt)  in  Ruhe  bleiben,  sowie  es  bei  der  Her  vorbringung  der 
Klangfiguren  auf  Flächen  der  Fall  ist.  Trifft  nun  die  schwingende 
Stimmgabel  auf  eine  solche  Knoteulinie,  so  klingt  sie  stärker,  als  wenn 
sie  auf  einen  schwingenden  Theil  triff't.  Wird  aber  eine  angeschlagene 
Stimmgabel  auf  eine  Rippe  des  Resonanzbodens  oder  auf  einen  Steg 
gestellt,  so  erscheint  ihr  Klang  stärker,  als  auf  demselben  ohne  Steg  und 
Rippen,  ein  Beweis  für  das  Gesagte,  dass  die  Rippe  oder  der  Steg  hier 
eine  feste  Stelle  ist,  die  der  Stimmgabel  als  KnotenUnie  dient"*). 
Während  bei  der  Stimmgabel  die  Schwngungen  von  dieser  unmittelbar 
auf  den  Resonanzboden  übertragen  werden,  dient  für  die  Transversal- 
schwingungen der  Saiten  der  Steg  als  Mittel,  dessen  Entfernung  vom 
Resonanzboden  von  Einfluss  auf  die  Stärke  des  Tones  ist.  KütnngS^nd 
nach  einer  Reihe  von  Beobachtungen,  dass  sich  die  Dicke  des  Resonanz- 
bodens zu  der  Entfernung  des  Steges  wie  1  zu  20  verhalten  müsse,  wel- 
ches Verhältniss  sich  auch  jederzeit  als  das  beste  bewährt  habe.  Mau 
dürfe  also  nur  die  o-eoebene  Entfernuno;  durch  20  dividiren,  um  die  Dicke 
des  Resonanzbodens  zu  erhalten,  oder  die  gegebene  Dicke  des  Resonanz- 
bodens mit  20  muhipliciren,  um  die  Entfernung  zu  gewinnen.  (NB).  Um  die 
TransversalschAvingungen  des  Resonanzbodens,  d.  h.  seine  Bewegung  als 
Ganzes,  zu  hindern,  ist  die  Berippung  desselben  von  Wesenheit,  weil  „der 
Ton  der  Resonanzdecke  nicht  dadurch  entsteht,  dass  sie  als  Ganzes  gleich 
der  Saite  oder  gleich  einer  elastischen  Fläche  schwingt  (eine  Gleichför- 
migkeit der  Scala  auf  solche  Weise  hervorzubringen,  wäre  unmöglich) 
sondern  dadurch,  dass  die  kleinsten  Theilchen,  aus  welchen  die  Masse  des 
Resonanzbodens  besteht,  in  schwingende  Bewegung  versetzt  werden, 
welche  sich  in  dem  Zeitmaasse  regelmässig  wiederholen  müssen,  in  welchem 
die  Saite  schwingt,  die  auf  den  Resonanzboden  wirkt"**).  —  Die  Elasticität 
des  Resonanzbodens,  hervorgebracht  durch  seine  Dicke,  Spannung  und 
Berippung,  steht  also  in  Wechselwirkung  zur  Elasticität  der  Saiten,  auf 
welche  Material,  Länge,  Dicke  und  Spannung  derselben  influiren.     Die 


*)  Carl  KiUsinrj,  Beiträge    zur    praktischen   Akustik,    Bern,  Chur  und  Leipzig  1838 
NB.  Kützings  Behauptungen  sind  nielit  stichhaltig.     . 
**)  Dr.  Schafhaeutl,  Seite  75 

3* 


36 

Wechselwirkung  in  der  Saiten-  und  Resonanzbodenschwingung  ist  trotz  je- 
ner Experimente  im  Besonderen  noch  hauptsächlich  Sache  der  Erfahrung, 
weil  der  Bau  jedes  einzelnenlnstrumentes  besondere  Modificationen  bedingt, 
deren  Berechnung  kaum  festgestellt  werden  dürfte.  So  viel  ist  aber  als  aus- 
gemacht zu  betrachten,  dass  überhaupt  von  der  Erregung  der  Molecular- 
schwingungen  des  Resonanzbodens,  welche  durch  den  Stoss  der  schwin- 
genden Saite  hervorgebracht  wird,  die  Stärke  der  Schallwellenströraung 
in  der  Luft  abhängt,  deren  Weite  unter  gewissen  räumlichen  Bedingun- 
gen (Akustik  eines  Saales,  eines  Zimmers)  als  Maass  für  die  Stärke  an- 
zusehen ist.  Daher  hat  man  mit  Recht  als  technischen  Ausdruck  „das 
Tragen  des  Tones"  eingeführt,  welcher  die  Weite  der  Schwingung  kenn- 
zeichnet. Selbstverständlich  wird  bei  vorhandener  Gleichmässio;keit  in 
der  Wechselwirkung  ein  gi'össerer  Resonanzboden  mit  einem  stärkeren 
Saitenbezug  einen  welter  tragenden  Ton  hervorzubringen  im  Stande  sein, 
als  ein  kleinerer  Resonanzboden  und  ein  schwächerer  Saitenbezug,  weil 
die  Molecüle  eine  grössere  Fläche  zur  Ausbreitung  haben,  vorausgesetzt, 
dass  die  Dichtigkeit  im  entsprechenden  Verhältnisse  steht.  Wenn  nun 
diese  kleinen  Theilchen  der  ganzen  Fläche  des  Resonanzbodens  in  volle 
Bewegung  gesetzt  werden,  so  theilt  dieser  schwingende  Boden  eine  Ton- 
welle der  Luft  mit,  deren  Querschnitt  dem  Flächeninhalte  des  Resonanz- 
bodens gleichkommt,  und  der  Flächeninhalt  des  Querschnittes  der  Ton- 
welle ist  also  gleich  dem  Flächeninhalte  des  Resonanzbodens.  Hat  aber 
die  Saite  nicht  Kraft  genug,  die  ganze  IMoIecular- Masse  des  Resonanz- 
bodens in  freie  Vibration  zu  versetzen,  so  ist  der  Ton  stumpf  und  matt*).  Der 
Ton  kann  nun  aber  stark  und  durchdringend,  die  Amplitude  der  Schwin- 
gungen mithin  sehr  ausgedehnt  sein,  ohne  dass  wir  den  Ton  voll  und  an- 
genehm finden;  wir  werden  dann  sagen,  der  Ton  habe  eine  schlechte 
Klangfarbe.  Der  Unterschied  der  Klangfarbe  ist  bei  den  verschiedc-r 
nen  Gattungen  von  Listrumenten  am  auffallendsten,  und  jeder  Naturalist 
wird  die  Tonfärbung  einer  Trompete  von  derjenigen  einer  Oboe,  Violine 
etc.  leicht  unterscheiden  können.  Schwerer  ist  es  schon,  die  Klangfarbe 
bei  Instrumenten  einerlei  Gattung  zu  beobachten,  llelmliolts  hat,  auf  sei- 
ner Theorie  der  Obertöne  fortbauend,  durch  scharfsinnige  Beobach- 
tungen gefunden,  dass  verschiedene  Schwingungsformen  verschiedene 
Klangfarben  bedingen.  Da  nun  von  den  Schwinsungsformen  die  Natur  der 


*)  Vergl.  Schafhatntl,  S.  76. 


S7 

Obertöne  abhUno-Io;  Ist,  so  wird  die  Art  des  Mitklinoens  derselben  für 
die  Klangfarbe  entscheidend  sein.  Ilelmholts  hat  daher  auch  sein  beson- 
deres Augenmerk  auf  die  Combination  der  Obertöne  gerichtet  und  dar- 
gethan,  wie  dieselbe  den  Verschiedenheiten  der  Klangfarbe  zu  Grunde 
liegt;  wobei  sich  gewisse  allgemeine  Regeln  für  diejenigen  Anordnungen 
der  Obertöne  herausstellen,  welche  den  in  der  Sprache  als  weich,  scharf, 
schmetternd,  leer,  voll  oder  reich,  dumpf,  hell  u.  s.  w.  unterschie- 
denen Arten  der  Klangfarbe  entsprechen*).  Wenn  nun  aber  dieser  so 
verdienstvolle  Forscher  die  Stärke  der  Obertöne  im  Klange  einer  ange- 
schlagenen Saite  allein  abhängen  lässt: 

1)  von  der  Art  des  Anschlags,    ' 

2j  von  der  Stelle  des  Anschlags, 

3)  von  der  Dicke,  Steifigkeit  und  Elasticität  der  Saite, 
so  hat  derselbe  die  Construction  des  Resonanzbodens  wohl  ausser  Acht 
gelassen.  Man  kann  die  beste  Art  des  Anschlages,  die  geeignetste  Stelle 
für  den  Anschlag  und  dazu  eine  Saite  wählen ,  welche  alle  Anforderun- 
gen zur  Erzeugung  des  Klanges  erfüllt;  man  wird  aber  doch  keinen  guten 
Ton  hervorzubringen  im  Stande  sein,  Avenn  die  Saite  über  eine  soge- 
nannte Blase  des  Resonanzbodens  zu  liegen  kommt ,  welche  durch  allzu 
grosse  Wärme  oder  Feuchtigkeit,  oder  auch  unregelmässige  Spannung 
entstehen  kann.  Die  Erfahrungen  der  Firma  Steinwmj  wicl  Söhne  in 
New- York,  deren  Instrumente  auf  der  Pariser  Ausstellung  unbestreitbar 
die  schönste  Klangfarbe  besassen,  lehren  auf  das  Genaueste,  dass  durch 
Ausübung  eines  starken  Druckes  auf  die  Ränder  des  Resonanzbodens 
die  Spannung  desselben  gegen  den  Druck  der  Saiten  hin*  steigt.  Die 
Wirkung  ist  dann  zunächst  eine  bedeutende  Zusammenpressung  der  Holz- 
fasern des  Resonanzbodens,  welche  sich  von  den  Rändern  her  auch  den 
in  der  Mitte  des  Resonanzbodens  befindlichen  kleinsten  Theilchen  (Mole- 
culen)  mittheilt  und  denselben  befähigt,  die  empfangenen  Einwirkungen 
der  Saiten  sehr  energisch  zu  reproduciren,  wodurch,  selbst  bei  den  leise- 
sten Erresrung-en  der  Saiten,  der  Ton  Fülle  und  Rundung  erhält.  Wir 
werden  also  nach  solchen  Beobachtungen  erst  dann  mit  de>-  Helmholtz'- 
schen  Behauptung  einverstanden  sein,  wenn  zuvor  die  Voraussetzung  ge- 


*)  Helm/iollz,  S.  118. 


macht  worden  ist,  dass  die  Coustruction  des  Resonanzbodens  in  allen 
Punkten  mit  den  gespannten  Saiten  ein  richtiges  Verhältniss  zur  Klang- 
erzeugung  bewahrt.     - 

Wir  hatten  früher  kennen  gelernt,  dass  PeZE9or  von  dem  Anschlage- 
punkte des  Hammers  die  Erregung  der  Saitentheilchen  ausgehen  lässt 
und  beweisend  erklärt,  wie  erst  nach  und  nach  die  ganze  Saite  in 
SchwinsunsT  gerathe.  Helmholtä  scheint  da,  wo  er  von  den  Klängen 
der  Saiten  spricht  (Seite  129),  diese  Ansi(;ht  zu  acceptiren,  denn  er 
sagt:  „Wird  die  Saite  mit  einem  harten  scharfkantigen  metallenen  Ham- 
mer geschlagen,  der  gleich  wieder  abspringt,  so  wird  nur  ein  einziger 
Punkt,  der  vom  Schlage  getroffen  ist,  direct  in  Bewegung  gesetzt.  Un- 
mittelbar nach  dem  Schlage  ist  der  übrige  Theil  der  Saite  noch  in  Ruhe; 
er  geräth  erst  in  Bewegung,  indem  von  dem  geschlagenen  Punkte  eine 
Beuo-uno^swelle  entsteht  und  über  die  Saite  hin-  und  herläuft.  Die  Be- 
schränkung  der  ursprünglichen  Bewegung  auf  einen  Punkt  der  Saite 
giebt  die  schärfste  Discontinuität  und  dem  entsprechend  eine  lange  Reihe 
von  Obertönen,  deren  Intensität  zum  grossen  Theile  der  des  Grundtones 
o-leichkommt  oder  ihn  übertrifft.  Wenn  der  Hammer  weich  elastisch  ist, 
hat  die  Bewegung  auf  der  Saite  Zeit  sich  auszubreiten,  ehe  der  Hammer 
wieder  zurückspringt,  und  durch  den  Anschlag  eines  solchen  Hammers 
wird  der  geschlagene  Theil  der  Saite  nicht  ruckweise  in  Bewegung  ge- 
setzt, sondern  seine  Geschwindigkeit  wächst  allmälig  und  stetig  während 
der  Berührungszeit  des  Hammers.  Dadurch  wird  die  Discontinuität  der 
Beweo-uno-  sehr  vermindert,  um  so  mehr,  je  weicher  der  Hammer  ist,  und 
dem  entsprechend  nimmt  die  Stärke  der  hohen  Obertöne  bedeutend  ab." 
Wenn  die  Obertöne  im  Verhältniss  zum  Grundtone  zu  stark  sind,  so 
klin>Tt  der  Ton  leer  und  scharf,  wogegen  ein  massiges  Zurücktreten  der- 
selben wegen  den  Grundton  den  ganzen  Klang  voll  und  rund  erscheinen 
lässt.  Die  praktische  Erfahrung  ist  hier  der  Theorie  vorausgeeilt  und  es 
hat  dieselbe  nach  und  nach  das  annähernd  richtige  Verhältniss  gefunden, 
wie  der  Anschlag  des  Hammers  für  die  Schwingungen  der  elastischen 
Saite  am  zweckdienstlichsten  ist.  Die  sorgfähige  Befilzung  und  Beledo- 
runo-,  die  grösseren  Hämmer  für  die  tieferen,  die  kleineren  für  die  höhe- 
ren Saiten,  der  Absprung  derselben:  alle  diese  Einzelnheiten  üben  auf 
die  Klano-farbe  einen  gewissen  Einfluss  aus.  Nach  Heimholte  ergiebt 
die  Theorie,  ,,dass  diejenigen  Obertöne  beim  Anschlage  besonders  begün- 


39 

stigt  werden,  deren  halbe  Schwingungsdauer  nahe  gleich  ist  der  ^e\t, 
während  welcher  der  Ilanmicr  anliegt,  dass  dagegen  diejenigen  ver- 
schwinden, deren  halbe  Schwingungsdauer  3,  5,  7  etc.  Mal  so  gross  ist". 
Dass  sich  jedoch  im  Verschwinden  der  Obertöne  oft  Verschiedenheiten 
bei  neben  einander  lieo;enden  Tasten  herausstellen,  mithin  eine  feste  Norm 
für  die  einzelnen  Klangregionen  nicht  aufzustellen  ist,  giebt  auch  Heim- 
holt^: zu,  und  er  zieht  nur  yius  seinen  Experimenten  die  Folgerung,  dass 
die  Zeit,  während  welcher  der  Ilanmier  anhegt,  ungefähr  der  halben 
Schwingungsdauer  des  zweiten  Tones  der  Saite  entsprechend  sei.  In 
den  höheren  Octaven  dageo-en  scheine  die  «enannte  Zeit  sich  der  hal- 
ben  Schwingungsdauer  des  Grundtones  zu  nähern,  oder  sie  selbst  zu 
übertreffen. 

Wie  grosses  Gewicht  die  Instrumentenbauer  auf  die  Stelle  des  An- 
schlags legen,  geht  aus  allen  über  den  Pianofortebau  erschienenen  Schrif- 
ten hervor.  Die  Untersuchungen  der  Instrumentenbaucr  stützen  sich, 
natürlich  nur  auf  die  Erfahrung,  ohne  dass  man  ein  bestimmtes  Gesetz 
zu  Grunde  legte.  Ganz  anders  liegt  die  Sache  jetzt,  wo  Heimholt!^  die 
Ohm'schen  Gesetze  für  die  Analyse  der  Klänge  durch  das  Ohr  einer 
Prüfung  unterzogen  und  bemerkt  hat,  dass  sowohl  im  Klange  gerissener 
als  geschlagener  Saiten  diejenigen  Obertöne  fehlen,  welche  am  Orte  des 
Anschlags  einen  Knotenpunkt  haben,  und  dass  umgekehrt  diejenigen  an- 
deren verhältnissmässig  am  stärksten  sind,  bei  welchen  an  der  geschlage- 
nen Stelle  ein  Schwingungsmaximum  zu  beobachten  ist.  „Schlägt  man 
die  Saite  z.  B.  gerade  in  ihrer  Mitte,  so  fällt  ihr  zweiter  Ton  fort,  dessen 
einziger  Knotenpunkt  dort  liegt.  Der  dritte  Ton  dagegen,  dessen  Kno- 
tenpunkte in  ^3  oder  -j^  der  Saitenlänge  liegen,  tritt  kräftig  heraus,  weil 
die  Anschlagstelle  in  der  Mitte  dieser  beiden  Knotenpunkte  liegt.  Der 
vierte  Ton  hat  seine  Knotenpunkte  in  *,4,  -/ ^  (  =^  ^/o)  und  ^/z,  der  Saitenlänge. 
Er  ))leibt  aus,  weil  die  Anschlagstelle  mit  seinem  zweiten  Knotenpunkte 
zusammenfällt;  ebenso  der  6te,  8te,  überhaupt  alle  gradzahligen  Töne, 
^\•ällrend  der  5te,  7te,  9te  und  die  anderen  ungcradzahligen  gehört  werden 
u.  8.  w."  Helniholt.'i  behauptet  nun,  dass  bei  den  mittleren  Saiten  die 
Anschlagstelle  auf  ^^  bis  ^/g  der  Saitenlänge  verlegt  sei  und  fügt  hinzu: 
.,Wir  müssen  annehmen,  dass  diese  Stelle  hauptsächlich  deshalb  so  ge- 
wählt ist,  weil  sie  erfahruno;so;emäss  den  musikalisch  schönsten  und  für 

7  OD 

harmonische  Verbindungen   brauchbarsten  Klans;  liefert.     Es   hat   dazu 


40 

keine  Theorie  geleitet,  sondern  allein  das  Bedürfniss  des  künstlerisch 
orebildeten  Ohres  und  die  technische  Erfahruno;  zweier  Jahrhunderte.'" 
Hiermit  stimmen  aber  die  Erfahrungen  Welclefs  und  unsere  eigenen 
nicht  vollkommen  überein.  ,Jm  tiefen  Bass",  meint  Welcher,  „so  weit 
die  übersponnenen  Saiten  reichen,  theilt  man  die  ganze  Länge  jeder  Saite 
in  10  gleiche  Theile  und  nimmt  */io  davon  als  Punkt  für  die  Anscidag- 
stelle.  Die  ersten  unbesponnenen  Saiten  theile  man  bis  zum  ungestriche- 
nen a  in  8  gleiche  Theile  und  nehme  ^/g  der  Länge  als  Anschlagspunkt. 
Von  diesem  a  aus  nimmt  man  nun  nach  und  nach  Vg,  ^  jo,  ^/ii,  bis  zum 
viergestrichenen  a  */j2  der  Saitenlänge  für  diesen  Punkt."  Der  Hofpiano- 
fortefabrikant  Julius  Blnthner  in  Leipzig,  dessen  Fabrikate  zu  den  besten 
Europas  gehören,  sucht  bei  den  mittleren  Saiten  ebenfalls  niemals  in 
*/7  der  Saitenlänge  die  Anschlagstelle,  sondern  hält  im  Allgemeinen  vom 
tiefsten  Bass  bis  zum  höchsten  Discant  die  Verhältnisse  von  1/7  bis  zu 
1/12  der  Saitenlänge  als  Anschlagstelle  fest.  Die  Hochachtung  vor  den 
Forschungen  Hehnlwlig'  nöthigt  uns  aber,  die  Gründe  für  seine  Behaup- 
tungen anzuführen,  damit  die  Instrumentenbauer  durch  praktische  Ver- 
suche die  Stichhaltigkeit  derselben  erproben  können. 

„Ein  wesentlicher  Vorzug  für  die  Wahl  dieser  Stelle",  meint  Helm- 
Jioli/c,  „scheint  darin  zu  liegen,  dass  der  siebente  und  neunte  Partialton 
des  Klanges  wegfallen  oder  mindestens  sehr  schwach  werden.  Es  sind 
diese  Töne  die  ersten  in  der  Reihe,  welche  dem  Durdreiklange  des  Grund- 
tones nicht  angehören."  Die  Reihe  der  Obertöne  ist  unseren  Lesern  be- 
kannt, weshalb  wir  die  Helmholtz' sehen  Angaben  über  dieselben  nicht 
mehr  wiederholen;  wohl  aber  haben  wir  zu  beachten,  dass  Heimholte 
den  tieferen  und  mittleren  Saiten  die  Fähigkeit  zuspricht,  hohe  Obertöne 
bis  zum  löten  und  Uten  Partialton  bilden  zu  können,  dagegen  nach 
seinen  Erfahrungen  die  Saiten  der  höheren  Octaven  zu  kurz  und  "steif 
sind,  um  die  Bildung  hoher  Obertöne  durch  irgend  welche  Erregung 
der  Saiten  zuzulassen.  Daher  pflegten  manche  Instrumentenbauer  die 
Anschlaestelle  auch  näher  dem  Ende  zu  zu  wählen,  wodurch  ein  hellerer 
und  durchdringenderer  Klang  dieser  hohen  Saiten  erzielt  werde,  weil  in 
diesem  Falle  die  Wahl  der  Anschlagstelle  die  Stärke  der  Obertöne  ge- 
genüber dem  Grundtone  begünstige*  Desgleichen  würde  man  einen  ähn- 
lich helleren,  aber  auch  dünneren  und  leeren  Klang  erhalten,  wenn  man 
einer  der  tieferen  Saiten  einen  Steg  näher  der  Anschlagstelle  unterlege, 


41 

so  dass  der  Haniiner  die  Saite  jetzt  in  einem  Punkte  treffe,  der  um  we- 
niger als  '/y  ihrer  Länge  von  ihrem  einen  Ende  entfernt  sei.  Ferner 
führt  Heimholte  welter  aus,  dass  man  durch  das  Scldagen  mit  härteren 
Körpern  den  Khmg  „klimpernder",  „schärfer"  und  „spitzer"  machen 
könne,  hingegen  „weichere"  und  „schwerere"  Hämmer  zur  Ilervorbringung 
eines  dumpferen  Tones  am  Geeignetsten  sein  würden.  —  Dies  steht  aller- 
dings schon  durch  die  Erfahrung  fest;  über  die  Anschlagstelle  sind  uns 
aber  noch  keine  so  einleuchtenden  Gründe  vorgeführt  worden,  als  durch 
HeJmholfs,  und  sollte  sich  dieses  Helmholtz'sche  Siebentel  im  Allgemeinen 
bestätigen,  so  würden  die  Instrumentenbaner  um  eine  wichtijre  Errungen- 
schalt  reicher  sein.  Natürlich  genügen  hier  nicht  die  Versuche  an  einem 
einzigen  Flügel  von  Kaim  und  Günther,  wie  ihn  Helmholtz  benutzte, 
sondern  durch  Versuche  an  verschiedenen  Flügeln  verschiedener  Fabri- 
ken kann  erst  die  Wahrheit  ergründet  und  ein  allgemein  gültiges  Gesetz 
aufgestellt  werden.  Freilich  ^vird  dann  der  subjective  Geschmack  nicht 
ganz  von  den  Experimenten  zu  trennen  sein  und  diese  Einschränkung 
des  Gesetzes  scheint  auch  Hehnlwltz  zuzugeben,  wenn  er  sagt:  „Bei  kei- 
nem anderen  Instrumente  ist  eine  so  breite  Veränderlichkeit  der  Klano-- 
färbe  vorhanden,  wie  hier;  bei  keinem  anderen  kann  deshalb  das  musi- 
kalische Ohr  sich  so  frei  die  seinen  Bedürfnissen  entsprechende  auswäh- 
len". —  Was  nun  endlich  den  Einfluss  der  Dicke  und  des  Materials  der 
Saiten  auf  die  Klangfarbe  anbelangt,  so  ist  einfach  zu  bemerken,  dass 
die  Untersuchungen  auf  dem  Monochord  eine  allzu  grosse  Steifigkeit  der 
Saiten  als  den  Obertönen  ungünstig  ergeben  haben;  dass  dagegen  mit 
feinen  Drathsaiten  sehr  hohe  Obertöne  zu  erzielen  sind.  Der  denkende 
Instrumentenbauer  weiss  sicher  das  richtige  Maass  zu  finden,  welches  ein- 
zig und  allein  dem  subjeotiven  Urtheile  bei  jedem  einzelnen  Falle  über- 
lassen bleiben  muss,  wenn  auch  die  Erfahrungen  bereits  einen  siche- 
reren Halt  gewähren,  worüber  uns  die  Pariser  Ausstellung  noch  näher  be- 
lehren VAird. 


ZWEITE  ABTHEILUNG. 
I. 

"*  Der  Ursprung. 

Gleichwie  im  Allgemeinen  der  Ursprung  unserer  Tonkunst  auf 
die  Hebräer  und  Griechen  zurückzuführen  ist,  so  wurzelt  auch  im 
Besonderen  unsere  Instrumentalmusik  in  den  Erfindungen  jener  be- 
deutenden Culturvölker  des  Alterthums,  deren  beiderseitige  Theorie  und 
Praxis  zu  Anfang  der  christlichen  Zeit  mit  einander  verschmolzen  und 
nach  dieser  Verschmelzung  die  Grundlao;en  der  weiteren  Entwickeluno^ 
wurden.  Wissen  wir  doch,  dass  im  Tempel  zu  Jerusalem  nicht  bloss 
Sänger,  sondern  auch  zahlreiche  Instrumentalisten  angestellt  waren,  und 
geben  uns  doch  die  griechischen  Theoretiker,  Geschichtsschreiber,  Philo- 
sophen und  Mathematiker  viele  Anhaltepunkte  zur  Erkenntniss  der  ton- 
künstlerischen Principien  und  Ausdruck^mittel  Griechenlands,  deren 
Uebergang  in  das  christHche  Zeitalter  die  Kirchenväter  bezeugen.  Diese 
nennen  zugleich  viele  der  hebräischen  und  griechischen  Instrumente,  sie 
preisen  die  Theorien  des  griechischen  Musikers  Aristoxenos  und  empfeh- 
len die  Nachahmung  von  Davids  Saitenspiel.  Der  Historiker  wird  da- 
her auch  Belege  zu  finden  suchen,  welche  das  Vorhandensein  von  Tasten- 
instrumenten in  der  vorchristlichen  Zeit  erweisen. 

Welcher  von  Gontershausen  rechnet  in  seiner  Geschichte  des  Cla- 
vierbaucs  die  Maschrokita  der  alten  Hebräer  unter  die  Tasteninstrumente, 
befindet  sich  aber  dabei  nur  mit  einem  einzigen  Schriftsteller  in  Ueber- 
einstimmung,  nämlich  mit  MarjJurg,  dessen  Angaben  über  diesen  Punkt 
jedes  Beweises  und  somit  auch  aller  Glaubwürdigkeit  entbehren. 

Dascesen  ist  es  nach  den  glücklichen  Erörterungen  des  Dr.  Lcvhi 
Saalschutz  als  ausgemacht  zu  betrachten,  dass  die  Hebräer  in   dem  In- 


4.1 


}  Strumente  Magreplia  *)   ein   Orgelwerk   besessen  haben,  von   welchem 
I   man  die  Tastatur  mit  mehr  Berechtigung  ableiten  könnte.     Freilich  glau- 

*)  Die  Magreplia  ist  nach  der  Bcschieil)ung  im  Trat-tat  Krachin  unseicn  Positiven 
zu  vergleichen  und  wobl  zu  unterscheiden  von  der  Schaufel  Magro))lia,  welche  mit  sammt 

der  Asche  bei  gewissen  feierlichen  Ge- 

_  ,  .  ^      .  Wasserorgel  nach  llero  (Figur  1) 

legenheiten  im  rcnipel  von  einem  Levi- 
ten niederge.strcut  wurde ,  damit  man 
es  in  Jerusalem  hören  möge.  Die  Ma- 
grepha  als  ein  direct  durch  den  AV'ind 
ohne  Beihülfe-dcs  Wassers  zum  Ertönen 
gebrachtes  Instrument  ist,    wie    schon 

I  im  Texte  angedeutet  wurde,  genati  von 
der  Wasserorgel  der  Griechen  zu  unter- 
scheiden, von  welcher  uns  Hei-o  aus 
^  Alexandrien  (ungefähr  150  vor  Christo) 
in  seinen  niathematischon  Werken  eine 
genaue  Beschreibung  hinterlassen  hat. 
Eine  lateinische  Uebersetzung  erschien 
zusammen  mit  dem  griechischen  Urtext 
1693  von  de  la  Hire  zu  Paris ;  .7.  G.  Voll- 
beding veröflentlichte  in  seiner  kurzgc- 
fassten  Geschichte  der  Orgel  1793  eine 
deutsche  Uebersetzung  und  neuere  Hi- 
.storiker  haben  öfters  auf  dieselbe  Bezug 
genommen ,  so  z.  B.  der  treffliche  fran- 
zösische Gelehrte  Vincent  in  seiner  Ab- 
handlung: „Essai  d'explication  de 
quelques  pierrcs  gnostiques,  extrait  du 
XXe  volume  des  Memoircs  de  la  So- 
ciete  des  Antiquaires  de  France". 

Eine  bessere  Unterlage  zur  Erklürung 
der  pneumatischen  Orgel. welche  sich 
ebenfalls  in  den  Schriften  Jlcro's  neben 
jener  Analyse  der  hydraulischen  Or- 
gel befindet,  bcsass  G.  W.  Fink,  dessen 
Abhandlung  „Zur  Geschichte  der  alten 
Orgeln"  in  der  Leipziger  musikalischen 
Zeitung,  Jahr  1835,  Band  38,  Nr.  4  und 

5,  S.  65  u.  s.  w.  abgedruckt  ist.  Derselbe  benutzte  das  aiif  der  Lei])ziger  Stadtbibliothek  befind- 
liche, vortrefflich  geschriebene  griechische  Älanuscript  der  beiden  Bücherdes  fiero  von  den 
pneumatischen  Instrumenten,  war  aber  dennoch  in  seiner  Auseinandersetzung  nicht  recht 
glücklich,  weshalb  eine  besondere  Beleuchtung  dieses  Gegenstandes  auf  Grund  jenes  Manu- 
scrii)tes  von  der  Zukunft  zu  erwarten  bleibt.  -  Die  Wasserorgeln  und  Windorgeln  haben 
nach  der  Beschreibung  des  ITero  die  olien  und  umstehend  gegebenen  Gestalten. 

Die  Wasscrorgel,  vom  Ctesiliius  (um  150  v.  Chr.)  erfimdeji,  welcher  nach  dem 
Zeugnisse  des  Aristocles  bei  Athen.  IV.  p.  174  unter  der  Reaicxuilg__d.es  Ptolemaeus  E\'er-_ 
getes  IL  lebte  (für  den  Manche  Evergetes  I.  bezeichnen,  cf.  Buttmann  in  Comment 
Acad.  Berol.  a.  1811,  p.  169),  wird  auch  zuweilen  dem  Arrhimedes  zugeschrieben,  wofür 
Tertullian  de   an.  c.  14,    de    spect.   c.   10  in  Vergleichung  mit  Claudian.  de  cons.  Mall, 


44 

ben  wir  nicht,  dass  jenes  Instrument  in  die  Zeit  Salomo's  zu  versetzen  ist, 
sondern  wir  sehen  eine  solche  Angabe  als  die  Erzählung  derTalmudisten 

Theod.  V.  315  als  Zeuge  anzuführen  ist,  Athenaeus  schildert  sie  lib.  IV,  24,  als  ein 
Instrument  mit  süssem  Tone,  und  die  Beschreibung  ihrer  Construction  befindet  sich  ausser 
in  den  Schriften  des  Hero  auch  noch  bei  Vitruv  X,  13.  Die  umstehende  Zeichnung 
(Fig.  1)  lässt  leicht  erkennen,  dass  der  grössere  Behälter  unter  der  Windlade,  auf  welcher 
die  sieben  Pfeifen  stehen,  ein  Wasserbehälter  ist,  in  welchem  sich  eine  hohle,  imten  auf 
beiden  Seiten  offene  Halbkugel  befindet;  aus  dieser  führt  eine  Röhre  in  die  Windlade. 
Das  Wasser  im  Behälter  dient  dazu,  um  den  in  die  Halbkugel  durch  eine  mit  dem 
Windbehälter  verbundene  Röhre   strömenden   Wind   in  seinem  Drucke  zu  reguliren.    Der 

Windorgel  nach  Hero  (Figur  2;. 


Wind  selbst  wird  durch  einen  in  den  Windbehälter  vermittelst  eines  Hebels  kräftig 
getriebenen  Stössel  hervorgebracht.  Bei  der  vom  Hero  beschriebenen  pneumatischen 
Orgel  fällt  der  Wasserbehälter  fort  (Figur  2),  ihr  Ton  wird  deshalb  wahrscheinlich 
stärker,  aber  ungleichmässiger  gewesen  sein,  weil  zu  damaliger  Zeit  sicherlich  noch  keine 
Windproben  in  unserm  Sinne  existirten.  Wasserorgel  und  AVindorgel  sind  neben  einander 
gebraucht  worden;  aus  der  ursprünglichen  Gestalt  der  letzteren  mit  sieben  Tönen  und 
grossen  breiten  Tasten  hat  sich  jedenfalls  die  im  sechzehnten  Jahrhundert  oft  vorkom- 
mende Gestalt  der  kleinen  Positive  entwickelt,  von  Avelchen  wir  hier  aus  damaliger  Zeit 
einige  Zeichnungen  veröffentlichen.  Diese  Zeichnungen  sind  bei  Agrkola  ,,Musica  instru' 
mentalis"'  1529,  c.  I  und  II,  l)ei  Ottninarus  Lusciniun  „^luswvgnv  153(j,  pag.  18,  zu  finden, 
während  Praetorius  1619  schon  weit  vollkommenere  und  ansgebildetere  Positive  hat. 
Agricola  giebt  uns  dazu  das  Verschen: 

Des  er.sten   Cteschlechtes,  die  ander  art 
Der  holen  vöreni  i.st  zu  rti.sser  Fart. 


45 

an,  deren  Bestreben  es  bekanntlich  war,  alle  Erfindungen  auf  dieBIüthe- 
zeit    des  Judenthums    zurückzuführen.     Zu   dieser  Ansicht  werden  wir 


Welche  des  menschen  wind,  nicht  blasen  mag 
Und  sind  all  Instrument,  wie  ich  dir  sag, 
Die  durch  blasbeige  geben  einen  schal 
Als  sind,  Orgeln,  Posityff,  und  Regal. 
Portatytt",  und  ander  der  gleich  gcaclit 
Welcher  yhr  laut,  durch  blasbelg  wird  gemacht. 
Von  welchen  ich  auch  etwas  wil  langen 
Wenn  ich  vom  absetzen  werd  anfangen. 
Nicht  mehr  alhie  sonder  schaw  yhr  gestalt 
Wie  sie  darunten  sein  recht  abgemalt. 

Im  Morgenlande  sind  sicherlich  die  Wasserorgeln  eher  im  Gebrauch  gewesen,  als 
itn  Abendlande,  wo  man  sich  der '  Windorgeln  bediente.  Die  Windorgeln  beschreibt  der 
Kaiser  Juliunus  durch  acht  Verse  {cü.).oii]V  ooooj  etc.),  die  schon  bei  Forkcl,  Seite  355,  mit 
einer    deutschen    Uebersetzung 

zu  finden  sind,  ebenso  Augusti-  Portativ. 

»(MS  in  Psalm.  5G,  16,  wo  er 
sagt,  man  nenne  alle  musi- 
kalischen Instrumente  ohne  Aus- 
nahme Organa  und  nicht 
bloss  dasjenige  mächtige, 
welches  durch  Blasebälge 
angeblasen  würde:  non  so- 
lum  illud  Organum  dieitur. 
quod  grande  est  et  inflatur  fol- 
libus,  sed  quidquid  aptatur  ad 
cantilcnam  et  corporeum  est, 
quo  instrumento  utitur,  qui 
cantat,  Organum  dieitur.  Cf. 
Isid.  Etym.  III,   20,  et   Cassio- 

dor.  in  Ps.  CL.,  Organum  est  quasi  turris  quaedam  diver.«is  fisti;lis  fabrieata,  quibus 
flatu  follium  vox  copiosissima  destinatur,  et  ut  eam  modulatio  decora  componat,  Un- 
guis    quibusdam    ligneis 

ab     intcriore     (I.     ante-  Positiv, 

riore  nach  Volhnann) 
parte  construitur,  quas 
disciplinabiliter  magistro- 
rum  digit)  reprimentes, 
grandisonam  efficiunt 
et  suavissimam  cantilc- 
nam. Aus  den  Worten 
Cassiodor's  möchte  man 
bereits  auf  ein  grös- 
seres Orgelinstrument 
schliessen,  und  die  wei- 
tere Geschichte  der  Orgel 
lehrt  allerdings  die  im 
Lauf  der  Zeiten  fortwäh- 
rend   zunehmende    Vcr- 


46 


namentlich   durch   die  Vergleichung  mit   der  griechischen  Wasserorgel 
geführt,  deren  Dasein  sich  erst  im  2ten  Jahrhundert  vor  Chr.  nachweisen 


Kegal. 


grösserung  derselben.  Im  Jahre  756  schickte  der  Kaiser  Constantinus  Copronymus  eine  Orgel 
(jedenfalls  eine  Wasserorgel)  als  Geschenk  an  Pipin,  vergl.  Archibald  Bower,  Historie  der  rö- 
mischen Päpste,  Tom.  V,§.  158,  p.  24.%,  Josephus  Binghamus,  Originesecclesiasticae,  Tom.  III, 
libr.  VIII,  cap.  VII,  §.  14,  pag.  276,  und  Bernhard  de  Montfaucon,  Antiquitates  graecae  et 
romanae,  Tom.  III,  Part.  II,  libr.  V,  cap.  II,  §.  3,  p.  279,  deren  Meinungen  sich  auf  die 
Zeugnisse  des  Aventinus,  Marianus  Scotus  und  Lambertus  Schafnaburgensis  stützen,  die 
beide  in  Pistorii  scriptoribus  Rerum  Germanicarum  Tom.  I  stehen.  Marianus  Scotus  ed. 
Straviana  sagt  pag.  633  ad  arnum  756:  „anno  756  Organum  primitus   venit  in  Franciam, 

missum  Pipino  regi  a 
Constantino  imperatore 
de  Graecia".  Lamhertus 
Schafnahurg.  p.  310:  „a. 
756  Organa  primum  missa 
sunt  Pipino  e  Graecia". 
Johannes  Aventinus  in 
Annalibus  Bojorum,  libr. 
III,  pag.  300,  edit.  In- 
golstadii  1554,  sagt  ein- 
gehender: „Constantinus 
ad  Pipinum  proficisci 
jubet  legatos,  quorum 
princeps  Stephanus  episcopus  romanus.  Ipsi  maritimo  itinere  cum  muneribus  ad 
Pipinum  devenere.  Munera  imperatoris,  quae  a  legatis  deferabantur,  erant  instrumentuni 
musicae  maximum,  res  adhuc  Germanis  et  Gallis  incognita.  Organon  appellant. 
Cicutis  ex  albo  plumbo  compactuni  est,  simul  et  follibus  inflatur  et  manuum  pe- 
dumque  digitis  pulsatur."  —  Dass  die  Grösse  dieses  Instrumentes  in  Germanien  und 
Gallien  etwas  Erstaunliches  und  Unbekanntes  sein  mochte,  Jässt  sich  annehmen; 
kleinere  Orgeln  hat  man  aber  dort  gewiss  schon  früher  gekannt.  Der  Enkel  Pipin's, 
Ludwig  der  Fromme,  Hess  sich  siebzig  Jahre  nach  dieser  Begebenheit  von  dem  vene- 
tianischen  Geistlichen  Georgias,  welcher  aus  dem  Morgenlande  kam,  zu  Aachen  eine 
Orgel  bauen,  was  Aventinus  libr.  IV,  pag.  386,  in  den  Worten  bezeugt:  „Georgius  tum 
sacerdos  Venetia  oriundus  musicae  Hydraulicum  instrumentum,  quod  Organon  vocant, 
ad  aquas  Graecas  conflat".  Hände  und  Füsse  wurden  zum  Tractiren  des  Organon  hy- 
draulicum ei-fordert,  denn   Claudianus  sagt: 

..Intonet  erranti  digito,  pedibusque  trabali  (Die    Füsse  jedenfalls  zum 

Yecte  laborantes  in  carmina  conciitet  undas. "  Treten  des  Windhebels,) 
Ueber  jenen  Georg  berichtet  Eginhardt,  f  843,  de  translatione  St.  Mart.  Petri  et 
Marcellini,  cap.  XVI:  „Hie  est  Georgius  Veneticus.  qui  de  patria  sua  ad  imperatorem  venit 
et  in  Aqucnsi  Palatio  Organum,  quod  graece  hydraulicum  vocatur,  mirifica  arte  composuit". 
Dass  im  Mittelalter  die  Sängerschule  St.  Gallens,  auf  welche  in  den  Geschichten  der 
Musik  so  wenig  Rücksicht  genommen  ist,  Orgeln  gebrauchte,  beweist  die  Schrift  des 
Notlcer  Labeo,  auch  Teutonicus  genannt,  welche  von  der  Mensur  der  Orgelpfeifen  han- 
delt, und  das  Verbot  des  Gebrauchs  musikalischer  Instrumente  in  der  Kirche,  welches 
später  Thomas  von  Aquino  in  die  Welt  schleuderte,  scheint  nicht  von  weittragender 
Bedeutun]5f  gewesen  zu  sein,  da  schon  zu  Anfang  des  vierzehnten  Jahrhunderts  in  Italien 
die  Orgeln  allgemein  eingeführt  wurden  und   sicherlich  schon   vorher  in  Baiern  bekannt 


47 

lässt.  Die  ganze  Construction  jener  hebräischen  und  griechischen  Pfei- 
fenwerke, bei  welchen  der  Unterschied  hauptsächhch  nur  durin  bestand, 

gewesen  sind.  Durch  die  Orgclvorbesserungen  des  Venctiiinischcn  Patiiciers  Torcellus 
nahm  allerdings  der  Org-clhau  einen  grossen  Aufschwung,  worüber  die  Italicner  so  ent- 
zückt waren,  dass  sie  alle  Orgeln  Torcellos  nannten,  für  welche  Thatsachc  Henricus 
Wharloti  Zengniss  ablegt,  und  zwar  im  Ajjpendix  zu  der  Ilistor.  Litt.  Guiliclm.  Cavc 
])ag.  10:  Marinus  Sunutus,  seu  Sanudo,  cognomcnto  Torsellus,  Patrieius  Vcnetus,  Marei 
Hlius,  in  ))arochia  Sevcri,  civitatc  Kivoalti,  Venetiis  natus:  familiaris  et  domiccllus 
Richardi,  Cardinalis  Diaconi  vS.  Eustachii.  Germani  cujusdam  artificis  ojiera  usus, 
Organa  illa  Pneumatica,  quae  hodie  usurpantur,  Italiae  Torsellos  dicta,  prin.us  onmium 
in  Ecelesiam  "induxit:  inde  datum  ei  Torselli  nomen.  Claruit  anno  1312,  Obiit  post  an- 
nuni  1329.  Dass  also  schon  vor  Torsellus,  welcher  sich  die  deutschen  Orgelverbesae- 
rungen  zu  Nutze  machte,  in  Deutschland  tüchtig  im  Orgelbau  gearbeitet  worden  ist, 
geht  hieraus  unleugbar  hervor.  Von  der  im  Text  berührten  unbeholfenen  Tastatur 
spricht  Michael  Praelorius,  Syntagma  Musicum  Tom.  II,  de  organographia.  Das  Pedal 
erfund  nach  dem  Zeugniss  des  Marcus  Antonius  Coccius  Sabellieus  in  operibus  Omnibus, 
Tom.  II,  Enneade  X,  libr.  VIII,  pag.  999,  cd.  Basileae  1560,  Bernhard  der  Deutsche, 
von  welchem  jener  de  tempore  Sixti  IV,  Pontificis  circa  annuin  1471,  so  sehreibt:  „Musicac 
artis  virum  onmium,  qui  unquam  fueruut,  sine  controversia  praestantissimum  plures  annos 
Venetiae  habuerunt  Bernhardum,  cognomento  Theutonem,  argumento  gentis,  in  qua 
ortus  esset,  omnia  musicae  artis  instrumenta  scientissime  tractavit,  primus  in  Organis 
auxit  numeros,  ut  et  pedes  quoque  juvarent  concentum  funiculorum  attractu.  Mira  in 
CO  artis  cruditio  Aoxque  ad  omnes  numeros  accommodata,  numinis  Providentia  ad  id  natus 
ut  unus  esset,  in  quo  ars  pulcherrima  omnes  vires  expcriretur  suas.  Caeterum  quando 
non  omnia  uni  data  sunt,  arguitur  in  eo  inconstantia  quaedam,  ut  vere  illud  sapicntissime 
sit  dictum,  nullum  esse  magnum  ingenium  sine  mixtura  demcntiae.  Fuit  alioquin  in- 
signi  pietate,  multaque  castimonia.  Plcrique  ex  iis,  qui  illi  operam  dedere,  darum  sunt 
in  ea  arte  nomen  adepti.'' 

Nach  dieser  Zeit  wurden  denn  auch  bald  mehrere  Pedalorgcln  gebaut,  z.  B.  1475 
zu  Nürnberg  in  der  Barfüsser  Kirche,  als  deren  Erbauer  Konrad  Rothenburger,  ein 
Bäckerssohn  aus  Nürnberg,  genannt  wird,  Avelchcr  1493  in  der  Domkirche  zu  Bamberg 
eine  noch  grössere  aufstellte.  1483  Avnrde  von  Stephan  aus  Breslau  in  der  Domkirehe 
zu  Erfurt  ein  grosses  Orgelwerk  errichtet  und  1499  erbaute  Heinrich  Kranz  die  grosse 
Orgel  für  die  Stiftskirche  St.  Blasii  zu  Braunsehweig.  Dass  sich  mit  der  Zeit  die 
Tastatur  in  dem  Maasse  verbesserte,  als  die  Akustik  und  Technik  des  Pfeifenwerkes 
Fortschritte  machte,  liegt  klar  auf  der  Hand,  und  im  sechzehnten  Jahrhundert,  wo  sich 
der  Uebergang  von  dem  unmittelbar  aus  dem  griechischen  hervorgegangenen  mittelalter- 
lichen Tonsystem  zum  modernen  Tonsystem  kundgicbt,  treten  die  Verbesserungen  noch 
deutlicher  hervor.  Der  Orgelbau  erlangt  in  jener  Zeit  eine  solche  Allgemeinheit,  dass 
sich  die  Coneurrenz  und  mit  dieser  auch  die  Vervollkommnung  in  staunenswerthem 
iSIaasse  steigerte.  Zu  Bernau  in  der  Mark  wurde  schon  157(j  eine  bedeutende  Orgel  verfertigt, 
und  dersellte  Erbauer,  Hans  Scherern,  errichtete  1580  zu  Stendal  ein  Werk,  welches 
auf  dem  Manualclavier  48  und  in  dem  Pedal  26  Clavcs,  „sammt  allerhand  damals  er- 
funden gewesenen  offenen  und  gedeckten  Stimmen,  wie  auch  etlichen  Zungen  werken  hatte". 

Nachdem  im  siebzehnten  Jahrhundert  noch  durch  Andreas  Werckmeister  zur  Er- 
leichterung und  Verbesserung  der  Mechanik  die  musikalische  Tenqicratur  zur  allgemeine- 
ren Kenntniss  gebracht  worden  und  seine  nützhehen  Schriften  über  die  Orgel  erschienen 
waren,  nahm  der  Orgelbau  die  Richtung,  in  welcher  er  fortschreitend  bis  zum  neunzehn- 
ten Jahrhundert  auf  die  jetzige  hohe  Stufe  der  Vollkommenheit  gelangte. 


48 

däss  bei  der  griechischen  Wasserorgel  das  Wasser  als  Regulator  für  den 
Winddruck  benutzt  wurde,  während  ein  solcher  bei  der  INIagrepha  nicht 
angebracht  war,  lässt  mit  zienilicher  Sicherheit  auf  eine  Art  von  Tastatur 
schliessen ,  deren  weitere  Vervollkommnung  dem  Mittelalter  überlassen 
blieb.  Diese  Vervollkommnung  hat  sich  in  äusserst  langsamer  Weise 
vollzogen,  was  aus  der  Geschichte  der  Orgel  deutlich  genug  hervorgeht; 
denn  obschon  man  den  Nachweis  für  das  Vorhandensein  von  Orgeln  im 
4ten  Jahrhundert  bei  Julian  dem  Abfrünnigen,  im  Sten  Jahrhundert 
beiPipin,  ferner  bei  Carl  dem  Grossen  u.  s.  w.,  kurz  von  den  ersten 
christlichen  Zeiten  bis  auf  die  Gegenwart  führen  kann,  so  ist  doch  fest- 
zustellen, dass  die  Tastatur  nicht  eher  eine  leichtere  Handhabung  er- 
laubte, als  im  1 5ten  Jahrhundert,  avo  auch  der  Anfang  für  die  Eritwicke- 
lung  der  Ciavierinstrumente  zu  suchen  ist.  Allerdings  scheint  dem  die 
Nachricht  Mersenne's  zu  widersprechen,  welcher  eine  Beschreibung  eines 
kleinen  Positivs  aus  sehr  alter  Zeit  giebt;  die  Beschreibung  der  einzelnen 
Tasten  ist  er  uns  aber  schuldig  geblieben,  und  so  Averden  wir  wohl  mit 
Recht  annehmen  können,  dass  diese  Tastatur  in  früherer  Zeit  nicht  voll- 
kommener gCAvesen  sei,  als  wie  sie  uns  für  das  Ute  und  r2te  Jahrhundert 
beschrieben  wird,  w^o  die  Tasten  „über  Handbreit"  gebaut  wurden.  Zur  Be- 
gleitung der  einfachenMelodie,  welcher  die  Scalenordnung  in  griechischer 
Tetrachordform  meist  zu  Grunde  lag,  nämlich  11  c  ä  c  f  g  a     h  d  d'  e'  f 

bei  späteren  auch  das  Guidonische  Hexachord,  aber  auf  den  Grundton 
c  übertragen,  also: 

c  d  c  f  (j  a 

ff/  a  b  d  d' 
'  g  a  k  c'  d'  &  f'  [/'  a' 

in  welcher  Form  sich  die  ionische  Scala  im  regulären  System,  d.  h.  C  dur," 
und  im  transponirten  System,  nämlich  Fdur,  darstellt:  zu  solclvsr  Be- 
gleitung, also  im  Unisono  oder  in  der  Octave,  reichte  aber  jene  Tastatur 
vollständig  aus,  und  die  spielenden  Mönche  waren  hinreichend  im  Stande 
die  antiphonischen  Gesänge  durch  die  Instrumente  genügend  zu  unter- 
stützen. Trotzdem  dass  nun  For/l,■e^ selbst  den  Nachweis  von  den  hand- 
breiten Tasten  giebt,  hat  der  sonst  so  verdienstvolle  Forscher  doch  so 
wenig  kritisches  Urtheil  ü!)er  die  damalige   Beschaffenheit  des  Kirchen- 


49 

gesanges,  dass  er  allen  Ernstes  glaubt,  man  habe  in  so  symphonischer 
Weise  die  Gesänge  vorgetragen,  wie  sie  alle  Geschichtsschreiber  seit  Ger- 
hert  dem  sooft  verkannten //^<c&«M(t  ^30)  in  die  Schuhe  schieben.  Nach 
Gcyhert  und  Forl'cl  soll  derselbe  nicht  bloss  in  Quinten,  sondern  in  durch 
Octaven  verdoppelten  Quinten  gesungen  haben,  die  Stimmführung  des- 
selben hätte  sich  also  uno-efähr  in  folo'ender  Gestalt  "-ezeigt: 


'ril=\ 

^ -■■- . \ 

Ui: — f. 

h — i-  '^     ^^    J     i     'r==^ 

' ^ —  g  —  g      g      f      ?      i 

=±=^ 

r     1     r     1     r     p     p 

Wie  widersinnig  und  historisch  unwahr  eine  solche  Annahme  ist, 
haben  wir  wiederholt  in  verschiedenen  Abhandlungen  dargethan,  und  den- 
noch ist  von  neueren  Historikern  immer  wieder  das  Mährchen  von  dem 
Quinten-Organiziren  Hticbald's  aufgetischt  worden.  Der  lateinische  Text 
bei  Gcrbert,  welchen  man  allerdings  durch  Manuscriptvergleichungen 
in  etwas  berichtigen  muss,  lässt  bei  genauer  Aufmerksamkeit  und  genü- 
gender Kenntniss  der  musikalischen  Theorie  jenes  Zeitalters  sicher  er- 
kennen, dass  derai'tige  Beispiele  HuchaMs  Antiphonien  sind,  die  so  ge- 
sungen wurden,  dass  Männer  und  Knaben  zusammen  in  Octaven  eine 
Melodie  vortrugen,  deren  Wiederholung  auf  der  Quinte  und  ihrer  Octave  ; 
wiederum  Männer  und  Knaben  ausführten.  Die  Beispiele  HiichalcVs 
sind  nichts  weiter  als  Wechselgesänge  nach  gewissen  theoretischen  Grund- 
sätzenjjü  denen  die  Knaben  in  den  Klosterschulen  unterrichtet  wurden. 
Wären  Forlccl  und  Kiesewetter ,  deren  Aussprüche  spätere  Historiker 
acceptirten,  nicht  aus  den  Schriften  HucbalcTs  zur  Klarheit  gekommen, 
so  hätten  ihnen  doch  gerade  diese  mächtigen  Orgeltasten'  einen  Aufschluss 
für  die  Wahrheit  geben  können.  Denn  auf  solcher  Tastatur  konnte  man 
diese  sogenannten  vierstimmigen  Beispiele  gar  nicht  ausführen,  weil  bei 
handbreiten  Tasten  eine  Quinte  mit  einer  Hand  zu  greifen  ein  Ding  der 
Unmöglichkeit  ist.  Dass  also  die  Art  und  Weise  des  Gebrauchs  jener 
Orgelinstrumente  in  manchen  Punkten  ein  ganz  anderer  war,  als  wie  ihn 
Forkel  und  seine  Ausschreiber  darstellen,  dürfte  wohl  jetzt  als  endgültig 
festgestellt  zu  betrachten  sein.  Desgleichen  können  wir  dem  Praetorius 
bezüglich  geschichtlicher  Angaben  nicht  jene  Autorität  einräumen,  welche 
ihm  Forkel  zuerkennen  will,  dessen  Glaube  an  des  ersteren  Aussprüche 


50 

unerschütterlich  ist.  So  hat  auch  Forkel  jenen  Musiker  des  16ten  Jahr- 
hunderts, der  für  den  Instrumentenbau  dieser  Zeit  allerdings  die  Haupt- 
quelle ist,  als  Gewährsmann  genommen,  indem  er  ebenso  wie  Praetorius 
die  Erfindung  des  Clavichords  auf  Guido  zurückführen  will.  Praeto- 
rius sagt  freilich  nur:  „Das  Clavichordium  ist  aus  dem  Monochord  (nach 
der  Scala  Guidonis  welche  nicht  mehr  als  zwanzig  Claves  gehabt  hat) 
erfunden  und  ausgetheilt  worden.  Denn  anstatt  eines  jeden  Bundes  auf 
dem  Monochord,  hat  man  einen  Clavem  auf  dem  Clavichordio  gemacht. 
Und  sind  Anfangs  nicht  mehr  denn  20  Claves,  bloss  in.genere  diatonico 
gemacht  worden,  darunter  nur  zwei  schwarze  Claves,  das  b  und  b  (=h) 
gewesen.  Denn  sie  haben  in  einer  Octave  nicht  mehr  als  dreierlei  Se- 
mitonia  gehabt,  als  a-h,  h-c  und  e-f,  wie  dasselbe  noch  in  gar  alten  Orgeln 
zu  ersehen."  Hier  ist  in  ziemlich  unklarer  Ausdrucksweise  nur  von  der  Ein- 
führung besonderer  Tasten  für  die  Saiten  die  Rede,  die  sich  an  Instrumen- 
ten mit  Bünden  und  ohne  Bünde,  auf  die  wir  weiterhin  zu  sprechen 
kommen,  befanden,  und  es  hat  diese  ganze  Stelle  mit  Guido  weiter  nichts 
zu  thun,  als  die  Einrichtung  seiner  Scala  zu  erwähnen,  die  ja  bis  Ende 
des  löten  Jahrhunderts  massgebend  blieb.  ForJcel  will  zwar  durch  eine 
Stelle  aus  Scaliger  seine  Guidonische  Weisheit  bekräftigen,  aber  gerade 
diese  Stelle  belehrt  uns  über  den  Ursprung  des  Claviers,  weil  sie  uns 
zugleich  angiebt,  was  die  Musiker  des  16ten  Jahrhunderts  unter  diesen 
Monochorden  verstehen*).  Scaliger  behauptet  nämlich,  dass  Siniius 
das  Instrument  „Simicon"  erfunden  habe,  dessen  Resonanzboden  mit 
35  Saiten  bezogen  gewesen  wäre;  von  diesem  müsse  man  den  Ursprung 
derjenigen  Instrumente  ableiten,  welche  das  Volk  gewöhnlich  „Monochorde" 
nenne,  bei  denen  die  Klänge  durch  geordnete,  von  unten  in  die  Höhe 
springende  Plectra  hervorgebracht  würden.  Später  habe  man  an  den  Plec- 
tris  spitzige  Rabenfedern  angebracht,  um  einen  besseren  Ton  aus  den 
Metallsaiten  zu  erhalten.  In  seinen  Knabenjahren  sei  dieses  Instrument 
Clavicymbalum  und  Harpichordum ,  nachher  aber  von  den  spitzigen 
Rabenfedern  Spinett  genannt  worden.  ForJcel  hält  nun  die  Monochorde  für 
gleichbedeutend  mit  den  griechischen  Monochorden  und  zweifelt  plötz- 


*)  Dass  natürlich  neben  den  Claviermonochorden  die  sogenannten  Monochorde  als 
Tonmesser  fortexistirten,  ist  selbstverständlich;  denn  auch  heutzutage  ist  das  Monochord 
ein  unentbehrliches    Instrument  zur  Mensurabtheilung  und  Bestimmung  der  Klanghöhe. 


51 

lieh  wieder  an  seiner  früheren  Behauptung  vom  Ursprung  des  Claviers 
Inder  Zeit  Guido' s,  indem  er  sagt:  „So  einleuchtend  indessen  der  Ursprung 
des  Clavichords  aus  dem  Monochord  ist,  so  lässt  sich  doch  nicht  behaup- 
ten, dass  schon  zu  Guido's  Zeit  das  Monochord  eine  solche  oder  ähnliche 
Einrichtung  erhalten  habe,  wodurch  es  zum  Unterricht  im  Singen  be- 
quemer geworden  wäre,  als  es  mit  seinem  beweglichen  Stege  sein  konnte"*). 
Die  Wahrheit  liegt  jedoch  ganz  klar  auf  der  Hand. 

Man  bediente  sich  nämlich  häufig  im  Mittelalter  eines  schon  im  al- 
ten Griechenland  ganz  bekannten  Instrumentes;  dasselbe  ist  jedenfalls 
uralt  und  indischen  Ursprungs,  später  auch  von  den  Aegyptern  gebraucht 
und  von  hier  aus  zu  den  Hebräern  und  Griechen  gekommen,  von  welchen 
letzteren  es  die  Araber  erhielten.  In  Deutschland  scheint  dasselbe  erst 
zur  Zeit  der  Kreuzzüge  eingeführt  worden  zu  sein,  in  Italien  gebrauchte 
man  aber  dasselbe  schon  früher,  und  hier  ist  fast  an  eine  directe  Ueber- 
lieferung  von  den  Griechen  zu  glauben.  Das  Simikon  oder  besser  Si- 
mikion  ist  nämlich  kein  anderes  Instrument,  als  das  mit  Klöppeln  ge- 
schlagene Hackebret,  auf  dem  sich  die  Zigeuner  jetzt  noch  mit  Vorliebe 
hören  lassen**).  Das  Ciaviermonochord  des  späteren  Mittelalters  entstand 
aus  dem  Bestreben,  den  Anschlag  der  Saiten  regelmässiger  und  gleich- 
massiger  hervorzubringen,  was  bei  der  Kenntniss  der  Orgeltastatur  bald 
in  der  Weise  gelang,  dass  man  das  Simikon  oder  Hackebret  dem  ge- 
meinen Volke  überliess  und  dasselbe  als  unedles,  der  eigentlichen  Kunst 
nicht  mehr  angehöriges  Instrument  bezeichnete  ***).  Bald  entstanden  je 
nach  den  Verbesserungen  verschiedener  Instrumentenbauer  besondere 
Arten  der  Ciavierinstrumente,  welche  uns  Agricola  als  „Clavicord, 
Clavicymbal,  Symphonei,  Virginal,  Claviciterium"  namhaft  macht,  deren 
er  in  dem  Verschen  auf  die  Saiteninstrumente  Erwähnung  thut: 


*)  Auch  Printz:  Historische  Beschreibung  der  edlen  Sing-  und  Klingkunst,  hält  cap. 
10,  §.  14,  den  Guido  von  Arezzo  für  den  Erfinder  des  Clavichords,  wogegen  Kiesewetter 
die  Haltlosigkeit  dieser  Behauptung  schlagend  darthut. 
**)  Simicium,  conf.  Jul.  Pollux  IV,  59. 
***)  Luscinius  pag.  13 :  lastrumentum  ignobile  est  propter  ingentem  strepitum  vocum, 
sese  mutuo  praepedientium.  Schon  im  fünfzehnten  Jahrhundert  durften  die  Mönche  das 
Monochord,  aus  welchem  das  Clavichord  entstand,  in  ihren  Zellen  spielen.  Cf.  de  cantu 
et  musica  sacra  Gerberti,  Tom.  II,  pag.  214  Anm. :  Verum  quoniam  id  fuit  difficile 
persuasu,  illud  musicum  instiumentum,  quod  monochordum  vocant  ....  honeste  in 
cellulis  retiuere  posse  concedimus. 


52 

Des  andern  Geschlechts  sind  ungelogen 

Alle  Instrument  mit  Seyten  bezogen. 

Auch  sind  etliche  mit  Clavirn  gemacht 

Durch  welch  yhre  Melodey  wird  vorbracht. 

Als  sind,  Clavichorden,  Clavicymbal, 

Symphoney,  Schlnsselfidel ,  Virginal, 

Claviciterium,  Leim,  mein  ich  auch 

Und  alle,  die  yhn  gleich  sind  ym  gebrauch  u.  s.  w. 


II. 
Die  ältesten  Formen  der  besaiteten  ClaTierinstrumente. 

a.  Clavichord. 
Indem  wir  die  Explication  Virdimg's  von  dem  Monochord  übergehen, 
da  dieselbe  sehr  oberflächlich  und  ungenau  ist,  wenden  wir  uns  jetzt  zu 
den  verschiedenen  Arten  der  besaiteten  Ciavierinstrumente  im  16ten  Jahr- 
hundert   von  denen  wir  das  Clavichord  als  das3ltesiej.ristrument  dieser 

Gattung  zuerst  behandeln. 

„,    . .    ,  Dasselbe    hatte    An- 

Clavichord. 

fangs,  wie  schon  erwähnt, 
20  Tasten,  genannt  Cla- 
ves^  mit  welchen  man 
nur  das  diatonische  Ge- 
schlecht hervorbringen 
konnte,  dessen  Ordnung 
sich  im    löten  Jahrhim- 

^^^^^^^^^^__^_^^^ dert   in  folgender  Form 

herausgebildet  hatte: 

F  G  A  B  H  c  ä  c  f  g  ah  h  &  d'  c'  f  g'  a'  b',  wo  also  in  jeder 
Octave  nur  drei  Halbtöne  vorhanden  waren.  Später  traten  die  chroma- 
tischen Halbtöne  hinzu,  welche  Praeiorms  auf  Boethius  zurückführen 
will;  dieser  Irrthum  ist  aus  der  Unbekanntschaft  mit  dem  Werke  über 
die  Musik  des  alten  Autors  zu  erklären;  nur  so  viel  bleibt  als  Wahrheit 
von  dieser  Angabe  übrig,  dass  die  Theoretiker  des  16ten  Jahrhunderts 
durch  das  Studium  des  Boethius  zu  musikwissenschaftlichen  Forschun- 


5ä 

gen  angeregt  und  auf  das  chromatische  Geschlecht  Im  modernen  Sinne 
geführt  wurden,  daher  auch  Sotlms  Galvmus*)  eine  genaue  Anleitung 
zur  Uebertragung  der  alten  Tonarten  auf  die  Orgeltasten  geben  konnte, 
woraus  ersichtlich,  dass  nicht  alle  chromatischen  Claves  In  der  Mitte  des 
IGtentTahrhunderts  auf  den  Orgeln  vorhanden  waren,  dieselben  aber  kurz 
nach  seiner  Zeit  eingeführt  wurden.  Ucberdles  thellte  ZarUno  erst  im 
Jahre  1548  mit  seiner  Theorie  dieOctave  in  12  gleiche  Theile  ein,  welche 
EIntheilung  sich  dann  In  späterer  Zeit  einbürgerte.  Deswegen  ist  die 
im  Jahre  1619  aufgeschriebene  Erklärung  des  Practorius  von  der  Tasta- 
tur des  Clavichords  genau  in  diese  letztere  Zeit  zu  versetzen,  welche  für 
die  Clavichorde  zuweilen  folgende  Tastenreihe  sebrauchte: 

F  G  Gis  A  B  H  c  äs  d  dis  e  f  ßs  g  gis;  a  h  h  c'  eis'  d' 
dis'  c'  f  fis'  g'  gis'  a'  h'  h'  c"  eis"  d"  dis"'e"  f",  von  der  man 
aber  gewöhnlich  nur  die  Reihe  von  c  bis  f"  anwendete.  Bei  Einführung 
der  chromatischen  Töne  zog  man  für  dieselben  keine  besonderen  Saiten 
auf,  sondern  man  Hess  die  zum  Anschlag  an  die  Saite  benutzten  Gänse- 
feder-, Fischbein-,  Straussfeder-  oder  Rabenfeder-Stifte  an  eine  und  die- 
selbe Saitean  einer  anderen  Anschlagsstelle  schlagen,  Avodurchman  nach 
vorherberechneter  Saiteneintheilung  die  chromatischen  Töne  hervorbrachte. 
So  hatten  z.  B.  die  Töne  c  und  eis,  d  und  dis  etc.  nur  eine  Saite,  deren 
verschiedene  Anschlagsstellen  und  dadurch  entstandene  Verkürzuno-en 
auch  die  Erzeugung  verschiedener  Töne  zullessen.  Nach  dieser  oben  ab- 
gezeichneten ursprünglichen  Gestalt  nahm  das  Clavichord  bald  vollkomme- 
nere Formen  an,  wie  wir  bei  Praetor  ins  ersehen  können,  der  ein  zu  Ende 
des  16ten  ^Jahrhunderts  aus  Italien  nach  Meissen  in  Sachsen  gebrachtes 
Clavichord  erwähnt,  dessen  ganze  Bauart  einen  weiteren  Fortschritt  er- 
kennen lässt.  Während  man  diese  Instrumente  als  „mit  Bünden"  ge- 
baute bezeichnete,  bei  denen  eine  Saite  mehr  als  einen  Ton  durch  ihr 
zugehörige  Tasten  hervorbringen  musste,  nannte  man  diejenigen  bund- 
freie, bei  denen  jeder  Clavis  seine  eigene  Saite  hatte.  ZumThell 
war  das  von  Praetorius  beschriebene  Instrument  schon  bundfrei,  was  von 
diesem  besonders  bemerkt  und  hervorgehoben  wird.  Im  1 7ten  Jahrhun- 
dert scheinen  die  Bünde  noch  meist  im  Gebrauche  gewesen  zu  sein,  hin- 
gegen das  18te  Jahrhundert  sich  von  diesen  vollständig  frei  machte. 


*)  Exercitatio  tertia,  Lipsiae  1600, 


54 


ClaTicymbalam. 


b.  Clavicymbalum. 
Beim  Uebergang  zu  der  ältesten  Art  des  Clavieymbalums  können 
wir  nicht  unerwähnt  lassen,  dass  WelcJcer  Seite  156  ein  altes  Instrument 
als  Clavichord  beschreibt,  das  jedenfalls  ein  Clavicymbalum  gewesen 
ist.  „Der  Körper  des  Clavichords",  sagt  er,  „hatte  eine  Länge  von  3  bis  4 
Fuss  und  eine  Breite  von  etwa  2  Fuss,  die  Zarge  nur  eine  Höhe  von  5  Zoll. 
An  einer  der  längeren  Saiten  (?—  soll  wohl  heissen  Seiten  des  Kastens)  war 
die  Claviatur  angebracht."  Ein  sehr  altes  Clavichord  kann  das  nicht 
gewesen  sein,  denn  bei  der  ältesten  Art  sind,  wie  die  Zeichnung  beweist, 
die  Saiten  gleich  lang;  die  Verschiedenheit  der  Tonhöhe  findet  ihre  Er- 
klärung in  der  verschiedenen  Dicke  und  Spannung,  gleichwie  die  Violine 
gleich  lange  Saiten,  aber  solche  von  verschiedener  Dicke  und  Spannung 
hat.  Das  Clavicymbalum  dagegen  lässt  zu  j^rifang^des  L6ten  Jahrhun- 
derts diese  Form  wahrnehm3  bei  welcher  sich  die  Saiten  von  ungleicher. 

Länge  auf  den  Resonanz- 
boden „harfenartig"  ge- 
spannt erweisen,  und  diese 
harfenartige  Form  mag 
wohl  zu  der  späteren  har- 
fenartigen  Bauart  des  Ka- 
stens  Veranlassung  gege- 
ben haben.  Da  nun  die- 
selbe auch  Aehnlichkeit 
mit  dem  Flügel  eines  Vo- 
gels hat,  so  führte  man  schon  zu  den  Zeiten  des  Praeiorius  für  das  ausgebil- 
detere Clavicymbalum  die  Benennung  „Flügel"  ein.  Praeiorins  sagt  hier- 
über: „Clavicymbalum  oder  Gravecymbalum  ist  ein  lenglicht  Instrument, 
wird  von  etlichen  ein  Flügel,  weil  es  fast  also  formiret  ist,  genennet.  Von  etli- 
chen sed  male  (aber  schlecht)  ein  Schweinskopf,  weil  es  so  spitzig,  wie  ein 
wilder  Schweinskopfffornen  an  zugehet  und  ist  von  starckem  hellen, fast  lieb- 
lichem Resonantz  und  Laut,  mehr  als  die  andern,  wegen  der  doppelten,  drei- 
fachen, ja  auch  wol  vierfächtigen  Saiten :  Wie  ich  dann  eins  gesehen,  welches 
2  Aequal,  eine  Quint,  und  ein  Octavlin  von  eittel  Saitten  gehabt  hat:  Und 
gar  wol  lieblich  und  prächtig  in  einander  geklungen."  Die  hier  nachfolgende 
Figur  wird  diese  Beschreibung  genügend  unterstützen  und  darthun,  wie 
sich  bereits  im  l7ten  Jahrhundert  unsere  Flügelform  zu  entwickeln  begann 


55 


Hieran  knüpi't  sich  nun  die  Beschreibung  des  Michael  Praetörius 
von  einem  sogenannten  Universalclavicymbal,  welches  derselbe  bei  „Herrn 
Carl   Luyton,  Köm.  Kaiserl.  Majestät   vornehmem    Componisten    und 

Organisten"  zu  Prag,  gesehen  ha-  Clavicymbalum  uacU  Praetorius. 

ben  will.  Dasselbe  habe  mit  sei- 
nen sauber  und  fleissig  gearbeite- 
ten Saiten  den  Vorzug  besessen, 
dass  man  alle  Klanggeschlechter 
auf  demselben  habe  darstellen 
können.  »Ta  nicht  bloss  die  Töne 
eis  und  des,  dis  und  es  u.  s.  w. 
wären  durch  besondere  Tasten 
vertreten  gewesen,  sondern  auch 
zwischen  den  diatonischen  Halb- 
ton  e-f  habe  man  noch  einen  Cla- 
vis  eingeschoben,  um  die  Ge- 
schlechter rein  und  schön  zu  er- 
halten, so  dass  die  Claviatur  vom 
kleinen  c  bis  zum  dreigestrichenen 
c  in  77  Claves  aretheilt  war.  Man 
konnte  das  Instrument  sieben 
Mal  im  Tone  verrücken  und  um 
drei  volle  Töne  transponiren, 
woraus  ersichtlich  ist,  dass  man 
für  eis  und  des,  für  dis  und  es 
besondere  Tonarten  auf  demsel- 
ben angebracht  liatte.  Die  Ver- 
rückung konnte  also  geschehen 
von  c  nach  eis,  nach  des,  nach  d, 
nach  dis,  nach  es,  nach  e,  wo- 
durch auch  denjenigen  eine  Er- 
leichterung o-eboten  wurde,  welche 
sich  nicht  im  Transponiren  ge- 
übt hatten.  Einen  ähnlichen  Apparat  für  letzteren  Zweck  fanden 
wir  auch  auf  der  Pariser  Ausstellung  vor.  Aus  unserem  akustischen 
Theile  wird  man  die  Berechnung  der  Töne  und  die  Möglichkeit    ihrer 


56 

klanglichen  Hervorbringung  ersehen  haben.  Die  Temperatur  schaffte 
diesen  complicirten  Mechanismus,  wie  ihn  uns  Praetorius  beschreibt,  bald 
ab  und  verschaffte  den  Instrumenten  in  Flügelform  eine  leichtere 
Handhabung. 

c.    Symphonia. 

Das  Instrument  Symphonia  oder  Symphonei  war  gewöhnlich  gleich- 
bedeutend mit  Clavicymbalum,  häufig  wurde  aber  auch  diese  Bezeich- 
nung auf  andere  Instrumente  angewendet,  auf  denen  sich  eine  gewisse 
Yollstimmigkeit  erzielen  Hess.  Das  Wort  Symphonia  auf  Instrumente 
bezoo-en  ist  im  16ten  Jahrliundert  das,  was  bei  den  Griechen  Organon  ist, 
d.  h.  es  bedeutet  überhaupt  jede  Art  musikalischer  Instrumente. 

Die  Schlüsselfidel  berührt  uns  hier  nicht;  sie  ist  den  Savoyarden 
jetzt  noch  wohl  bekannt,  und  belästigt  mit  ihrem  unangenehmen  Tone 
nicht  selten  die  Keisenden  in  Frankreich  und  Italien,  wogegen 


d.    D 


as  Clavicitherium 

eine  bemerken swerthe  Stelle  unter  den  alten 
Ciavierinstrumenten  einnimmt.  Zu  An- 
fang des  16.  Jahrhunderts  baute  man 
dasselbe  gewöhnlich  in  dieser  Gestalt,  in 
welcher  die  Aehnlichkeit  mit  der  alten 
Kithara  noch  bemerkbar  ist.  Später 
nahm  dasselbe  ebenso  wie  das  Clavicym- 
balum harfenartige  Form  an,  die  mit  der 
Claviatur  einen  rechten  Winkel  bildete 
(Figur  Seite  57),  während  das  Clavicym- 
balum die  moderne  Flüselform  bewahrte. 


e,    Virgin  al. 

Das  Virginal,  am  Hofe  der  Königiii  Elisabeth  in  England  ein  sehr 
beliebtes  Instrument,  ist  gleichbedeutend  mit  dem  Spinett,  von  welchem 
PraetorüfS  berichtet:  „SjDinetta  (Italice  Spinettoj  ist  ein  klein  viereckicht 
Instrument,  dass  umb  ein  Octava  oder  Quint  höher  geatimmetist,_als^der 
rechte  Thon.     Und  die  man  über-  oder  in  die  grosse  Instrument  zu  setzen 


57 


pfleget.  "Wiewol  die  grossen  viereckete ,  so  wol  als  die  kleinen,  ohn  un- 
terscheyd  Spinetten  initalia  genennet  werden.  In  Engelland  werden  alle 
solche  Instrumenta  sie  seyn  klein  oder  gross,  Virginall  genennet. 

In  Frankreich   E   Spinette:  "         Das  ClavicUUeriuiu  nach  Praetoiius. 

In  den  Niederlanden  Clavicyni- 
bel  und  auch  Virginall. 

In  Deutschland,  Instrument  in 
Specie,  vel  pecnliariter  sie  dicfiitii.^' 

Ägricola  und  Snlpicius  überliefern 
ijns  für  dasselbe  diese  Gestalt  (E'i- 
gur  a),  aus  der  man  ersieht,  dass  der 
Bezug  gerade  die  umg-ekehrte  Form 
des  alten  Clavicymbalum  hatte. 

In  den  Niederlanden  finden  wir 
aber  die  dem  Clavicitherium  sehr 
ähnliche  Form  vor,  von  der  uns  Ed- 
11/oud  Vamler  Straeten  eine  Zeich- 
nung mittheilte  (Fig.  b).  Bei  Praeto- 
rins  hat  eines  der  Spinetten  eine 
unseren  tafelförmigen  l^ianofortes 
ganz  ähnliehe  Gestalt,  bei  welcher 
auch  einige  Tasten  für  enharmonische  Töne  bemerkbar  siiul.  Hieran 
reiht  sich  noch  das  nur  in  der  inneren  Construction  von  dem  Virginal 
(etwas  verschiedene Ar- 
I  pichord  und  das  Clavi- 
{  Organum  an  ,  welches 
letztere  durch  die  Ver- 
bindung eines  Pianino 
mit  einer  Physharmo- 
nikaconstruction  im  19. 
Jahrhundert  eine  neue 
Auflage  erlebte.  — 
FraeioriKS  erzählt  uns,  das  Claviorganum  wäre  ,,ein  Chi\icymbel  oder  an- 
der Symphoni  ('anderes  Ciavierinstrument),  da  zugleich  neben  den  Saiten 
etliche  Stimmwerk  von  Pfeiflf'en,  wie  in  eim  Positiflf  mit  eingemenget  sein; 
Von  aussen  aber  nicht  anders,  als  ein  Clavicymbel  oderSymphony  anzusehen: 


Virginal  (Figur  a). 


58 


Spinett  nach  Prätorius. 


Niederländisches  Virginal  (.Figur  bl. 


Ohn  allein,  dass  an  etlichen  die  Blasebälge  binden  an,  in  etlichen  aber  in- 
wendig in  das  Corpus   hinein   gelegt   werden".     Auch   berichtet   er  uns 

etwas  von  dem 
Geigenclavicym- 
bel,  als  dessen  Er- 
finder sich  Herr 
Hanss  Häijden 
von  Nürnberg 
ausgab,  obgleich 
(kdilaei  und  Aiir 
dere  behaupteten, 
dass  vor  der  Zeit 
des  Herrn  Häy- 

den  „solche    Art    Geigen  werk   inventiret   und   ausspeculiret   worden  sei". 
Anstatt  der  Anschlagstifte,  welche  bei  den  anderen   besaiteten   Ciavieren 

die  Saiten  zum  Ertönen  brach- 
ten, hatte  dieses  Geigenwerk  fünf 
oder  sechs  Stahlräder  mit  Perga- 
ment orlatt  überzoo;en  und  mit  Co- 
lophonium  bestrichen.  Diese  Rä- 
der wurden  durch  ein  anderes 
grosses  Rad  und  verschiedene  Rol- 
len unter  dem  Resonanzboden  vom 
Organisten  selbst  mit  den  Füs- 
sen in  Bewegung  gesetzt  oder  ein 
Hülfsmann  brachte  dieselben  mit 
den  Händen  in  Schwung.  Wenn 
eine  Taste  niedergedrückt  wurde, 
so  berührte  die  gleichnamig^e  Saite 
eines  der  umlaufenden  Räder,  wo- 
durch ein  dem  gestrichenen  Tone 
ähnlicher  Klang  entstand.  Die 
Saiten  waren  von  Stahl  und  Mes- 
sing, von  denen  die  tiefsten  bis 
zum  Contra  F,  ja  sogar  bis  zum 
Contra.  J)  an  Dicke  den    groben 


5Ö 

Saiten  eines  Contrabasses  nichts  nachgaben.  In  der  Höhe  nahmen 
dieselben  natürhch  an  Grösse  und  Dicke  nach  und  nach  ab.  Ein  inter- 
essantes Beispiel  von  Reclame  aus  jener  Zeit  liefert  uns  Herr  Hanss 
Häyden  in  der  Anpreisung  seines  Geigeninstrumentes  selbst;  nachdem 
er  von  der  Unvollkommenheit  der  Tonerzeugung  auf  den  gewöhnlichen 
Ciavieren  gesprochen  hat,  sagt  er  in  wohlgefälliger  Breitspurigkeit: 

„Und  ob  wol  der  Text  mit  Worten  sich  nicht  aussprechen  lest,  so 
kau  doch  der  Instrumentist  seinen  Sensum  zu  erkennen  geben,  ob  trau- 
rige oder  fröliche  Gedanken  in  ihme  sind.  Nachdem  er  das  Ciavier  frech 
oder  lind  angreiflt.     P'ür  eins. 

2.  Zum  andern  kan  der  Instrumentist  nach  seinem  selbstgefallen 
mit  der  ISIensur  abwechseln,  die  jetzt  langsam,  dann  bald  wiederumb  ge- 
schwinder führen:  Welches  auch  die  Affectus  zu  movirn  (die  Leiden- 
schaften zu  erregen)  nicht  undienlich:  Und  in  andern  Instrumenten  glei- 
chergestalt  kan  in  acht  genommen  werden. 

3.  Zum  dritten  kan  auch  der  Gesang  unversehns,  wann  es  der 
Text  also  erfodert ,  bald  laut  resonirent,  bald  still,  bald  wiederumb  laut- 
klingend gemacht  werden. 

4.  Zum  vierdfen  ist  es  gantz  lustig  und  verwunderlich  zu  hören;  Ob 
es  wol  nur  ein  Ciavier  und  ein  eintzig  Stimmwerk  von  Saitten  hat,  dass 
doch  einer  allein  dasselbige  also  verstellen  kan,  dass  man  nicht  anders 
meynet,  denn  es  seyn  zween  unterschiedliche  Chor  gegen  einander,  auch 
zween  unterschiedliche  Instrumentisten,  die  mit  einander  certirn  und 
einer  dem  andern  respondire. 

5.  Zum  fünfftcn  kan  man  aucli  einen  natürlichen  Echo  darauff  hö- 
ren lassen,  gleich  als  wann  es  einen  Nachklang  oder  Widerschall  aus  dem 
Wald  oder  zwischen  den  Bergen  herfür  gebe. 

6.  Zum  sechsten  kan  maus  auch  aufF  die  manier  und  Art  anderer 
Instrument ,  sonderlich  ab^r  gleich  wie  eine  Lauten  machen,  und  herfür 
geben. 

7.  Zum  siebenden,  Wann  einer  begehrt  in  einer  Stimm  den  Choral 
zu  führen  und  dass  man  denselben  vor  den  andern  Stimmen  heraus  stär- 

-ker,  vernehmlich  hören  soll,   Es  sey  nun  im  Bass,  Tenor  oder  Discant, 
so  kan  es  also  auch  gar  sehr  wol  geschehen. 

8.  Zum  achten,  wie  mansonsten  in  diePfeiffwerk  mit  einem  sonder- 
lichen Register  Tremulanten  macht,  so  kan  dasselbig  aufF  diesem  Ciavier 


60 

ohn  einig  Register  allein  durch  eine  freye  Hand  langsam  oder  geschwind 
tremulirent  und  zitternd  gemacht  werden. 

9.  10.  Zum  Neundten  lest  es  sich  auch  auff  gut  Leyerisch:  Und 
zum  zehenden  wie  Sackpt'eifFen  und  Schalmeyen  machen  und  hören : 
Damit  man  die  Weiber  und  Kinder,  so  sich  sonst  der  Musica  nicht  viel 
achten,  auch  wol  grosse  Leute,  wenn  sie  in  etwas  mit  eim  guten  Trunck 
beladen,  erfreuen  kan. 

11.  Zum  eilfften  gibt  es  auch  ein  Cithern  Art,  wie  die  Jungen  Ge- 
sellen pflegen  gassatum  zu  gehen. 

12.  Zum  zwölfFten  ist  auch  die  Geigen  Bastarda  genant,  darauflf  gut 
zu  contrafacten. 

1 3.  Zum  dreyzehenden  kan  man  auch  ein  Fürstliche  Hof-  und  Feld 
Musicam  daraulF  hören  lassen,  nicht  änderst,  als  wann  ihrer  zwölff  mit 
Trommeten  und  Clareten  gegen  einander  natürlich  bliesen:  Darzu  dann  die 
Heerpaucken,  welche  in  etlichen  diesen  Geigenwercken  mit  eingebracht 
und  durch  ein  Register  gezogen  werden,  nicht  so  gar  übel  mit  einstimmen. 

14.  Zum  viertzehenden,  Ob  wol  diss  Instrument  nur  eine  einfache 
Saitten  bei  jedem  Clave  hat,  und  wann  es  zugedeckt  ist,  ein  gar  stillen 
sanfften  Resonantz  gibt  wie  Geigen,  also,  dass  es  in  einem  engen  Gemach 
lieblich  zu  hören  ist;  So  kan  mans  doch  auch,  wenn  man  wil,  und  es 
offen  gebraucht  wird,  so  stark  machen,  dass  es  sich  unter  einem  gantzen 
Chor  von  Singern  und  Instrumenten  herausser  gar  laut  und  vernehmlich 
hören  lesset. 

Diss  alles  und  sonsten  noch  mehr  kan  ein  Organist  zuwegen  bringen, 
dieweil  es  anders  nicht,  dann  ein  gemein  Ciavier  und  keines  sondern 
Griffs  oder  Application  bedarff,  allein  dass  man  mit  einer  leichten  Hand 
und  nicht  mit  voller  Gewalt  ins  Ciavier  hinein  falle." 

Wer  jemals  das  akustische  Cabinet  von  Kaufmann  in  Dresden  oder 
die  Werkstätten  böhmischer  Instrumentenbauer  besucht  hat,  wird  wissen, 
dass  dieses  Instrument  nicht  untergegangen,  sondern  in  verbesserten 
Auflao-en  als  Orchestrion,  Polyphonion  etc.  immer  wieder  erschienen 
ist.  Auf  die  künstlerische  Entwickelung  haben  jedoch  nur  die  vorher 
genannten  Ciavierinstrumente  grösseren  Einfluss  ausgeübt,  deren  Con- 
struction  im  I8ten  Jahrhundert  zwar  allgemein  bekannt  gewesen,  jetzt 
aber  in  Vergessenheit  gerathen  ist. 


61 

III. 

Die  Coustriiction  der  besaiteteu  Clavieriiistrnmeiitc  bis  Ende  des 
aclitzehnten  Jahrhunderts. 

Im  Allgemeinen  ist  bezüglich  der  Claviaturen  vorauszuschicken, 
dass  die  Benennung  derselben  von  Clavis,  d.  h.  Schlüssel,  und  zwar  in 
dem  hier  beregten  Sinne  „Schlüssel  zur  Tonerzeugung'''  herrührt,  weil 
durch  die  Tasten  (Claves)  bei  den  Orgeln  die  Windladen  geöffnet  wer- 
den, um  den  Wind  in  die  Pfeifen  einströmen  zu  lassen.  Man  gebrauchte 
auch  für  den  vorderen  Theil  der  Tasten  den  Ausdruck  ])alnuila  (von 
palma:  eine  kleine  Hand,  oder  auch  ein  Ruder),  weil  man  die  Aehnlich- 
keit  der  Tasten  mit  den  Händen  oder  Rudern  nicht  verkennen  konnte 
Von  Aälung  wird  eine  solche  Palmula  als  ein  längliches  Hölzchen  be- 
schrieben, dessen  Breite  mit  der  eines  Daumens  vergleichbar  war;  für 
die  Dicke  hatte  man  kein  bestimmtes  Maass;  dasselbe  blieb  der  Ge- 
schicklichkeit des  Instrumentenbauers  vollständig  überlassen.  Das  Lin- 
denholz erkannte  man  für  das  vorzüglichste  zur  Verfertigung  der  Pal- 
mulen,  weil  es  sich  am  besten  verarbeiten  und  wegen  seiner  Leichtigkeit 
bei  Herstellung  des  Mechanismus  am  passendsten  verwenden  Hess.  Auf 
diese  Lindenholztaste  machte  man  eine  Fournitur  von  Elfenbein  oder  feine- 
rem Holze,  um  mit  grösserer  Sauberkeit  zugleich  auch  Dauerhaftigkeit  zu 
erzielen.  In  der  Mitte  und  an  dem  hinteren  Ende  waren  diese  Palmulen 
in  eisernen  und  messingenen  Stiften  beweglich,  und  die  ganze  Reihe 
derselben  nannte  man  also  Claviatur*)  oder  Tastatur  vom  italienischen 
Tasto  =  Griff,  Anrührung.  Häufig  sagte  man  auch  für  Tasten  „Tangenten", 
obwohl  letzterer  Begriff  mehr  den  Anschlagstiften  entsprach.  Bei  allen 
clavierartigen  Instrumenten  erschien  die  Claviatur  fast  in  gleicher  Form, 
und  so  hatte  auch  das  Clavicymbel  eine  solche  mit  daumbreiten  Tasten. 
Während  man  zur  Zeit  des  Fraetorius  den  Umfang  der  Tastatur  und 
mithin  der  Tonhöhe  gewöhnlich  nur  vom  kleinen  c  bis  zum  zweigestri- 
chenen f  herstellte,  baute  man  nach  derselben  sehr  bald  diese  Instru- 
mente mit  einer  grösseren  Zahl  von  Tönen,  so  dass  nach  Adlmuj's  Ver- 
sicherung schon  lange  vor  seiner  Zeit  die  Clavicymbel  und  Clavichordien 
vom  grossen  C  bis  zum  dreigestrichenen  c,  also  in  einem  Umfange  von 
vier  vollen  Octaven,  alle  chromatischen  Töne  enthielten,  welche  Angabe 

*)  Becm.  orig.  lat.  ling.   p.  365  und  800.  Janowka   in  clave  p.  96.     Kircher  Musur- 
gia  L.  VI,  p.  III,  c.  III  §.  1. 


62 

auch  durch  die  Compositlonen  aus  jener  Zeit  ihre  Bestätigung  findet. 
Zu  seiner  Zeit  erweiterte  man  die  Claviatur  nach  der  Tiefe  zu  bisweilen 
bis  zum  Contra  G  und  oben  zuweilen  bis  zum  dreigestrichenen  d,  so  dass 
einige  Instrumente  sogar  mehr  als  fünf  Octaven  Tonumfang  besassen. 

Das  Clavicymbel  *)  nannte  man  in  Frankreich  gewöhnlich  Clavecin 
oder  Clavessin  und  war  ein  mit  gelben  oder  weissen  Drathsaiten  bezo- 
genes Instrument.  Die  Form  des  späteren  Clavicymbels,  wie  wir  sie 
durch  Praetorins  kennen  lernten,  unterschied  sich  vom  Clavicytherium 
dadurch,  dass  alle  Saiten  in  der  Richtung  von  der  Claviatur  bis  zur  spi- 
tzen Flügelecke  liefen,  hingegen  die  Saiten  des  Clavicytheriums  perpen- 
diculär  nach  der  Höhe  zu  gespannt  waren.  Der  Corpus  oder  Kasten 
dieses  Instrumentes  war  zuweilen  von  weichem,  zuweilen  von  hartem 
Holze,  in  welch  letzterem  Falle  eine  grössere  Beständigkeil  erzielt  wurde. 
Vorn  bei  der  Claviatur  war  selbstverständlich  der  Kasten  ganz  breit, 
um  für  dieselbe  den  Raum  von  vier  bis  fünf  Octaven  zu  gewinnen;  nach 
hinten  lief  derselbe  aber  ganz  spitz  zu,  so  dass  er  beinahe  die  Form  eines 
rechtwinkhgen  Triangels  annahm.  Häufig  verzierte  man  den  Kasten 
mit  Malereien,  feinen  Fournierarbeiten  (verschiedene  Spinetts  aus  dem 
16ten  und  17ten  Jahrhundert,  welche  wir  gesehen  haben,  Hessen  eine 
solche  Fournitur  wahrnehmen)  und  dergleichen,  jenachdem  der  Erbauer 
mehr  oder  weniger  Geschmack  für  äussere  Ausstattung  besass.  Die 
Höhe  des  Corpus  betrug  ungefähr  1/2  Elle,  manche  nahmen  aber  einen 
etwas  grösseren  Höhendurchmesser  an,  um  einen  „gravitätischeren"  Ton 
zu  erzielen;  andere  dagegen  glaubten  bei  geringerem  Höhenmaasse  dem 
Tone  mehr  Lieblichkeit  abzugewinnen.  Die  Wände  des  Kastens  moch- 
ten nun  von  hartem  oder  weichem  Holze  sein,  so  machte  man  den  Boden 
doch  immer  von  Tannenholz,  von  dem  man  glaubte,  dass  es  den  Klang 
am  besten  befördere  und  somit  zur  Erzeugung  von  Schwingungen  am 
geeignetsten  sei.  Die  Tasten  der  Claviatur,  Palmulen  genannt,  waren 
circa  ^j^  Elle  lang  und  hinten  mit  Leder  oder  Tuchplättchen  versehen, 
damit  die    herabfallenden  Docken  kein  Klappern  verursachten.     Diese 


*)  Zum  besseren  Verständniss  beschreiben  wir  zuerst  das  Clavicymbalum,  dessen 
Construction  schon  Manches  von  den  verbesserten  Clavichorden  enthält.  Fuhrmann 
nennt  das  Clavicymbel  in  seinem  „Musikalischen  Trichter"  „den  musikalischen  Flügel"; 
er  meint,  es  sei  ein  lieblich,  aber  wandelbares  Instrument.  Cf.  de  Chales  Mund.  math. 
Tom.  in,  p.  217,  welcher  dasselbe  mit  fidiculare  organon  bezeichnet. 


63 

Docken  bildeten  eine  Reihe  Tangenten,  welche  lothrecht  unter  den  Sai- 
ten, hinten  quer  über  den  Tasten  standen.  Der  Resonanzboden  hatte 
Einschnitte,  wo  sie  durchschlugen,  und  oben  waren  die  Raben-  oder 
Straussfeder- Zungen  eingesteckt,  welche  die  Saiten  pizzicato  anrissen, 
nachdem  sie  von  den  Tasten,  an  dieselben  geschnellt  worden  waren. 
Hinten  bei  den  Docken  lagen  die  Tasten  auf  einem  Rahmen,  der  ge- 
wöhnlich mit  Tuch  überzogen  Avar.  Vorn,  nicht  weit  vom  Fingeranschlag, 
bewegten  sie  sich  in  Stiften,  welche  in  emem  sogenannten  „Zwerchrah- 
men"  eingeschlagen  waren,  der  von  einem  Ende  des  Claviers  bis  zum 
andern  reichte  und  nicht  bewegt  werden  konnte*). 

Die  über  das  ganze  Instrument  hinlaufende  Resonanzdecke  von 
Tannenholz  musste  gut  ausgetrocknet  sein  und  vorn  aufliegen,  wo  man 
auf  der  rechten  Seite  nach  der  Spitze  hin  einen  Steg  befestigte,  welcher 
nicht  weit  von  dem  Saitenbrete  entfernt  war,  worüber  die  Saiten  gelegt 
wurden.  Noch  weiter  nach  rechts  wurden  Stifte  als  Saitenhalter  einge- 
schlagen, die  mit  den  Stiften  auf  dem  Stege  parallel  liefen.  Vorn  in 
der  Nähe  des  Claviers  schlug  man  starke  Wirbel  von  eisernem  Drathe 
oder  von  geschmiedetem  Eisen  ein,  welche  bis  in  einen  Eichenholzbalken 
unterhalb  der  Resonanzdecke  fest  hineingetrieben  wurden.  Messingene 
Wirbel  wandte  man  deswegen  nicht  gern  an,  weil  dieselben  nicht  fest 
genug  standen.  Unmittelbar  hinter  diesen  Wirbeln  liefen  die  Saiten 
noch  über  einen  Steg,  um  die  freiere  Schwingung  derselben  zu  befördern. 
Nicht  weit  von  diesem  Stege  war  die  Anschlagstelle  für  die  bereits  an- 
gedeuteten Docken.  Zur  näheren  Beschreibung  derselben  bemerken  wir, 
dass  sie  aus  dünnen,  von  hartem  Holze  gearbeiteten  Hölzchen  bestanden, 
welche  ungefähr  */io  Zoll  dick  und  einen  Finger  breit  waren.  Die  Länge 
musste  so  beschaffen  sein,  dass  das  Hölzchen  unten  auf  jeder  Palmule 
aufstossen  und  durch  die  Decke  bis  fast  an  die  Saiten  reichen  konnte. 
Damit    sie   nun   in   Ihrer   Ordnung  recht  perpendlculär  stehen  blieben, 

*)  Kircher  gebraucht  bei  der  Beschreibung  des  Clavicymbels,  Lib.  VI.  P.  II,  ctip.  I, 
pag.  453,  l'iir  das  Ciavier  den  Ausdruck  abacum  oder  tastatura.  Die  AVirbel  heibsen  bei 
ihm  claves.  Die  Stege  nennt  er  prismata  trianguhiria;  den  krummen  Steg  auf  der  Seile 
prisma  corvilineum.  Die  Dociien  werden  von  ihm  mit  subsilia  bezeiclmet.  Die  anschla- 
genden Federn  plectra  pennacea.  Ferner  theilt  er  mit,  dass  die  Italiener  die  Docken 
subsilia  saltarelli,  die  Franzosen  aber  Sautcraux  (von  sauter,  in  die  Höhe  springen) 
nennen.  Adlung  fügt  hinzu:  de  Chales  sage  sauterclle  Prop.  36,  obgleich  er  sonst  die 
Docken  auch  als  Pinnas  bezeichnet,  Prop.  34.  Die  Zunge  heisst  epiglottis.  Die  Feder 
festuca  ex  penna    corvina  vel  aquilina.     Cf.  Janowka  in  Clave  pag.  39 


64 


wurde  in  die  Resonanzdecke  ein  sogenanntes  Sieb  gelegt,  dessen  Form 
ungefähr  folgende  Zeichnung  darzustellen  geeignet  sein  könnte: 


1 


Durch  dieses  Sieb  ging  jede  Docke  hindurch,  und  oben  war  dieselbe 
etwa  in  der  Art  eingeschnitten:  w^,  in  die  eine  Oeffnung  bei  5  wurde  ein 
Stückchen  Tuch  gelegt,  welches  I  beim  Herabfallen  der  Docke  auf  die 
Saiten  zur  Dämpfung  der  letzteren  fallen  musste,  in  der  anderen  brachte 
man  die  „Zunge"  an.  Dieses  „subtile  Hölzchen"  bewegte  sich  um  ein 
durchgeschlagenes  Stiftchen,  welches  oben  mit  einer  Feder  von  solcher 
Länge  versehen  war,  dass  diese  bis  zur  Saite  reichen  und  sie  anschlagen 
konnte.  Hinten  war  an  der  Zunge  eine  Schweinsborste  befestigt,  welche 
die  Stelle  einer  Springfeder  vertrat. 

Die  Stärke  der  Saiten*)  hing  ganz  von  der  Erfahrung  des  Instru- 
mentenbauers ab  und  liess  die  Feststellung  einer  unabänderlichen  Regel 
nicht  zu.  Manche  der  Clavicymbel  waren  einchörig,  andere  dagegen 
hatten  zwei  Saiten  für  jeden  Clavis  und  noch  andere  sogar  drei.  Die 
Structur  der  einfachen  war  eben  die  beschriebene;  bei  den  zweichörigen 
wurden  zwei  Reihen  Docl:e;i  neben  einander  gesetzt,  so  dass  eine  Taste 
zwei  zu  gleicher  Zeit  in  die  Höhe  hob,  von  denen  die  eine  ihre  Saite  auf 
der  linken ,  die  andere  die  ihi'ige  auf  der  rechten  Seite  anschlug.  Ver- 
mittelst zweier  beweglicher  Siebe  der  oben  beschriebenen  Art  war  man 
im  Stande,  das  eine  Saitenchor  vollständig  abzudämpfen,  während  auf 
das  andere  die  zugehörigen  Docken  frei  anschlugen.  Bei  dreichörigen 
Instrumenten  mussten  natürlich  drei  Docken  vorhanden  sein.    Die  dritte 


*)  Mattheson  sagt  in  seinem  forschenden  Orchester  S.  397:  „So  viel  ist  mir  bcwusst, 
dass  alle  Instrument-Macher  und  Stimmer  sich  die  Ohren  zur  Haupt-Regul,  auch  in 
Harmonica  setzen  und  setzen  müssen,  wenn  sie  ihre  Saiten  recht  spannen  und  ihre 
Pfeiffen  recht  einrichten  wollen;  denn  das  Messen  und  Zählen  hilft  da  nur  aus  dem 
Gröbsten,  das  Gehör  aber  muss  die  subtileste  Arbeit  verrichten,  welches  ein  Satz  ist,  den 
die  tägliche  Erfahrung  wider  alle  Mathematicos  behauptet  und  der  ihren  Lehr-Gründen 
schnurgerade  zuwiderläuft.  Hätte  Jemand  Geschicklichkeit,  Lust  und  Zeit  genug,  ein 
monochordisches  Ciavier  zu  machen,  der  würde  au  beut  du  compte  ein  Monstnim  her- 
vorbringen, dazu  er  einen  eignen  Stall  bauen  lassen  müsste,  oder  gar  ein  Labyrinth, 
wie  ehemals  vor  dem  Minotauro." 

,,Si  non  Labyrinthus  erit 
Gerte  labor  intus  erit." 


65 

Saite  war  jedoch  mit  den  beiden  anderen  Saiten  nicht  im  Unisono  gestimmt, 
sondern  stand  eineOctave  höher,  und  lief  nicht  über  den  vordersten  Stesj 
hinweg,  sondern  unter  denselben,  so  dass  die  Docken  etwas  tiefer  an- 
schlagen mussten,  als  bei  den  anderen  beiden  Saiten.  Aähmg  behauptet, 
dass  diese  dreichorigen  Clavecins  die  besten  seien,  wenn  sie  „ein  Mecha- 
nikus  accurat  zu  machen  wisse". 

Ueber  die  Federn,  welche  man  zum  Anschlage  für  alle  Clavecins 
und  derartige  Instrumente  nehmen  musste,  bemerkt  Adlimg,  dass  Gänse- 
federn zu  weich  wären  und  nicht  scharf  genug  schlagen  könnten.  Bis- 
weilen habe  er  Fischbein  gebraucht;  allein  es  sei  gar  zu  zerbrechlich  und 
auch  zu  hart.  Die  Straussfedern  wären  schon  besser,  aber  ebenfalls  et- 
was zu  hart.  Für  die  besten  Federn  hält  er  die  Raben  federn,  wenn 
man  die  stärksten  aussuche.  Dieselben  mussten,  um  sie  zäh  zu  machen 
und  vor  dem  Zerspringen  oder  Zerknicken  zu  schützen,  mit  Baumöl 
bestrichen  werden.  Das  Abkneipen  der  Rabenfedern  musste  mit  grosser 
Aufmerksamkeit  geschehen,  damit  sie  alle  in  gleicher  Geschwindigkeit 
zurückprallten;  desgleichen  hatte  man  sein  Augenmerk  auf  die  Gleich- 
mässlgkeit  in  der  Stärke  zu  richten,  weil  schon  damals  eine  unegale 
Spielart  für  einen  Hauptfehler  gehalten  wurde.  Auch  war  die  Entfer- 
nung der  Federn  von  den  Saiten  von  wesentlichem  Einfluss  auf  das  tie- 
fere oder  flachere  Niederfallen  der  Tasten,  denen  man  einen  möglichst  für 
den  Fingerdruck  passenden  Niederschlag  abzugewinnen  suchte.  Die  Un- 
beständigkeit und  baldige  Abnutzung  der  Federn  führte  zu  manchen  Er- 
findungen, von  denen  aber  nur  die  später  zu  erwähnende,  im  iSten  Jahr- 
hundert erfundene  Hammermechanik  auf  die  fortschrittliche  Entwicke- 
lung  des  Ciavierbaues  einen  wesentlichen  Einfluss  ausübte. 

Ueber  den  Docken,  welche  in  frühei'er  Zeit  die  Stelle  der  Hämmer 
vertraten,  lag  eine  mit  Tuch  gefütterte  Leiste,  damit  jene  nicht  heraus- 
springen und  beim  Anstoss  nicht  pochen  konnten.  Bei  Reparaturen  nahm 
man  selbstverständlich  die  Leiste  weg.  An  dem  Stege  brachte  maa  zu- 
weilen einen  sogenannten  Lautenzug  an,  eine  mit  Tuch  versehene  Leiste, 
welche  man  vermittelst  einer  Schiebung  den  Saiten  nähern  und  dadurch 
zur  Erzeugung  eines  gedämpften  Tones  benutzen  konnte,  dessen  Klang- 
farbe fast  derjenigen  von  Darmsaiten  entsprach.  Anstatt  dieses  Lauten- 
zuges richtete  man  auch  zwischen  den  Docken  durch  ein  Sieb  noch  eine 
Reihe  Docken  ein,  welche  man  oben  mit  Tuch  beklebte  und  durch  einen 


66 

Zug  so  einrichtete,  dass  man  dieselben  zu  gleicher  Zeit  behufs  der  Däm- 
pfung an  die  Saiten  drücken  konnte,  was  Herrn  Adlung  noch  besser 
gefallen  hat,  als  der  zuerst  beschriebene  Lautenzug.  Derselbe  erwähnt 
auch  ebenso  wie  Praetorins  sogenannte  „Transponirclavicymbel",  deren 
Nützlichkeit  besonders  den  nicht  im  Transponiren  eines  Tonstückes  Ge- 
übten zu  gute  kam.  Durch  Schiebung  des  Claviers  konnte  man  den 
sogenannten  „Chorton"  erhalten,  den  man  um  l^/g  Töne  höher  intonirte, 
als  den  Kammerton*);  ja  man  war  sogar  im  Stande,  das  Ciavier  um  2  ganze 
Töne  höher  oder  tiefer  zu  stellen,  für  welchen  Zweck  esnöthig  war,  mehr 
Saitenchöre  als  Tasten  anzubringen,  damit  die  äussersten  Tasten  nach 
der  Verrückung  der  Claviatur  auch  Saiten  zum  Anschlag  für  ihre  Do- 
cken hatten.  Die  Construction  geschah  auf  folgende  Weise:  Man  fasste 
das  ganze  Ciavier  in  einen  viereckigen  Rahmen,  ohne  natürlich  die  Saiten 
zu  berühren,  so  dass  man  dasselbe  unter  den  Docken  hin  und  her  schieben 
konnte.  Die  Docken  hatten  ihre  Einschnitte  im  inneren  Siebe,  um  das 
Herunterfallen  derselben  zu  vermeiden.  Zwischen  dem  Manual  und  den 
Saiten  setzte  man  Klötzchen  ein,  die  man  herausnehmen  konnte,  wenn 
man  die  Claviatur  verrücken  wollte.  Die  Docken  waren  also  gewisser- 
massen  von  der  Bewegung  der  Claviatur  unabhängig,  weil  sie  ruhig  in 
ihrer  Ordnung  stehen  blieben,  und  nur  die  Palmulen  wurden  durch  die 
Verrückunff  der  cranzen  Claviatur  an  andere  Stellen  versetzt.  Wollte 
man  z.  B.  eine  Transposition  von   einem  halben  Ton  nach  der  Höhe  zu 


*)  Zu  den  Zeiten  des  Praetorins  war  der  Kammerton  die  höchste  Stimmimg,  welche 
bei  Tafel,  in  Privatcoucerten,  bei  Lustbarkeiten  etc.  gewöhnlich  gebraucht  wurde.  Dies 
sei,  meint  Praetorius,  für  die  Bläser  und  Spieler  auf  Saiteninstrumenten  am  bequemsten 
gewesen.  Der  Chorton  stand  um  einen  ganzen  Ton  tiefer  und  es  wurde  derselbe  zur 
Bequemlichkeit  der  Chorsänger  allein  in  der  Kirche  angewendet.  Vor  den  Zeiten  des 
Praetorius  ist  jedoch  der  Chorton  noch  um  einen  ganzen  Ton  tiefer  gewesen,  wie  dieser 
Schriftsteller  an  der  Stimmung  der  alten  Orgeln  beweisen  will.  Von  Jahr  zu  Jahr  hatte 
man  aber  diese  Stimmung  etwas  erhöht,  und  im  siebzehnten  Jahrhundert  gab  es  Musi 
ker,  welche  diese  Chorstimmung  noch  um  einen  halben  Ton  höher  intonirt  haben 
wollten.  Diese  Erhöhung  der  Chorstimmung  nahm  solchen  Fortgang,  dass  schon  in  dei 
ersten  Hälfte  des  achtzehnten  Jahrhunderts  der  Chorton  noch  um  ein  und  einen  halben 
Ton  höher  war,  als  der  Kammerton.  Um  nun  eine  gewisse  Uebereinstimmung  in  der 
verschiedenen  Ländern  zu  erzielen,  wollte  der  französische  Akustiker  Sauveur  eine 
Stimmung  festsetzen,  nach  welcher  ein  Ton  als  Normalton  für  die  ganze  Welt  einge- 
führt werden  sollte,  der  in  einer  Secunde  hundert  Vibrationen  mache.  Der  Vorschlag 
wurde  jedoch  nicht  allenthalben  berücksichtigt,  me  aus  Maiihe^on's  forschendem  Orche- 
ster P.  1,  c.  A,  §.  10,  S.  428  hervorgeht,  wo  sich  die  Mittheilungen  auf  die  Angaben  der 
Histoire  de  rÄcadeniie  Rovale  de  Tannee  1700  stützen. 


67 

bewirken,  so  musste  die  (7-Taste  die  C^^-Saite,  die  D-Taste  die  DisSaiie 
u.  s.  w.  zum  Ertönen  bringen;  nach  der  Tiefe  zu  setzte  die  C-Taste  die 
Docke  für  die  J^-Saite  in  Bewegung,  wenn  die  Transposition  um  einen 
halben  Ton  bewerkstelligt  wurde.  Dass  noch  weitere  Transpositionen 
ausgeführt  werden  konnten,  haben  wir  schon  aus  dem  Praetorms  kennen 
gelernt,  dessen  Transponirclavicymbel  sogar  den  Unterschied  von  Cis-  und 
Des  dur  und  von  anderen  chromatisch-enharmonischen  Stufen  erkennen  liess. 

Hieran  reihen  sich  noch  die  Verbesserungen,  welche  Adlung  er- 
wähnt. Derselbe  will  ein  drei  chöriges  Clavicymbel  gesehen  haben,  dessen 
Claviatur  sich  vor-  und  rückwärts  schieben  liess.  Je  nach  dem  Verschie- 
ben der  Claviatur  schlugen  bald  die  hinteren,  bald  die  mittleren,  bald  die 
vorderen  Docken  allein  an  eine  Saite;  auch  konnten  je  zwei  Reihen  Do- 
cken, die  hinteren  und  mittleren,  die  mittleren  und  vorderen,  die  hinteren 
und  vorderen,  dann  aber  auch  alle  drei  Reihen  zugleich  zum  Anschlag 
gebracht  werden.  Praetorms  will  sogar  schon  vierchörige  mit  ähnlicher 
Einrichtung  gekannt  haben,  an  denen  die  sechzehnfüssige  Octave  mit 
angebracht  war.  Von  den  vier  Saiten  standen  zwei  in  der  achtfüssigen 
Stimmung,  die  anderen  beiden  Hessen  hierzu  die  Octave  und  Quinte  er- 
klingen; ein  das  Streben  nach  Fülle  des  Tones  kennzeichnendes  Ver- 
fahren, was  lebhaft  an  die  Helmholtz'sche  Theorie  der  Obertöne  erinnert. 
Diese  Octav-  und  Quintsaiten  durften  natürlich  nicht  so  lang  sein,  wie 
die  achtfüssigen  und  mussten  deshalb  einen  Steg  näher  der  Anschlag- 
stelle besitzen.  Die  achtfüssigen  Saiten  liefen  über  beide  Stege  hinweg, 
die  Octav-  und  Quintsaiten  dagegen  lagen  unterhalb  durch  den  vorderen 
Steg,  so  dass  für  dieselben  zwei  niedriger  schlagende  Docken  eingerich- 
tet werden  mussten,  von  denen  die  eine  rechts,  die  andere  links  die  Sai- 
ten traf.  Das  Transponirsystem  war  dabei  wohl  nicht  gut  anzubringen, 
da  Adlung  niemals  „das  Ziehen  und  Transponiren"  beisammen  fand. 

Man  kam  auch  auf  die  Idee,  den  Corpus  oder  Kasten  eines  Clavicymbels 
mit  zwei  Ciavieren  zu  versehen,  damit  zwei  Personen  zu  gleicher  Zeit  spielen 
konnten.  Der  Kasten  nahm  dann  die  Gestalt  eines  Rechteckes  an,  etwa  so: 
und  die  Decke  theilte  man 
durch  die  Diagonale  a  h  ^ 
in  zwei  gleiche  Hälften, 
wodurch  gewissermassen 
zwei  Clavicymbel  in  einem    ci 


68 

einzigen  hergestellt  wurden.  Die  beiden  Claviaturen  lagen  dann  von  a  nach 
c  und  von  d  nach  h.  Ferner  baute  man  Clavicymbeln  mit  zwei  bis  drei 
Claviaturen  über  einander,  wo  meistentheils  die  Docken  aller  Claviere  an 
einerlei  Saiten  schlug^i;  d.  h.  die  Docken  des  ersten  und  zweiten  Claviers 
schlugen  an  dieselben  Saiten  von  derselben  Länge,  Spannung  und  Dicke, 
wie  die  Docken  des  dritten  Claviers;  doch  war  es  auch  möglich,  dass  bei 
zwei  Ciavieren  jede  Tastatur  ihre  besonderen  Saiten  hatte,  weil  die  ver- 
schiedenen Reihen  der  Docken  nach  der  früheren  Beschreibung  ja  leicht 
eingerichtet  werden  konnten.  Zuweilen  brachte  man  sogar  eine  Koppel 
ähnlich  den  Orgelkoppeln  an  und  stimmte  das  drei  Saiten  enthaltende 
Chor  im  4',  8'  und  16',  wie  es  Herrn  ^.^Z^^m^r  an  einem  Breitenbach'schen 
Clavecin  vorgekommen  ist.  Die  4'  Saiten  lagen  als  kürzere  mit  ihrem 
besonderen  Stege  unter  den  8'  und  16'  Saiten,  so  dass  natürlich  für  sie 
auch  eigene  Stifte  und  Wirbel  nÖthig  waren.  Die  früher  beschriebene 
Einrichtung  verschiedener  Docken  erklärt  das  Uebrige  hinreichend,  so- 
wie auch  die  Art  und  Weise  des  Stimmens,  die  wiederholte  Befestigung 
der  Wirbel,  die  vorsichtige  Manier  beim  Spielen  u.  s.  w.  bei  den  ünvoU- 
kommenheiten  jener  Instrumente  leicht  begreiflich  sind. 

Das  Clavicitherium  ist  vom  Clavicymbalum ,  wie  wir  bereits  an- 
deuteten, darin  unterschieden,  dass  der  Kasten  keine  mit  der  Claviatur 
horizontale  Lage,  sondern  eine  zu  derselben  senkrechte  Stellung  einnimmt. 
Kirclier  rechnet  die  Clavicitherien  mit  unter  die  Gattung  der  Clavicym- 
beln und  behauptet  von  ihnen,  dass  sie  in  Deutschland  zu  seiner  Zeit 
sehr  im  Gebrauche  gewesen'  seien,  weil  sie  dem  Zimmer  zur  Zierde  dien- 
ten und  sowohl  die  Stelle  der  Harfe,  als  auch  die  des  Clavicymbels  zu 
vertreten  geeignet  wären.  Mit  Ausnahme  der  äusseren  Form  war  das 
Uebrige  ganz  nach  Art  der  Clavicymbeln  eingerichtet.  Wenn  Welcher 
bemerkt,  dass  Adlimg  das  Clavicitherium  „ein  unbeständig  Aprilinstru- 
ment" nenne,  welches  „bald  hie  bald  da  hocke",  so  ist  ersterer  Schrift- 
teller im  Irrthum;  im  Gegentheil  setzt  Adlung  dieser  Meinung  des  „mu- 
sikalischen Trichters"  von  Fuhrmann  seine  eigene  entgegen,  indem  er 
behauptet:  „Diese  Unbeständigkeit  anlangend,  so  wird  sie  wenig  grösser 
sein,  als  das  Clavecin.  Wenn  ein  Clavicitherium  auf  die  Art  dauerhaft 
gemacht  wird,  als  ich  oben  bei  dem  Clavecin  erfordert;  so  wird  die  Un- 
beständigkeit grösstentheils  wegfallen  und  nicht  mehr  Ungelegenheit  ver- 
ursachen, als  ein  Clavicymbel." 


69 

Nach  Mersenne's  Beschreibung  geschah  die  Tonerregung  zuweilen 
durch  bewegliche  Winkelhaken,  welche  von  der  Seite  die  Saiten  in 
schwingende  Bewegung  setzten.  Das  Spinett  dagegen  behielt  so  ziem- 
lich seine  ursprüngliche  Gestalt;  sein  Tonumfang  betrug  gewöhnlich  2 
oder  3  Octaven;  die  Saiten  lagen,  wie  beim  beschriebenen  Virginal,  alle 
von  rechts  nach  links;  in  der  älteren  Form  stellt  der  Kasten  ein  Paralle- 
logramm dar,  später  gewinnt  die  Trapezform  mehr  Eingang  und  zu  Ad- 
lung's  Zeiten  war  der  Kasten  meist  oval  geformt.  Kirclier  schreibt  ihnen 
nur  achtzehn  Tasten  zu  und  der  musikalische  Trichter  meldet,  dass  sie 
eine  Quinte  oder  gar  Octave  höher  gestimmt  gewesen  wären,  als  der 
Chorton.  Fraetornis  gebrauchte  zuweilen  für  das  Spinett,  dessen  Con- 
struction  in  den  wesentlichsten  Punkten  ganz  mit  derjenigen  des  Clavi- 
cymbels  übereinstimmte,  die  Namen  Magadis  und  Pectis,  weil  zu  seiner 
Zeit  das  Bestreben  vorwaltete,  durch  griechische  und  lateinische  Aus- 
drücke die  Erfindungen  der  Zeit  in  ein  glänzenderes  Licht  zu  stellen. 
Was  Praetoriiis  Symphonie  nennt,  bezeichnete  man  auch  mit  dem  allge- 
meinen Namen  „Instrument",  welches  nichts  anderes  war,  als  ein  ver- 
grössertes  Spinett.  Der  Kasten  wurde  etwas  tiefer  gearbeitet  und  der 
Tonumfang  zuweilen  bis  zu  dem  der  Clavicymbeln  ausgedehnt,  obwohl 
Adlimg  keines  über  vier  Octaven  gesehen  hatte.  Er  sagt  auch,  dass  diese 
sogenannten  Instrumente  zu  seiner  Zeit  fast  verachtet  gewesen  wären, 
dass  sie  aber  ganz  dieselben  Verbesserungen  zugelassen  hätten,  als  die 
Clavicymbeln,  und  darum  denselben  Gebrauch  verdienten,  wie  letztere. 
Das  von  Praetorius  erwähnte  Arpichord  ist  dasselbe,  was  wir  unter 
dem  Clavicitherium  nach  Mersenne's  Beschreibung  angeführt  haben. 
Adliing  beschreibt  es  kurz  mit  jener  Angabe  Mersenne's  ziemlich  über- 
einstimmend dahin,  dass  durch  sonderliche  Züge  von  Messinghäklein 
unter  den  Saiten  eine  harfenirende  Resonanz  entstehe,  woher  es  den 
Namen  erhalten  habe. 

Das  Hauptinstrument  für  alle  Orgelschüler  war  nun  das  Clavichord,*) 


*)  Mattheson  giebt  in  seinem  neu  eröffneten  Orchester  1713  folgende  Charakteristik: 
„Das  Clavicymbel  mit  seiner  Universite  giebt  ein  accompagnirendes  fast  unentbehrliches 
Fundament  zu  Kirchen-,  Theatral-  und  Kammermusik  ab  und  ist  recht  Wunder,  dass 
man  hiesiges  Ortes  (Hamburg)  die  schnarrenden,  höchst  ekelhaften  Kegalen  in  den 
Kirchen  noch  beibehält,  da  doch  die  säuselnde  und  lispelnde  Harmonie  des  Clavi- 
cymbels,  wo  man  deren  sonderlich  zwei  haben  kann,  eine  weit  schönere  Wirkung  auf 
dem  Chor  hat.     Bei  französischen  Musiquen  will  das   Ciavier  nicht  so  durchgehends  vor 


70 

dessen  Eesonanzdecke  bei  der  frühesten  Gestalt  nicht  länger  als  */4 
Elle  war.  Später  vervollkommnete  man  dasselbe  in  etwas,  um  es  von 
seiner  Heiserkeit  zu  befreien,  derentwegen  es  von  Manchen  verachtet 
wurde.  MaWieson  hält  es  sehr  hoch  und  meint,  „die  beliebten  Clavicor- 
dia  haben  vor  andern  den  Preis.  Es  sind  die  Gemüther  verschieden 
und  etlichen  gefällt  die  douce  Musik,  andern  die  starke.  So  können  et- 
liche die  kreischende  Harfe  nicht  leiden;  andere  hören  solche  gerne. 
So  geht  es  auch  hier."  Der  Kasten  des  Clavichords  hatte  die  Gestalt 
eines  länglichen  Vierecks,  das  zum  Bau  verwandte  Holz  musste  dieselben 
Eigenschaften  besitzen,  wie  das  zur  Herstellung  eines  Clavicymbels  ge- 
brauchte. Die  eine  lange  Seite  theilte  man  in  drei  Abtheilungen,  und 
zwar  in  den  Kasten  zur  Aufbewahrung  der  Saiten,  des  Stimmhammers, 
des  Tuches  u.  s.  w.,  in  die  Claviatur,  und  in  den  Absatz  für  die  Resonanz- 
bodendecke; denn  wo  die  Tasten  aufhörten,  fing  die  obere  bis  zum  Ende 
reichende  Decke  an.  Auf  der  Resonanzdecke,  auch  „Sangboden"  ge- 
nannt, lag  ein  Steg  nach  der  Breite  zu,  der  entweder  in  gerader  oder  ein 
wenig  gekrümmter  Richtung  fortlief;  prismatisch  zugeschnitten  waren  in 
demselben  so  viel  Stifte  befestigt,  als  das  Clavichord  Saiten  haben  sollte. 
Unter  der  Resonanzdecke  lief  ein  Steg  von  einer  Ecke  zur  anderen.  Die 
Wirbel  wurden  auf  dem  „Sangboden"  wie  bei  dem  Clavicymbel  einge- 


nöthig  gehalten  werden  und  behilft  man  sich  gemeiniglich  mit  einer  Bassgeige  oder 
dergleichen  zum  Fundament ;  allein  es  klingt  auch  so  nackend  und  kahl,  dass  ein  Kenner 
sich  schämt  und  ein  Unkundiger  oft  in  aller  Welt  nicht  weiss,  was  dem  Dinge  fehlet.  Es 
ist  aber  zu  hoffen,  dass  die  Herrn  Franzosen,  wie  bereits  in  vielen  musikalischen 
Dingen  geschehen,  ebenfalls  ihre  Resolution  ändern  und  solche  unnütze  Caprice  fahren 
lassen  werden.  Hand-  und  Galanteriesachen,  als  da  sind  Ouvertüren,  Sonaten, 
Toccaten,  Suiten  etc.  werden  am  besten  und  reinlichsten  auf  einem  guten  Clavi- 
chordio  herausgebracht,  als"  woselbst  man  die  Sing- Art  viel  deutlicher,  mit  Aushalten  und 
adouciren  ausdrücken  kann,  denn  auf  den  allezeit  gleich  stark  nachklingenden  Flügeln 
und  Epinetten.  Will  einer  eine  delicate  Faust  und  reine  Manier  hören,  der  führe  seinen 
Candidaten  zu  einem  säubern  Clavichordio ;  denn  auf  grossen  mit  3  a  4  Zügen  oder 
Registern  versehenen  Clavicjmbeln  werden  dem  Gehöre  viele  Brouillerien  echappiren  und 
schwerlich  wird  man  die  Manieren  mit  Distinction  vernehmen  können." 

Was  M&ttheson  in  seinem  beschützten  Orchester  aus  Werchneister  über  den 
Nutzen  der  Temperatur  S.  92,  ferner  über  die  Style  S.  129,  130,  lo6s  137  u.  s.  w., 
sowie  über  andere  darauf  bezügliche  Sachen  S.  154,  156,  157,  187,  188,  209,  367,  368, 
452  vorbringt,  gehört  direct  nicht  hierher.  Dagegen  ist  zu  beachten,  dass  er  mit 
Werckmeister  die  Subsemitonien  und  die  Anbringung  der  chromatisch -enhannonischen 
Stufen  verwirft  und  die  ,.schweren  aber  auch  schönen"  Tonarten  Cis  dur,  dis  dur,  fis  dur, 
gis  dur,  h  dur ;  cis  moll,  dis  moll,  f  moll,  fis  moll,  gis  nioll,  b  moU,  h  moll  mit  den  übrigen 
Tonarten  als  gleichberechtigt  anerkannt  wissen  will. 


71 

schlagen.  An  der  hinteren  Seite  brachte  man  von  rechts  nach  links  eine 
eichene  Leiste  an,  worauf  die  Mensuren  abgezeichnet  und  auch  die  Stifte 
zur  Befestigung  der  Saiten  einfreschlagen  wurden.  Anstatt  der  Docken 
gebrauchte  man  messingene  Blechplättchen  zum  Anschlag  an  die  Saiten, 
deren  Wanken  und  Biegen  man  dadurch  verhinderte,  dass  man  sie  an 
ihrer  hinteren  Seite  durch  Blech-  oder  Fischbeinspitzen  stützte.  Die 
Palmulen  liefen  nach  hinten  bald  in  gerader,  bald  in  krummer  Form  zu, 
jenachdem  es  die  Mensur  erforderte.  Vorn  wurden  dieselben  durch 
Stifte  gehalten,  und  um  sie  vor  dem  Herausspringen  zu  sichern,  setzte 
man  über  dieselben  eine  Leiste,  die  Ädhmg  „Vorsetzbret"  nennt.  Der 
Saitenbezug  war  in  späterer  Zeit  so  wie  beim  Clavicymbel  eingerichtet; 
gewöhnlich  gebrauchte  man  messingene  Saiten  und  wand  Streifen  von 
Tuch  um  dieselben,  damit  sie  an  zu  langem  Schwingen  verhindert  wür- 
den, weil  die  eigentliche  Dämpfung  der  Docken  fehlte.  Der  hauptsäch- 
lichste Vorzug  eines  Clavichoi'ds  bestand  in  seiner  bundfreien  Anord- 
nung, hingegen  die  älteren  Clavichordien  mit  Bünden,  wo  zuweilen  drei 
bis  vier  Tasten  an  eine  Saite  schlugen,  schwächer  und  unvollkommener 
waren.  Meistentheils  baute  man  sie  so,  dass  die  diatonische  Tastenreihe 
ihre  besonderen  Saiten  hatte  und  die  chromatischen  Claves  mit  an  die 
diatonischen  Saiten  schlugen.  Die  Spielart  durfte  weder  zu  flach  noch 
zu  tief  sein,  damit  die  Orgelschüler  das  Clavichord  gehörig  zum  Studi- 
ren benutzen  konnten.  Es  gab  in  frühester  Zeit  nur  einchörige  Clavi- 
chordien, später  baute  man  sie  zwei-  und  dreichörig.  Wo  man  einen 
dreichörigen  Bass  anbrachte,  nahm  man  zwei  mit  Silberdrath  besponnene 
Saiten  und  eine  unbesponnene  Saite,  welche  letztere  meistentheils  eine 
Octave  höher  gestimmt  war,  als  erstere.  Die  Eesonanzdecke,  gewöhn- 
lich 1  bis  ^/4  Ellen  lang,  hatte  oben  oder  an  der  Seite  eine  Oeffhung,  und 
ihre  grössere  oder  geringere  Ausdehnung  beförderte  mehr  oder  weniger 
das  Längersingen  des  Tones.  Die  einzelnen  Punkte,  \>(Ac\\q  Adhmg  noch 
von  den  Vorzügen  und  Fehlern  jener  Instrumente  anführt,  sind  so  sub- 
jectiver  Natur,  dass  sie  füglich  in  einer  Geschichte  des  Claviers  als  über- 
flüssig erscheinen.  — 

Nach  Einführung  der  Orgelpedale  kam  man  auch  auf  den  Gedanken, 
Pedale  mit  Saiten  zum  Ueben  für  die  Orgelschüler  zu  verfertigen,  deren  Bau 
ganz  denselben  Gesetzen  unterworfen  war,  wie  der  Bau  des  Clavichords; 
nur  dass  man  sie  häufle:  in  sechzehnfüssiger  Stimmung-  einrichtete.    Das 


72 

vorzüglichste  Saitenpedal  war  das  Clavicymbelpedal,  welches  wie  ein  Clavi- 
cymbalum  gebaut  werden  musste,  gewöhnlich  aber  nur  zwei  Octaven  Um- 
fang hatte;  die  Docken  standen  natürlich  weiter  auseinander,  als  beim  Clavi- 
cymbel,  weil  zwei  Octaven  denselben  Raum  einnahmen,  wae  vier  Octa- 
ven. Die  Verbindung,  in  welcher  die  unteren  Octaven  des  Clavichords 
oder  Clavicymbels  zum  Pedal  selbst  mit  benutzt  wurden,  erwies  sich  in 
den  Hauptpunkten  als  unpraktisch  und  dem  Klange  nicht  vortheilhaft. 
Die  sogenannten  Lauten  werke  waren  nichts  anderes,  als  eine  Nach- 
ahmuno; der  Lauten  in  Ciavierform.  Resonanzboden  und  Saitenbezugr 
(Darmsaiten)  mussten  daher  nach  dem  Vorbild  der  Laute  hergerichtet 
werden,  womit  die  Mechanik  eines  Clavicymbels  in  Verbindung  stand. 
Um  auch  die  um  eine  Octave  tiefer  als  die  Laute  erklingende  Theorbe 
nachzuahmen,  setzte  man  im  Basse  zu  dem  Tonumfange  von  C — c'"  noch 
eine  Octave  hinzu.  Die  besten  Erbauer  dieser  nach  damaligen  Begriffen 
sehr  kostspieligen  Instrumente  scheinen  erst  im  18ten  Jahrhundert  J,  JSf. 
Bach  in  Jena,  Joliann  Georg  Gleiclimann  in  Erfurt  und  Zacharias 
Hildebrand  in  Leipzig  gewesen  zu  sein.  Wir  würden  hier  das  auf  die 
Entwickelung  der  Ciavierinstrumente  sehr  wenig  einflussreiche  Instru- 
ment gar  nicht  erwähnen,  wenn  es  nicht  zu  dem  grössten  Tonmeister  in 
der  ersten  Hälfte  des  18ten  Jahrhunderts,  zu  Joh.  Seh.  Bach  in  einer 
gewissen  Beziehung  gestanden  hätte.  Im  Jahre  1740  sah  und  hörte  Joh, 
Lorenz  Albrecht,  Herausgeber  der  Musica  mechanica  von  Adlung,  ein  von 
Zacharias  Hildebrand  nach  der  Angabe  Joh.  Seh.  BacKs  gefertigtes 
Lautenclavicymbel,  Avelches  zwar  eine  kürzere  INIensur  als  die  gewöhn- 
lichen Clavicymbeln  hatte,  in  allem  Uebrigen  aber  wie  ein  solches  be- 
schaffen war.  Dasselbe  hatte  zwei  Chöre  Darmsaiten  und  ein  sogenann- 
tes Octävchen  von  messingenen  Saiten.  Auch  scheinen  an  demselben 
mehrere  Züge  angebracht  gewesen  zu  sein,  da  Albrecht  erzählt,  es  sei 
zwar  wahr,  dass  es  seiner  eigentlichen  Einrichtung  zufolge  mehr  der 
Theorbe  als  der  Laute  ähnlich  klinge,  dass  man  aber  bei  gehöriger  Hand- 
habuno-  des  Lauten-  und  Cornetzuges  beinahe  einen  Lautenisten  von 
Profession  damit  betrügen  könne. 

Zur  klareren  Uebersicht  der  historischen  Fortschritte  und  zur  Ver- 
vollständigung des  hier  Gesagten  gehen  wir  zur  Nennung  der  Männer 
über,  denen  der  Ciavierbau  bis  zur  Einführung  der  Hammermechanik 
das  Meiste  zu  verdanken  hatte. 


73 
IV. 

Die  Ciavierbauer  bis  zur  Einführung  der  Hammermechanik. 

Wenn  wir  früher  die  Meinung  aufstellten,  dass  die  Clavichorde  aus 
dem  Hackebrete  hervorgegangen  seien,  welche  ihrer  Construction  nach 
mit  dem  alten  griechischen  Instrumente  Simikion  identisch  zu  sein  schei- 
nen, so  befanden  wir  uns  mit  Scaliger,  geb.  zu  Ripa  am  Garda-See  in 
Italien  1484,  in  Uebereinstimmung,  und  wir  fanden  bei  ihm  die  nicht  un- 
wichtisre  Nachricht,  dass  dem  Clavichord  ein  dem  alten  Simikion  noch 
näher  liegendes  Ciavierinstrument  vorausgegangen  sei,  welches  man  im 
Volke  gewöhnlich  Monochord  nenne*).  Die  Benedictinerregel  vor  dem 
L  1 6ten  Jahrhundert  verstattete  nun  den  Mönchen,  dergleichen  Monochorde 
geheim  und  sittsam  in  ihren  Zellen  aufzustellen  und  dieselben  zu  spielen, 
woraus  sich  wohl  schliessen  lässt,  dass  diese  Monochorde  und  somit  die 
besaiteten  Ciavierinstrumente  ein  weit  höheres  Alter  haben,  als  man  ge- 
wöhnlich annimmt.  Ja  wir  können  das  Alter  derselben  bis  in  die  Zeit 
der  französischen  Troubadours  verfolgen,  in  welcher  Wace  um  1115  im 
Brut  die  „Monacordes"  als  Instrumente  der  Jongleurs  erwähnt  **),  dieser 
munteren  Spielleute  und  musikalischen  Spassmacher  im  Mittelalter,  de- 
ren Vorträge  die  Compositionen  der  Troubadours  dem  Zuhörerkreise 
vermitteln  mussten.  Dass  in  jenem  Gedichte  unter  den  Monacordes 
keine  Tonmesser  verstanden  sind,  sondern  wirkliche  Instrumente  zum 
Spielen,  lehrt  der  ganze  Zusammenhang,  und  mit  den  vorhergehenden 
Zeugnissen  zusammengehalten,  w^erden  wir  auch  kein  Bedenken  tragen, 
diese  Monacordes  oder  Monochorde  als  die  ersten  alten  Ciavierinstru- 
mente anzusehen.     Ebenso  bezeichnet    Guirmit  de  Calanson  unter  den 


*)  Ambros  lässt  das  Ciavier  aus  dem  Psalter  entstehen;  sein  Beweis,  den  er  in 
den  Nachträgen  Seite  505  anführt,  ist  nicht  stichhaltig,  denn  die  Phantasiefigur  des 
Königs  David  von  1472  beschäftigt  sich  eben  nur  mit  dem  damaligen  Modeinstru- 
ment, d.  h.  mit  dem  Ciavier -Monochord. 

**)  Es  heisst  daselbst: 

Mut  ot  U  la  cort  lugleors 
Chautöors,  estrumante'ors 
Mut  poissies  oVr  chanijons 
Rotruenges  et  noviax  sous, 
Viel^  eures,  lais  et  rotes 
Lais  de  harpe  et  de  fretiai, 
Lyre ,  tympres  et  chalemiax, 
Syiiiphonies  ,  psaltdrions, 
Monacordes,  cymbes,    chorons. 


74 

Instrumenten  der  Jongleurs  die  Monochorde  als  solche,  welche  gespielt 
wurden,  und  er  nennt  dieselben  unmittelbar  neben  der  Mandore  und  Eota. 
Im  Verlaufe  des  14ten  Jahrhimderts  müssen  sich  bereits  die  ersten  Ver- 
besserungen des  Monochordes  zum  Clavichord  und  Clavicymbalum  voll- 
zogen haben,  da  schon  1404  in  den  Minneregeln  des  Eberhard  Cersne 
neben  dem  Monochord  das  „Clavicordium  und  Clavicymbalum"  ausdrück- 
lich erwähnt  werden*).  Leider  finden  wir  in  jenem  ältesten  Zeitraum 
keine  Nachweise  von  irgend  welchem  Erbauer  und  selbst  im  16ten  Jahr- 
hundert fliessen  die  Quellen  über  diesen  Gegenstand  immer  noch  trübe 
genug.  Dass  Doni  und  dessen  Ausschreiber  Bonanni  sich  irren,  wenn 
sie  die  Erfindung  des  Clavessin  dem  Nicolas  Vicentini  (1492),  welcher 
unter  dem  Papste  Alexander  VI.  lebte,  zuschreiben,  unterliegt  nach  obi- 
sren  Nachweisen  von  dem  früheren  Vorhandensein  der  Ciavierinstrumente 
keinem  Zweifel;  immerhin  ist  die  Angabe  von  der  Existenz  dieses  alten 
Ciavierbauers  mit  Dank  aufzunehmen,  sofern  es  nicht  eine  Verwechse- 
lung mit  Don  Nicolo  VicenUno,  geb.  zu  Rom  1513,  ist,  welcher  als 
einer  der  bedeutendsten  Theoretiker  und  Componisten  seiner  Zeit  durch 
einen  Tractat  und  durch  seinen  Streit  mit  Vincensio  Lusitano  über  theo- 
retische Grundsätze  berühmt  geworden  ist).  Sicher  ist,  dass  dieser  ein 
Clavicymbalum  mit  6  Claviaturen  herstellte,  um  mit  denselben  alle  dia- 
tonischen, chromatischen  und  enharmonischen  Töne  ausdrücken  zu  kön- 
nen. Dieses  Clavicymbalum  nannte  er  zum  Unterschiede  von  den  ge- 
wöhnlichen Instrumenten  dieser  Gattung  „Archicymbalum",  das  also  mit 
dem  von  Praetorius  beschriebenen  Universalclavicymbel  eine  grosse  Aehn- 
lichkeit  gehabt  haben  muss**).  Dass  in  den  Anfangdes  16ten  Jahrhun- 
derts die  Verbesserung  jener  Ciaviermonochorde,  Clavichorde  etc.  fallen 
muss,    ist    aus    Viräung  und  Ägricola    deutlich    zu  ersehen,   da  diese 


*)  Es  heisst  dort: 


Noch  Cymbel  mit  Geclange 

Noch  Harffe  edir  svegil 

Noch    schachbret  monoeordium 

Noch    stegereyff  noch  begil 

Noch  rotte  clavicordium 

Noch  medicinale 

Noch  portatiff  psalterium 

Noch  figel  samm  canale 

Noch  lüte  clavicymbolum  etc.  etc. 


**)  Im  fünften  Buche  des  Werkes  von  Nicola  Vicentino  Blatt  100  bis  146,  S,  2,  ist 
die  Beschreibung  seines  „Archicimbalo"  zu  finden. 


75 

Schriftsteller  noch  Zeichnungen  von  Instrumenten  aus  ihrer  Zeit  liefern» 
deren  Unvollkommenheiten  ja  klar  erkennbar  sind.  Demselben  folgte  zu 
Anfang  des  16ten  Jahrhunderts  Lorcnzo  GusnascJd  von  Pavia,  dessen 
ausgezeichnete  Geschicklichkeit  im  Verfertigen  von  Clavichordien  von 
seinen  Zeitgenossen  so  anerkannt  wurde,  dass  ihm  dieselben  in  Mantua 
ein  Grabmal  errichteten.  Noch  wichtiger  ist  die  Nachricht  von  dem 
Canonicus  Paul  BelisoniKS  von  Pavia,  dessen  väterlicher  Oheim, 
der  Canonicus  Äfranio  von  Ferrara,  der  Erfinder  des  Fagotts  ist.  Von 
diesem  Paul  Pelisonius  wird  erzählt,  dass  er  nicht  bloss  die  Laute 
vortrefflich  zu  behandeln  und  die  Orgelpfeifen  ausgezeichnet  einzurich- 
ten verstanden  habe,  sondern  dass  auch  seine  Bekielung  der  Clavicym- 
beln  mit  Geier-  oder  Eabenfedern  unnachahmlich  gewesen  sei.  Er  habe 
die  Ordnung  der  Saiten  beim  Clavicymbel  zur  wahren  Harmonie  ge- 
führt und  öfter  die  Engel  als  Zeugen  dieser  Herrlichkeit  herbeige- 
wünscht. 

Da  im  17ten  und  ISten  Jahrhundert  die  Verfertigung  derClavicym- 
beln  ausschliesslich  in  den  Händen  der  Orgelbauer  lag,  so  ist  wohl  der 
Rückschluss  zu  machen,  dass  auch  in  früherer  Zeit  der  Ciavierbau  von 
Orgelbauern  mit  besorgt  worden  sei.  Das  kurz  vorher  erwähnte  Zeug- 
niss  über  Paul  Belisonius  lässt  ebenfalls  den  Clavicymbelbau  in  Verbin- 
dung mit  dem  Orgelbau  erscheinen,  und  so  dürfen  wir  wohl  mit  Recht 
annehmen,  dass  überhaupt  seit  Erfindung  der  Ciaviermonochorde  diesel- 
ben meistentheils  unter  der  Hand  der  Orgelbauer  entstanden  sein  werden. 
Von  der  Beschaffenheit  der  Tastatur  haben  wir  vor  dem  14ten  Jahrhun- 
dert so  unvollkommene  Nachrichten,  dass  sich  eben  nur  annehmen  lässt, 
es  sei  die  Tastatur  der  Ciaviermonochorde  von  keiner  bessern  Einrich- 
tung gewesen,  als  diejenige  der  Orgeltastatur,  deren  Unvollkommenhei- 
ten und  Behandlung  mit  den  Fäusten  zu  den  Zeiten  des  Orgelbauers 
Nicolaus  Faher  1359  uns  Praetoriiis  genugsam  beschrieben  hat.  Dieser 
Schriftsteller  erwähnte  aber  auch  die  schnell  entstandenen  Verbesserun- 
gen der  Claviatur,  welche  die  Orgelbauer  des  löten  Jahrhunderts  wie 
Heinrich  Traxdorff,  Kreis,  Mülner ,  Cranis,  Andreas  Jesuita, 
Burchliard,  Gregoritts  Kleng  u.  s.  w.  schon  vorfanden  und  den  Or- 
gelbauern des  16ten  Jahrhunderts,  z.  B.  Hirschfeld,  Buclior ,  Julius 
Antonius,  Conqyenius,  Maass,  David  und  Esaias  Beclce,  Glo- 
vatz  etc.,  überlieferten.    Im   17ten  Jahrhundert  finden  wir  den  1578  zu 


76 

Neapel  geborenen  gelehrten  Instrumentenbauer  Fdbio  Colonna  mit 
seinem  Ciavierinstrument  Sambuca  Lincea  oder  Instrumentum  perfe- 
ctum,  worüber  er  1618  in  Quart  einen  aus  drei  Büchern  bestehenden 
Tractat  erscheinen  liess.  Herrn  Hans  Hmjdn,  den  geschickten  Re- 
clamemacher,  haben  wir  bei  seinem  1610  zu  Nürnberg  aufgestellten  Gei- 
genwerke schon  kennen  gelernt,  und  endlich  ist  es  Francisco  Nigetii, 
der  berühmte  Florentiner,  dessen  Cembalo  onnicordo,  genannt  Proteus, 
um  1650  die  Musiker  in  Erstaunen  setzte  und  vom  Maffei  mit  lobprei- 
senden Worten  beschrieben  wird.  Im  Anfange  des  ISten  Jahrhunderts 
frischte  der  Organist  zu  lUmenau  Johann  Georg  Gleichmann  die  von 
Hans  Hayän  gemachten  Erfindungen  der  Geigenwerke  wieder  auf,  und 
Mattheson  lässt  in  seiner  Critica  musica  1722  einen  Correspondenten 
hierüber  Folgendes  sprechen:  „Unser  Organist  Johann  Georg  Gleich- 
mann hat  ein  ganz  neues  musikalisches  Werk  erfunden,  so  eine  Clayier- 
Gamba  genennet  wird,  weil  es  in  einem  vollkommenen  Ciavier  bestehet,  so 
zu  Jedermanns  Verwunderung  die  ordentliche  Viola  di  Gamba  nicht  nur 
natürlich  imitirt,  als  ob  sie  mit  dem  Bogen  gestrichen  würde,  sondern 
auch  wegen  seiner  unglaublichen  Niedlichkeit,  beweglichen  Intonation, 
indem  es  augenblickhch  und  ohne  einige  Veränderung  des  Instrumentes 
Forte  und  Piano,jnithin  überaus  galant  tractiret  werden  kann  von  män- 
nighch,  insonderheit  aber  von  Musikverständigen  hochgeschätzet  werden 
muss.  So  kann  man  auch  bei  ihm  haben  ein  Lauten-Clavier,  welches 
ebenfalls  Forte,  Piano,  und  Pianissimo  gespielet  werden  mag.  Sollte  eins 
oder  anders  von  diesen  Instrumenten  verlangt  werden,  so  ist  der  Inven- 
tor  des  Erbietens,  sowohl  die  Art  solche  zu  tractiren,  als  auch  deren  Un- 
'  terhaltung  (wozu  sogar  ein  Frauenzimmer,  welches  ein  Ciavier  spielet, 
capable)  ganz  getreulich  zu  zeigen  und  darüber  Unterricht  zu  ertheilen." 
Ohne  uns  hier  noch  einmal  bei  der  Construction  aufzuhalten,  die 
Äälung  weitläufig  beschreibt,  bemerken  wir,  dass  die  Arbeit  Gleichnann's 
in  Michael  Pachelbel  zu  Nürnberg  und  Hohlefeld,  welcher  den  von  Un- 
gar erfundenen  Ciaviertelegraphen,  d.  h.  eine  Maschine  zum  augenblick- 
lichen Notiren  der  freien  Fantasien  auf  dem  Claviere  während  ihres  Vor- 
trags, praktisch  ausführte,  eifrige  Nachahmer  fand.  Als  nicht  weniger 
strebsame  Männer  in  diesem  Fache  führt  die  Geschichte  die  Franzosen 
Cidsimer  und  Le  Voirs  1741,  sowie  den  später  lebenden  Gai  zu  Paris 
an,    femer  erwähnt  sie  den  Mailänder  Tacani,  den  Königsberger    Ga- 


77 

brecht,  Greiner  in  Wetzlar,  Hühner  aus  Narva  und  Andere,  deren 
Verbesserungen  doch  keine  grössere  Verbreitung  gewannen.  Ebenso 
hatten  die  Flöten-,  Trompeten-  und  Pauken -Flügel  des  Engländers 
PichelbecJc  1724,  der  Theorbenflügel  Fleischer' s  in  Hamburg  1718, 
der  elektrische  Mutationsflügel  genannt  „Denisdor"  des  Mährischen  Pre- 
digers Procohus  Diwiss  wenig  und  gar  keinen  Einfluss  auf  die  Ent- 
wickelung  der  Kunst,  hingegen  der  Orgelbauer  Johann  Christoph 
Wiegleb  oder  TF/We/' aus  Anspach  in  der  Mitte  des  18.  Jahrhunderts 
die  kurz  nach  seiner  Zeit  vielfach  ausgebeutete  Erfindung  machte,  an- 
statt der  Rabenkiele  in  den  Docken  kleine  Maschinen  von  Messing  anzu- 
bringen, welche  sowohl  einen  kräftigeren  Anschlag  an  die  Saiten  und  mithin 
einen  helleren  Klang  derselben  beförderten,  als  auch  selbst  eine  grössere 
Dauerhaftigkeit  besassen,  als  die  Rabenkielen,  und  das  beschwerliche  Be- 
kielen  überflüssig  machten.  Ein  noch  höheres  Verdienst  um  die  mit 
Docken  versehenen  Flügel  erwarb  sich  der  zu  Theux  im  Bisthum  Lüt- 
tich geborene,  spätere  Hofclaviermacher  und  Aufseher  über  die  zur 
Königl.  Kapelle  gehörigen  Instrumente  zu  Paris  und  1786  zum  Ehren- 
mitglied der  Societe  d'Emulation  zu  Lüttich  gekrönte  Instrumenten- 
bauer Paschal  TasJcin,  welcher  im  Jahre  1768  sein  sogenanntes  „Jeu 
de  Büffle",  an  dem  gewöhnlichen  Dockenflügel  anbrachte.  Dasselbe 
bestand  in  einer  Reihe  Docken,  welche  die  Saiten  nicht  mit  Federkielen, 
sondern  vermittelst  eines  Stückchens  Büffelhaut  zu  Klange  brachten,  wo- 
durch der  Bass  nach  der  Versicherung  Abt  Vogler's  eine  nie  gehörte 
contrabassmässige  Pracht  gewann.  Nach  dieser  Erfindung  nannte  Tashin 
die  in  jener  Art  verfertigten  Instrumente:  „Clavecins  en  peau  deBuffie"*). 
(9er5ey  versichert,  dass  „das  erste  dieser  Art  Instrumente,  so  er  im  J.  1768  , 


*)  De  la  Borde  „Essai  sur  la  musique"  schreibt  Seite  346:  „Nous  croyons  faire  plaisir 
au  Public  en  rapportant  ici  une  lettre  de  M.  Trouflaut,  Chanoine  de  l'Eglise  de  Nevers, 
sur  les  Clavecins  en  peau  de  büffle,  inventes  par  M.  Paschal.  M.  Trouflaut  est  un  tres- 
grand  Musicien,  organiste  de  son  Eglise  et  Tun  des  plus  habiles  Theoriciens  de  ce 
si^cle.  La  lettre  est  adressee  a  Messieurs  les  Auteurs  du  Journal  de  Musique  et  a  ete 
inseree  au  no.  5  de  l'annee  1773  de  ce  Journal."  In  diesem  Briefe,  datirt  vom  20. 
December  1773,  wird  von  den  Vorzügen  dieses  Instrumentes  gesprochen  und  unter 
Anderm  gesagt,  dass  das  erste  Instrument  dieser  Gattung  schon  im  Jahre  1768  für 
M.  Hubert  gemacht  worden  sei.  Zum  Lobe  desselben  sagt  der  Beurthciler:  ,.j'ose  ajou- 
ter  avec  confiance,  que  le  Clavecin  a  buffles  est  tres  superieur  aux  Piano-Forte."  Die 
Pianoforte's  wurden  damals  vom  Auslande  bezogen,  Meshalb  dieses  Urtheil  im  Munde 
eines  Franzosen  ganz  natürlich  erscheint. 


78 

verfertigt  hatte,  noch  im  Jahre  1773  ohne  einige  Nachhülfe  unter  dieser 
Zeit,  die  nämliche  Wirkung  that,  als  da ,  wo  es  aus  seinen  Händen  kam, 
obgleich  es  diese  fünf  Jahre  hindurch  nichts  weniger  als  müssig  gestan- 
den hatte."  Der  sehr  erfahrene  Theoretiker  und  Canonicus  der  Kirche 
zu  Nevers  rückte  im  Jahre  1773  in  das  Journal  de  Musique  einen  Brief 
an  die  Verfasser  desselben  mit  der  Aufschrift:  „Sur  les  Clavecins  en  peau  de 
buifle,  invent^s  par  M,  Paschal",  welcher  auch,  wie  bereits  Gerher  erwähnt, 
im  ersten  Bande  des  Essai  sur  la  musique  von  La  Borde  abgedruckt  ist. 

Die  sonst  bekannten  französischen  Instrumentenbauer  seit  dem 
1 7 ten Jahrhundert,  z.B.  Anton  Potin,  Emery,  Jean  Jacquart,  Le  Breton, 
Jean  Dengs,  Marius,  kamen  ebensowenig  auf  eine  Hammermechanik 
in  unserem  Sinne,  als  der  in  Paris  lebende  HopJcinson,  dessen  TJeberzie- 
hung  der  Docken  mit  Ochsenleder  (1788)  die  Instrumentenbauer  Oester- 
lin  in  Berlin  und  Schmal  und  S2)ät  in  Regensburg  bei  Verfertigung  ihrer 
sogenannten  Tangentenflügel  nachahmten. 

Der  wichtigste  Instrumentenbauer  in  der  ersten  Hälfte  des  ISten 
Jahrhunderts  ist  Gottfried  Silbermann,  geboren  1683  zu  Ifleinbo- 
britzsch  bei  Frauenstein  im  Bezirk  Meissen,  Sohn  des  Michel  Silbermann, 
eines  Zimmermanns  zu  Grafenstein  in  Sachsen  und  Bruder  des  sosre- 
nannten  „Strassburger"  Andreas  Silbermann,  geb.  1678,  welch  letzterer 
1703  zu  Strassburg  eine  Werkstatt  für  Orgel-  und  Ciavierfabrikation 
errichtete.  Im  Gegensatz  zu  Welcher,  welcher  ohne  jeden  historischen 
Beleg  den  jüngsten  Sohn  des  Andreas  Silbermann,  nämlich  Johann 
Heinrich  Silbermann,  Seite  159  und  172,  als  Erfinder  des  Cembal 
d'Amour  angiebt,  können  wir  beweisend  anführen,  dass'  Gottfried  Silber- 
mann der  wirkliche  Erfinder  dieses  Instrumentes  ist,  von  welchem  schon 
Mattheson  in  seiner  Critica  Musica  Notiz  genommen  und  am  Ende  des 
zweiten  Theiles  in  einer  Correspondenz  aus  Dresden  Folgendes  mitge- 
theilt  hat :  „In  den  Breslauer  Sammlungen  im  Sommer-Quartal  1 724  Mo- 
nats Junii  der  V.  Classe,  im  2ten  Artikel  ist  eine  Beschreibung  des  von 
dem  Herrn  Silbermann  erfundenen  und  verfertigten  Cembals  d'Amour» 
nebst  einem  Risse  und  dem  Attestat  von  hiesigen  Musicis,  item  dem 
Königlichen  Privilegio,  so  der  Herr  geheime  Secretär  König  gedachtem 
Herrn  Silbermann,  samt  dem  Charakter  eines  Hof-  und  Land-Orgel- 
bauers, allhier  procuriret,  zu  finden  p.  697  et  seq.  Allein  die  Beschrei- 
bung will   noch  nichts  sagen,   weil  nicht  gemeldet  worden,    worinnen 


79 

eigentlich  seine  Vorzüge  vor  andern  Instrumenten  und  die  grosse  Kunst 
des  Verfertigers  bestehet:  welches  ruhmgemeldeter  Herr  Secretär  König 
bei  müssiger  Zeit  einmal  ausführlich  aufsetzen  und  eine  Parallele  zwi- 
schen dem  Florentinischen  und  dem  Freibergischen  machen  will." 

Unter  dem  Florentinischen  ist  das  Hammercymbal  des  Christofali 
gemeint,  auf  welches  wir  im  nächsten  Abschnitte  zu  sprechen  kommen. 
Gegenwärtig  bemerken  wir  nur,  dass  der  von  Mattheson  erwähnte  Riss 
nicht  in  jene  Breslauer  Sammlungen  geliefert  worden  sein  kann,  weil  ihn 
Johann  Lorens  Albrecht,  der  Herausgeber  von  ^<7/?w/5  Musica  mecha- 
nica,  nicht  in  denselben  vorfand.  Letztgenanntem  verdanken  wir  eine 
genauere  Beschreibung  des  Instrumentes,  nachdem  Adlimg  in  seiner 
Anleitung  zur  musikalischen  Gelahrtheit  Seite  564  einiges  Wenige  über 
dasselbe  berichtet  hatte.  „Es  gehöret  das  Cembal  d'Amour  nicht  zu  der 
Gattung  der  Clavicymbel,  sondern  zu  der  Gattung  der  Clavichorde.  Die 
Saiten  sind  doppelt  so  lang  als  die  auf  ordentlichen  Clavichorden.  An- 
statt dass  der  Tangent  auf  den  Clavichorden  die  Saite  nicht  weit  vom 
Ende  linker  Hand  berühret,  so  berühret  er  hier  die  Saite  in  der  Mitte. 
Und  diese  Berührung  muss  auch,  um  reiner  und  richtiger  Stimmung 
willen,  ganz  genau  in  der  Mitte  der  Saite  geschehen.  Uebrigens  sind 
die  Tangenten  auf  den  Tasten  und  die  Tasten  selbst  ebenso  gestaltet  wie 
die  in  den  Clavichordien.  Jede  Saite  giebt  also  hier  auf  beiden  Seiten 
den  Klang.  Um  diesen  zu  erhalten,  folgt  ganz  natürlich,  dass  das  Griff- 
bret  nicht  wie  bei  den  Clavichorden  auf  der  Seite  linker  Hand,  sondern 
fast  in  der  Mitte,  doch,  um  der  hohen  Saiten  willen,  etwas  mehr  nach  der 
rechten  Hand  zu  liegen  müsse.  Ferner  müssen,  wie  eben  hieraus  auch 
folgt,  auf  beiden  Selten  Decken  oder  Resonanzböden  und  Stege  sein. 
Doch  ist  die  Decke  rechter  Hand  kleiner  und  auch  von  einer  anderen 
Form,  als  die  auf  der  linken  Hand." 

„Anstatt  dass  auf  den  ordentlichen  Clavichorden  die  Saiten  durch  ein 
zwischen  denselben  durchgeflochtenes  und  also  festsitzendes  langes  aber 
schmales  Stück  Tuch  gedämpft  werden:  so  liegen  hier  die  Saiten  zu 
beiden  Seiten  des  Tangenten  nur  auf  zwei  Stückchen  Tuchs  auf,  welche 
auf  besonders  dazu  angebrachten  Stöckchen,  nicht  aber  an  den  Saiten 
festgemacht  sind.  In  diesen  Stöckchen  bewegen  sich  die  Tasten  in  einem 
Einschnitte,  wie  auf  den  Clavichorden.  Wenn  nun  also  ein^  Tast'  ange- 
schlagen wird,  so  hebt  er  die  Saite  etwas  in  die  Höhe,  die  folglich,  weil 


80 

sie  alsdann  ganz  frei  ist,  einen  stärkeren,  und  so  viel  nämlich  einer  sol* 
chen  Saite  möglich  ist,  länger  anhaltenden  Klang  von  sich  giebt,  als  eine 
Clavichordsaite,  und  alsdann  erst  wieder  gedämpft  wird,  wenn  sie,  nach 
AufJiebung  des  Fingers  vom  Tasten,  wieder  auf  das  Tuch  zurückfällt." 

„Weil  die  Saiten  viel  länger  sind,  als  die  auf  den  Clavichorden  und 
^n  der  Mitte  angeschlagen  werden,  folglich  auf  beiden  Seiten  frei  sind, 
so  können  sie  viel  mehr  als  auf  dem  Clavichorde  durch  eine  sanfte  Be- 
wegung des  Tasts,  bebend  gemacht  werden.  Doch  kann  hierbei  durch 
allzu  starkes  Niederdrücken  die  Saite  «"ar  zu  hoch  erklino;en.  Und  eben 
dies  ist  die  grösste,  noch  nicht  gehobene  Unbequemlichkeit  dieses  Instru- 
ments. Uebrigens  sind  die  Saiten,  wie  auf  den  Clavichorden,  rechter 
Hand  durch  Wirbel  aufgezogen  und  linker  Hand  vermittelst  kleiner  Oesen 
an  kleinen  Stiftchen  befestigt.  Dass  der  Platz  unter  den  Tasten,  sowie 
auf  den  Clavichorden,  leer  sein  muss,  wird  man  von  sich  selbst  be- 
greifen." 

„Alles  dieses  wird  man  sich  noch  leichter  und  deutlicher  vorstellen 
können,  wenn  man  den  Figur  I  befindlichen  Abriss  dieses  Cembals 
d'Amour,  im  Ganzen  und  die  bei  Figur  II  befindliche  Abzeichnung  eines 
besonderen  Theiles  desselben,  betrachtet. 

Figur  I. 


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aa  ist  das  Griffbret  oder  das  Ciavier.  » 

b  ist  eine  einzelne  Taste  und  zwar  eine  der  tieferen. 

c  d  sind  die  beiden  Decken  oder  Resonanzboden. 

e  f  sind  die  zwei  Stege,  auf  denen  die  Saiten  ruhen. 

g  die  Stifte,  an  welchen  die  Saiten  angehängt  sind. 

h  die  Wirbel. 

i  i  i  ist  die  tiefste  Saite. 

k  eine  der  hohen  Saiten. 

1  1  die  Reihe  der  oben  mit  Tuch  bekleideten  Klötzchen,  auf  welchen 


81 

die  Saiten  aufliegen,  und  in  deren  jedem  die  dazu  gehörige  Taste  sich 
endigt,  und,  wie  bei  dem  Clavichorde,  vermittelst  eines  aus  ihm  am  Ende 
hervorragenden,  hölzernen  oder  fischbeinernen  schmalen  Stiftchen  in 
einem  Einschnitte  sich  auf  und  nieder  bewegen  kann. 

p  ist  das  Kästchen  am  Ende  des  Griffbrets  zur  linken  Hand,  so  wie 
bei  den  Clavichorden. 

Figur  II. 

m 


„Bei  Figur  II  ist  eins  von  den  bei  1  1  in  der  Reihe  angedeuteten 
Klötzchen  einzeln  und  grösser  dargestellt,  m  ist  das  Klötzchen  selbst 
n  der  messingene  auf  der  Taste  stehende*  Tangent.  o  o  sind  zwei  aufge- 
zogene Saiten.  Diese  Klötzchen  sind,  wie  schon  bemerkt,  oben  mit  Tuch 
bekleidet.  Man  sieht  also  hieraus,  dass  die  Vorzüge  des  Cembals  d'Amour 
vor  dem  Clavichorde  eigentlich'  darin  bestehen,  dass  es  1)  einen  stärkeren 
Laut  hat  als  das  Clavichord,  ob  es  gleich  nicht  so  stark  als  ein  Clavi- 
cymbel  klingen  kann,  sondern  zwischen  beiden  gleichsam  das  Mittel  hält. 
2)  hält  es  den  Ton  länger  aus,  folglich  kann  noch  singender  darauf  ge- 
spielt werden,  als  auf  einem  Clavichord.  3)  hat  es  auch  in  Rücksicht 
auf  die  durch  den  Anschlag  der  Tasten  hervorzubringenden  verschiedenen 
Grade  von  Stärke  oder  Schwäche  des  Tons  vor  dem  Clavichord  noch 
etwas  voraus,  worin  es  jedoch  einem  Pianoforte  noch  sehr  nachsteht. 
Man  muss  aber  jedes  Ding  nach  seiner  Art  beurtheilen." 

Zu  dieser  Beschreibung  fügt  Joh.  Lorenz  Alhreclit  noch  hinzu,  dass 
der  Instrumentenbauer  Hälmel  in  Meissen  einmal  ein  solches  Cembal 
d'Amour  verfertigt  habe,  auf  welchem  er  dadurch,  dass  er  neben  jeden 
Tangenten  auf  beiden  Seiten  zwei  messingene  starke  Stifte  einsetzte,  die 
man  nach  Belieben  an-  und  abschieben  konnte,  den  Klang  der  soge- 
nannten Cölestin-  oder  Pantalonclavichorde,  und  zwar  in  viel  grösserer 
Stärke,  hervorzubringen  im  Stande  gewesen  sei.  Derselbe  Ilälinel  hatte 
auch  eine  mit  Tuch  bezogene  lange  Leiste  angebracht,  welche  man  nach 
Belieben  über  dem  einen  oder  dem  andern   Sangboden    auf  die   Saiten 

legen  und  dadurch  die  Hälfte  der  Saiten  dämpfen  konnte,  so  dass  der 

6 


82 

Klang  einem  ordentlichen  Clavichorde  ähnlich  wurde.  Als  Verfertiger 
solcher  Cembals  d'Amour  nennt  Adlung  in  seiner  Anleitung  zur  musika- 
lischen Gelahrtheit  noch  Oppelmann  und  Hasse  in  Hamburg. 


Ursprung  nnd  Einführung-  der  Hammermechanik. 

Gleichwie  das  Hackebret  zur  Erfindung  der  Ciaviermonochorde  und 
Clavichorde  Veranlassung  gab,  finden  wir  auch  noch  während  des  aus- 
gebreitetsten  Gebrauchs  der  ausgebildeteren  Ciavierinstrumente  mit 
Dockenanschlag  wiederum  jenes  merkwürdige  Instrument  zu  Anfang  des 
ISten  Jahrhunderts  als  Mutter  der  Hammermechanik  vor.  Pantaleon 
Hebenstreit  aus  Eisleben,  welcher  zuletzt  als  Kammermusikus  in 
Dresden  lebte,  soll  dem  alten,  nicht  über  4  Fuss  langen  und  kaum  2  Fuss 
breiten  Hackebret,  dessen  Kasten  bekanntlich  die  Form  eines  Parallelo- 
gramms oder  Parallel trapezes  hatte,  schon  in  seiner  Jugend  sehr  zuge- 
than  und  bestrebt  gewesen  sein,  dasselbe  zu  verbessern.  Neben  seiner 
ausgezeichneten  Fertigkeit  auf  der  Violine  erlangte  er  bald  eine  bewun- 
dernswerthe  Virtuosität  auf  dem  Hackebrete  und  verbesserte  dieses  in 
Misscredit  gerathene  Instrument  insofern,  als  er  es  viermal  vergrösserte, 
auf  beiden  Seiten  Resonanzböden  anbrachte,  von  denen  der  eine  mit 
Drath-  der  andere  mit  Darmsaiten  bezogen  war,  und  endlich  den  Saiten- 
bezug der  Stimmung  nach  ähnlich  wie  bei  den  damaligen  Ciavierinstru- 
menten einrichtete,  so  dass  ihm  alle  Dur-  und  Molltonarten  zu  Gebote 
standen.  Die  Behandlung  war  sonst  ganz  dieselbe,  wie  bei  dem  Hacke- 
bret, welches  bekanntlich  jetzt  noch  von  den  Zigeunern  aus  freier  Hand 
mit  Klöppeln  tractirt  wird.  Nach  Gerber  hatte  er  schon  bei  seinem 
Aufenthalte  als  Tanzmeister  zu  Leipzig  im  Jahre  1697  auf  diesem  In- 
strumente eine  solche  Virtuosität  erlangt,  dass  der  ihn  hörende  Graf 
Logi  ausgerufen  haben  soll:  „Ei,  was  ist  das?  Ich  bin  in  Italien  ge- 
wesen, habe  alles,  was  die  Musica  Schönes  hat,  gehöret;  aber  dergleichen 
ist  mir  noch  nicht  zu  Ohren  kommen!"  Im  Jahre  1705  reiste  Heben- 
streit nach  Paris,  Avosclbst  er  vor  König  Ludwig  XIV.  spielte  und  bei 
diesem  solche  Gnade  fand,  dass  derselbe  seinem  Instrumente  nach  des 


83 

Künstlers  Taufnamen  die  Benennung  Pantaleon  beilegte.  Nach 
Deutschland  zurückgekehrt,  stellte  man  ihn  1706  als  Kapelldirector  und 
Hoftanzmeister  am  Hüte  zu  Eisen  ach  an*),  wo  er  im  Jahre  1708  mit 
dem  ebendahin  berufenen  Concertmeister  Telemann  eine  kurze  Zeit 
zusammenwirkte.  Dieser  bemerkt  überdies  in  seiner  Lebensbeschreibung 
in  3Iatfhcso)is  Ehrenpforte  S.  361  den  gewaltigen  Ton,  welchen  Hehen- 
strcit  der  Violine  entlocken  konnte.  An  den  königlichen  Hof  im  Jahre 
1708  nach  Dresden  berufen,  bezog  er  als  Kanunermusikus  daselbst  einen 
Gehalt  von  2000  Thalern  und  bildete  auf  dem  Pantaleon  mehrere 
Schüler  aus,  von  denen  Gerler  Binder  und  Gitnipenhuher  als  die 
vorzüglichsten  namhaft  macht.  Interessant  erscheint  uns  in  Mattliesons 
Critica  Musica  die  Stelle  eines  Briefes  vom  Leipziger  Cantor  Johann 
Kulinau  datirt  vom  8.  December  1717,  aus  welchem  auch  hervorgeht, 
dass  zu  dieser  Zeit  Hebenstreit  bereits  in  den  Ruhestand  versetzt  war  und 
eine  Pension  von  1 200  Thalern  bezog.  Kühnem,  dessen  Brief  in  einigen 
Punkten  von  Gerber  als  Quelle  benutzt  wurde,  sagt  hier  unter  Ande- 
rem, dass  er  häufig  beim  Spielen  in  verschiedenen  Tonarten  die  eine  oder 
andere  Saite  zu  corrigiren  fände.  Aber  er  erzählt  auch  von  der  Schön- 
heit dieses  Instrumentes  und  behauptet,  dass  eine  angeschlagene  Bass- 
saite wie  ein  auf  einer  Orgel  gehaltener  Clavis  ertöne,  und  es  Hessen  sich 
„da  viele  Passaggien  und  Resolutiones  der  Dissonantien  mit  grösster  Wol- 
lust des  Gemüths  absolviren,  ehe  der  Ivlang  gänzlich  verschwände".  Der 
moderne  Älusiker  würde  sagen,  dass  eine  Bass-Saite  eine  so  lange  Dauer 
des  Klanges  besitze,  um  sie  als  Orgelpunkt  für  verschiedene  über  dem- 
selben aufgebaute  Accordpassagen  zu  benutzen**).     „Wenn  man  aber", 

*)  Telemann  sagt  in  Mattheson's  Ehrenpforte  S.  361:  „Die  Absicht  war  in  Eise- 
nach anfangs  nur  auf  eine  Instrumental-Musik  gerichtet,  deren  Glieder  der  nie  genug 
zu  rühmende  H.  Pantaleon  Hebenstreit  zusammen  suchte  und  welchem  ich  als 
Concertmeister  vorgesetzet  ward,  mithin  bei  der  Tafel  und  in  der  Kammer  die  Violine 
und  das  übrige  zu  spielen  hatte ;  da  jener  den  Namen  eines  Directoris  führte,  in  der 
letzten  aber  auch  mitgeigete  und  auf  seinem  be^vlmderungswürdigcn  Cymbal  sich 
hören  Hess." 

**)  Von  dem  Instrumente  Pantaleon  Hebenstreit's  erzählt  der  Tourist  Keysler  in 
seinen  Reisen  durch  Deutschland  Seite  1324: 

„Dergleichen  anitzo  noch  eines  nämlich  in  Wien  zu  hören  ist,  weil  der  Kaiser 
jemanden  nach  Dresden  geschickt,  um  auf  solchem  Instrumente  spielen  zu  lernen. 
Dieses  Werk  liegt  hohl,  dergestalt,  dass  man  es  ohne  Mühe  umwenden  und  auf  beiden 
Seiten  mit  zwei  kleinen  Hölzern,  als  auf  einem  doppelten  Hackbretc  spielen  kann.  Seine 
Länge    ist    von    13'/o   und   die   Breite  von  S'/a  Spanne,  der  Boden  ist  hohl  und  auf  der 

6* 


84 

fährt  Knlmaii  fort,  „in  Accorclen  harpeggiret,  welches  hier,  weil  das  In- 
strument von  grosser  Etendue  ist,  (meines  fängt  sich  vom  IGfüssigen  E 
an,  continuiret  im  Genere  diatonico  bis  ins  Sfüssige  G,  von  welchem  sich 
die  Chromatischen  zugleich  mit  anfangen  und  gehet  oben  bis  ins  dreige- 
strichene e)  auf  das  Vollstimmigste  geschehen  kann,  so  gehet  das  lieb- 
liche Sausen  der  Harmonie,  und  da  auch,  wenn  man  aufhöret,  der  Klang 
noch  immer  wie  von  Weitem  nach  und  nach  abnimmt,  bis  ins  Leben 
hinein.  Nur  ist  es  Schade,  dass  1)  dieses  Instrument  ein  sehr  langes 
Corpus  haben  will,  wenn  der  Zug  der  Saiten,  sonderlich  derer  aus  Där- 
men, jedem  Chor  gemäss  sein  soll,  2)  die  unterste  Verstegung  noch 
nicht  so  richtig  ausgefunden,  dass  sich  nicht  einiger  Defect  in  der  Ega- 
lite  der  Chöre  hervorthue,  3)  Herculische  Arbeit  erfordert,  daher  auch 
wenig  Studenten  hat,  und  wenn  sich  auch  manche  dazu  einfinden,  so  tre- 
ten sie  doch  bald  wieder  auf  die  Hinterfüsse,  wenn  ihnen  so  viel  Steine 
des  Anstosses  in  den  Weg  kommen,  sonderlich,  da  sie  sich  den  Lohn 
für  so  grosse  Arbeit,  oder  die  jährliche  Pension  von  1200  Thalern  wie 
Monsieur  Pantalon  hat,  nicht  versprechen  können.  Ungeachtet  sich  die- 
ser excellente  Meister  des  Jahres  etwa  einmal  vor  dem  Könige  hören 
lässt,  verdienet  doch  seine  Virtü  und  unverdrossene  Mühe,  die  er  voii 
Jugend  auf  bis  hierher  darauf  gewendet  (es  hat  mir  Monsieur  Woul- 
myer  referiret,  dass  er  einstmals  ein  viertel  Jahr  ohngefähr  bei  ihm  in 
Berlin  gewesen  und  ausser  der  Tag- Zeit  auch  die  meisten  Nächte  mit 
dem  Exercitio  dieses  Instrumentes  zugebracht)  dieses  und  noch  ein  meh- 
rers. Dieses  Instrument  hat  auch  diese  Praerogatio  und  Eigenschaft  vor 
den  Ciavieren,  dass  man  es  mit  Force  und  wieder  piano,  als  worinnen  ein 
grosses  Momentum  dulcedinis  et  gratiae  musicae  bestehet,  tractiren  kann. 
Der  sonderlichen  Variation  zu  geschweigen,  da  die  Tangenten  oder  Schlä- 
gel bald  bloss,  bald  mit  Baum-Wolle  oder  was  anders  umwunden  gebraucht 
werden."     Nachdem  Kuhnau  die  bereits  berührte  Geschichte    mit  dem 


einen  Seite  mit  keinen  anderen,  als  übersponnenen  Geigensaiten,  auf  der  anderen  oben 
in  der  Höhe  der  Töne  mit  stählernen  Saiten  bezogen.  Es  kostet  jährlich  bei  hundert 
Thaler  zu  unterhalten,  weil  es  aus  185  Saiten  besteht.  (Hebenstreit  bekam  für  den 
Bezug-  jährlich  zweihundert  Thalcr.)  Sein  Klang  ist  überaus  stark  und  füllet  solcher  den 
grössten  Saal." 

Gottfried  SiUiermann  machte  hinter  dem  Rücken  Hehenstreit's  die  Instrumente  nach, 
worüber  dieser  sehr  ungehalten  war  und  bei  Hofe  Beschwerde  führte.  Man  berücksich- 
tigte dieselbe  und  verbot  die  Nachahmung.    Ilehenstreit  starb  G6  Jahre  alt  halb  blind. 


85 

Cirafen  Logi  erwähnt  hat,  überHelert  er  uns  von  der  t'üUe  des  Khinges 
noch  eine  interessante  Thatsache,  deren  Verständniss  uns  durch  die  Theorien 
des  Akustikers  Hchnholts  über  die  musikalische  Klangfarbe  erschlossen  wor- 
den ist.  Er  berichtet  nämlich,  dass  beim  Anschlag  einer  Saite  zugleich  die 
Partialtöne  bis  zum  Gten  gehört  würden,  und  dass  Von  diesen  wiederum  der 
3te,  also  die  Duodecime,  am  stärksten  hervorträte*).  /iri^^Z/y/f^^f  findet  es  merk- 
würdig, dass  die  Octave  des  Grundtones  nicht  stärker  erklinge  als  die 
Duodecime;  er  erklärt  sich  aber  diese  Erscheinung  dadurch,  dass  er  an- 
nimmt, es  verschwinde  die  Octave  zugleich  in  der  Gewalt  des  Grund- 
tones. Doch  giebt  er  zu,  dass  der  Klang  durch  die  heller  hervortretende 
Duodecime  etwas  Schärferes  erhalte.  Wer  unsere  akustischen  Zusam- 
menstellungen gelesen  hat,  wird  durch  die  Ilelmholtz'schen  Erörterungen 
vollständig  über  diese  Materie  zur  Klarheit  gekommen  sein.  Wir  halten 
dieses  noch  nirgends  beachtete  historische  Zeugniss  für  ausserordentlich 
wichtig,  weil  es  deutlich  beweist,  wie  man  schon  in  früherer  Zeit  die 
Ursachen  verschiedener  Klangwirkung  zu  ergründen  und  darnach  die 
Verbesserungen  im  Instrumentenbau  zu  erlangen  suchte.  Als  ein  Genie 
in  der  Erfassung  der  Klangforbe  ist  der  am  10.  August  1699  zu  Hohen- 
stein  im  jetzigen  Königreich  Sachsen  geborene  Christoph  Göttlich 
Schröter  zu  bezeichnen,  dessen  neue  Erfindung  der  Hammermechanik 
zu  manchen  Erörterungen  und  Streitigkeiten  Veranlassung  gegeben  hat. 
Bevor  wir  auf  dieselben  genauer  eingehen  können ,  halten  wir  es  zum 
bessern  Verständniss  für  noth wendig,  den  Gang  seines  Lebens  in  den 
Hauptmomenten  vorzuführen,  da  Schröter  in  der  That  als  Vater  der  mo- 
dernen Pianofortebaukunst  anzusehen  ist. 

Den  Anfang  in  der  Musik,  besonders  im  Singen,  machte  er  früh- 
zeitig bei  seinem  Vater,  der  ihn  auch  so  weit  brachte,  dass  er  im  sieben- 
ten Jahre  zu  Dresden  unter  die  Kapellknaben  aufgenommen  werden 
konnte.  Sein  Gönner,  der  Kapellmeister  Schmidt  unterstützte  zwar 
den  jungen  talentvollen  Knaben  in  seinem  musikalischen  Studium,  doch 
erlangte  er  hauptsächlich  durch  eigenen  Fleiss  die  Kenntniss  von  den 
Fundamentalsätzen  der  Tonkunst.  Nach  Verlauf  von  drei  Jahren  nö- 
thigte  ihn  Krankheit,  nach  Bischofswerda  zu  gehen,  wo  ihn  einer  seiner 
Pathen   mit    Hausmittel    curirte.     1710   nach     Dresden    zurückwekehrt 


*)  Beim  Anschlag  von  C  erklangen  also  noch  die  Tiine  c — g—c* — e' — </',  von  denen 
g  am  stärksten  hervortrat. 


verschaffte  ihm  sein  Gönner  Kapellmeister  Schmidt  die  Stelle  eines 
Rathsdiscantisten  an  der  Kreuzkirche,  wo  er  den  jüngeren  Qraim  zum 
Gesellschafter  bekam.  Während  dieser  Zeit  fing  er  an,  den  Generalbass 
zu  Studiren,  und  zwar  anfangs  nach  Dr.  Treiher's  \  704  zu  Arnstatt  in 
Folio  herausgegebenem  accuraten  Organisten,  bis  im  Jahre  1711  Heim- 
cheiis  kleine  Abhandlung  vom  Generalbasse  dazu  kam.  Das  frühzeitige 
Unterrichten  und  Ciavierstimmen  führte  ihn  auf  das  Verfertigen  von 
Monochorden  und  auf  Temperaturberechnungen.  Die  theoretischen  Aus- 
arbeitungen theilte  er  dem  Kapellmeister  Sclmiidt  mit,  der  ihm  auch 
die  componirten  Fugen  durchsah.  1717  wendete  er  sich  auf  Wunsch 
seiner  Mutter  nach  Dresden,  um  Theologie  zu  studiren,  in  welchem  Jahre 
er  auch  zur,  Freude  derselben  eine  Kirmesspredigt  hielt.  Nach  ihrem 
Tode  ging  er  aber  ganz  zur  Musik  über  und  wurde  durch  die  Fürsprache 
Sclimiäfs  bei  Antonio  Lotti,  dem  Operncomponisten  des  sächsischen 
Hofes,  Notist.  Nach  der  Abreise  Lotti' s  von  Dresden  1719  reiste 
Schröter  mit  einem  gewissen  Baroi],  welcher  „ein  starker  Spieler  auf 
der  Flöte  und  Laute  war",  als  Secretär  und  musikalischer  Gesellschafter 
desselben  durch  Deutschland,  Holland  und  England,  wonach  er  in  Jena 
1724  an  der  Universität  Collegien  über  musikalische  Wissenschaft  las 
und  dabei  Mattheson's  Orchester  zu  Grunde  legte.  1726  kam  er  als 
Orffanist  nach  Minden  und  vertauschte  1732  diesen  an  Berufsgeschäften 
Überaus  reichen  Aufenthalt  in  gleicher  Eigenschaft  mit  dem  in  der  freien 
Reichsstaflt  Nordhausen.  Von  hier,  wo  er  bis  zu  seinem  Tode  blieb 
schrieb  er  in  die  kritischen  Briefe  über  die  Tonkunst:  „Anbei  ist  nicht 
zu  verschweigen,  dass  ich  hier  jährlich  kaum  so  viel  Einkünfte  habe,  als 
ich  bei  meinen  Umständen  zu  Dresden,  ferner  auf  Reisen,  ingleichen  zu 
Jena  und  Minden  jegliches  Vierteljahr  eingenommen.  Folglich  habe  ich 
hier  in  Nordhausen  meinen  ehemaligen  Erwerb  und  nachher  erhaltene 
Erbschaften,  binnen  dreissig  Jahren,  leider!  zusetzen  müssen."  Seine 
ausgearbeitete  Geschichte  der  Harmonie  wurde  bei  der  von  den  Fran- 
zosen  1761  vollzogenen  Plünderung  Nordhausens  mit  zerstört,  wogegen 
seine  anderen  im  Druck  erschienenen  zahlreichen  Schriften  dev  Nachwelt 
erhalten  blieben  und  in  Gerber'slLiexicon  namhaft  gemacht  sind.  Seinen 
Orgelsch weller  übergehend,  wenden  Avir  uns  zu  der  für  unseren  Zweck 
so  wichtigen  Erfindung  der  Hammermechanik,  welche  von  WelcJcer  nur 
kurz  berührt  und  dennoch  ganz  falsch  dargestellt  worden  ist.    Weicker's 


87 

Darstellung  bringt  uns  zu  der  Schlussfolgerung,  tlass  diesem  der  aller- 
dings äusserst  seltene  SteBand  von  ilfar^wr^'^  kritischen' Briefen  nicht  zu 
Gebote  gestanden  hat  und  dass  er  die  Modelle  Scliröter''s  aus  seinem  Kopfe 
ohne  factische  Unterlagen  herstellen  nuisste.  Die  ganze  Begebenheit  ist  so 
wichtig  für  die  Geschichte  des  Instrumentenbaues,  dass  wir  die  Haupt- 
sachen aus  Schröter''s  eigenen  Schriften  in  jenen  kritischen  Briefen  mit- 
theilen und  darnach  zu  Om^o/aZ^'^  Hammermechanik  übergehen.  In  dem 
139steii  Briefe  schreibt  Schröter  §.  3:  „Mehr  als  zwanzig  Städte  und 
Dörfer  sind  mir  bekannt,  in  welchen  statt  der  sonst  gebräuchlichen  Cla- 
vicymbel  seit  1721  solche  Ciavierinstrumente  mit  Hämmern  oder  Sprin 
gern  gemacht  worden,  welche,  wenn  der  Schlag  auf  die  Saiten  von  oben 
geschieht,  von  ihren  Verfertigern  und  Käufern  Pantalons  genennet 
worden.  Wenn  aber  ein  solches  Instrument  so  eingerichtet  ist,  dass  die 
Saiten  von  unten  angeschlagen  werden,  so  nennen  sie  solches  ein  Piano- 
forte.  Fraget  man  endlich  einen  jeglichen  solcher  Instrumentenmacher, 
wer  solches  eigentlich  erfunden,  so  giebt  fast  jeglicher  sich  für  den  Er- 
finder aus.  Wer  begreifet  hier  nicht  das  mehr  als  zwanzigfaltige  Zeug- 
niss  von  lauter  Unwahrheiten?  Möchten  doch  alle  diese  Nacherfinder 
so  in  sich  kehren,  wie  jener  vor  drei  Jahren  in  P  .  .  .  verstorbene  Instru- 
mentenmacher, welcher  1742  folgende  Worte  an  mich  schrieb: 

Mein  werther  Herr  Schröter! 

Ich  war  in  voriger  Ostermesse  etliche  Tage  zu  Leipzig  und  kaufte 
mir  allerhand  nüthige  Sachen,  da  hatte  ich  Gelegenheit,  sein  Send- 
schreiben an  den  Herrn  M.  Mitzier  durchzublättern,  und  ich  fund 
darinnen  die  Nachricht,  dass  er  Ao.  1717  diejenigen  Ciavierinstrumente 
erfunden,  welche  mit  Hämmern  die  Saiten  klingend  machen.  Ich  las 
auch,  dass  der  Herr  auf  diejenigen  sehr  böse  ist,  welche  dergleichen  In- 
strumente gearbeitet  haben,  und  bei  solcher  Verkaufung  niemals  gemel- 
det haben,  dass  einer,  mit  Namen  Schröter  zu  Dresden,  dieselben  erfun- 
den hat.  Ich  gestehe  dem  Herrn,  dass  ich  hierüber  auf  duppelte  Art 
sehr  empfindlich  geworden  bin.  Ich  will  in  diesem  schlechten  Brief  ver 
suchen,  ob  ich  den  Herrn  für  meine  Part  mit  folgender  Nachricht  wie- 
der besänftigen  kann,  welches  mir  recht  lieb  sein  soll.  Mein  ältester 
Bruder  war  Ao.  1721  zu  Dresden  bei  dem  Herrn  Grafen  von  Vitz- 
thum  in  Diensten,  der  überschickte   mir  zwei  Abrisse  von  solchen  In- 


strumenten  mit  Hämmern.  Aber  weil  der  Abriss  mit  dem  Anschlage  von 
unten  mir  dunkel  war,  so  gab  ich  meinem  Bruder  die  Schuld,  dass  er 
was  dabei  vergessen  hätte,  oder  verkehrt  gezeichnet  hätte.  Weil  aber 
der  ihm  unbekannte  Erfinder  weggezogen  wäre,  oder  wohl  gar  gestorben 
wäre,  so  wollte  er  mich  damit  beschenken,  indem  doch  sonst  niemand 
davon  was  wüsste.  Also  hat  der  Herr  hieraus  meine  Unschuld  so  weit 
vernommen.  Wenn  ich  wieder  solche  Instrumente  verkaufe,  so  will  ich 
allezeit  sagen,  der  Herr  Organist  zu  Nordhausen  mit  Namen  Schröter 
hat  zu  Dresden  es  erfunden.  Mehr  wird  der  Herr  von  mir  nicht  verlan- 
gen können. 

Lebe  der  Herr  wohl,  dieses  wünschet  ihm 

Sein 

P . . .  d.  3.  Junius  1 742.  aufrichtiger  Diener, 

Zu  diesem  Briefe  macht  nun  Schröter  die  Anmerkung,  dass  vor- 
stehender Brief  allerdings  etliche  Erläuterungen  verdienet  hätte. 

„Weil  aber",  fährt  er  fort,  „die  Folge  dieser  Abhandlung  alles  deut- 
lich machen  wird  und  ich  nicht  gewohnet  bin,  einerlei  Sache  auf  einem 
Blatte  zu  wiederholen:  so  erzähle  ich  nun  zweitens  die  Veranlassung  zu 
meiner  Erfindung.  Schon  1715  hatte  der  damalige  Capellmeister  zu 
Dresden  Herr  Schmied*),  wie  auch  nachgehends  der  Herr  Cantor 
Grundig  mir  als  einem  Kreuzschüler  unterschiedene  Clavierscholaren, 
lauter  Kinder  vom  hohen  Stande,  nach  und  nach  verschaffet,  bei  welchen 
meine  Unterrichtung  zu  Handsachen  allezeit  auf  einem  bundfreien  Cla- 
vichord geschehen  musste.  Wenn  nun  diese  Scholaren  sich  getrauten, 
ihre  tactmässig  und  manierlich  erlernten  Ciavierstücke  vor  ihren  Eltern 
und  andern  hohen  Anwesenden  auf  einem  Clavicymbel  hören  zu  lassen, 
so  klagten  sie  mir  nach  abgelegter  Probe,  dass  ihr  Spielen  auf  dem  Clavi- 
cymbel, nicht  so  gut  als  auf  dem  Clavichord  ausgefallen  wäre.  Obgleich 
von  mir  erwiedert  wurde,  dass  sie  vielleicht  zu  blöde  gespielet  hätten,  so 
musste  ich  doch  die  vorige  Klage  wieder  anhören.  Dieser  widrige  Vor- 
fall befohl  mir  Gelegenheit  zu  suchen,  die  übergebnen  Handsachen  selbst 
auf  einem  Clavicymbel  insgeheim  zu  spielen,  welches  kurz  vorher  von 
dem  damaligen  Hof-Orgelbauer,  Herrn   Graebner  verfertiget  worden 


*)  Adam  Hille.r  schreibt  Schmidt. 


89 

Allein  was  begegnete  meinem  sonst  ruhigen  Gemüthe!  Bald  wäre  mir 
alle  Lust  zur  Spielinformation  vergangen.  Denn  ich  hörte  nicht  nur, 
sondern  fühlte  auch  selbst  die  Unmöglichkeit  des  manierlichen  Spielens 
auf  einem  Clavicymbel.  Mein  Glück  hiebei  war ,  dass  ich  Tages  darauf 
Gelegenheit  bekam,  diesen  verdricsslichen  Vorfall  dem  Herrn  Kapell- 
meister Schmieden,  welcher  meine  singmässige  und  manierliche  Spiel- 
art läng-st  kannte,  umständlich  zu  erzählen.  Er  lächelte  nach  seiner  leut- 
seligen  Art  darüber  und  sagte:  „Ich  habe  diesen  Vorfall  schon  vermu- 
thet.  Kehre  er  sich  an  nichts.  Gut  gnug,  dass  nicht  nur  ich,  sondern 
auch  die  Eltern  seiner  Scholaren  mit  ihm  zufrieden  sind."  Anbei  wies 
er  mir  ein  Nürnbergisch  Geigenwerk  an,  welches  ich  vorher  niemals  ge- 
sehen noch  gehöret.  Dieses  gefiel  mir  aus  leicht  zu  erachtenden  Ur- 
sachen freilich  etwas  besser  als  das  Clavicymbel;  dass  Ich  aber  im  Spie- 
len auch  zugleich  als  ein  Leinweber  mit  beiden  Füssen  arbeiten  sollte, 
dies  stund  mir  gar  nicht  an,  und  wie  ich  nachgehends  erfahi'en,  noch 
vielweniger  andern  Spielern  männlichen  und  weiblichen  Geschlechts. 

§.  5.  Nicht  lange  hierauf  bekam  ich  die  längst  erwünschte  Gele- 
genheit, den  weltberühmten  Virtuosen,  Herrn  Pantaleon  Heben  st  reit, 
auf  seinem  erfundenen  Instrumente  zu  hören,  welches  mit  Darmsalten 
bezogen  ist  und  mit  Klöppeln,  wie  ein  Hackebret  gespielet  wird.  Da  ich 
nun  hierbei  sehr  wohl  bemerkte,  dass  vermittelst  der  unterschiedenen 
starken  und  schwachen  Schläge  auf  die  Saiten  auch  derselben  Ertönung; 
in  unterschiedenen  Graden  der  Stärke  und  Schwäche  entstünde,  so  hielt 
ich  für  gewiss,  es  müsse  mir  möglich  sein,  ein  solches  Ciavierinstrument 
zu  erfinden,  auf  welchem  man  nach  Belleben  stark  oder  schwach  spielen 
könne.  So  leicht  aber  dieser  Vorsatz  genommen  war:  desto  schwerer 
wurde  mir  desselben  BewerkstelHgung,  weil  ich  nämlich  noch  niemals 
etwas  geschnitzelt,  gesäget,  gehobelt  oder  gedrechselt  hatte.  Andern 
Instrumentbauern  mein  Vorhaben  zu  entdecken,  trug  Ich  billig  Beden- 
ken. Endlich  fiel  mir  bei,  dass  nicht  weit  von  meiner  Wohnung  mein 
Vetter  als  ein  Tischlergesell  in  Arbeit  war;  denselben  beredete  ich,  dass 
er  mit  Genehmhaltung  seines  Meisters  in  müssiger  Zeit  mir  aller- 
hand bcnöthIo;te  Kleinlo-kelten  verfertIo;te.  Durch  diese  Bewilligfuno;  er- 
hielt  ich  endlich  nach  mancherlei  Versuchen  auf  einem  schmal-langen 
Kästchen  ein  gedoppeltes  Modell,  welches  überhaupt  vier  Schuh  lang 
und  sechs  Zoll  breit  war.     Anbei  hatte    es  sowohl  hinten  als  vorne  drei 


90 

Tasten.  In  einer  Gegend  geschah  der  Schlag  an  die  Saiten  von  unten, 
in  der  andern  aber  von  oben.  Beide  Arten  waren  so  leicht  als  ein  ge- 
wöhnliches Clavichord  zu  spielen.  Auf  jeglichem  Modell  konnte  man 
starke  oder  schwache  Ertönungen  in  unterschiedenen  Graden  hervor- 
bringen. 

§.  6.  Es  fehlte  also  meiner  Erfindung  weiter  nichts,  als  derselben 
o-änzliche  Ausarbeitung  im  Grossen,  wozu  aber  mein  Vermögen  nicht 
hinlänglich  war,  welches  öffentlich  zu  sagen  kein  redlicher  Mann  sich 
schämen  darf 

§.  7.  Bei  solchen  Umständen  sähe  ich  mich  endlich  genöthiget,  mein 
Modell  auf  das  königliche  Schloss  zu  Dresden  tragen  zu  lassen,  welches 
auch  1721  am  11.  Februarii,  früh  zwischen  8  und  9  Uhr  glücklich  ge- 
schähe*). 

§.  8.  Als  ich  in  dem  Königl.  grossen  Vorzimmer  etliche  Minuten 
mich  aufo-ehalten,  so  traten  Ihro  Königl.  Majestät  Höchstseel.  Andenkens, 
in  Beoleituno-  des  Grafen  von  Vitzthum  und  etlicher  Kammerherren 
aus  Dero  Cabinette.  Sie  nahmen  allergnädigst  mein  Modell  in  die 
Hände,  versuchten  beide  Arten  und  fragten  mich:  Ob  ich  ein  Landes- 
kind sei?  ingleichen:  Wodurch  ich  zu  dieser  P]rfindung  veranlasst  wor- 
den? welche  beide  Fragen  ich  unerschrocken  beantwortete.  Hierauf  er- 
theilten  Ihro  Majestät  Befehl,  dass  mein  Modell  dableiben  und  mehrge- 
dachter Herr  Capellraeister  Schmied  gegen  10  Uhr  bei  Hofe  erscheinen 
sollte.  Als  nun  dieser  meine  Erfindung  billigte,  so  eröffneten  Ihro  Königl. 
Majestät  den  allergnädigsten  Entschluss,  künftig  Verfügung  zu  treffen, 


*)  Hierzu  macht  Schröter  die  Anmerkung:  „Sollte  mancher  Leser  hierbei  sich 
wnndern  dass  ich  nach  so  langer  Zeit  von  dieser  Begebenheit  nicht  nur  das  Jahr,  son- 
dern auch  den  Tag  und  die  Stunde  noch  anzugeben  weiss,  dem  eröffne  ich  hiermit, 
dass  ich  auf  Anrathen  meines  seel.  Vaters  mich  von  Jugend  an  gewöhnet,  alle  meine 
vero-nüften  und  missvergnügten  Zufälle  richtig  aufzuschreiben.  Diese  Sammlung  war 
1750  schon  so  stark  angewachsen,  dass  der  dazu  erwählte  auswärtige  Verleger  als  mein 
Verwandter  mich  mündlich  versicherte,  es  würde  solcher,  in  seiner  Gegenwart  versiegel- 
ter Vorrath  schon  zwei  Octavbände  ausmachen;  der  vielen  Zusätze  zu  geschweigen, 
welche  seit  selbiger  Zeit  jährlich  nachgeschicket  worden.  Wie  nun  alles  veranstaltet  ist, 
dass  solcher  vollständiger  Lebenslauf  bald  nach  meinem  Absterben  ausgegeben  wird: 
also  versichere  ich,  dass  mancher  Freimd  und  Feind  der  holden  Musik  hohen  und 
niedrigen  Standes  seine  unvermutheten  Anecdoten  darinnen  finden  wird.  Nun  wieder 
zur  Hauptsache!''  Schröters  Lebenslauf  ist  von  ihm  selbst  geschrieben  niemals  erschie- 
nen; sein  Biograph  wm-de,  wie  bereits  bemerkt,  Adain  Hiller.  Doch  ist  dessen 
Biographie  kein  höherer  Werth  beizumessen.  ^ 


öl 

dass  von  dem  Modell  diejenige  Art,  bei  welcher  der  Anschlag  an  die 
Saiten  von  unten  geschiehet,  von  einem  geschickten  Instrumentenbauer 
unter  meiner  Aufsicht  vollkonunen  und  zierlich  ausgearbeitet  werden 
sollte.     Wer  war  froher  als  ich? 

§.  9.  Durch  Vermiltelung  des  vorgenannten  Herrn  Capellm.  Schmied's 
bekam  ich  in  folgender  AVoche  die  Erlaubniss,  Mittags  bei  königl.  Tafel 
auf  einem  Clavichord  sowohl  als  auf  einem  Clavicymbel  mich  hören  zu 
lassen.      Hiezu    erwählte    ich     aus    meinen    vorräthigen    Ciaviersachen 
1)  ein  Concert  und  2)  eine  Suite  von  eigener  Arbeit.     Jegliches  dieser 
Stücke  spielte  ich  wechselsweise  auf  dem  Clavicymbel  und   Clavichord, 
nämlich  auf  königlichen  Befehl.     Zuletzt  musste  ich  noch  länger  als  eine 
Viertelstunde  auf  dem  Clavichord  aus  freiem   Geiste  spielen   und  fantai- 
siren.     Ich  übergehe  jetzt   aus  angeborener  Bescheidenheit  die  hierauf 
unverdient  erhaltenen  Gnadenbezeigungen  und  erwähne  nur  noch,  dass 
in  des  Königs  Capelle  damals  schon  viel  Clavieristen  stunden:  weswegen 
Ihro  Majestät  allergnädigst  meine  Umstände  so  einleiteten,  dass  ich  fol- 
genden Tages  bei  dem  damaligen  Churprinzen  mich   ebenfalls  wechsels- 
weise auf  dem  Clavicymbel  und  Clavichord  musste  hören  lassen,   wozu 
ich  aber  andere  Stücke  von   eigener  Arbeit  erwählte.      Als  nun  hierauf 
von  einem  mir  sehr  anständigen  jährlichen  Gehalt  war  gesprochen  wor- 
den: so  trat  der  damaligen  Churprinzessin  vornehmste  Hofdame  österrei- 
chischer Abkunft  zu  mir  mit  unterschiedenen  bedenklichen  Fragen,  deren 
letztere  aber  ich,  als  eingeborener  Chur-Sachse,  unmöglich  bejahen  konnte 
weswegen  ich  mir  verstellter  Weise  etliche  Tage  Bedenkzeit  ausbat. 

§.  10.  Dieser  unerwartete  Vorfall  brachte  mich  zu  dem  festen  Ent- 
schluss,  (welcher  bis  zu  dieser  Stunde  mich  noch  nicht  gereuet)  mein  zeit- 
lich Glück  ausserhalb  Dresden  zu  suchen.  Als  ich  solches  Vorhaben 
meinem  höchstzuehrenden  Gönner  und  Landsmann,  dem  Herrn  Capell- 
meister  Schmieden  entdeckte,  wollte  er  selbiges  sogleich  nicht  billigen, 
mit  Anrathen,  dieser  Sache  Ausgang  erst  abzuwarten.  Ich  bemühte  mich 
also  etlichemal,  mein  Modell  auf  anständige  Art  wieder  zu  bekommen; 
jedoch  vergebens:  folglich  lässt  sich  leicht  begreifen,  wie  meine  doppelte 
Erfindung  nach  meiner  bald  erfolgten  Abreise  aus  Chur-Sachsen,  sowohl 
in  als  ausserhalb  Deutschland  ausgebreitet  und  meistentheils  unglücklich 
nachgemacht  worden.  Man  erinnere  sich  hierbei,  was  ich  bereits  1738 
im  Sendschreiben  an  M.  Mitzlcr  wegen  dieser  Sache  beiläufig  erwähnet. 


Ö3 

(S.  Mitzier' s  nmsik.  Bibliothek  III.  Band,  Seite  474  bis  476).  Es  ist  mir 
keineswegs  nachtheilig,  sondern  gereichet  mir  vielmehr  zur  Ehre,  dass 
meine  doppelte  Erfindung  an  so  vielen  Orten  ausgearbeitet  und  verkaufet 
worden.  Es  werden  aber  dergleichen  Instrumentbauer  künftig  sich  nicht 
mehr  gelüsten  lassen  zu  sagen  oder  zu  schreiben,  dass  sie  selbst  die  Erfinder 
wären.  Widrigenfalls  beschimpfen  sie  nicht  nur  sich  selbst  untereinander 
sondern  es  sollen  ihre  Namen  gewiss  öffentlich  bekannt  gemacht  werden. 
Man  lasse  es  also  auch  diesfalls  bei  der  göttlichen  Regel:  Suum  cuique! 
§.  Ik  Ich  übergebe  nun  den  ersten  Abriss  als  eine  Vorstellung  desjeni- 
gen einfachen  Modells,  welches  Ihro  Königl.  Majestät  1721  wegen  seines 
sehr  leichten  Anschlages  von  unten  an  am  meisten  «lebilliget  und  gemei- 
niglich  ein  Pianoforte  genennet  wird. 


Erklärung  des  ersten  Abrisses: 

A  —  A  ist  die  Tastatur. 

B  und  C  sind  die  Stege,  auf  welchen  die  Tasten  liegen.  Anbei  ist 
wohl  zu  merken,  dass  auf  dem  hintersten  Stege  C  vorn  eine  Reihe  gleich 
abo-etheilter  starker  Stifte  stehen  müssen,  zwischen  welchen  nicht  nur 
die  Hintertheile  der  Tasten,  sondern  auch  die  bei  E  vorkommenden 
Treiber  ihren  gewissen  Gang  erhalten:  folglich  müssen  diese  starken 
Stifte  genau  bis  an  I  sich  erstrecken. 


93 

D  ist  ein  auf  der  Taste  befestigter  kleiner  Aufsatz,  welcher  im  Spie- 
len seine  Grenze  unter  der  Wirbelpfoste  findet,  und  folglich  so  einzu- 
richten ist ,  dass  die  Tasten  im  Spielen  vorn  nicht  tiefer  als  auf  einem 
Clavichord  fallen  können.  E— E  nenne  ich  den  Treiber,  welcher  von 
leichtem  Holze  und  nicht  dicker  als  ein  Clavicyuibcl-Tangent  sein  darf. 
Sein  langer  Vorderthcil  liegt  auf  der  Taste  und  findet  im  Spielen  seine 
Grenze  unter  I.  Hingegen  sein  kurzer  Hintertheil  hängt  an  einem 
Stifte,  welcher  auf  dem  hohen  Stege  bei 

F  angedeutet  ist.  Wie  die  rechte  Höhe  dieses  Steges  schon  zu  er- 
sehen: also  darf  man  dabei  nicht  vergessen,  von  desselben  Hintertheile 
oben,  schief  unterwärts,  etwas  abzunehmen,  weil  daselbst  der  Treiber 
muss  niederfallen  können.  Uebrigens  muss  dieser  Steg  auch  schmal 
sein,  damit  die  Taste  den  Treiber  ganz  nahe  an  seiner  Einanglung  in 
Beweguno;  bringen  könne,  welcher  Umstand  den  Trieb  sehr  verstärket. 

G  ist  eine  kleine  Leiste,  welche  nebst  der  Taste  den  Treiber  auf- 
und  niederwärts  regieret.  Weil  sie  unter  dem  starken  Stege  K  stehet, 
80  hat  man  in  derselben  Mitten  keine  Auf beugung  zu  befürchten. 

H  ist  der  Hammer  von  sehr  leichtem  Holze  und  nicht  dicker  als 
ein  Clavicymbel-Tangent.  Er  bekommt  jedoch  am  abwärts  hängenden 
Ende  einen  Aufsatz  zum  Anschlagen  oben  von  Elends-  oder  Hirschleder. 
Dieser  schief  hängende  Hintertheil  des  Hammers  schlägt  (vermittelst  des 
Springers  bei  L)  so  an  die  Saiten,  dass  er  gleich  wieder  um  etwas  zu- 
rücktritt ,  obgleich  die  Taste  noch  niedergedrückt  bleibet.  Hätte  ich 
diesen  Hauptumstand  bei  der  Erfindung  nicht  erlanget,  so  würde  mein 
Vorhaben  vergeblich  gewesen  sein,  und  statt  einer  deutlichen  Ertönung 
nur  ein  unleidliches  Knarren  und  Schwirren  entstanden  sein. 

Anmerkung.  Uebrigens  ist  leicht  zu  erachten,  wie  nothwendig 
jedes  Saitenchor  einen  Dämpfer  zur  Tilgung  des  Zwischengeräusches 
habe,  welchen  ich  auch  bei  dem  kurzen  Vordertheile  des  Hammers 
glücklich  angebracht,  indem  ich  selbigen  oben,  wo  er  ausser  dem  Spie- 
len dicht  an  den  Saiten  lieget,  mit  Sammet  oder  Plüsch  beleget. 

I  ist  ein  hoher  schmaler  Steg,  oben  rund,  mit  einer  Reihe  Stifte  zur 
Einhangung  der  Hämmer.  Dieser  Steg  steht  etwas  entfernt  von  der  Wir- 
belpfoste.  Ueber  der  niedrigen  Hälfte  der  hier  hoch  stehenden  Dämpfer 
lieget  ein  zartes  Leistchen,  welches  (zwar  nicht  auf  dem  Abrisse  zu  er- 
sehen, jedoch)  an  beiden  Enden,  wie  auch  in  der  Mitte  drei  bis  viermal 


94 

mit  Schräubchen  und  Mütterchen  befestigt  werden  muss,  widrigenfalls 
könnten  die  Hämmer  keinen  gewissen  Stand  halten.  Dass  übrigens  un- 
ter diesem  Stege  die  bei  E  beschriebenen  Treiber  im  Spielen  ihre  Grenze 
finden,  darf  nicht  vergessen  werden. 

K  ist  ein  starker,  viereckiger  Steg,  auf  welchem  die  schief  hängenden 
Untertheile  der  Hämmer  ausser  dem  Spielen  ruhen  können.  Er  bekommt 
übrigens  eine  Reihe  gleich  abgetheilter  starker  Stifte,  deren  Länge  sich 
fast  bis  an  die  Saiten  erstrecket,  weil  nämlich  die  Hämmer  im  Spielen 
ihren  gewissen  Gang  zwischen  ihnen  haben  müssen. 

Anmerkung:  So  bekannt  mir  ist,  dass  etliche  meiner  Nacherfinder, 
anstatt  der  jetzt  bei  I  und  K  beschriebenen  Stege  mancherlei  vermeint- 
liche Verbesserungen  vermittelst  zierlicher  Kammhölzer  unternommen: 
ebenso  bekannt  ist  an  unterschiedenen  Orten,  dass  durch  solche  verkün- 
stelte Veränderungen,  bei  abwechselnder  Witterung,  die  Hämmer  ent- 
weder oben  in  dem  Kammholze  stocken,  oder  unten  wegen  des  verfehl- 
ten Gewichts  sich  krümmen.  Wer  bemerket  hier  nicht  den  doppelten 
Beweis  von  mangelnder  Ueberlegungskraft?  Das  heisset  nach  meinem 
ehemaligen  Ausdrucke:  Witz  ohne  Nachdenken  ist  halber  Un- 
verstand. 

L  ist  der  Springer  zwischen  I  und  K,  unterschiedshalber  mit  lauter 
Punkten  angedeutet.  Er  ist  ebenfalls  wie  sein  Treiber  bei  E  von.  leich- 
tem Holze  und  nicht  dicker  als  ein  Clavicymbel-Tangent.  Dieser  Springer 
ruhet  auf  des  Treibers  langem  Vordertheil  und  findet  seine  Rechthal- 
tung zwischen  zwei  Reihen  kurzer  dünner  Stiftchen,  welche  in  dem  star- 
ken viereckigen  Stege  K  stehen  und  herüber  bis  an  den  Steg  I  hervor- 
ragen. 

Erste  Anmerkung:  Hätten  meine  Nacherfinder  von  der  bisher  er- 
wähnten  dreifachen  Leichtigkeit  des  Treibers  bei  E,  des  Hammers 
bei  H  und  des  Springers  bei  L  zulängliche  Einsicht  oder  Nachricht  ge- 
habt, so  würden  sie  nicht  schweres  Holz  aus  der  Walkmühle  zu  ihren 
Nachahmungen  genommen  haben. 

Zweite  Anmerkung:  Nicht  nur  aus  herzlichem  Mitleiden  für 
meine  vielen  verunglückten  Nacherfinder,  sondern  auch  der  Nachwelt  zum 
Besten  entdecke  ich  folgenden  mechanischen  Vortheil:  Wofern  die 
Hintertheile  der  Tasten  schon  so  schwer  sind,  dass  sie  ohne 
Treiber  und  Springer  auf  dem  Hinterstege  C  gerade  und  sehr 


95 

festliegen,  so  ist  der  wahre  Zweck  durcligehends  verfehlt. 
Folglich  niuss  ein  richtiges  Gewicht  hierbei  beobachtet  werden,  widrigen- 
falls kann  ein  solches  Instrument  unmöglich  so  leicht  als  ein  Clavichord 
zu  spielen  sein. 

§.  12.  Die  vorher  von  A  bisL  beschriebenen  Thcilc  werden  sämmtlich 
auf  den  Ciavierrahmen  gebaut,  welcher  folglich  so  einzurichten  ist,  dass  er 
als  eine  vieltheilige  Maschine  bei  allen  Vorfällen  unter  der  Wirbelpfoste 
bequem  könne  ein-  und  ausgeschobeo  werden,  wovon  weiter  unten  ein 
Mehreres.  Ferner  müssen  alle  Gegenden,  in  welchen  ein  Aufstoss  oder 
Niederfall  geschieht,  mit  wollreichem  Tuche  belegt  werden,  um  das 
verdriessliche  Klappern  zu  vermeiden.  Wie  icii  übrigens  nicht  leugne, 
dass  hier  unterschiedene  Tonveränderungen,  z.  E.  der  Lauten-  oder  Har- 
fenzug u.  dgl.  sich  anbringen  lassen :  also  gestehe  ich  auch,  dass  ich  kein 
grosser  Freund  von  solchen  Nebenzügen  bin,  indem  selbige  selten  von 
langer  Dauer  sind. 

§.  13.  Noch  fünferlei  Dinge  befinden  sich  auf  dem  vorhabenden 
ersten  Abrisse,  welche  erklärt  werden  müssen. 

M  ist  die  starke  Wirbelpfoste. 

N  ist  der  Saitengang. 

O  ist  ein  schmaler  Steg  mit  zarten  Stiftchen  zur  richtigen  Lenkung 
der  Saiten.  Dass  dieser  Steg  mit  Draht  müsse  belegt  werden,  erhellet 
aus  der  Folge. 

P  ist  ein  starker  eiserner  Steg,  unten  rund  und  überall  glatt,  unter 
welchem  die  Saiten,  fest  anliegend,  ihren  Gang  über  O  bis  zu  den 
Wirbeln  haben.  Dieses  Widerstands  eisen  ist  höchst  nothwendig; 
denn  ohne  solches  würden  die  Hämmer  nur  einen  matten  Klan«; 
verursachen,  sonderlich  an  den  hohen  und  mittleren  Chören,  wie  man 
durch  angestellte  Versuche  sich  selbst  überzeugen  kann.  (Wollte  man 
statt  solches  Eisens  etwa  Holz  nehmen,  so  würde  selbiges  in  der  Mitte 
sich  bald  biegen,  und  endlich  gar  zerbersten,  folglich  alle  Arbeit  ver- 
geblich sein.)  Zur  Befestigung  dieses  Eisens  wird  ausserhalb  des  Instru- 
ments in  angewiesener  Gegend  an  jeglichem  Seitenbrete  ein  aufwärts 
stehendes  Eisen  mit  Schrauben  angebracht,  welches  zugleich  ein  paar 
Zoll  breit  unter  dem  Grundboden  umgeleget  und  ebenfalls  einge- 
schraubet  ist,  wodurch  das  Ausreissen  der  Seitenbreter  zugleich  verhin- 
dert wird.     Diese  beiden  aufwärts  stehenden  Eisen   haben  oben  starke 


96 

Schrauben,  in  welche  man  das  lange  Widerstandseisen  leget  und  mit 
starken  Mütterchen  verwahret, 

Anmerkung:  Dass  dieses  Widerstandseisen  an  der  Basssaite  nicht 
über  das  Ende  der  Wirbelpfoste,  sondern,  wie  der  schmale  Lenkungssteg 
bei  O,  fast  über  die  Mitte  der  Pfoste  zu  stehen  komme,  kann  jeder  Me- 
chanicus  ohne  weitere  Erklärung  von  selbst  leicht  erachten. 

Q--Q  durch  die  kleinen  Querstriche  verstehe  ich  die  vier  Unter- 
schubleisten, wodurch  der  unter  der  Wirbelpfoste  eingeschobene  Rahmen 
als  eine  vieltheilige  Maschine  auf  beiden  Seiten  so  hoch  gestellt  werden 
muss,  dass  die  an  den  Hämmern  angebrachten  Dämpfer  genau  an  den 
Saiten  liegen.  AVenn  man  nämlich  unter  jedes  Seitenstück  des  Rahmens 
nach  und  nach  zwei  solcher  Leisten  steckt,  so  kann  das  bisweilen  nöthige 
Aus-  und  Einschieben  am  leichtesten  bewerkstelliget  werden.  (Es  wird 
auch  nicht  schädlich  sein,  mitten  unter  den  Rahmen  eine  solche  Leiste 
zu  schieben,  damit  bei  starkem  Spielen  der  Tasten  der  vordere  Ruhesteg 
sich  nicht  niederbiegen  könne.)  Wer  nun  den  bisher  erklärten  ersten 
Abriss  im  Grossen  ausarbeiten  will,  dem  gebe  ich  den  wohlmeinenden 
Rath,  sich  vorher  ein  Modell  zu  verfertigen,  auf  welchem  nicht  nur  der 
Rahmen  wenigstens  mit  drei  Tasten,  sondern  auch  alle  vorher  beschrie- 
benen Theile  nach  ihrer  wahren  Grösse  sich  befinden;  widrigenfalls  hat 
er  zu  befürchten,  dass  ihm  bald  dieses,  bald  jenes  Theilchen  nicht  gera- 
then  werde.  Wegen  der  Stärke  und  Anzahl  der  Saiten  gebe  ich  folgende 
unmassgebliche  Eintheilung,  welche  ehemals  bei  Verfertigung  solcher 
lang  mensurirten  Ciavierinstrumente  unter  meiner  Aufsicht  gebraucht 
worden,  wobei  jedoch  bisweilen  etliche  kleine  Abänderungen  erfolgen. 

Messingene  Saiten. 
No.  000     000     zu  ,1^'und  ,Fis 
No.    00  0  00     zu  ,G  und  ,Gis 


No. 

00       00 

zu  ,A,  ,B,  ,H 

No. 

000 

zu  C,  Cis,  B,  Bis 

No. 

00 

zu  E,  F,  Fis,  G 

Stählerne  Saiten. 
No.  0     zu  Gis    bis  c 
No.  1     zu  cis      bis  f 
No.  2     zu  fis       bis  h 


97 

No.  3  zu  e'  bis  g' 

No.  4  zu  gis'  bis  <??V 

No.  5  zu  e"  bis  A" 

No.  6  zu  c'"  bis  </' 

Vom  Contra  F  bis  c«5  zwei  Saiten  | 

vom  ä  bis  J'  drei  Saiten  >  auf  ein  Chor. 

vom  k  bis  g"^  vier  Saiten  I 

Wem  diese  Eintheilung  der  Chöre  zu  stark  scheinet,  der  nehme 
vom  Contra  F  bis  h  zwei  Saiten 


,  ,  .      >..-,.  c.  •  I  auf  ein  Chor, 

vom  ff  bis  g'"  drei  Saiten 

Wollte  man  ein  solches  Instrument  durchgehends  zwei-,  drei-  oder 
vierchörig  einrichten,  so  würden  die  etwas  entfernten  Zuhörer  zwar  die 
tieferen  aber  nicht  die  hohen  Töne  deutlich  vernehmen  können.  Diese 
Anmerkung  gründet  sich  nicht  nur  insbesondere  auf  meine  vieljährige 
Erfahrung,  sondern  überhaupt  auf  die  Physik. 

§.  16.  Sehr  bedenklich  ist  mir  gewesen,  dass  keiner  meiner  Nach- 
erfinder das  im  §.  13  bei  Litei-a  P  beschriebene  Widerstandseisen 
nachgemacht.  Vielleicht  hat  Signor  Bartolomeo  Gristofali  zu  Florenz 
oder  ein  anderer  sinnreicher  Mann  zu  Dresden  durch  solche  Abän- 
derung die  Welt  überreden  wollen,  dass  niemals  einer  Namens  Schröter 
mit  Erfindung  eines  solchen  Ciavierinstruments  sich  beschäftiget.  Weil 
ich  es  wohl  weiss,  dass  wenig  Instrumenteabauer  von  solcher  unnöthigen 
Abänderung  zulängliche  Nachricht  haben:  so  will  ich  solche  hier  deutli- 
cher beschreiben,  als  von  dem  ehemaligen  Dresdenschen  Hofpoeten, 
Herrn  König  in  MaWieson^s  musikalischen  Kritik,  II.  Band  Seite  340, 
geschehen  können.  Man  hat  nämlich  die  Wirbellöcher  auf  der  Pfoste 
von  oben  durch  gebohrt  und  zwar  oben  etwas  weiter  als  unten.  Des 
Wirbels  Untertheil  raget  unter  der  Pfoste  etwas  hervor,  und  hat  ein 
kleines  rundes  Loch,  durch  welches  das  Ende  der  Saite  mit  einer  Hand 
gesteckt  und  gehalten  wird.  Hierauf  wird  mit  der  andern  Hand  des 
Wirbels  Obertheil,  welcher  über  der  Pfoste  ebenfalls  etwas  hervorraget, 
mit  dem  Stimmhammer  so  lange  behutsam  umgedrehet,  bis  die  Saite 
ziemlich  gerade  steht,  jedoch  noch  nicht  straff  ist.  Endlich  legt  man  die 
Saite  an  ihren  ßichtungsstift  unter  dem  Lenkungsstege,  welcher  unter 


98 

der  Pfoste  hinter  den  Wirbeln  etwas  entfernt  stehet  und  besorget 
zuletzt  nach  und  nach  die  reine  Stimmung.  Soll  ich  von  dieser  unnöthi- 
gen  Abänderung,  welch.;  allerliebst  aussiebet,  meine  ungeheuchelte  Mei- 
nung sagen,  so  lässt  sich  zwar  nicht  leugnen,  dass  durch  solchen  Gegen- 
schlag der  Hämmer  an  die  Saiten  die  gesuchte  stärkere  Ertönung  eben- 
falls wie  durch  mein  Widerstandseisen  entstehe.  Wenn  man  aber 
dagegen  betrachtet,  wie  verdriesslich  das  lange  Bücken  beim  Aufziehen 
einer  einzigen  Saite  schon  sei,  wobei  auch  der  geschmeidigste  Rücken 
ziemlich  Schmerzen  empfindet;  zu  geschweigen,  dass  die  ganze  Maschine 
wegen  einer  fehlenden  Saite  jedesmal  aus-  und  eingehoben  werden  muss 
anderer  üngemächlichkeiten  nicht  zu  gedenken:  so  muss  man  meinem 
vorher  beschriebenen  eisernen  Widerstandsstege  allerdings  den 
Vorzug  geben,  indem  durch  selbigen  nicht  nur  die  Ertönung  doppelt  ver- 
stärket wird,  sondern  auch  die  Saiten,  wie  auf  den  sonst  gewöhnlichen 
Clavicymbeln,  ganz  bequem  ohne  Aus-  und  Einheben  der  Maschine  und 
ohne  Rückenschmerzen  aufgezogen  werden  können.  Auch  dieser  Vor- 
fall beweiset  vollständig,  dass  ich,  als  Erfinder  des  hier  umständlich  be- 
schriebenen Ciavierinstruments  den  von  dem  allweisen  Gott  mir  zum 
Vorhaben  gütigst  geschenkten  Witz  und  die  Urtheilskraft  zu  den  man- 
cherlei entstehenden  Folgen  mensch-möglich  angewendet  habe.  Man  er- 
innere sich  hierbei  zugleich  der  am  Ende  des  §.11  beigefügten  zwo  An- 
merkungen wegen  der  sonderbaren  Leichtigkeit  der  Tastatur,  oder  des 
ganzen  GrifFwerkes.  Es  müssen  also  meine  Nacherfinder  sämmtlich  sich 
schämen,  dass  sie  die  von  mir  richtig  bestimmten  mancherlei  Hauptab- 
ßichten  fast  durchgehends  verfehlt  haben.  Zugleich  müssen  derselben 
Unterhändler  als  getreue  Nachbarn  und  desgleichen  sich  schämen,  dass 
sie  für  ihre  leichte  und  ehrvergessene  Bemühung  sich  jedesmal  ein  bund- 
freies Clavichord  von  fünf  Octaven,  ohne  Wissen  des  Bezahlers,  um- 
sonst zum  beliebigen  Gebrauch  oder  Verkauf  ausbedungen  und  ange- 
nommen. Der  dafür  gebührende  Segen  von  Gott  erfolget  ganz  gewiss, 
welchen  ich  ihnen  weder  wünsche  noch  gönne. 

§.  17.  Wie  ich  bisher  mein  1717  erfundenes  Pianoforte  umständ- 
lich beschrieben,  also  sollte  nun  das  oben  erwähnte  Modell  zum  Panta- 
lon  ebenfalls  gezeigt  und  erklärt  werden.  Ich  muss  aber  hierbei  auf- 
richtig gestehen,  dass  solche  Erfindung  aus  zweierlei  Ursachen  mir  selbst 
niemals  recht  gefallen:  1)  wegen  der  gewundenen  messingenen  Federn, 


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99 


welche  nach  starkem  Spielen  leicht  schlapp  werden,  folglich  ausgehoben 
und  wieder  angestrengt  werden  müssen;  2)  wegen  des  unbequemen  Auf- 
ziehens und  Stimmens  der  Saiten,  wobei  nämlich  die  ganze  Maschine 
jedesmal  ausgehoben  werden  muss.  Ich  will  also  mit  solcher  unvollkom- 
menen Erfindung  meinen  Lesern  nicht  beschwerlich  sein,  sondern  nur 
im  Vorbeigehen  zweierlei  erwähnen:  1)  dass  die  Nacherfinder  einen 
Hauptfehler  begangen,  indem  sie  die  Dämpfer  dabei  vergessen,  wodurch 
also  bei  Spielung  der  Handsachen  ein  höchst  verdriessliches  Geräusch 
entsteht;  2)  hat  kein  einziger  Nacherfinder  das  rechte  Fleckchen  zur 
Stellung  der  Federn  unter  den  Hämmern  getroffen,  wodurch  sie  also 
öffentlich  bezeuget,  dass  sie  weder  Zirkel  noch  Gewicht  verstehen.  Ehre 


genug  für  mich! 

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§.  18.  Ich  ergreife  nun  den  versprochenen  zweiten  Abriss,  dessen 
Veranlassung  ich  vorher  erzählen  muss.  Ein  auswärtiger  hoher  Gönner 
und  Kenner  der  Musik,  welcher  sich  1737  ein  Ciavierinstrument  (nach 
dem  ersten  Abriss  §.  11  bis  15)  finter  meiner  Aufsicht  hatte  verfertigen 
lassen,  bekam  1739  des  Herrn  Capellmeisters  Telemann's  Beschreibung 
der  in  Paris  vom  Pater  Gastet  erfundenen  Augenorgel  von  mir  zum 
Durchlesen.  Er  fragte  mich  hierauf,  ob  solche  Augenbelustigung  auch 
bei  dem  Pianoforte  anzubringen  sei?    Zur  schuldigsten  Antwort  bat  ich 

mir  etliche  Tage  Bedenkzeit  aus^  worauf  ich  den  hieher  gehörigen    Ab- 

7* 


100 

riss  vorzeigte,  welcher  auch  ohne  Schaden  der  Hauptumstände  glückHch 
beigefüget  wurde.  Da  mein  Vorhaben  nicht  veretattet  umständlich  zu 
melden,  dass  und  wie  ich  die  vorgedachte  Augenbelustigung  so  gar  im 
gewöhnlichen  Clavicymbel  auf  wiederholtes  Verlangen  schon  dreimal 
glücklich  angebracht,  so  schreite  ich  nun  zur 

Erklärung  des  zweiten  Abrisses: 

A — A  ist  die  Tastatur. 

B  ist  der  auf  jeder  Taste  hinten  befestigte  Aufsatz,  nur  von  wei- 
chem Holze. 

C  und  D  sind  die  beiden  Stege  zur  Lage  der  Tasten. 

E — E  ist  der  Treiber  von  leichtem  Holze  und  nicht  dicker  als  ein 
Clavicymbel-Tangent.  Sein  langer  Hinterthell  ruhet  auf  dem  bei  B  ge- 
nannten Aufsatze ;  hingegen  dessen  kurzer  Vordertheil  lieget  ausser  dem 
Spielen  genau  unter  der  Wirbelpfoste  an,  dass  er  im  Spielen  sich  nie- 
derwärts beweget,  mithin  den  über  dem  langen  Vordertheile  schwebenden 
Springer  oder  Hammer  schnell  an  die  Saiten  treibet,  welcher  Springer 
jedoch  sich  sogleich  von  den  Saiten  entfernet,  obgleich  die  Taste  noch 
niedergedrückt  bleibet. 

F  ist  ein  zur  Einangelung  des  Treibers  langer  starker  Stift,  welcher 
auf  der  Taste  gerade  vor  dem  Aufsatze  also  stehet,  dass  er  im  Spielen 
die  Wirbelpfoste  nicht  berührt.  Anbei  ist  leicht  zu  erachten,  dass  zur 
Gleichhaltung  der  Tasten  und  Treiber  starke  Stifte  auf  dem  bei  D  an- 
gezeigten Stege  stehen  müssen,  deren  Länge  sich  bis  an  den  Hintertheil 
des  bei  G — G  vorkommenden  Kammholzes  erstreckt. 

G — G  ist  das  Kammholz  zur  Gleichhaltung  der  Springer.  Solches 
kann  auf  unterschiedene  Art,  am  leichtesten  aber  so  verfertiget  werden, 
dass  auf  der  innern  Seite  des  Vordersteges  zwei  gleich  abgetheilte  Reihen 
kurzer  dünner  Stiftchen  stehen,  welche  bis  an  den  Hintersteg  sich  er- 
strecken, zwischen  welchen  also  die  Springer  ihren  bequemen  Gang  haben. 

§.  19.  Wegen  der  Befestigung  des  jetzt  beschriebenen  Kammholzes 
G — G  ergehet  mein  ohnmassgeblicher  Rath,  dass  man  solches  in  ange- 
wiesener Gegend  auf  dem  grossen  Stege  bei  D  mit  Schräubchen  und 
Mütterchen  so  anbringe,  dass  solches  benöthigtenfalls  könne  ausgehoben 
werden,  und  doch  auch  nebst  dem  ganzen  Rahmen  bei  allen  Vorfällen 
bequem  aus-  und  eingeschoben  werden  könne.     Zugleich  muss  man  bei 


101 

Einrichtung  der  ganzen  Maschine  die  schon  angezeigten  zwei  Hauptum- 
stände nicht  vergessen;  1)  dass  die  unten  bei  M — M  folgenden  Unter- 
schubsleisten so  eingerichtet  werden  müssen,  damit  die  kurzen  Vorder- 
theile  der  Treiber  bei  E — E  genau  unter  der  Wirbelpfoste  zumbehendaß 
Niederdrücke  bereit  liegen.  2)  dass  die  starken  und  langen  Stifte  vom 
Hintertheile  D  bis  unter  den  Hintertheil  G  völlig  reichen. 

§.  20.  H — H — H  ist  der  Springer  oder  Hammer  nach  seinem  Un- 
ter-, Mittel-  und  Obertheil,  von  leichtem  Holze  und  nicht  dicker  als  ein 
Clavicymbel-Tangent,  welcher  auf  dem  Abrisse  unterschiedshalber  mit 
lauter  Pünktchen  angedeutet  ist.  Er  wird  in  das  Kammholz  bei  G — G 
von  oben  so  eingehangen,  dass  sein  viei*eckiger  Ausschnitt  zur  linken 
Hand  kommt,  übrigens  aber  unten  auf  dem  Treiber  E — E  nicht  feststeht, 
sondern  nur  über  demselben  schwebet. 

Hierbei  ist  noch  sechserlei  zu  bemerken: 

1)  Der  die  Saiten  berührende  untere  Ausschnitt  wird  mit  Elends 
oder  Hirschleder  beleoet. 

2)  Der  auf  den  Saiten  liegende  obere  Ausschnitt  wird  zur  Däm- 
pfung des  verdriesslichen  Zwischenklingens  mit  Saramet  oder  Plüsch 
belegt. 

3)  Ferner  werden  die  auf  den  Saiten  liegenden  Obertheile,  welche 
schon  ausser  dem  Spielen  bis  an  die  Decke  des  Instruments  reichen 
müssen,  über  und  über  mit  weissem  zarten  Pergament  belegt,  auf 
welches  die  mancherlei  Farben  getragen  werden,  zu  welcher  Arbeit 
aber  kein  Gurken-  oder  Groteskenmaler  zu  erwählen  ist. 

4)  Diese  bemalten  Obertheile  der  Springet  stehen  ausser  dem  Spie- 
len in  einem  über  den  Saiten  liegenden  durchbrochenen  Stege  ganz 
verborgen  und  werden  im  Spielen  aufwärts  getrieben,  folglich  sicht- 
bar gemacht,  welcher  Hauptumstand  diesen  zweiten  Abriss  veranlasset, 

5)  Um  den  Abriss  nicht  undeutlich  zu  machen,  ist  der  durchbro- 
chene Steg  nur  mit  Worten  angedeutet  worden.  Er  bestehet  eigentlich 
aus  zwei  gleichen  Theilen,  welche  zusammen  und  von  einander  geschraubt 
werden  können.  Auf  der  inneren  Seite  eines  Theiis  stehen  zwei  Reihen 
zarter  Stiftchen,  welche  bis  an  den  anderen  Theil  herüber  reichen,  zwi- 
schen welchen  also  die  bemalten  Obertheile  der  Springer  wegen  ihrer 
Länge  sich  nicht  verschlagen  können. 

6)  Bei  Aufziehung  einer  neuen  Saite  halte  ich  für  rathsam,  dass 


102 

man  nicht  nur  den  durchbrochenen  Steg',  sondern  auch  den  einzel- 
nen Springer  behutsam  herausziehe,  wenn  nämlich  die  zur  rechten 
Hand  benachbarten  Saiten,  zumal  in  kurzen  Chören,  vorher  ein  wenig 
zurückgewirbelt  worden;  widrigenfalls  könnte  des  Springers  bemal- 
ter  Theil  leicht  verletzt  werden.  Uebrigens  kann  die  Maschine  bei  Auf- 
ziehung und  Stimmung  der  Saiten  allezeit  unverrückt  stehen  bleiben. 

Endlich  folget  noch  auf  dem  Abrisse  bei 

I  die  Wirbelpfoste. 

K  ist  der  schmale  Steg  zur  Lenkung  der  Saiten. 

L  ist  das  über  den  Saiten  liegende  Widerstandseisen,  welches 
ebenfalls  so  eingerichtet  wird,  wie  im  vorigen  Abrisse  beschrieben 
worden. 

M — M  sind  die  Unterschubsstege.  Was  übrigens  bei  Erklärung  des 
ersten  Abrisses  im  §.  13,  14  und  15  wegen  dieser  und  anderer  Dinge 
umständlich  gemeldet  worden,  muss  auch  hier  genau  beobachtet  werden. 

§.  21.  Wie  ich  meinem  obigen  Versprechen  zufolge  in  dieser  Ab- 
handlung umständlich  erwiesen,  dass  ich  seit  1717  der  Erste  gewesen, 
welcher  statt  der  in  Clavicymbeln  gebräuchlichen  Tangenten  mit  bald 
abzunutzenden  Federn,  die  dauerhaften  Hämmer  oder  Springer,  nebst 
dazu  gehörigen  Dämpfern,  zur  Beförderung  des  manierlichen  und  leich- 
ten Spielens  glücklich  angebracht,  also  kann  ich  anbei  nicht  umhin,  einen 
Vorwurf  abzulehnen ,  welcher  mir  mehr  als  einmal  fast  spöttisch  über- 
schrieben worden,  folgenden  Inhalts:  „Die  bei  starker  Musik  so  lange 
Jahre  üblich  gewesenen  Clavicymbel  werden  dennoch  beliebt  bleiben, 
wenn  auch  Schröter  odqf  andere  Neulinge  solche  aus  dem  Orchester 
zu  verbannen  gesucht".  Mir  wenigstens  ist  solche  Verbannung  niemals 
in  die  Gedanken  gekommen,  als  der  ich  die  Absicht  und  Güte  eines 
tüchtigen  Clavicymbels  richtig  zu  beurtheilen  weiss.  Dagegen  aber  muss 
man  mir  und  andern  wahren  Clavieristen  auch  erlauben  zu  behaupten, 
dass  es  sogar  auf  dem  besten  Clavicymbel  unmöglich  sei,  das  geringste 
Stück  so  manierlich  heraus  zu  bringen,  als  es  seine  Eigenschaft  erfor- 
dert. Anbei  erinnere  ich  mich  der  1753  unverhofften  Gnade,  vor  Ihro 
Hochfürstlich  Durchlaucht  zu  Schwarzburg-Rudolstadt,  bei  Dero  dama- 
ligem Aufenthalte  in  Fran  kenhausen,  auf  einem  Pianoforte  mit 
Beifall  ohne  Ruhm  zu  melden,  mich  etliche  mal  hören  zu  lassen.  Als 
Ihro  Hochfürstl.  Durchl.  beiläufig  erwähnten,  dass  solches  Instrument  von 


103 

einem  sinnreichen  Mann  zu  Dresden  erfunden  und  verfertigt  sei,  so  ge- 
stand ich,  dass  der  Klang  und  überhaupt  die  ganze  Arbeit  unverbesser- 
lich  sei.     Zugleich   aber   zeigte   ich  als  wahrer    Erfinder,  dass   die 
Tastatur  noch  ziemlich  zach  oder  schwer  zu  spielen  sei;  hingegen  sie 
nach  meiner  Art  so  leicht  als  auf  einem  Clavichord  eingerichtet  werden 
könne,  welche  gegründete  Anmerkung  höchst  gnädig  aufgenommen  wurde. 
Seil  etlichen  Jahren  hat  ein  in  Rudolstadt  wohnender  Mechanikus,  Herr 
Lender,  zwei  solche  grosse  Instrumente  hierher    geliefert,    deren    nette 
Arbeit  und  feiner  Klang  Jedermanns  Beifall  erhalten.     Ich  habe  dabei 
Gelegenheit  gehabt,  diesem  sehr  geschickten  Manne   zu  sagen,  dass  die 
Tastatur  nicht  so  leicht  eingerichtet  wäre,  als  sie    nach  meiner  Art  billig 
sein  sollte,  worauf  der  liebe  Mann  erwiederte,  dass  solche  Arbeit  nicht 
von  ihm  erfunden,  sondern  nur  eine  Nachahmung  desjenigen  Instrumentes 
sei,  welches  der   gnädigste  Fürst  von  Rudolstadt    vor    geraumen  Jahren 
von  Dresden  sich  verschreiben  lassen.     Mit  solcher  ehrlichen  Antwort 
war  ich  vollkommen  zufrieden  und  dachte:     Solchen   Glauben  habe  ich 
bei  andern  noch  niemals  gefunden.     Man  erkennt  zugleich  aus  diesen 
beiden  Umständen,   was  für  kurzweihge  Histörchen  auf  die  mancherlei 
Nacherfindungen    einer    einzigen    wahren   Erfindung   erfolgen.      Jedoch 
vielleicht  gehen  solche  nun  bald  zu  Ende,  wenn  nämlich  die  Herrn  In- 
strumentenbauer nach  und  nach  von  dieser  Abhandlung  auch  Nachricht 
und  zugleich  die  Versicherung  erhalten,  dass  vorher  erklärter  zweiter 
Abriss  nicht  nur  mir,  sondern  auch  andern  einsichtsvollen  Kennern  aus 
vielen  Ursachen  besser  als  der  erste  gefällt.     Denn  gesetzt  auch,    dass 
die  von  mir  beigefügte  französische  Augenbelustigung  nicht  von 
jedermann    beliebet  würde,  so    kann  doch  jedermann  leicht  bemerken, 
dass   ich    durch    die    dort    abgekürzte  Einrichtung  das   1717  erfundene 
leichte  Spielen  auf  grossen  Ciavierinstrumenten  1739  noch  mehr  beför- 
dert habe. 

§.  22.  Vielleicht  hegt  mancher  Leser  hierbei  folgende  Gedanken: 
„Da  nachher  der  berühmte  Mechanikus  Herr  Hohlfeld  in  Berlin,  den 
Bogenflügel  erfunden,  so  wird  Schröters  Hammerflügel  wohl  nach 
und°  nach  aus  der  Mode  kommen".  Hierauf  antworte  ich:  Es  wird  mir 
ein  grosses  Vergnügen  erwecken,  wofern  bei  allen  musikalischen  Vor- 
fällen ein  Bogenflügel  anzutreffen,  wie  solchen  der  um  die  Beförderung 
der  Musik  unermüdete  Herr  Marpurg   (in  seinen  historisch  -  kritischen 


104 

Beiträgen,  Band  I  Seite  169  bis  172)  nach  seinen  Hauptumständen  ohne 
Abriss  beschrieben.  Ueberdies  bezeuget  diese  Abhandlung  durchgehends, 
dass  solche  keinesweges  zum  Nachtheil  des  Hohlfeldschen  Bogenflügels, 
sondern  nur  einestheils  zur  wohlverdienten  Beschämung  meiner  vielen 
Nacherfinder  ausgegeben  worden.  Anbei  Aveiss  Jedermann,  dass  ich  bei 
meiner  Erfindung  mich  nicht  weiter  anheischig  gemacht,  als  dass  auf 
grossen  Ciavierinstrumenten  das  Piano  und  Forte  in  unterschiedeaen 
Graden  so  leicht  als  auf  einem  Clavichord  erfolgen  könne;  welches  Ver- 
sprechen ich  auch  vollkommen  geleistet.  Weiter  ist  auch  bekannt^  dass 
meine  Erfindung  nicht  nur  zur  manierlichen  Spielung  vorliegender  Hand- 
sachen und  zum  gemüthsbewegenden  Fantasiren,  sondern  auch  zum  Ac- 
compagnement  starker  Musiken  könne  gebraucht  werden.  Folglich  wer- 
den meine  Leser  mir  nicht  übel  deuten,  diesen  Aufsatz  mit  folgender 
wohlgemeinten  Anmerkung  zu  beschliessen:  Nach  bekannt  gewordener 
Hohlfeldschen  Erfindung  wurde  in  etlichen  Wochenblättern  gemeldet^ 
es  könne  das  dabei  befindliche  Rad  entweder  von  einem  dazu  bestellten 
Knaben,  oder  auch  von  dem  Spieler  selbst,  gar  leicht  umgetrieben  wer- 
den. Ob  aber  die  Umstände  in  jeder  Haushaltung  verstatten,  einen  sol- 
chen Hülfsknaben  jedesmal  sogleich  zu  haben,  ingleichen  ob  die  zweite 
Bemühung  jeglichem  Spieler  (ich  will  nicht  sagen:  jeder  Spielerin)  be- 
quem oder  anständig  sei,  wird  von  vielen  gezweifelt.  Nach  meinem  Be- 
o-rifFe  von  dieser  vortrefflichen  Erfindung  ist  es  möglich,  dass  solches 
Rad  lediglich  vermittelst  der  Tastatur,  ohne  Füsse  oder  Hülfsknaben, 
zur  beständigen  und  leichten  Bewegung  könne  gebracht  werden.  Sollte 
mein  unmassgeblicher  Vorschlag  künftig  ausgeführt  werden,  so  ist  das  Cla- 
vierinstrument  zur  menschmöglichen  Vollkommenheit  gebracht.  Gnug!" 
Wenn  also  manche  Historiker  zu  zweifeln  Grund  zu  haben 
trlaubten,  dass  Schröter  der  erste  Erfinder  der  Hammermechanik  sei,  so 
werden  sie  jetzt  nach  diesen  Zeugnissen  wohl  eine  andere  Meinung  an- 
nehmen. Viele  nahmen  an,  dass  der  Florentiner  CristofaU  mit  seiner 
Hammermechanik  mehr  Nutzen  gestiftet  habe,  als  Schröter;  zu  diesen 
gehört  auch  WeJcJcer,  der,  wie  bereits  erwähnt,  von  der  Schröter'schen 
Mechanik  ganz  falsche  Zeichnungen  giebt  und  dabei  behauptet,  dass 
derselben  die  Dämpfung  gefehlt  habe.  Wir  haben  das  Gegentheil  be- 
wiesen und  zugleich  dargethan,  dass  Herr  Welcker  ebenfalls  irrt,  wenn 
er  den  Instrumentenbauer   LenJcer  als  Erfinder  der  Dämpfung  bei  der 


105  ' 

Hammermechanik  figuriren  lässt.  De  la  Borde*),  welcher  irriger  Weise 
dem  Nacherfinder  Gottfried  Silhermann  in  Freiberg  die  Erfindung  der 
Hammermechanik  zuschreibt,  giebt  uns  doch  wenigstens  den  Beweis, 
dass  man  Sachsen  im  I8ten  Jahrhundert  als  die  Quelle  jener  Erfindung 
betrachtete,  von  wo  aus  sie  nach  London  elndranoc  und  hier  auch  zur 
Befriedigung  des  Pariser  Bedürfnisses  cultivirt  wurde.  Cristofali  blieb 
ziefnlich  vereinzelt,  obgleich  seine  Hammermechanik  eine  offenbare  Nach- 
erfindung der  Schroter'schen  ist. 

Die  genauere  Beschreibung  der  Cristofali'schen  Hammermechanik 
fehlt  in  allen  allgemeinen  Geschichten  der  Musik,  sowie  in  allen  spe- 
cielleren  Abhandlungen  über  das  Ciavier,  und  Welcher  gesteht  selbst  zu, 
dass  ihm  Mattheson s  Critica  musica  nicht  zugänglich  gewesen  sei.  Es 
wird  daher  unseren  Lesern  gewiss  willkommen  sein,  wenn  wir  ihnen  „des 
Marchese  Scipio  Maffei  Beschreibung  eines  neuerfundenen  Claviceins 
auf  welchem  das  Piano  und  Forte  zu  haben,  nebst  einigen  Betrachtun- 
gen über  die  musikahschen  Instrumente,  aus  dem  Welschen  ins  Deutsche 
übersetzt  von  König",  im  Zusammenhange  mittheilen  und  dann  unsere 
Vergleiche  zwischen  Schröter  und  Cristofali  ziehen. 

„Wann  der  Werth  einer  Erfindung",  so  heisst  es  in  jener  Beschrei- 
bung, „nach  ihrer  Neuheit  und  Schwierigkeit  abzumessen  ist,  so  weicht 
diejenige,  von  welcher  wir  hier  Bericht  ertheilen,  keiner  einzigen,  die 
seit  langer  Zeit  vorgekommen  sein  mag.  Es  ist  jedem  Kenner  bewusst, 
dass  in  der  Musik  das  Schwache  und  Starke,  gleich  wie  Licht  und  Schat- 
ten in  der  Malerei,  die  vornehmste  Quelle  sei,  woraus  die  Kunsterfahre- 
nen das  Geheimniss  gezogen,  ihre  Zuhörer  ganz  besonders  zu  ergötze 
Es  sei  nun  in  einem  Vorder-  oder  Nachsatz,  oder  in  einem  künstlichen 
Zu-  oder  Abnehmen,  da  man  nach  und  nach  die  Stimme  vergehen  und 
hernacl  mit  starkem  Geräusch  dieselbe  auf  einmal  wiederkommen  lässt, 
welches  Kunststück  bei  den  grossen  Concerten  in  Rom  häufig  im  Ge- 
brauch ist  und  denjenigen,  die  einen  rechten'  Geschmack  von  der  Voll- 
kommenheit dieser  Kunst  besitzen,  ein  ganz  unglaubliches  und  wunder- 
sames Ergötzen  schenket.  —  Ungeachtet  nun  dieser  Veränderung  und 
Verschiedenheit  des  Tones,  worin  unter  anderen   die    Instrumente,  die 


*)  De  la  Borde  sagt:  Le  Clavecin  Piano-Forte  a  ete  invente,  il  a  envirou  vingt 
ans  a  Frejbeig  en  Saxe,  par  M.  Silbermann,  De  la  Saxe  l'invention  si  penetre  a  Lon- 
dres,  d'oü  nous  viennent  presque  tous  ceux  qui  se  vendent  k  Paris 


106 

man  mit  dem  Bogen  streicht,  vortrefflich  sind,  das  Clavecin  gänzlich  be- 
raubt ist  und  man  es  jedem  für  eine  eitle  Einbildung  auslegen  würde^ 
der  sich  ein  solches  zu  verfertigen  in  den  Kopf  setzte,  das  diese  beson- 
dere Gabe  haben  sollte:  so  ist  doch  in  Florenz  von  Herrn  Sartolomeo 
CristofaU,  einem  bei  dem  Gross-Herzog  in  Diensten  stehenden  Clavier- 
macher,  aus  Padua  gebürtig,  diese  so  kühne  Erfindung  nicht  weniger 
glücklich  ausgedacht,  als  mit  ßuhm  ins  Werk  gesetzt  worden.  Indem  er 
bereits  drei  von  der  ordentlichen  Grösse  der  sonst  gemeinen  Clavecins 
verfertigt,  welche  alle  vollkommen  wohl  gerathen. 

Einen  schwächeren  oder  stärkeren  Ton  auf  diesem  Instrumente  an- 
zugeben, liegt  bloss  an  dem  verschiedenen  Nachdruck,  womit  ein  Cla- 
vier-Spieler  die  Taste  berührt;  dann  nach  dem  Maasse  desselben  hört 
man  darauf  nicht  allein  die  Stärke  und  Schwäche,  sondern  auch  selbst 
1  das  Abnehmen  und  Verstärken  des  Klanges,  wie  Solches  auf  einem  Vio- 
loncello herausgebracht  werden  kann. 

Einige  Kunstverständige  gaben  zwar  Anfangs  dieser  Erfindung  nicht 
den  völligen  Beifall,  den  sie  verdiente;  eines  Theils,  weil  sie  nicht  gleich 
einsahen,  was  für  ein  sinnreicher  Verstand  dazu  erfordert  worden,  alle 
bei  Erbauung  dieses  Instrumentes  vorgekommenen  Schwierigkeiten  zu 
überwinden,  und  was  der  Meister  für  eine  erstaunliche  Kunstfertigkeit 
der  Hände  und  welche  Vorsicht  er  habe  anwenden  müssen,  es  so  sauber 
und  mit  solcher  Grundrichtigkeit  auszuarbeiten;  andern  Theils,  weil 
es  ihnen  vorgekommen  ist,  als  ob  der  Klang,  indem  er  von  dem  andern 
ganz  unterschieden,  gar  zu  matt  und  stumpf  wäre.  Allein  diese  Mei- 
nung rührte  nur  von  dem  uns  auf  andern  gemeinen  Clavicymbeln  ange- 
wöhnten Silberklange  her,  zumal,  wenn  man  dieses  Instrument  zum  ersten 
Male  unter  die  Hände  bekommt,  da  sich  doch  in  kurzer  Zeit  das  Ohr 
hernach  so  daran  gewöhnet  und  sich  in  dieses  Instrument  so  verliebt, 
dass  es  noch  angenehmer  klinge,  wenn  man  sich  ein  wenig  davon  entfernet. 

Es  haben  überdies  noch  einige  daran  ausgesetzt,  dass  es  zu  schwach 
klinge  und  keinen  so  starken  Klang,  als  die  andern  Clavicymbeln  habe; 
worauf  aber  fürs  erste  zu  antworten  ist,  dass  es  demungeachtet  weit 
stärker  ist,  als  sie  es  glauben,  wann  es  nämlich  mit  gehörigem  Nachdruck 
angegriffen  wird;  fürs  andere,  dass  man  eine  Sache  nach  ihrer  wahren 
Absicht  zu  nehmen  wisse  und  nach  keinem  anderen  Zweck  beurtheilen 
müsse,  als  nach  dem,  zu  welchem  Ende  es  verfertiget  worden. 


107 

Dieses  ist  ein  Kanimerinstrument  und  daher  zu  einer  starken  Kir- 
chen-Musik oder  einem  ganzen  Orchester  nicht  bequem.  Wie  viele  In- 
strumente giebt  es,  die  man  ja  auch  nicht  anders  als  nur  im  Zimmer  zu 
gebrauchen  pflegt  und  die  nichts  desto  weniger  für  die  allerangenehm- 
sten  gehalten  werden?  Gewiss  ist,  dass  es  mit  einem  Sänger  oder  mit 
einem  Instrument,  auch  wohl  bei  einem  massigen  Concerte  einzustimmen 
vollkommen  stark  genug  klinget,  obgleich  dieses  nicht  sein  Hauptzweck, 
sondern  vielmehr  allein  gespielt  zu  werden  ,  wie  etwa  eine  Laute,  Knie- 
Geige,  Viole  d'amour  und  andere  dergleichen,  wegen  ihrer  Süssigkeit 
und  Anmuth  hochgeschätzte  Saitenspiele. 

Aber  der  grösste  Einwurf,  den  dieses  Instrument  erlitten,  rührte 
meistentheils  nur  daher,  dass  es  nicht  durchgehends  ein  jeder  gleich  bei 
dem  ersten  Anblick  zu  spielen  gewusst,  weil  es  hier  nicht  genug  ist,  auf 
andern  Clavicymbeln  vollkommen  wohl  spielen  zu  können;  sondern,  weil 
dieses  ein  neues  Werk,  so  erfordert  es  auch  einen  Meister,  der  die  Stärke 
desselben  genau  geprüfet  und  zuvor  mit  besonderem  Fleisse  sich  darauf 
geübet  habe,  sowohl  um  das  Maass  des  verschiedenen  Anschlags  sich 
genau  bekannt  zu  machen  und  demselben  die  angenehme  Ab-  oder  Zu- 
nahme der  Stimme  zu  rechter  Zeit  und  an  dem  rechten  Orte  zu  geben; 
als  auch  liebliche  Stücke,  und  wo  sie  eigentlich  hingehören,  auszulesen; 
vornehmlich  aber  gebrochen  zu  sp'^len,  die  Partien  durch  verschiedene 
Gänge  wohl  auszuführen  und  die  Haupt- Sätze  an  mehr  als  einem  Orte 
hören  zu  lassen. 

Endlich  um  von  der  Bauart  dieses  Instrumentes  selbst  zu  sprechen 
so  würde  dem  Erfinder  desselben  nicht  schwer  fallen,  dem  Leser  von 
diesem  Kunststücke  einen  deutlichen  Begriff  zu  geben,  wann  er  anders 
solches  so  wohl  zu  beschreiben,  als  glücklich  zu  verfertigen  gewusst, 
weil  aber  dieses  nicht  seines  Thuns  und  er  dafür  gehalten,  es  würde  ihm 
unmöglich  sein,  dasselbe  solchergestalt  abzubilden,  dass  man  sich  den 
rechten  Entwurf  desselben  deutlich  vorstellen  könnte,  so  war  er  genö- 
thigt,  solches  einem  anderen  aufzutragen,  der  es  zwar  hier  übernommen, 
aber  bloss  nach  der  Erinnerung,  die  ihm  noch  von  der  Zeit  an  beige- 
wohnet, als  er  solches  ehemals  genau  betrachtet  und  ohne  das  Instru- 
ment, sondern  einen  von  dem  Meister  selbst  nur  oben  hin  verfertigten 
Abriss  vor  Augen  zu  haben. 

Es  ist  also  zu  wissen,  dass  anstatt  der  gewöhnlichen  Springerchen, 


108 

"welche  mit  der  Feder  andere  Clavicymbel  berühren,  allhier  ein  Register 
von  Hämmerchen  befindlich,  welche  von  unten  an  die  Saiten  schlagen 
und  oben  mit  starkem  Elends-Leder  bedeckt  sind.  Ein  jedes  Hämmer- 
chen wird  durch  ein  Rädchen  beweglich  gemacht,  und  diese  Rädchen 
stehen  in  einem  kammförmigen  Holze  verborgen,  als  w^orin  sie  reihen- 
weise eingelegt  sind.  Nahe  an  dem  Rädchen  und  unter  dem  Anfang 
des  Stiels  an  dem  Hämmerchen,  befindet  sich  eine  hervorragende  Stütze, 
welche,  von  unten  zu  angestossen,  das  Hämmerchen  so  in  die  Höhe 
treibt,  dass  es  die  Saite  nach  dem  Maasse  und  nach  der  Stärke  desjenigen 
Schlags  anstösst,  welcher  von  der  Hand  des  Spielers  herkommt,  wodurch 
er,  nach  seinem  Belieben,  einen  starken  oder  schwachen  Ton  anzugeben 
vermag.  Man  kann  auch  um  so  viel  eher  stark  darauf  spielen,  weil  das 
Hämmerchen  den  Schlag  ganz  nahe  an  seiner  Einanglung  empfängt,  zu 
sagen:  nahe  am  Mittelpunkte  des  Bezirks,  so  weit  nämhch  sein  Umkreis 
geht,  in  welchem  Falle  ein  jeder  massige  Anschlag  eine  plötzliche  Herum- 
drehung des  Rades  verursacht.  Also,  dass  von  dem  Schlag  an  das  Häm- 
merchen, unter  dem  äussersten  Theile  der  vorgedachten  herausstehenden 
Stütze,  sich  ein  hölzernes  Zünglein  befindet,  welches  auf  einer  Hebe 
ruhet,  80  dass  es  von  derselben  in  die  Höhe  geschoben  wird,  wenn  der 
Spieler  den  Anschlag  berühret.  Dieses  Züngelchen  oder  Zäpfchen  liegt 
aber  doch  nicht  auf  der  Hebe,  sondern  ein  wenig  erhaben  und  ist  ein- 
gefasst  in  zwei  dünne  Seitenstützen,  von  denen  auf  jeder  Seite  eine  be- 
findlich ist.  Weil  aber  nöthig  war,  dass  das  Hämmerchen  die  Saite 
gleich  wieder  verlasse,  so  bald  sie  berührt  worden,  und  sich  gleich  wie- 
der absondere,  obschon  der  Spieler  die  Hand  von  der  Taste  noch  nicht 
wieder  weggenommen,  so  war  noth wendig,  dass  besagtes  Hämmerchen 
auo-enblicklich  wieder  in  Freiheit  gesetzt  würde,  an  seine  Stelle  zurück- 
zufallen.  Daher  ist  das  Züngelchen,  so  ihm  den  Druck  giebt,  beweglich 
und  solchergestalt  zusammengefügt,  dass  es  in  die  Höhe  geht  und  fest 
anprallt;  aber,  so  bald  der  Schlag  gegeben,  plötzlich  wieder  abschiesset, 
das  ist,  vorbeigeht  und  sich,  so  bald  als  der  Schlag  geschehen,  herunter 
wendet,  zurückkehret  und  sich  wieder  unter  das  Hämmerchen  verfüget. 
Diese  Wirkung  hat  der  Künstler  durch  eine  Feder  von  Messing-Draht 
zuweo-egebracht,  die  er  an  der  Hebe  befestigt  und  welche  sich  ausdehnt, 
mit  der  Spitze  unter  dem  Züngelchen  antrifft  und,  indem  sie  einigen 
Widerstand  giebt,  dasselbe  antreibt  und  an  einen  anderen  Messingdraht 


109 

befestigt  hält,  der  fest  und  nach  aufwärts  derselben  gerade  entgegen 
steht.  Durch  diese  stete  Befestigung,  welche  das  Zünglein  hat,  durch  die 
Feder,  welche  darunter  und  durch  die  Einfügung  auf  beiden  Seiten, 
steht  es  fest,  oder  giebt  nach,  wie  es  erfordert  wird. 

Damit  auch  die  Hämmerehen  in  dem  Zurückprallen,  nach  dem  An- 
schlag, nicht  wieder  aufhüpfen,  und  an  die  Saiten  zurückstossen  können, 
so  fallen  sie  und  liegen  auf  kreuzweise  geschlungenen  seidenen  Schnür- 
chen, die  solche  ganz  ruhig  auffangen. 

Weil  aber  bei  dieser  Art  von  Instrumenten  nöthig  ist,  dass  der  Ton 
verschwinden,  oder  der  Spieler  ihn  hemmen  könne,  indem  er  sonst  durch 
das  Fortklingen  die  folgenden  Noten  undeutlich  machen  würde;  in  wel- 
chem Absehen  die  Clavecins  das  Tuch  auf  den  Spitzen  der  Springerchen 
haben,  so  wird  auch  hier  der  Schall  plötzlich  gehemmt,  weil  jede  von 
den  oft  gemeldeten  Heben  ein  Schwänzchen  hat  und  auf  demselben  nach 
der  Reihe  ein  Register  von  Springerchen  befindlich  ist,  die  nach  ihrem 
Gebrauch  Dämpfer  genannt  werden  könnten.  So  bald  der  Griff  (auf  die 
Tasten)  geschehen,  berühren  diese  die  Saiten  mit  dem  Tuch,  welches  sie 
auf  der  Spitze  haben  und  verhindern  das  Nachzittern,  welches  entstehen 
müsste,  w^enn  zugleich  andere  Saiten  klingen  würden.  Wenn  aber  der 
Griff"  einmal  angedrückt  und  durch  denselben  die  Spitze  der  Hebung  in 
die  Höhe  getrieben  worden  ist,  so  folgt  von  selbst,  dass  das  Schwänz- 
chen sich  herniederlasse  und  zugleich  auch  der  Dämpfer.  Dadurch 
bleibt  die  Saite  frei  zu  dem  Klange  und  dieser  vergeht  hernach  von 
selbst,  so  bald  der  Griff  (auf  die  Taste)  vorbei  ist,  indem  der  Dämpfer 
sich  sogleich  wieder  erhebt,  um  die  Saite  mit  dem  Tuche  zu  berühren. 

Damit  man  aber  alle  Bewegungen  und  innerliche  Kunstgriffe  dieses 
Instruments  desto  deutlicher  erkennen  möge,  so  nehme  man  die  Abzeich- 
nung zur  Hand  und  betrachte  von  Stück  zu  Stück  die  Benennuno-en 
derselben: 

A  A  die  Saite. 

B  B  der  Boden  zu  der  Claviatur  oder  zum  Anschlag. 

C  C  die  Tasten  oder  die  ersten  Heber,  welche  mit  den  Pflöckchec 
die  anderen  in  die  Höhe  treiben. 

D  das  Pflöckchen,  Zäpfchen  oder  der  Holzschuh  an  der  Taste. 

E  E  die  zweite  Hebe,  wo  auf  jeder  Seite  eine  von  den  Neben- 
Btützen  festgemacht  ist,  die  das  Zünglein  halten. 


110 

F  die  Angel  oder  der  Stift  in  der  zweiten  Hebe. 

G  G  das  bewegliche  Zünglein,  welches,  wenn  es  mit  der  zweiten 
Hebe  sich  in  die  Höhe  schiebt,  auf  das  Hämmerchen  stösst. 

H  H  die  Nebenstützen  auf  beiden  Seiten,  worin  das  Züngelchen 
eingefalzt  ist. 

I  ein  fester  Messingdraht,  oben  an  der  Spitze  breit  geschlagen,  der 
das  Zünglein  festhält. 

L  eine  Feder  von  Messingdraht,  die  unter  dem  Züngelchen  liegt 
und  dasselbe  gegen  den  festen  Draht  angestossen  hält,  den  es  hinten  hat. 

M  M  das  Kammholz,  wo  in  der  Reihe  die  Hämmerchen  eingelegt  sind. 


N  das  Rädchen  an  den  Hämmerchen,  so  in  dem  Kammholz  ver- 
borgen liegt. 

O  das  Hämmerchen,  welches  von  .unten  her  durch  das  Züngelchen 
angestossen,  die  Saite  mit  dem  Elends-Leder  anschlägt,  womit  es  oben 
bedeckt  ist. 

P  P  die  kreuzweise  verschränkten  seidenen  Schnürchen,  zwischen 
welchen  die  Stiele  der  Hämmerchen  aufliegen  oder  ruhen. 

Q  das  Schwänzchen  der  zweiten  Hebung,  das  sich  niedergiebt, 
wann  sich  die  Spitze  erhebt. 

R  das  Register  oder  die  Reihe  Springerchen  oder  Dämpfer,  die,  so 
bald  der  Griff  andrückt,  sich  herabfügen  und  die  Saite  freilassen,  hier- 
auf gleich  wieder  an  ihren  Ort  zurückspringen,  um  den  Schall  zu  hemmen. 

S  der  völlige  Querbalken  zur  Verstärkung  des  Holzkammes. 


111 

Ueberdies  ist  noch  zu  berichten,  dass  die  Leiste,  wo  die  Wirbel 
eingesetzt  werden,  die  die  Saiten  halten,  wie  sie  in  anderen  Clavicem- 
balen  unter  den  Saiten  selbst  ist,  hier  über  denselben  zu  stehen  kommt 
und  die  Wirbel  darunter  hingehen,  so  dass  die  Saiten  von  unten  her  fest 
gemacht  werden,  weil  nothwendig  war,  unten  mehr  Platz  zu  gewinnen, 
damit  das  ganze  Griffwerk  hinein  gehen  könnte.  Die  Saiten  sind  viel 
stärker,  als  die  gewöhnlichen,  und  damit  die  Schwere  dem  Boden 
nicht  schaden  möge,  so  sind  sie  nicht  auf  demselben  befestigt,  sondern 
etwas  höher  angebracht  worden. 

An  allen  Orten,  wo  einiges  Geklapper  entstehen  könnte,  ist  solches 
durch  Leder  oder  Tuch  verhindert  worden,  besonders  in  den  Löchern, 
wo  Nägel  oder  Stifte  durchgehen,  woselbst  durch  einen  sonderbaren 
Meister -Griff  alles  mit  Elends-Leder  so  ausgefüttert  ist,  dass  der  Stift 
durch  dasselbe  hervorkommt. 

Es  ward  diese  Erfinduno;  von  dem  Meister  auch  in  einer  anderen 
Gestalt  zu  Wege  gebracht,  indem  er  eben  ein  solches  Clavicembal  mit 
der  Schwäche  und  Stärke,  aber  in  einer  ganz  verschiedenen  und  leichteren 
Bauart  verfertigte :  allein  die  erste   behielt  nichtsdestoweniger  den  Preis. 

Da  nun  dieser  sinnreiche  Künstler  auch  in  Ausarbeitung  der  ge- 
wohnlichen  Clavecins  vortrefflich  ist,  so  wäre  noch  zu  berichten,  dass  er 
nicht  von  der  Meinung  der  neuen  Ciaviermacher,  die  jetzt  meistentheils 
nicht  nur  ohne  Rose,  sondern  sogar  ohne  eine  einzige  Oeffnung  in  dem 
ganzen  Kasten  arbeiten.  Nicht,  dass  er  ein  so  grosses  Loch,  wie  sol- 
ches früher  von  den  Alten  verfertigt  worden  ist,  für  unentbehrlich  hielte; 
oder,  dass  er  glaubte,  es  wäre  gut,  dergleichen  Löcher  an  dem  gewöhn- 
lichen Orte  anzubringen,  wo  sie  doch  so  sehr  dem  Eindringen  des  Stau- 
bes  ausgesetzt  sind;  sondern  er  pflegt  nur  zwei  kleine  Löcher  vorn  bei 
der  Vermachung  zu  lassen,  die  allezeit  bedeckt  und  verborgen  bleiben. 
Er  versichert  auch,  dass  ein  solches  Luftloch  in  dergleichen  Instrumen- 
ten höchst  nöthig  wäre,  weil  bei  Spielen  der  Klang-Boden  sich  bewegen 
und  weichen  müsse,  welches  aus  dem  Zittern  desselben  abzunehmen  sei, 
wenn  man  sich  nämlich  darauf  lege,  während  ein  anderer  spiele.  Im 
Fall  aber  das  Gehäuse  nirgendwo  eine  Oeffnung  hat  und  die  inwendige 
Luft  nicht  weichen  oder  herauskommen  kann,  sondern  hart  und  stark 
bleibt,  so  beweget  sich  der  Boden  nicht  und  daher  wird  der  Schall  etwas 
stumpf,  kurz  und  nicht  nachkhngend.     Wo  aber  eine  Oeffnung  ist,  wird 


112 

man  gleich  bemerken,  dass  der  Boden  nachgiebt  und  die  Saite  viel  heller 
bleibt;  es  ist  auch  mehr  Klang  zu  vernehmen  und  wenn  man  die  Finder 
an  die  erwähnte  Oeffnung  hält,  indem  ein  anderer  darauf  spielt,  wird 
man  gleich  fühlen,  dass  Wind  entsteht  und  die  Luft  herausstreicht.  Bei 
diesem  Satze  wollen  wir  nicht  übergehen  zu  sagen,  dass,  wie  aus  der  na- 
türlichen Weltweisheit  bekanntermassen  in  Untersuchung  der  Wirkungen 
der  Luft  und  ihrer  Bewegung  uns  ein  grosses  Licht  aufgehe:  also  eine 
genaue  Beobachtung  der  verschiedenen  und  wundersamen  Wirkungen 
der  eingepressten  Luft  in  musikalischen  Instrumenten  uns  eine  starke, 
obgleich  noch  meist  unbekannte  Quelle  zu  dergleichen  Entdeckungen 
und  Erkenntnissen  sein  könne,  wann  wir  derselben  Bauart  genau  unter- 
suchen und  nachdenken,  was  in  denselben  ihre  Vollkommenheit  oder 
ihren  Mangel  verursache  und  wovon  ihr  Zustand  sich  verändere,  wie 
dann  hier  die  Veränderung  des  Schalls  zum  Beweise  dienen  kann,  welche 
in  den  beseelten  Instrumenten  erfolgt,  dergleichen  diejenige  sind,  die 
mit  dem  Bogen  gestrichen  werden,  aufweichen,  so  bald  man  die  soge- 
nannte Seele  nur  ein  wenig  von  ihrer  Stelle  gerückt  hat,  sogleich  eine 
Saite  viel  heller,  eine  andere  aber  viel  stumpfer  khngt.  Dahin  auch  die 
Veränderung  und  Verschiedenheit  der  Stimmen  und  des  Klanges  gehört, 
welche  die  Instrumente  von  ihrem  verschiedenen  Maasse  und  ihrer  ver- 
schiedenen Grösse  und  besonders  die  Clavicembale  davon  erhalten,  je 
nachdem  ihr  Klang-Boden  dick  oder  dünn  ausgearbeitet  ist  und  tausend 
andere  dergleichen  Betrachtungen  mehr,  die  man  hierüber  anstellen  könnte. 
Wobei  auch  nicht  zu  übergehen  ist,  dass,  wie  man  durchgehends  dafür 
hält,  die  neuen  Clavicembale  allezeit  mangelhaft  im  Klange  seien  und 
ihre  Vollkommenheit  erst  durch  die  Länge  der  Zeit  erhielten;  so  be- 
hauptet dieser  Künstler,  dass  man  solche  dergestalt  ausarbeiten  könne, 
dass  sie  gleich  einen  ebenso  hellklingenden  Schall,  als  die  alten,  von  sich 
geben.  Er  versichert,  dass  der  unvollkommene  Klang  der  neuen  eigent- 
lich von  der  ausdehnenden  Kraft  herkomme,  welche  der  eingebogene 
Steg  eine  Zeitlang  behält,  auf  dem  die  Saiten  liegen;  denn  so  lange 
dieser  auf  dem  Boden  sich  mit  Gewalt  andrückt,  um  sich  wieder  zu  er- 
heben, kommt  die  Stimme  nicht  vollkommen  heraus;  wenn  man  aber 
gleich  Anfangs  in  der  Arbeit  diese  ausdehnende  Wirkung  demselben 
gänzlich  benimmt,  wird  der  Fehler  alsobald  gehoben,  wie  unser  Meister 
aus  der  Erfahruns  überzeugt  ist.     Wozu  auch  nicht  wenig  des  Holzes 


113 

gute  Beschaffenheit  beiträgt,  daher  der  berühmte  italienische  Ciavier- 
macher  Pesaro  angefangen  hat,  sich  der  alten  Kisten  und  Schränke  zu 
bedienen,  die  er  in  Venedig  und  Padua  auf  den  Korn-Böden  verworfen 
oder  unter  den  Dächern  versteckt  gefunden  hat  und  welche  meistentheils 
von   Cypressenholz  aus  Candia  und  Cypern  gewesen  sind." 

Dieser  so  seltene  Bericht  aus  Ufa ^2^Äe5pw'_5.Criticaniusica^ über  die 
Cristofali'sche  Ei-findung,  welchen  wir,  so  weit  es  sich  nur  irgend  thun 
liess,  wörtlich  wiedergegeben  haben,  muss  uns  zur  Vergleichung  mit  den 
Schröter'schen  Inventionen  anregen.  Es  ist  durchaus  nicht  zu  behaup- 
ten, dass  die  Mechanik  CristofaU's  eine  grössere  Vollkommenheit  zeige, 
als  diejenige  Schröter's,  und  dass  die  ursprüngliche  Idee  des  Letzteren 
etwa  weniger  Momente  zu  ihrer  Weiterbildung  enthalte,  als  das  in  den 
einzelnen  Theilen  recht  saubere  Modell  des  erstgenannten.  Schröter 
war  nicht  Instrumentenbauer  vom  Fach,  sondern  es  führten  ihn  seine 
frühzeitig  erworbenen  musikwissenschaftlichen  Kenntnisse  auf  die  Er- 
findung des  durch  die  Taste  bewirkten  Hammeranschlags,  nachdem  er 
an  dem  Instrumente  von  Pantaleon  Hebenstreit  die  Wirkung  frei  ange- 
schlagener Klöppel  erkannt  hatte.  Wenn  wir  nun  bedenken,  dass 
Schröter  seine  Erfindung  bereits  im  Jahre  1717  gemacht  hatte  und  die- 
selbe jedenfalls  den  von  Friedrich  August  I.  um  1717  nach  Dresden  be- 
rufenen italienischen  Handwerksleuten  und  Künstlern  vielleicht  von  sei- 
nem Vetter  mitgetheilt  worden  war;  wenn  man  ferner  dabei  den  steten 
Verkehr  zwischen  Dresden  und  Italien  in  damaliger  Zeit  berücksichtigt, 
so  gewinnt  die  Ansicht  den  höchsten  Grad  von  Wahrscheinlichkeit,  dass 
die  Schröter'sche  Erfindung,  wenn  nicht  im  Modell,  so  doch  der  Beschrei- 
bung nach  zur  Kenntniss  OristofaWs  gelangte,  dessen  Aneignungstalent 
und  Geschicklichkeit  die  erfasste  Beschreibung  zur  thatsächlichen  Aus- 
führung brachten,  was  auch  von  Schröter  selbst  geglaubt  wurde.  Die 
Form  des  eigentlichen  Hammers  ist  bei  Schröter  aber  schon  in  ihrem 
Ursprünge  weit  vollkommener  als  bei  Cristofali,  und  zieht  man  den 
Vergleich  mit  der  heutigen  Hammermechanik,  so  wird  man  sofort  die 
grössere  Aehnlichkeit  mit  dem  Schröter'schen  Modell,  als  mit  demjenigen 
CristofaU's  erkennen  Es  ist  nach  Alledem  genau  festzustellen,  dass 
nicht  Cristofali,  wie  z.  B.  Welcher  zu  glauben  scheint,  der  Erfinder  der 
Hammermechanik  ist,  sondern  dass  dieses  wichtige  Moment  in  der  Cia- 
vierfabrikation in  unserem  deutschen  Vaterlande  und  zwar  im  jetzigen 


114 

Königreiche  Sachsen  zuerst  aufgefunden  und  verwerthet  worden  ist. 
Ausserdem  ist  selbst  GristofaUs  Nachahmung  der  Schröter'schen  Idee 
nie  zu  allgemeinster  Geltung  gekommen,  wie  aus  den  spärlichen  Fabri- 
kationen aus  jener  Zeit  mit  dieser  Mechanik  hervorgeht,  hingegen 
das  Schröter'sche  Modell  sehr  bald  in  Deutschland  Anerkennung  erhielt 
und  dann  nach  weiterer  Vervollkommnung  für  England  und  Frankreich 
massgebend  wurde.  Denn  wenn  auch  Zelter,  der  vielerfahrene,  aber 
häufig  sehr  grosssprecherische  und  in  seinen  Ansichten  oft  barocke  Mu- 
siker, in  seinem  Briefwechsel  mit  Goethe  im  Jahre  1804  ein  in  Weimar 
aufgestelltes  Instrument  aus  CristofaU's  Fabrik  lobend  erwähnt,  und 
ebenso  der  Geschichtsschreiber  Burney  auf  seinen  Reisen  in  Bologna 
1770  ein  40  Jahre  altes  Instrument  desselben  Fabrikanten  vorfand,  so 
ist  doch  thatsächUch  erwiesen,  dass  von  Deutschland  aus  in  London  und 
in  Paris  der  Instrumentenbau  und  namentlich  die  Pianofortefabrikation 
auf  Grund  der  Schröter'schen  Erfindung  allgemein  verbreitet  und  ge- 
hoben worden  ist. 

Zunächst  war  es,  wie  bereits  bemerkt,  Gottfried  Silber  mann  zu  Frei- 
berg, welcher  sich  die  vSchröter'sche  Erfin^ng^jineignete  und  dieselbe 
verwerthete.  Dass  Anfangs  bedeutende  Fehler  die  Erfindung  nicht 
gleich  aufkommen  und  dieselbe  über  die  gewöhnliche  Clavicymbelme- 
chanik  nicht  bald  siegen  Hessen,  ersehen  wir  aus  dem  Urtheile  Johann 
Seh.  Bach's,  bei  dessen  Lebzeiten  jener  sächsische  Instrumentenbauer 
zwei  Flügel  mit  der  Schröter'schen  Mechanik  verfertigte  und  einen  der- 
selben diesem  grössten  Tonmeister  in  der  ersten  Hälfte  des  18ten  Jahr- 
hunderts zur  Prüfung  vorführte.  Seh.  Bach  rühmte  und  bewunderte 
den  Klang,  tadelte  aber  dabei  die  Schwäche  der  höheren  Tonregionen 
\  und  die  allzu  schwere  Spielart.  Silhermann,  welcher  gar  keinen  Tadel 
vertragen  konnte,  zürnte  deswegen  dem  geraden,  ehrlichen  Leipziger 
Cantor  lange  Zeit.  Dennoch  musste  er  sich  sagen,  dass  Seh.  Bach  nicht 
Unrecht  habe,  weshalb  er  keine  Instrumente  mit  solcher  Mechanik  ver- 
kaufte, sondern  im  Stillen  an  deren  Verbesserung  arbeitete.  Nach  meh- 
reren Jahren  verkaufte  er  wieder  ein  Instrument  an  den  Fürstlichen  Hof 
zu  Rudolstadt,  welches  vermuthlich  das  von  Schröter  im  141  sten  kritischen 
Briefe  Seite  102 ''berührte  ist,  und  kurze  Zeit  darauf  verschrieb  sich 
König  Friedrich  H.  von  Preussen  mehrere  dieser  Silbermann'schen  In- 
strumente, an  welchen    dieser   Kunstmäcen  besonderen    Gefallen  fand. 


115 

Silbermann  verfehlte  nun  nicht,  ein  so  verbessertes  Instrument  Seb.  Bach 
zu  zeigen  und  von  diesem  die  Construction  untersuchen  zu  lassen.  Das 
überaus  günstige  Urtheil  des  Tonmeisters  verschaffte  Silbermann  die 
vollständigste  Genugthuung  und  er  baute  fortan  bis  zu  seinem  Tode  noch 
eine  Menge  solcher  Instrumente,  deren  weitere  Verbesserungen  der 
Neffe  Gottfried' s,  Johann  Heinrich  Silbermann ^  zu  Strassburg  geboren 
27.  September  1727,  übernahm.  Dessen  Instrumente  wurden  namentlich 
in  Paris  sehr  berühmt  und  Gerber  behauptet  in  seinem  Lexicon  vom  Jahre 
1790,  dass  es  die  besten  seien,  welche  die  französische  Hauptstadt  be- 
sitze, womit  auch  der  musikalische  Almanach  vom  Jahre  1782  über- 
einstimmt, wo  es  Seite  200  heisst:  „Sowohl  seine  Flügel  als  Piano- 
fqrte,  wie  auch  andere  zum  Theil  selbst  erfundene  Manual-  und  Pedal- 
Clavierinstrumente  zeichnen  sich  durch  Sauberkeit  der  Arbeit  und  Schön- 
heit des  Tones  aus.  Er  ist  auch  ausser  seinem  Fache  ein  Mann  von 
schätzbaren  Kenntnissen.  Seine  Pianoforte  verkauft  er  gewöhnlich  das 
Stück  für  300  Thaler."  Noch  während  der  Oheim  Gottfried  Silber- 
mann an  der  Verbesserung  der  Schröter'schen  Mechanik  arbeitete,  war 
es  bereits  einem  andern 'intelligenten  Sachsen  gelungen,  die  Schröter'sche 
Erfindung  in  verbesserter  Form  auf  tafelförmige  Instrumente  anzuwen- 
den. Christian  Ernst  Friederici,  geb.  zu  Merane  1712,  gestorben  zu 
Gera  1779,  erwarb  sich  nämlich  nicht  bloss  als  Orgelbauer,  in  welcher 
Eigenschaft  er  50  Orgeln,  darunter  die  berühmte  zu  Chemnitz  verfer- 
tigte, einen  grossen  Namen,  sondern  auch  seine  Fortepianos  in  Gestalt 
der  Claviere,  die  er  Fortbiens  nannte,  waren  „in  der  halben  Welt"  ver- 
breitet und  geschätzt.  Von  ihm  sagt  der  bereits  erwähnte  Forkel'sche 
Almanach,  dass  er  mit  seinem  Bruder  in  Gera  zusammengearbeitet  habe, 
beide  aber  seien  nun  —  im  Jahre  1782  —  todt  und  ein  Sohn  seines 
Bruders  fahre  fort,  musikalische  Instrumente  nach  dessen  Art  zu  verfer- 
tigen. Die  Claviere  mache  er  zum  Preise  von  5  bis  lOLouisd'or,  Flügel 
zu  16  bis  30  Louisd'or  und  die  Fortbiens  ebenfalls  für  16  bis  30  Louis- 
d'or.  Wolle  man  mit  schlechtem  Holze  vorlieb  nehmen,  so  mache  er 
alle  drei  Sorten  auch  wohl  noch  etwas  wohlfeiler.  Von  den  besten 
deutschen  Ciavierbauern  werden  uns,  wie  wir  zur  Ergänzung  be- 
merken, aus  jener  Zeit  bis  zum  Jahre  1782  noch  genannt: 

Becl'er,  Clavierinstrumentenmacher  in  London,  geboren  in  Deutsch- 
land, auf  den  wir  noch  weiterhin  zu  sprechen  kommen. 

8'- 


116 

Bull,  Flügelmacher  in  Antwerpen,  geboren  in  Deutschland,  dessen 
Doppelflügel  besonders  berühmt  wurden,  von  denen  er  jeden  für  100 
Ducaten  verkaufte. 

Gerlach,  Instrumentenmacher  in  Hamburg. 

Gese,  Instrumentenbauer  in  Halberstadt. 

Kirchmann,  Flügelmacher  in  London,  geboren  in  Deutschland,  des- 
sen Flügel  als  „ungemein  gut  gearbeitet  und  von  vorzüglich  schönem 
Tone"  geschildert  werden.     Sie  wurden  mit  400 — 600  Thalern  bezahlt. 

Kraemer  (Johann  Paul),  Ciaviermacher  in  Göttingen,  geboren  im 
Thüringischen  zu  Jüchsen  1743.  Im  Almanach  heisst  es:  „Seine  Cla- 
viere  streiten  mit  den  besten  in  Deutschland  um  den  Vorzug.  Sie  sind 
nicht  nur  sehr  gut"und  dauerhaft  vom  trockensten  Holze  gearbeitet ,  son- 
dern haben  auch  einen  ungemein  schönen  Ton,  besonders  aber  glänzende 
Bässe.  Er  macht  sie  zu  verschiedenen  Preisen,  je  nachdem  sie  gross 
oder  sauber  gearbeitet  sein  sollen.  Die  geringste  Sorte  macht  er  fiir  4 
und  die  beste  für  12  bis  14  Louisd'or.  Mittlere  Sorten  kann  man  bei 
ihm  zu  5,  6,  7,  8,  9,  10  Louisd'or  haben." 

Lemme  (Carl),  Organist  an  der  Catharinen-  und  Magnikirche  und 
Instrumentenmacher  zu  Braunschweig,  geboren  daselbst.  Derselbe 
machte  die  Sorten  und  Preise  seiner  Claviere  durch  ein  gedrucktes  Ver- 
zeichniss  bekannt.  Seine  Specialität  war  der  Bau  ovalrunder  Claviere, 
deren  Construction  von  der  gewöhnlichen  als  verschieden  bezeichnet  und 
deren  Ton  als  sehr  stark  geschildert  wird.  Die  gewöhnlichen  Preise 
beliefen  sich  auf  3  bis  zu  12  Louisd'or. 

Oberndörfer,  Schulmeister  in  einem  ohnweit  Darmstadt  gelegenen 
Dorfe,  dessen  Instrumente  mit  den  englischen  verglichen  und  daher 
jedenfalls  mit  Pianoforteconstruction  gearbeitet  wurden,  weil  die  Englän- 
der in  dieser  Zeit  gar  keine  Clavichorde  mehr  bauten. 

JPreuss  (Joachim  Bernhardt),  dessen  für  die  Clavichorde  gewählte 
Mensur  einem  sanften  und  angenehmen,  aber  keinem  starken  Tone  gün- 
stig war. 

Paul  in  Gotha,  guter  Clavichordbauer. 

Schramm  in  Berlin,  Flügel-  und  Ciavierbauer. 

Schweinefleisch,  sehr  geschätzter  Ciavierbauer  zu  Leipzig. 

Späth  (Frans  Jacoh),  Instrumentenmacher  in  Eegensburg.  Der 
Preis  seiner  beliebten  Instrumente  in  Fiügelform  belief  sich  auf  40  Du- 


117 

caten.  In  seinen  späteren  Jahren  verband  er  sich  mit  seinem  Schwie- 
gersohne Schmahl,  mit  welchem  er  gemeinsam  bis  zu  seinem  Tode  das 
Geschäft  betrieb. 

Stein  (Johann  Andreas),  Orgel-  und  Instrumentenmacher  zu  Augs- 
burg, geboren  zu  Heideisheim  im  Pfälzischen  1728,  welcher  zu  gleicher 
Zeit  als  Organist  wohl  renommirt  war.     Von  seinen  Leistungen  als  In- 
strumentenbauer berichten  die  Adam  Hiller'schen  Nachrichten  eingehender 
und  wir  erfahren  aus  diesen ,   dass  er  bei   Gelegenheit  einer  Reise  nach 
Paris  (1758)    den   Concert-Instrumenten  dadurch  den  möglichsten  Grad 
von  Vollkommenheit  zu  geben  versuchte,  dass  er  das  Fortepiano  mit  dem 
Flüe-el  zusammen  verband,  und  zwar  so,   dass  jedes  Instrument  seine 
eio-enen  Saiten  und  seinen  besondern  Resonanzboden  hatte.     Derselbe 
erfand  ausser  diesem  Doppelflügel  oder  „Piano  vis  ä  vis"  auch  1770  die 
sogenannte  ISlelodika,   ein  kleines  Flügelinstrument  mit  einem  Flöten- 
register, welches  man  heutzutage   noch   im    akustischen    Cabinet    von 
Kaufmann  in  Dresden  nachgeahmt  findet.     Gerber  hat  uns  in  seinem 
ahen  und  neuen  Lexicon  nach  den  ihm  bekannten  Quellen  die  sämmt- 
lichen  Erfindungen  dieses  Mannes   aufbewahrt,  deren  Erwähnung  hier 
am  Platze  sein  dürfte,  ohne  dass  wir  auf  alle  einzelnen  näher  eingehen, 
da  sie  zum  Theil  ohne  Einfluss  auf  die  Fortentwickelung  der  Kunst  ge- 
blieben   sind.     Seine    Saitenharmonika   bestand    in    einem    zweifach 
bezogenen   gewöhnlichen  Fortepiano.      „Um  aber  das  Pianissimo  zum 
völligen  Nichts  absterbend  machen  zu  können ,  hatte  der  Künstler  dem 
Instrumente  noch  eine  Saite  mehr  gegeben,  welche  durch  eine  äusserst 
elastische  Materie  zum  Klange  gebracht  wurde.     Dies  nannte  er    Spi- 
nett.     Durch  diese  Verbindung  erhielt  das  Fortepiano  nicht  nur  eine  ge- 
wisse Schärfe,  sondern  es  entstand  auch  beim  Erlöschen  des  Tones  ein 
ganz  besonderer  Effect,  indem  das   Fortepiano  beim  leisesten  Drucke 
den  Ton  noch  zum  Spinette  übertrug.     Ueberdies  konnten  auch  beide 
Veränderungen  einzeln  gebraucht  werden.     Dieses  Instrument  kam  im 
Jahre  1789,  wo  er  es  erfunden,  nach  Mainz,  und  er  erhielt  nicht  nur  die 
akkordirten  100  Louisd'or  dafür,   sondern   auch  noch   ein  Fass  Rhein- 
wein zum  Geschenk."     Sein  Polytoniclavichordium  übergehend,  welches 
nichts   weiter   als  ein   Virginal   mit   mehreren  durch    Register  bewirkten 
Klangveränderungen  war,  wenden  wir  uns  zu  seiner  Hammermechanik,  die 
auf  seinen   später  in  Wien  als  Instrumentenbauer  lebenden  Sohn  über- 


118 


gegangen  und  von  diesem  in  folgender   Form  angewendet  worden  ist 
(Figur),  wobei  man  den  gesdiickt  angebrachteß  Auslöser  bemerken  wird. 


Dass  das  „Anemochord"  von  Schnell  1740,  die  Crescendo -Flügel 
von  Jürgensen  1754,  das  Orchestrion  von  Kuns  1796,  die  Flötenflügel 
von  Wagner  1770,  das  Apollonion  von  Völler  1800,  das  Adiaphonon  von 
Fr.  5c/iM.9^er  und  andere  Janitscharen-Clavierinstrumente,  wie  sie  auch  in 
neuester  Zeit  noch  in  ähnUcher  Gestalt  von  Kaufmann  in  Dresden  und 
böhmischen  Instrumentenbauern  verfertigt  worden  sind,  gar  keinen  Ein- 
fluss  auf  die  Kunstentwickelung  ausüben,  sondern  grösstentheils  nur  als 
Spielereien  angesehen  werden  konnten,  sei  hierbei  noch  bemerkt.  Ebenso 
vermochten  das  Clavecin  harmonique  undClavecin  akoustique  von  Virbes 
in  Paris  1777  keinen  höheren  Rang  zu  behaupten,  gleichwie  das  elec- 
trische  Ciavier  von  De  la  Borde  1794  eine  einzelne  Erscheinung  bUeb. 
Die  Gebrüder  Erard  aus  Strassburg,  welche  seit  1776  in  Paris  kleine 
Fortepianos  bauten,  führten  1784  das  Pedal  ein  und  verbannten  die  Re- 
gisterzüge. Der  Vater  der  neuesten  Fortepianomechanik  in  Frankreich 
ist  Sebastian  Erard,  auf  den  wir  im  nächsten  Abschnitt  zu  sprechen 
kommen. 

Nach  London  wurde  die  Hammermechanik  durch  den  Schweizer 
Burkhard  TscJmdi  im  Jahre  1732  gebracht,  welcher  seine  Pianoforte- 
fabrik seinem  Schwiegersohne  John  Broadivood  vermachte,  dessen  Name 
jetzt  noch  die  grösste  Pianofortefabrik  Englands  ziert,  und  endlich  zu 
Deutschland  zurückkehrend,  machen  wir  als  Instrumentenbauer  des 
I8ten  Jahrhunderts  noch  Straube  in  Berlin,  Voigt  in  Hamburg,  Vatet 
in  Hannover  und  Johann  Gottlob  Wagner  in  Dresden  namhaft.  Letz- 
terer erfand  im  Verein  mit  seinem  Bruder  Christian  Salomon  das  Cla- 
vecin royal,  dessen  Fournituren  von  Rosen-  oder  Taxisholz  äusserst  sau- 
ber gearbeitet  waren.  Die  von  Christian  Salomon  gemachten  Verände- 
runo-en  im  Klange  bestanden  hauptsächlich  in  der  ohne  Pfeifenwerk  be- 
wirkten täuschenden  Nachahmung  der  Flöte  und  des  Fagott ,  gleichwie 


119 

er  auch  das  Forte  und  Piano  geschickt  anzubringen  verstand.  Im  Jahre 
1798,  als  er  soeben  einen  Flügel  mit  drei  Claviaturen  in  der  Arbeit  hatte, 
belief  eich  die  Anzahl  der  Instrumente,  welche  er  bis  dahin  theils  mit 
seinem  Bruder  und  theils  allein  erbaut  hatte,  auf  772.  Seine  schönsten 
und  elegantesten  Flügel  kosteten  gegen  600  Thaler. 


VI. 
Entwickelung  des  modernen  Pianofortebanes. 

Die  weitere  Entwickelung  des  modernen  Pianofortebaues  ging  mit 
dem  Streben  nach  glänzenderer  Virtuosität  und  nach  grösserem  Ton- 
reichthume  Hand  in  Hand.  Während  die  Compositionen  der  Meister 
des  18ten  Jahrhunderts  auf  Clavichorden  und  Clavicymbeln,  sowie  auf 
den  scharf  klingenden,  in  England  zur  Zeit  HändeVs  besonders  im  Or- 
chester eingeführten  Harpsichorden*)  recht  wohl  und  zur  Befriedigung 
des  Publicums  ausgeführt  werden  konnten,  verlangten  die  Ciavierwerke 
des  19ten  Jahrhunderts  zu  ihrer  Reproduction  fast  ausschliesslich  das 
Hammerciavier,  dessen  Bau  in  England,  Frankreich  und  Deutschland 
mit  Vorliebe  cultivirt  wurde.  In  London  finden  wir  schon  1799  neben 
den  Fabriken  von  Broadtvood**)  und  Stodart  die  Fabrik  von  Schöne  und 


*)  Hr.  Prof.  Fischhof  sah  bei  seinem  Aufenthalte  in  London  in  Herrn  Broadwood's 
kleinerer  Fabrik  (33,  great  Pultney  street,  Golden  Square)  einen  von  dessen  Vorgänger 
verfertigten  Flügel,  Harpsichord  genannt,  mit  zwei  Ciavieren,  wobei  durch  eine  Koppe- 
lung die  höhere  Octave  mit  erklingen  konnte;  der  Deckel  des  Instrumentes  öffnete  sich 
in  fächerartigen  Abtheilungen  mittelst  einer  Mutation,  um  dem  Tone  Stärke  zu  verlei- 
hen. Die  Spielart  erschien  leicht,  der  Ton  interessant,  wenn  auch  klein,  mehrere  Muta- 
tionen theils  zum  Ziehen,  theils  zum  Treten  waren  dabei  angebracht.  Ein  anderes 
Harpsichord  spielte   Hr.  Prof.  Fischhof  im  neuen  Palais  in  Potsdam  im  Jahre  1840. 

**)  In  England  führte  das  Pianoforte  ein  Deutscher,  Namens  Zitmpe,  im  Jahre  1760 
ein,  und  die  von  ihm  verfertigten  Instrumente  dieser  Gattung  Hessen  die  Silbermann'sche 
Construction  erkennen,  zu  welcher  die  vom  Hause  Longman  &  Broderip,  Vorgängei 
der  Herren  Clementi  und  Collard.  erfundene  Stosszunge  später  hinzukam,  während 
ein  Irländer  den  vom  Hamtoer  getrennten  Dämpfer  um  jene  Zeit  erfand,  weshalb  diesem 
Dämpfer  auch  das  Beiwort  der  irische  beigelegt  wurde.  1766  übertrug  der  Deutsche 
Becker  (Backers  Americus),  ein  Arbeiter  in  der  Burkhard  Tschudi' sehen  Fabrik, 
unter  Beihülfe  der  beiden  Arbeiter  in  jener  Fabrik  Broadwood  und  Stodart  die 
Hammermechanik  auf  die  Harpsichords,  aus  welchem  durch  mannigfaches  Nachdenken 
die    Principien    für    den    Pianofortebau     hervorgingen,     nach     denen     Broadwood    und 


120 

Vinsen  in  ruhmreicher  Thätigkeit,  so  dass  in  einem  Berichte  aus  jener 
Zeit  gesagt  werden  konnte:  „An  guten  Instrumenten  aller  Art  fehlt  es 


Stodart  in  der  Hauptsache  noch  gegenwärtig  arbeiten.  Die  Leipziger  allgem.  musika- 
lische Zeitung  berichtet,  dass  im  Jahre  1767  am  16.  Mai  das  grosse  Fortepiano  zum 
ersten  Male  in  England  in  einem  Concerte  gebraucht  worden  sei,  und  zwar  habe  unter 
Accompagnement  desselben  ein  Frl.  Brickler  eine  Arie  aus  Judith  gesungen.  Den 
wirksamsten  Vorkämpfer  für  die  Pianofortemechanik  fanden  die  englischen  Instrumenten- 
bauer in  Muzio  Clevienti,  geb.  1752,  gest.  1822,  dessen  Virtuosität  die  Vorzüge 
dieses  Instrumentes  dem  Publikum  vermittelte,  gleichwie  in  Deutschland  Mozart  der 
Stein' sehen  Hammermechanik  huldigte.  Hierbei  ist  wiederholt  zu  erinnern,  dass  das 
Haus  Broadwood  von  väterlicher  Seite  von  John  Broadwood,  einem  Schotten,  her- 
stammt, dessen  Sohn  John  im  achtzigsten  Jahre  im  Monat  August  1851  starb.  Von 
mütterlicher  Seite  hingegen  von  den  Tschudys,  einer  Schweizerfamilie,  über  welche  das 
allgemeine  helvetisch- eidgenössische  oder  schweizerische  Lexikon  (von  Hans  Jacob  Leu, 
Bürgermeister  von  Zürich,  und  H.  J.  Holshalb,  in  Zug  bei  Blsnsche  1795  herausge 
kommen)  im  sechsten  und  letzten  Theile  des  Supplementbandes  Folgendes  berichtet: 
„Aus  dem  Schwandner  Geschlechte  (der  Tschudy's)  war  auch  Burkhard,  der  als  ein 
mittelloser  Schreinergesell  nach  England  gekommen,  wo  er  als  ein  berühmter  Clavier- 
macher  sich  am  Hofe  zu  London  bekannt  gemacht  und  nebst  anderen  schönen  Sachen 
auch  1765  für  den  König  von  Preussen  einen  künstlichen  Flügel  mit  zwei  Manualen 
verfertigt  hat ;  er  hat  sich  zu  London  verheirathet,  ist  1775  daselbst  gestorben  und  hat 
seiner  Familie  grossen  Reichthum  hinterlassen."  —  Der  Ruhm  des  Hauses  Broadwood 
ist  jetzt  älter  als  hundertunddreissig  Jahre,  Stodart,  Kirkmann  und  Rolfe  zählen  gegen 
hundert  Jahre,  Collard  gegen  achtzig,  Wilkinson,^  Wornum  etc.  gegen  sechzig  bis  siebzig 
Jahre.  Vergl.  Fischhof's  Geschichte  des  Ciavierbaues,  S.  49.  Zu  Anfang  des  neunzehn- 
ten Jahrhunderts  verdrängte  die  verbesserte  Construction  der  Tafelformpianos  eine 
Zeitlang  die  von  Schröter,  Silbermann,  Tschudy,  Broadtvood  angewandte  Flügelhammer- 
mechanik. Z.  B.  heisst  es  in  der  Leipziger .  allgemeinen  musikalischen  Zeitung  vom 
Jahre  1807: 

„Die  Structur  des  Flügels  verbietet  die  feinen  Modificationen  und  Schattirungen 
des  Ausdrucks.  Dieses  übrigens  glänzende  und  zur  Direction  grosser  Orchestermusik, 
besonders  bei  der  Oper,  ehemals  zweckmässig  befundene  Instrument  ist  nun  seit  zwan 
zig  Jahren  durch  das  Fortepiano  allmählich  ganz  verdrängt  worden  und  wird  am 
wenigsten,  wie  vor  zwanzig  und  mehreren  Jahren,  noch  zu  eigenen  Soloconcerten  ge- 
braucht. Denn  im  Fortepiano  haben  die  neueren  Instrumentenbauer  alle  Feinheit  und 
Lieblichkeit  des  Tones,  den  nur  schöne  Blasinstrumente  haben  können,  mit  der  Kraft 
und  Pracht  des  Flügels  zu  vereinigen  gewusst  und  selbst  das  beliebige  Aushalten  der 
Töne  in  gewissem  Grade  möglich  gemacht,  dabei  übrigens  dem  Fortepiano  den  Vorzug 
des  leichtem  Anschlags  vor  dem  immer  etwas  schwer  und  hart  zu  spielenden  Flügel 
gegeben.  Hierzu  kommt  noch  die  Möglichkeit,  den  Klang  nach  Verlangen  allmählich 
zu  verstärken  oder  bis  zum  Pianissimo  abnehmen  zu  lassen,  und  die  Vergrösserung  des 
Umfangs  der  Claviatur  bis  auf  sechs  Octaven.  Dennoch  verdient  das  Ciavier  nicht  die 
Zurücksetzung,  die  es  jetzt  zu  erfahren,  scheint.  Es  hat  seinen  ganz  eigenen  Reiz  und 
erlaubt  eine  gewisse  Feinheit,  Zartheit  und  Innigkeit  des  Vortrags,  gleichsam  einen  sanft 
schimmernden  oder  auch  schmelzenden  Ausdruck,  ein  fein  markirtes  Spiel,  dessen  das 
Fortepiano  nicht  empfänglich  ist.  C.  Ph.  E.  Bach  schrieb  auch  gewiss  in  Hinsicht  auf 
diesen  Unterschied  in  seinen  Sammlungen  für  Kenner  und  Liebhaber  nur  die  Rondo's 
für's  Fortepiano,  die  Sonaten  und  Phantasien  aber  für's  Ciavier,  auf  dem  er  bekanntlich 


121 

in  London  nicht.  Die  kleinen,  clavierförmigen  Pianoforte  von  Schöne 
und  Vinsen  hält  man  nicht  nur  für  die  besten  in  London,  sondern  in 
der  ganzen  Welt.  Sie  werden  nach  Beschaffenheit  der  äusseren  Arbeit 
mit  25  bis  40  Guineen  bezahlt  und  haben  jetzt  gewöhnlich  einen  Um- 
fang von  6  vollen  Octaven,  nämlich  vom  Contra  C  bis  zum  viergestri- 
chenen C"  Grosse,  flügeiförmige  Pianoforte  werden  von  Broadwood 
und  Sfodart  am  besten  gemacht;  sie  kosten  aber  60,  70  und  mehrere 
Guineen."  Die  Schröter'sche  Mechanik  fort  und  fort  zu  Grunde  legend, 
suchte  Broadivood  dadurch  eine  Verbesserung  zu  erzielen,  dass  er  die 
aufrecht  stehenden  Pianofortes  zu  Anfang  des  19ten  Jahrhunderts  mit 
zwei  etwas  dickeren  Saiten  auf  jeder  Taste  bezog,  welches  einen  eben- 
so starken  Ton  als  drei  dünnere  Saiten  hervorbrachte  und  die  Stimmung 
erleichterte.  Dagegen  verwarf  er  die  ebenfalls  in  England  gemachte 
und  daselbst  patentirte  Erfindung,  in  dem  tafelförmigen  Pianoforte, 
welches  aus  dem  alten  Clavichord  entstanden  war,  dadurch  die 
Stärke  des  Tones  zu  vermehren,  dass  er  sie  mit  Saiten  bezog,  die  mit 
Piatina-Draht  übersponnen  waren.  Der  Erfinder  glaubte  nämlich,  durch 
die  schwere  Piatina -Ueberspinnung  den  Ton  im  Verhältniss  ihres  Ge- 
wichtes zu  verstärken,  welcher  Versuch  natürlich  weiter  keinen  Eingang 
fand*).  Dem  Ciaviervirtuosen  Ferdinand  Mies  stellte  Broadwood  im 
Jahre  1822  ein  Instrument  zur  Verfügung,  über  dessen  eigenes  Ansehen 
das  Publicum  in  Verwunderung  gerieth.     Von  demselben  macht  man 


so  grosser  Meister  war.  Wenn  uns  bei  dem  Fortepiano  leicht  schon  allein  der  reizende 
Ton  zu  sehr  einnimmt  und  unser  ürtheil  besticht,  so  lässt  dagegen  das  bescheidenere 
Ciavier  mit  seinem  sanfteren  Anklänge  uns  mehr  Freiheit  und  Ruhe,  im  Tone  nicht 
blos  den  Ton,  sondern  Hamionie,  Melodie  und  Ausdruck  zu  vernehmen.  Wusste  doch 
Mozart,  dieser  grosse  Meister  auf  dem  Fortepiano,  ein  Silbermann'sches  Ciavier,  das  er 
bei  dem  seligen  Cantor  Doles  in  Leipzig  fand,  so  hoch  zu  schätzen,  dass  er  einen 
ansehnlichen  Preis  dafür  bot,  wiewol  vergeblich,  weil  der  würdige  Greis  das  Geschenk 
seines  verewigten  Freundes  (des  Verfertigers  selbst)  nicht  weggeben  wollte." 

*)  Piatina -Draht -Saiten  anzuwenden  war  schon  darum  nicht  rathsam,  weil  die 
absolute  Festigkeit  des  Eisens  die  der  Piatina  bei  Weitem  übertrift't.  Es  sollte  nämlich 
—  wie  man  irrigerweise  behauptete  —  ein  Eisendraht  von  ^/jg  Linie  Dicke  nicht  über 
60  Pfund  12  Loth,  ohne  zu  zerreissen,  tragen  können;  dahingegen  ein  Piatinadraht  von 
'^''^Vioooooo  Linie  Dicke  (welches  beinahe  ^/lo,  folglich  nahe  an  dreimal  jener  Dicke 
gleich  ist)  eine  Last  von  255  Pfund  zu  tragen  vermögen.  Es  verhält  sich  aber  die 
Stärke  der  Metalldrähte  nicht  wie  ihre  Durchmesser,  sondern  wie  die  Quadrate  der 
Durchmesser.  Wenn  demnach  ein  ^^k,  Linie  dicker  Eisendraht  60  Pfund  12  Loth  trägt, 
so  müsste  ein  anderer  %o  Lmie  dicker  Eisendraht  nicht  nur  255  Pfund,  sondern  540 
Pfund  tragen. 


122 

sich  am  leichtesten  eine  richtige  Vorstellung,  wenn  man  sich  den  ganzen 
flügelformigen  Kasten,  ausser  der  Claviatur,  umgekehrt  denkt,  so  dass 
sich  der  obere  Deckel  unterwärts  befindet  und  der  Resonanzboden  nebst 
den  Saiten  gleichsam  nach  der  Erde  zu  hinsieht.  Wenn  sonst  die  Häm- 
mer durch  ihren  Anschlag  die  Saiten  von  dem  Stege  wegzuschnellen 
strebten,  so  drückten  sie  hier  gegen  denselben  und  mithin  auch  gegen 
den  Resonanzboden.  Diesem  Umstände  schrieb  Herr  Broadwooä  es  zu, 
dass  der  Ton  so  ungemein  laut,  hell  und  glasartig  erschien.  Beim  Ab- 
nehmen des  obern  Deckels  erblickte  man  nichts,  als  Balken,  Stäbe  und 
was  sonst  zum  innern  Bau  eines  Flügels  gehörte,  beim  Abnehmen  des 
untern  die  Saiten  und  den  Resonanzboden.  —  Was  aber  von  John  An- 
tes  schon  im  Jahre  1806  bezüglich  der  Verbesserung  des  Hammeran- 
schlags vorgeschlagen  wurde,  scheint  von  der  Broadwood'schen  Fabrik 
niemals  beachtet  worden  zu  sein.  Derselbe  theilte  seine  merkwürdigen 
Ansichten  in  folgender  Weise  der  Oeffentlichkeit  mit:  „Bekanntlich  wird 
das  Leder,  wenn  es  gehämmert  wird,  hart;  fortgesetztes  Spiel  bringt 
dieselbe  Wirkung  hervor.  So  weich  imd  lieblich  daher  der  Ton  eines 
Pianoforte  ist,  wenn  es  noch  neu  aus  des  Meisters  Hand  kommt,  so  wird 
er  doch  in  eben  dem  Grade,  als  das  Leder  härter  wird,  nach  und  nach 
härter  und  zuletzt  so  scharf  und  schneidend,  dass  man  die  Hämmer  end- 
lich neu  beledern  muss.  So  ging  es  mir  mit  meinem  Instrument.  Ich 
suchte  daher  eine  Substanz  auszufinden,  die  den  unangenehmen  Verän- 
derungen nicht  unterworfen  wäre  und  des  beständigen  Gebrauchs  un- 
geachtet sich  immer  gleich  bliebe.  Nach  wiederholten  Versuchen  fand 
ich  zwei  Dinge,  die  ich  mit  Ueberzeugung  empfehlen  zu  können  glaube, 
da  ich  sie  mehrere  Jahre  hindurch  erprobt  und  nicht  die  mindeste  Ver- 
änderung bemerkt  habe.  Die  erste  Substanz,  die  auch  nach  meiner 
Meinung  den  brillantesten  Ton  giebt,  ist  die  feine  dichtzellige  Wurzel 
des  gemeinen  Waschschwammes,  auf  den  kein  Hämmern  eine  Wirkung 
hervorbringt.  Da  aber  diese  Wurzeln  schwer  in  gehöriger  Menge  und 
von  gleicher  Beschaffenheit  zu  haben  sind,  so  fand  ich,  dass  der  gemeine 
Feuerschwamm,  wenn  er  hierzu  gehörig  vorgerichtet  wird,  die  nämlichen 
Dienste  thut.  Ich  habe  einen  Versuch  damit  gemacht;  da  aber  die  wei- 
cheren Theile  desselben  als  die  besten  zum  Feueranschlagen  gehalten 
werden,  so  hatte  ich  Mühe,  unter  einer  bedeutenden  Menge  genug  von 
solchem  herauszufinden,  der  eine  rechte  und  gleiche  Dichtigkeit  hatte« 


123 

Wenn  man  vielleicht  die  feinsten,  dichtesten  Schwämme,  als  Birken- 
schwamm u.  dergl.,  aussuchte  und  zu  diesem  Gebrauch  zubereitete,  so 
könnte  man  es  wohl  zu  einer  grossen  Vollkommenheit  bringen.  Da  ich 
aber  mit  dieser  Zubereitung  unbekannt  bin,  muss  ich  das  Anderen  zur 
Beurtheilung  überlassen.  Der  Schwamm,  dessen  ich  mich  bediente,  hat 
seit  fünf  Jahren  nicht  die  mindeste  Veränderung  bemerken  lassen.  Beide 
Arten  übertrafen  meine  gute  Erwartung  in  der  Hauptsache:  ihrer  ün- 
veränderlichkeit  bei  stetem  Gebrauch,  bei  Weitem."  Jedenfalls  verdienen 
die  Erfahrungen  dieses  in  anderen  Dingen  als  geistreich  geschilderten 
Mannes  Beachtung,  und  wenn  auch  sein  Landsmann  Broadivood  keine 
Notiz  von  ihnen  nahm,  so  giebt  es  doch  heutzutage  so  viele  intelligente 
Instrumentenbauer,  welche  nach  Kenntnissnahme  des  Gegenwärtigen  den 
Versuch  nicht  scheuen  werden.  Ein  weiterer  im  Jahre  1819  gemachter 
Verbesserungsversuch  bestand  in  der  Erfindung  des  sogenannten  Grand 
Pianoforte  des  Grafen  Stanhope,  wo  nur  eine  Saite  zu  jeder  Taste  vor- 
handen war.  Dass  dieses  Instrument  als  erster  Versuch  das  nicht  ge- 
worden ist,  was  es  bei  weiterem  Nachdenken  und  unter  den  Händen  eines 
einsichtsvollen  und  erfahrenen  Instrumentenbauers  hätte  werden  können, 
ist  natürlich.  Das  Hauptversehen  bestand  wohl  darin,  dass  der  Graf 
nicht,  dem  Winke  geschickter  Instrumentenbauer  zufolge,  Saiten  von 
verschiedenen  Metallarten,  sondern  durchgängig  nur  Stahlsaiten  an- 
brachte. Diese  thaten  zwar  im  Discant  gute  Wirkung  und  brachten  in 
der  Mitte  des  Instruments  einen  schönen  vollen  Ton  hervor;  da  sie  aber 
in  der  Contraoctave  so  dick  wie  die  Eöhren  langer  thönerner  Tabaks- 
pfeifen waren,  so  fehlte  es  ihnen  hier  an  klarer  Fülle.  Die  ungemein 
starke  Spannung  eines  solchen  Bezugs  erforderte  einen  besonders  fest- 
gebauten Körper  des  Instruments,  so  dass  es  vieler  Versuche  bedurfte, 
demselben  die  nöthige  Festigkeit  zu  geben.  Das  Instrument  war  daher 
so  schwer,  dass,  als  es  nach  dem  Tode  des  Erfinders  bei  Versteigerung 
seines  Nachlasses  verkauft  wurde,  acht  Männer  zum  Hinein-  und  Her- 
austragen desselben  nöthig  waren.  Dieses  Instrument  hatte  allerdings 
den  Vortheil,  dass  sich  kein  Ton  in  sich  selbst  verstimmen  konnte,  wie 
die  Einklänge  der  zwei-  und  dreichörigen  Pianoforte.  Da  natürlich  die 
allzudicken  Saiten  um  keinen  Stimmnagel  (Wirbel)  gewunden  und  auf 
gewöhnliche  Art  gestimmt  Averden  konnten,  so  hatte  der  Graf  zum  Stim- 
men Schrauben  angebracht,   welche   das   Verfahren  erleichterten.    Die 


124 

Hämmer  schlugen  nicht,  wie  gewöhnHch,  zwischen  dem  Stimmstock 
und  dem  Stege,  von  unten  hinauf,  sondern  von  oben  herunter  auf  die 
Saiten;  also  eine  Nachahmung  der  Pantalons.  Dies  war  auch  die  Art, 
wie  sie  in  jener  Zeit  bei  den  aufrecht  stehenden  oder  sogenannten  Ca- 
binet-Pianofortes  angebracht  wurden,  und  das  Urtheil  der  Sachverstän- 
digen leitete  damals  den  vollen  Discant  von  der  grösseren  Breite  des  Re- 
sonanzbodens her,  die  man  dadurch  allerdings  gewann.  Der  Graf  hatte 
nun  die  Hämmer  so  angebracht,  dass  sie  vor  dem  Hauptbalken  herum, 
wie  ein  Schwanenhals  gebogen,  anschlugen.  Dieses,  nebst  dem  Gewicht 
des  Hammers  machte  den  Anschlag  so  schwierig,  dass  die  grösste  Orgel 
mit  der  vollen  Koppelung  noch  leichter  zu  spielen  war,  als  dieses  In- 
strument, welches  gar  keinen  prompten  Triller  mit  einer  Hand  verstat- 
tete. Das  vierzehnjährige  Patent  verhinderte  wahrscheinlich  die  Aneig- 
nung der  Erfindung  von  Seiten  Broadwood's,  in  dessen  Macht  die  Ver- 
besserungen gelegen  hätten.  Trotz  seiner  damaligen  Unvollkommenheit 
wurde  dieses  Instrument  des  nicht  ungelehrten  Akustikers  und  Verfer- 
tigers einer  Notirmaschine  *)  bei  der  Versteigerung  mit  60  Pfund  Ster- 


*)  Die  bemerkenswerthesten  Erfinder  von  Notirmaschinen  sind  der  Reihe  nach: 
der  englische  Geistliche  Creed,  f  1770  zu  London,  dessen  Arbeit  1747  der  Akademie 
der  Wissenschaften  zu  London  vorgelegt  vmrde  (vergl.  Philosophical  Transactions  1747 
No.  183,  Martin'' s  Abridgment  Vol.  X,  p.  266,  in  Gerber' s  altem  Tonkünstlerlexikon 
pag.  312);  ferner  der  Justizrath  und  Bürgermeister  zu  Einbeck  Joh.  Friedrich  Unger, 
geb.  1716,  -welcher  1749  über  diesen  Punkt  der  Berliner  Akademie  seine  Ansichten 
mittheilte,  deren  Ausführung  nach  Eulers  und  Sulzers  Beschreibungen  der  Mechanikus 
Hohlfeld  übernahm.  Drittens  ist  der  Engländer  Merlin  zu  nennen,  dessen  Maschine  der 
Fürst  Galitzin  an  sich  brachte.  Viertens  schrieb  Pater  Engraviel  vom  Augustinerkloster 
der  Königin  Margarethe  zu  Paris  ein  Werk  über  die  Kunst,  „die  gespielten  Töne  auf 
Walzen  au  notiren"  (La  Tonotechie,  ou  l'art  de  noter  les  cylindres).  Sodann  sind  noch 
Gattey  1783,  Riedler  in  Bonn,  Pfeiffer  in  Stuttgart,  Stankojye,  Vinnicombe  in  London, 
Careyre,  Baudouin,  Wetzeis,  Pape,  Gu€rin  als  mit  solchen  Notirmaschinen  beschäftigte 
zu  nennen.  In  neuester  Zeit  versuchte  sich  der  Corrector  bei  Breitkopf  und  Härtel 
Herr  Claussnitz  in  Leipzig,  wiederum  in  Verfertigung  eines  solchen  Phthoggographs,  er- 
zielte aber  damit  ein  gleich  unvollständiges  Resultat,  wie  seine  Vorgänger.  Das  freie 
Fantasiren  ist  eine  schöne  Gabe,  die  man  im  Kreise  wohldenkender  Musikfreunde  un- 
bedenklich zur  Geltung  bringen  darf;  man  soll  aber  dieses  Fantasiren,  in  welches  sich 
trotz  der  grössten  Uebung  doch  hin  und  wieder  aphoristische  Tongrappen  anstatt  lo- 
gisch gegliederter  Tonbilder  einschleichen,  nicht  mit  dem  Componiren  verwechseln, 
zwischen  welchen  ein  ähnlicher  Unterschied  besteht,  wie  zwischen  einem  Stegreiftoaste 
und  einer  wohl  ausgearbeiteten,  zusammenhängenden  Rede.  Wer  es  in  seinen  Compo- 
sitionen  nie  über  das  Fantasiren  hinaus  gebracht  hat,  wird  eigentlich  nicht  zu  den  wah- 
ren Componisten  zählen  dürfen;  daher  auch  eine  Maschine  zur  Notirung  freier  Fanta- 
sien ganz  überflüssig  und  der  Kunst  nicht  im  Geringsten  zweckdienlich  ist. 


125 

ling  bezahlt.  Vielleicht  gingen  die  oben  erwähnten  zweichörigen  Piano- 
fortes  der  Broadwood'schen  Fabrik  aus  jener  Erfindung  des  Grafen  Stan- 
liope  hervor.  Ebenso  ist  das  Sostenente  Piano-Forte  des  Engländers 
Moti  zu  erwähnen,  dessen  Verfertigung  sich  auf  das  37  Jahre  vorher 
schon  in  England  bekannte  Cölestino  -  Instrument  Wallcer's  gründete. 
An  letzterem  war  nämlich  eine  seidene  Schnur  angebracht,  welche  in 
gerader  Linie  unter  den  Saiten  umlief  und  durch  einen  Fusstritt  mittelst 
eines  Schwungrades  gedreht  wurde.  Unter  dieser  Schnur  war  für  jeden 
Clavis  eine  messingene  Rolle,  welche  die  Schnur  an  zwei  Seiten  drückte 
und  dadurch  nicht  nur  einen  fortdauernden,  sondern  auch  einen  schnell 
ansprechenden,  zu-  und  abnehmenden  Ton  hervorbrachte.  Dieser  Er- 
findung fehlte  jedoch  Unterstützung  und  weitere  Ausbildung,  um  sie  ge- 
meinnützig zu  machen.  Motfs  Instrument  hatte  nun  auch  die  umlau- 
fende seidene  Schnur,  welche,  wie  der  Verfertiger  sagte,  einen  anderen 
Körper  in  eine  zitternde  Bewegung  versetzte,  wodurch  der  Ton  erzeugt 
wurde.  ■  Dieser  Ton  soll  viel  stärker,  als  bei  dem  Cölestino -Instrument 
gewesen  sein  und  alle  guten  Eigenschaften  von  letzterem  besessen  haben. 
Neben  Broadtvood  machten  sich  in  der  ersten  Hälfte  des  lOten 
Jahrhunderts  besonders  Jac.  TJian,  Bobert  Wormim,  W.  F.  Collarä, 
Stodart  und  Will.  Soiähwall  bemerkbar,  von  denen  der  erstere  einige 
unwesentliche  Veränderungen  am  Pianoforte  anbrachte  und  der  zweite 
namentlich  sein  Augenmerk  auf  die  Verbesserung  des  Saitenbezugs  rich- 
tete. Collard  aber  Hess  sich  schon  1 822  ein  Patent  darauf  geben ,  dass 
er  hinter  dem  eigentlichen  Hauptstege  noch  einen  Steg  (von  ihm  „the 
bridge  of  reverberation"  genannt)  auf  den  Resonanzboden  setzte  und 
zwar  in  einem  solchen  Abstände  von  dem  Hauptstege,  dass  der  hintere 
Theil  der  Saite,  dessen  Mitklingen  sonst  zu  Vermeidung  manches  Uebel- 
klanges  gewöhnlich  durch  Auflegung  auf  eine  weiche  Unterlage  oder 
vermittelst  durchgeflochtenen  Bandes  verhindert  wurde,  ein  aliquoter 
Theil  des  klingenden  Haupttheiles  war  und  also  einen  mit  dem  Haupt- 
tcne  harmonirenden  Ton  gab.  Der  Klang  sollte  dadurch  voller,  freier 
und  anhaltender  werden.  Durch  einen  Zug  konnte  man  das  Mitklingen 
des  hintern  Theiles  der  Saite  nach  Belieben  stattfinden  lassen  oder  weg- 
dämpfen. Stodart ,  in  jener  Zeit  Pianofortemacher  der  königlichen  Fa- 
milie, nahm  damals  ebenfalls  ein  Patent,  indem  er  nämUch  an  seinem  Com- 
pensation-Pateut-Pianoforte,  um  die  durch    Ausdehnung  bei  zunehmen- 


126 

der  Wärme  und  durch  grössere  Zusammenziehung  bei  mehr  Kälte  stattfin- 
dende Verstimmung  der  Saiten  zu  hindern,  oberhalb  von  dem  Wirbel- 
stocke nach  der  Anhängeleiste  zu  neun  der  Länge  nach  parallel  gehende 
Streben  angebracht  hatte,  die  aus  metallenen  Röhren  bestanden,  wozu 
noch  fünf  in  die  Quere  laufende  Streben  kamen.  Er  versicherte,  das 
Instrument  verstimme  sich  nicht  im  Mindesten  durch  Veränderungen  der 
Wärme  und  Kälte,  der  Klang  der  Saiten  sei  freier  und  dauere  länger, 
als  bei  anderen  Pianofortes,  weil  die  Spannung  von  dem  Resonanzboden 
weggenommen  und  weil  die  hölzernen  Streben  im  Innern  des  Instru- 
ments wegfielen  und  dieser  hohler  sei.  Die  metallenen  Röhren  sollten 
vermöge  ihrer  cylindrischen  Gestalt  auch  etwas  zum  Tone  beitragen, 
und  da  auf  dem  äusseren  Körper  des  Instruments  kein  Zug  laste  (wel- 
cher von  ihm  bei  einem  Pianoforte  von  6  Octaven  einem  Gewichte  von 
6^/2  Tonnen  oder  13000  Pfunden  gleichgeschätzt  wurde),  so  würde  da- 
durch die  ursprüngliche  gerade  Richtung  desselben  nie  verändert.  Das 
von  Will.  Southwall  1821  genommene  Patent  betraf  eine  ziemlich  zu- 
sammengesetzte Vorrichtung  an  Cabinet-Pianofortes,  die  wir  schon  oben 
als  gleichbedeutend  mit  den  aufrechtstehenden  bezeichneten,  wodurch 
der  Anschlag  stärker  und  der  Rückschlag  des  Hammers  v  rmieden  wer- 
den sollte. 

Ferner  berichtet  uns  der  berühmte  Akustiker  Chladni  von  dem  Zu- 
stande der  englischen  Pianofortebaukunst  vom  Jahre  1824,  dass  W.  Sto- 
dart  für  sein  Compensations-Pianoforte  ein  Patent  derart  nahm,  dass  in 
diesem  Instrumente  die  Ausdehnung  der  Saiten  durch  Hitze  und  Kälte 
vermittelst  Stemmungen  von  Röhren,  die  aus  demselben  Metalle  bestan- 
den und  über  den  Saiten  angebracht  waren ,  compensirt  wurde.  Die 
Vortheile,  welche  der  Verfertiger  angab,  waren  folgende:  1)  Da  die  ganze 
Spannung  der  Saiten  auf  den  Resonanzboden  wirkt,  ist  der  Ton  von 
längerer  Dauer;  2)  unterwärts  ist  weniger  Holz  nöthig  und  das 
Innere  bleibt  hohler;  3)  die  Röhren  selbst  bei  ihrer  cylindrischen  Form 
vermehren  den  Klang;  4)  da  am  Körper  des  Instrumentes  kein  Zug 
stattfindet,  so  behält  es  mit  mehr  Dauer  seine  Gleichheit  und  Stärke. 
Ein  solches  Instrument  mit  gewöhnlichem  Kasten  kostete  110  Pfund 
5  Schilling,  und  mit  einem  eleganten  Kasten  126  Pfund.  Andere  ge- 
wöhnliche Instrumente  kosteten  bei  ihm  von  37  Pfund  bis  68  Pfund 
5  Schilling.     So  viel  ist  nach  Chladni's  Versicherung  anzunehmen  ge- 


127 

wesen,  dass  die  über  den  Saiten  befindliche  Strebung  von  starken  me- 
tallenen Röhren,  die  ungefähr  einen  Zoll  im  Durchmesser  hatten,  aller- 
dings wohl  M'irksam  sein  konnte,  das  Ziehen  und  die  dadurch  entstehende 
Verstimmung  zu  hindern.  Der  Klang  des  Instruments  sei  übrigens  auf- 
fallend stark  und  voll  und  dabei  sehr  angenehm  gewesen;  doch  hätten 
sich  auch  Instrumente  von  Broaäwood  &  Sfhne,  von  Glementi  <€■  Comp. 
und  von  Tonikinson  sehr  ausgezeichnet.  CoUard's  eine  Verbesserung  habe 
in  einem  auf  dem  Resonanzboden  angebrachten  zweiten  Stege  bestanden 
(es  war  mithin  eine  neue  Auflage  seines  früheren  Patentes).  Die  andere 
Verbesserung  desselben,  der  harmonische  Schweller  (harmonic  Swell)  ge- 
nannt, war  ein  Zug,  vermittelst  dessen  auch  der  zwischen  der  Anhängeleiste 
und  dem  grossen  Steg  befindliche  Theil  der  Saiten  harmonisch  mitklang, 
ohne  besonders  angeschlagen  zu  werden,  folglich  wiederum  eine  Aufwär- 
mung alter  Kost.  Die  Wirkung  war  ungefähr  dieselbe,  wie  beim  Spielen 
mit  gehobenen  Dämpfern ;  doch  tönten  dabei  nicht  alle,  sondern  nur  die  ange- 
schlagenen Töne  nach  *).  W.  Southivall  wollte  durch  mehr  als  gewöhn- 
liche Länge  des  Hammers  einen  volleren  Anschlag  erzielen;  ebenso 
rühmten  Erard  in  London  und  Francis  Deakin  in  Birmingham  ihre  Er- 
findungen in  dieser  Hinsicht,  und  Henry  Smart  brachte  an  tafelförmigen 
Pianofortes  eine  Stemmung  vermittelst  eines  über  den  Saiten  liegenden 
Dreiecks  von  Gusseisen  an,  um  das  Ziehen  zu  beseitigen.  Derselbe 
Hess  sich  zwei  Jahre  später  einen  Mechanismus  patentiren,  welcher  ver- 
hindern sollte,  dass  an  aufrechtstehenden  Pianofortes  die  Hämmer  an 
die  Saite  noch  einmal  anschlagen  könnten. 

Dass  mit  solchen  Patenten  viel  Humbug  getrieben  wurde,  wie  es 
heutzutage  ebenfalls  der  Fall  ist,  und  das  Alte  immer  wieder  als  neu 
Erfundenes  erschien,  meint  auch  schon  Chladni,  weshalb  wir  uns  selbst- 
verständlich nur  auf  das  Aliernothwendigste  beschränken.  Von  den  be- 
weglicheren Franzosen  wurden  im  19ten  Jahrhundert  deutsche  und  fran- 
zösische  Erfindungen  nach  England  gebracht,  wo  im  Jahre  1829  der 
bedeutendste  Pianofortebauer  Broadwood  in  der   Mechanik  immer  noch 


*)  In  England  wurden  in  der  ersten  Hälfte  des  neunzehnten  Jahrhunderts  auch 
Bogenclaviere  verfertigt,  so  z.  B.  erhielt  Thomas  Thodd  ein  Patent  auf  eine  Art 
Bogenclavier,  wo  die  Töne  durch  Sti-eichen  vermittelst  gespannter  Fäden  hervorgebracht 
wurden,  die  ein  um  Rollen  gehendes  Laufband  bildeten.  Anstatt  der  früher  zu  diesem 
Zwecke  ''ebrauchten  Darmsaiten  wendete  Thodd  Drahtsaiten  an. 


128 

sehr  schwere  Instrumente  baute,  deren  Vergleichung  mit  den  deutschen 
später  gegeben  werden  soll.  Hauptsächlich  ist  zu  beachten,  dass  sich 
die  Broadwood'sche  Hammermechanik  —  und  von  dieser  hängt  ja  die 
Klangfarbe  wesentlich  ab  —  aus  der  complicirten  Victoriarepetition 
SouthwaWs  nach  und  nach  herausentwickelte,  nachdem  eben  Fremdes  mit 
acceptirt  worden  war.  Die  Broadwood'sche  Hammermechanik  ist  in 
neuerer  Zeit  aber  durchaus  übertroflFen,  und  namentlich  ist  es  Blüthner 
in  Leipzig,  der  hinsichtlich  dieses  Theiles  der  Pianofortebaukunst 
Vorzügliches  leistet,  gleichwie  auch  die  amerikanischen  und  französischen 
Instrumente  in  diesem  Punkte  alle  Anerkennung  verdienen*). 

A.\iidi&a.ge,msi\&n.  Sebastian  Erard,  den  Deutschen  aus  Strassburg**), 
welcher  mit  seinem  Bruder  seit  dem  Jahre  1776  in  Paris  Pianoforte 
baute  und  später  auch  in  England,  wie  bereits  erwähnt,  eine  Fabrik  an- 
legte, blicken  die  Franzosen  mit  Stolz.  Er  ist  nächst  dem  deutschen 
Stein  einer  der  sinnreichsten  Verbesserer  der  modernen  Hammermecha- 
nik und  seine  im  Jahre  1823  vorgenommenen  Vervollkommnungen  bahn- 
ten einen  neuen  We«;  zu  weiteren  Fortschritten. 


*)  Der  Amerikaner  Coleman  in  London  ahmte  die  Vorrichtung  nach,  mittelst  deren 
man  den  Ton  des  Pianoforte  so  lange  nachklingen  lassen  konnte,  als  man  wollte.  Sie 
war  vom  Instrumente  unabhängig,  störte  das  Spiel  nicht  und  zeichnete  sich  durch  Wohl- 
feilheit aus. 

**)  Seb.  Erard,  geb.  den  5.  April  1752  zu  Strassburg,  zeichnete  sich  schon  als 
Knabe  durch  sein  mechanisches  Geschick  aus.  Durch  den  Tod  seines  Vaters  veran- 
lasst, wanderte  er  ohne  Mittel,  sechzehn  Jahre  alt,  nach  Paris,  nahm  Arbeit  bei 
einem  Instrumentenmacher  und  erfand  bald  sein  Clavecin  mecanique ,  welches  drei 
Register  mit  Federn  und  ein  Lederregister  besass,  mithin  Docken-  nnd  Ham- 
merschlag vereinigte ,  und  dies  geschah  dadurch ,  dass  er  gewissermassen  zwei 
Claviere  oder  besser  zwei  mit  Saiten  bezogene  Resonanzböden  in  einem  Kasten  her- 
stellte, von  denen  der  eine  mit  um  eine  Octave  höher  klingenden  Saiten  bespannt  war. 
Das  Ertönenlassen  geschah  durch  zwei  Claviaturen,  die  auch  gekoppelt  werden  konnten. 
(Im  Jahre  1806  versuchte  diese  schon  mehr  als  dreissig  Jahre  alte  Erfindung  ein 
Instrum  er  tenbauer  Schmidt  wieder  nachzumachen.)  Er  verband  sich  später  mit  seinem 
Bruder  Jean  Baptiste  Erard,  mit  dem  er  seine  grosse  Fabrik  gründete.  Durch  die 
französische  Revolution  vertrieben,  ging  er  nach  England,  woselbst  er  ebenfalls  eine  Fabrik 
für  Claviere  und  Harfen  errichtete.  1796  nach  Frankreich  zurückgekehrt,  baute  er 
Pianofortes  nach  englischem  System,  verbesserte  jedoch  bald  die  etwas  schwerfällige 
Construction.  Er  starb  nach  thätiger  Direction  seiner  beiden  Fabriken  in  London  und 
Paris  am  5.  August  1831  auf  seinem  Schlosse  „La  Muette"  bei  Paris.  Sein  im  Jahre 
1796  geborener  Neffe,  Pierre  Erard,  brachte  die  Fabrik  in  grossartigen  Aufschwung  und 
reröftentlichte  im  Jahre  1834  eine  Zusammenstellung  aller  Erfindungen,  welche  seit  dem 
Bestehen  des  Erard'schen  Etablissement  gemacht  worden  waren.  (Perfectionnements 
apportes  dans  le  mecanisme  du  piano  par  les  Erard,  depuis  l'origine  de  cet  Instrument 
jusqu'ä  l'exposition  de  1834.    Paris  1834.) 


129 


Nachdem  Seh.  Erard  das  in  der  Anmerkung  erwähnte  Clavecin 
mecanique  1768  erfunden,  sein  erstes  Fortepiano  im  Palaste  der  Herzo- 
gin Madame  de  Villeroy  construirt,  1785  von  Louis  XVI.  ein  Patent 
auf  ungehinderte  Ausübung 
seinea  Faches  erhalten,  für 
die  Königin  Marie  Antoinette 
ein  mit  der  Orgel  verbundenes 
Piano  mit  zwei  Claviaturen, 
die  eine  für  das  Piano,  die 
andere  für  die  Orgel,  gefer- 
tigt, sein  Echappement  nach 
enorlischem  Muster  an  der 
Hammermechanik  1794  an- 
gebracht, durch  die  Vorträge 
Sieibelfs  u.  Dusseh' s,  welche 
nur  seine  Pianos  spielten,  eine 
Berühmtheit  erlangt  und  ver-  ^ 
schiedene  wesentliche  Verbes-  | 
serungen  an  der  Harfe  vorge- 
nommen  hatte,  trat  er  auf 
der  Pariser  Ausstellung  im 
Jahre  1823  mit  seinem  Double 
Echappement  hervor.  Dasselbe 
bietet  den  Vortheil,  dass  der 
Hammer  nach  Anschlag  und 
Auslösung  nicht  ganz  wieder 
in  die  Lage  seiner  Ruhe  zu- 
rückfällt, sondern  dass  ihn 
während  des  Niederhaltens  der 
Taste  eine  zweite  Stosszunge 
aufnimmt  und  er  dann  in  sol- 
cher Stellung  die  Elasticität 
besitzt,  sogleich  wieder  an  die  Saite  zu  schlagen,  wenn  der  Fingerdruck 
auf  die  Taste  auch  in  ganz  zarter  "Weise  erneuert  wird. 

Von  den  beiden  gegebenen  Figuren  stell'  Figur  a  den  Hammer  in 

der  Lage  seiner  Ruhe  dar,  während  Figur  b  die   Stellung  angiebt,  in 

9 


130 


welcher  der  Hammer  zur  Repetition  befähigt  ist.  Nachdem  Sebastian 
Erard  seine  Agraffen  im  Jahre  1809  bereits  zur  Freilegung  der  Saiten 
erfunden,  dachte  der  Neffe  Pierre  Erard  daran ,  dieses  System  noch  zu 

'  verbessern.     Er  erfand  nach 

langem  Nachdenken  zur  Un- 
terstützung der   Klangschön- 
heit im  Jahre  1838  die  Barre 
harmonique,  deren  Gestalt  in 
Figur  c    abgebildet  ist    und 
deren  Lage  auf  den  Discant- 
Saiten  den  höheren  Tonregio- 
nen ein  richtiges  Verhältniss 
zur  Mitte  und  zum  Basse  des 
Instrumentes  ermöglichte.  Der 
Durchschnitt  dieser  Barre  har- 
monique ist  in  Figur  d  vor- 
geführt, und  in  Figur  e  finden 
wir  den  im  Jahre  1850   von 
Pierre    Erard    angewandten 
Metallsteg  über  den  Discant- 
saiten,  um   diesen  eine  grös- 
sere Intensität   des    Klanges 
zu  geben.     Die  von  ihm  ge- 
brauchten, von  seinem  Onkel 
erfundenen  Agraffen  erkennen 
wir  in   Figur  f  und  g,    und 
alle  diese  Vorrichtungen  bil- 
den auch  noch  in  der  neue- 
sten Zeit  das  Fundament  des 
englisch  -  französischen     Me- 
chanismus.    Figur   h   macht 
uns  den  ganzen  Agraffensteg 
von  Pierre  Erard  anschaulich  und  lässt  uns  auf  das  erfindungsreiche 
Genie  dieses  Mannes,  welcher  der  Pianofortebaukunst  so  grossen  Vor- 
schub leistete,  mit  Hochachtung  blicken. 

Neben  Erard  ist  der  genialste  französische  Erfinder  im  Pianofortebau 


131 


1 


Jl 


Fiffiir  0. 
^ 


n 


Pape.  Als  dieser  im  Jahre  1826  auf 
den  Gedanken  kam ,  den  Mechanis- 
mus seiner  Pianoforte  über  die  Saiten 
hin  anzubringen ,  erklärten  mehrere 
Künstler  und  Pianofortebauer,  dass 
er  damit  nie  zu  einem  befriedigenden 
Resultate  kommen  würde  Vorzüg- 
lich befürchtete  man  eine  schwere 
Spielart,  obgleich  Fetis  den  Gegen- 
beweis anzutreten  suchte,  derselbe 
stellte  die  Ansicht  auf,  dass  die  Töne 
viel  reiner  und  heiler  erklingen,  wenn 
die  Hämmer  beim  Anschlage  gegen 
den  Resonanzboden  die  Saiten  be- 
rühren, als  wo  sie  nach  gewöhnlicher 
Weise  die  Saiten  von  unten  aus  ihrer 

Piffur   e 


Figur  d. 


Lage  heben.  Pope  schien  aber  doch  selbst 
manche  Mängel  bemerkt  zu  haben,  da  er 
seinen  Mechanismus  durch  fortgesetztes 
Nachdenken  vereinfachte  und  für  dessen 
Dauerhaftigkeit  dadurch  sorgte ,  dass  er 
den  Resonanzboden   mehr  auf  den  Grund 


Figur  f. 


Figur  g. 


9-" 


132 


des  Instrumentes  senkte  und 
den  Zug  der  Saiten  an  der 
kräftigsten  Stelle  des  Ka- 
stens anbrachte,  wobei  ober- 
halb der  volle  Raum  für  eine 
bestmögliche  Disposition  des 
Mechanismus  zu  ungehin- 
dert freier  Wirkung  benutzt 
werden  konnte.  Diese  Ver- 
vollkommnung sollte  den 
Vortheil  bieten,  dass  die  bei 
anderer,  gewöhnlicher  Bau- 
art der  Pianofortes  ange- 
wandten schweren  Gestelle 
und  eisernen  Stangen  in 
Fape^s  Instrumenten  ganz 
wegblieben.  Die  früheren 
Einwendungen  gegen  die 
Schwerfälligkeit  des  Me- 
chanismus wurden  dadurch 
vollkommen  beseitigt,  weil 
nun  seine  Claviaturen  in  der 
Behandlung  ebenso  leicht 
waren,  als  die  der  allerleich- 
testen  Pianos,  und  noch  da- 
bei den  Vorzug  besassen, 
dass  man  jeden  beliebigen 
Grad  der  Stärke  darauf  her- 
vorbringen konnte.  Der  Ton 
derselben  wurde  als  voll, 
kräftig  und  schön  gerühmt, 
ebenso  habe  man  —  wie  Be- 
richte aus  jener  Zeit  melden 
—  das  Vorurtheil  aufgeben 
müssen,  dass  die  Schnecken- 
feder, welche  die  Hämmer 


133 

aufhebt,  durch  den  Gebrauch  bald  geschwächt  würde.  Eine  andere  sei- 
ner Verbesserungen  bestand  darin,  dass  er  denTheil,  wo  die  Taste  gegen 
die  Stifte  sich  bewegt,  mit  einem  durch  eine  Schraube  regulirten  Leder- 
chen belegte,  wodurch  er  das  Geräusch  der  Tasten  gänzlich  zu  vermeiden 
suchte.  Seine  tafelförmigen  Pianoforte  erfreuten  sich  einer  grossen,  weit- 
verbreiteten Anerkennung,  sowie  auch  seine  flügeiförmigen  Instrumente 
und  sein  neu  erfundenes  Piano  table  als  vorzügliche  Kunstwerke  galten. 
Die  Construction  seiner  Instrumente  war  damals  ungefähr  folgende: 
Auf  einem  ebenen  Boden  ohne  Höhlungen,  Gestelle  und  eiserne  Stangen 
lief  der  Steg,  worauf  die  Saiten  von  einem  Ende  des  Instrumentes  bis 
zum  andern  gespannt  waren,  durch  welches  Mittel  der  Kasten  verkürzt 
und  doch  die  Länge  der  Saiten  beibehalten  werden  konnte.  Ferner 
wurde  durch  diese  Bauart  die  Ziehkraft  beinahe  um  ^/g  vermindert,  wenn 
man  die  Saiten  an  der  Stelle  anbrachte,  wo  der  Widerstand  am  stärk- 
sten war,  was  man  zugleich  als  eine  Bürgschaft  für  die  Dauerhaftigkeit 
dieser  Instrumente  ansah,  die,  so  verkürzt  und  von  allem  Ueberflüssigen 
befreit,  beinahe  um  200  Pfund  leichter  waren,  als  die  gewöhnlichen. 
Der  ganze  Mechanismus  erschien  so  einfach,  dass  kaum  die  Hälfte  der 
Stücke  und  ihres  Gewichts,  gegen  die  gewöhnlichen  gehalten,  herauskam. 
Die  Tasten  waren  nicht  halb  so  lang,  als  die  früheren;  die  Hämmer, 
welche  unmittelbar  vermittelst  eines  Schwengels  auf  die  Saiten  schlugen, 
hatten  nur  eine  einzige  Reibung,  während  man  bei  anderen  Bauarten 
fünf  bis  sieben  beobachten  konnte.  Desgleichen  gewährte  dieser  Me- 
chanismus wegen  seiner  Einfachheit  dem  Stimmer  manche  Vortheile. 

Das  kleine  Plana  table  JPape's  glich  in  Form  und  Umfang  einem 
mehreckigen  Tische.  Hob  man  den  oberen  Theil  desselben  auf,  so  sah 
man  die  Claviatur,  welche  bis  auf  den  Punkt,  wo  man  spielte,  auf  ßoUen 
hervorgezogen  wurde.  Der  Anschlag  war  leicht  und  bequem,  der  Ton 
weit  voller  und  singender,  als  in  den  kleinen  verticalen  Pianos,  und  über- 
raschend im  Verhältniss  zur  Kleinheit  des  Instrumentes ;  den  Mechanismus 
soll  Pape  so  dauerhaft,  wie  bei  flügel-  und  tafelförmigen  Instrumenten 
hergestellt  haben,  so  dass  nach  dem  allerdings  mit  grosser  Vorsicht  auf- 
zunehmenden Urtheile  von  Fetis  die  Vollkommenheit  dea  Instrumentes 
bis  auf  Kleinigkeiten  eine  kaum  zu  überbietende  gewesen  sei. 

Pape's  weitere  Verdienste  bestanden  in  der  Einführung  von  befilz- 
ten anstatt  belederten  Hämmern,  wodurch  die  Flügel  zum  Concertvor 


134 

trag  passender  gemacht  wurden,  wogegen  für  die  grössere  Dauerhaftig- 
keit unbestritten  die  Belederung  zu  empfehlen  ist*). 

Als  einer  der  ältesten  Pariser  Pianofortefabrikanten  zeichnete  sich 
auch  Johann  Wilhelm  Freudenthaler  (geb.  in  Neckarkardach  bei  Heilbronn 
im  Jahre  1761)  aus,  welcher  durch  seinen  geraden  Sinn,  durch  seine 
Eechtschaffenheit ,  Wohlthätigkeit  und  Herzensgüte  allgemein  ge- 
schätzt war. 

Nach  Erarä  war  Freudenthaler' s  Etablissement  in  Paris  das  älteste. 
Kraft  des  Tones,  Solidität  und  Dauerhaftigkeit  der  Bauart  waren  die 
wesentlichsten  Eigenschaften  seiner  Instrumente,  und  wenn  sie  nicht  alle 
anderen  an  Reiz  und  Anmuth  im  Tone  und  an  Leichtigkeit  der  Spielart 
übertrafen,  so  hatten  sie  das  voraus,  dass  sie,  bis  auf  die  endliche  Ab- 
nutzung der  Claviatur  und  der  Hämmer,  gleich  einer  gut  gebauten  Vio- 
line mit  der  Zeit  noch  merklich  gewannen:  eine  bei  dem  Pianoforte 
äusserst  seltene  Erscheinung,  deren  Möglichkeit  aber  Freudenthaler  durch 
mehr  als  2000  Instrumente  hinreichend  bewies.  Früher  war  er  vorzüg- 
lich durch  seine  flügeiförmigen  Pianofortes  in  grossem  Rufe.  Durch  die 
Stärke  und  Dauer  des  Tones  eigneten  sich  dieselben  besonders  zur  Be- 
gleitung mehrstimmiger  Musikstücke;  dieses  mochte  auch  die  Admini- 
stration der  Academie  royale  de  musique  und  des  Theätre  royal  italien 
bewogen  haben,  alle  ihre  Pianofortes  von  Freudenthaler  zu  beziehen  und 
ihm  ein  Brevet,  als  ihrem  einzigen  Ciaviermacher,  zu  ertheilen. 

Freudenthaler  war  in  Paris  der  Einzige,  welcher  den  Resonanzboden 
in  schiefer  Lage  seiner  Streifen  (Jahre)  von  der  Linken  zur  Rechten  be- 
festigte, wie  es  Broadwood  in  London,  Dieudonne  &  Schiedmayer  in 
Stuttgart  thaten.  Er  überfirnisste  seine  Resonanzboden  und  bediente  sich 
Berliner  Saiten.  Freudenthaler  trat  noch  bei  seinen  Lebzeiten,  ein  Jahr 
vor  seinem  Tode,  die  Fabrik  seinen  beiden  Söhnen  ab,  welche  der  Er- 
wartung, dass  sie  ihre  Instrumente  noch  zu  höherer  Vollkommenheit 
bringen  würden,  auch  entsprachen.  Sie  vereinigten  Alles,  was  zu  einem 
tüchtigen  Instrumentenmacher  erfordert  wurde,  natürliche  Anlage,  den 


*)  Pape's  Pianoforte  ohne  Saiten  besassen  anstatt  der  Saiten  Metallplatten,  welche 
äurch  Hammeranschlag  zum  Ertönen  gebracht  ^nirden.  Sein  achtoctaviges  Pianoforte 
hatte  er  so  eingerichtet,  dass  die  Claviatur  je  nach  Belieben  durch  Bedeckung  mehrerer 
Bass-  und  Discanttasten  bis  zu  672  Octaven  verkürzt  werden  konnte.  Dagegen  war 
Pape's  und  Mercier's  Mechanik  zum  Transponiren  nur  eine  Wiederholung  früherer  Erfin- 
dungen in  diesem  Punkte. 


135 

Unterricht  ihres  Vaters,  gute  Kenntnisse  in  der  Mechanik  und  Akustik, 
die  auf  ihren,  zu  diesem  Zwecke  gemachten  Reisen  und  besonders  in 
England  gesammelten  Beobachtungen  und  eine  Virtuosität  im  Clavierspiel, 
die  den  anderen  Pariser  Ciaviermachern  meistentheils  fehlte.  Die  weiteren 
französischen  Resultate  in  der  ersten  Hälfte  des  19ten  Jahrhunderts  sind 
durch  die  Londoner  Ausstellung  von  1851  noch  klarer  zu  erkennen. 

Gleichwie  vorher  Kalkbrenner  und  Pleyel,  gründete  auch  Henri 
Hers,  der  bekannte  Ciavierspieler  und  Componist,  eine  Ciavierfabrik, 
welche  sich  durch  ihre  Fabrikate  auf  verschiedenen  Ausstellungen  be- 
merkbar machte,  ohne  sich  durch  besonders  hervorstechende  Erfindungen 
auszuzeichnen.  Das,  was  die  Gebrüder  Erard  bis  in  die  neuere  Zeit 
geleistet  hatten,  blieb  für  Frankreich  massgebend*). 

In  Deutschland  waren  in  der  ersten  Hälfte  des  19ten  Jahrhunderts 
namentlich  die  österreichischen  Firmen  berühmt,  da  die  übrigen  deutschen: 


*)  Von  dem  vielgerühmten  in  Paris  ansässigen  deutschen  Instrumentenmacher  Roller 
sah  man  auf  der  Pariser  Kunstausstellung  1824  ein  Pianoforte  von  besonderer  Con- 
stxuction.  Der  Umfang  des  Instrumentes  war  von  C  (16  Fuss)  bis  in  das  fünfgestrichene 
C.  Mittelst  eines  Schlüssels  gleich  dem  einer  Pendeluhr  wurde  die  Claviatur  nach 
Willkühr  ein,  zwei,  drei,  vier  oder  fünf  Halbtöne  auf-  oder  abwärts  geschoben.  Im 
ersten  Falle  verschiebt  sich  mit  jedem  Halbtone  eine  Taste  unter  dem  Resonanzboden, 
bei  dem  Herabstimmen  aber  verschwinden  nach  und  nach  fünf  Basstasten.  Diese  Vor- 
richtung war  jedoch  keine  neue  Erfindung,  sondern  wir  hatten  dieselbe  in  ähnlicher 
Weise  beim  „Transponirclavicymbel"  kennen  gelernt.  Zur  Zeit  Roller's  bediente  man 
sich  derselben  auch  in  Deutschland,  London,  Petersburg  und  an  anderen  Orten. 

Die  Instrumentenbauer  nahmen  überhaupt  auf  häufig  schon  längst  dagewesene  Dinge 
Patente,  z.  B.  der  hier  erwähnte  Roller,  J.  B.  Wagner  aus  Arras,  Nie.  Legros  de  la 
Neuville  zu  Paris,  Gebrüder  Erard  für  Pianofortes  mit  einem  neuen  Mechanismus  und 
zwei  Reihen  Tasten  einander  gegenüber. 

Von  derselben  Zeit,  also  im  Jahre  1824,  wird  aus  Paris  berichtet: 

„Der  junge  Liszt,  der  sich  seit  einiger  Zeit  in  tmseren  vorzüglichsten  Privat-Concer- 
ten  hören  Hess,  hat  auch  diesesmal  mit  seinem  fertigen,  naiven  und  gefühlvollen  Cla- 
vierspiele,  seiner  freien  Phantasie  und  —  seiner  Kindheit,  den  ausserordentlichsten  Bei- 
fall erhalten.  Er  spielte  ein  Clavierconcert  von  Hummel  in  Hmoll,  auf  einem  Flügel 
von  7  Octaven  (vom  Contra-  C  bis  zum  fünfgestrichenen  C),  der  durch  diese  übertrie- 
bene Ausdehnung  den  Uebelstand  mit  sich  führte,  keine  Stimmung  zu  halten.  Man 
war  genöthigt,  in  der  Mitte  eines  Stückes  abzubrechen,  um  die  um  einen  halben  Ton 
gesunkenen  Saiten  bestmöglichst  hinaufzustimmen,  und  die  zerrissenen  wieder  zu  ersetzen. 
Mag  wohl  dieser  Unsinn,  dem  Umfange  des  Pianofortes  keine  Schranken  zu  lassen  von  den 
Clavierspielem  herrühren,  die  dadurch  neue  Effecte  zu  erhaltet,  glauben,  oder  vielmehr 
von  den  Ciaviermachern ,  ^  die  dadurch  ihren  Instrumenten  einen  Vorzug  und  Käufer  zu 
verschaffen  suchen?  Das  Orchester,  das  doch  alle  erdenkliche  Effecte  besitzt,  begnügt 
sich  mit  einer  Ausdehnung  vom  Contra  G  bis  viergestrichen  C;  wenn  dieses  Orchester 
aber  ein  einziges  Instrument  wäre  und  dieses  Instrument  von  einenr  einzigen  Manne 
verfertigt  würde,  so  besässe  es  zuverlässig  schon  lange  ein  Halb  Dutzend  Octaven  mehr  " 


136      ' 

Härtel,  Schamhach,  Irmler  in  Sachsen,  Stocher,  Kisting,  Perau,  Bessa- 
US,  GehanJir,  EcJc,  Braun,  Schiedmayer,  Dörner,  Lipp,  JRümüUer  u.  s.  w. 
wohl  kaum  eine  wirklich  neue,   eigene  Erfindung  aufzuweisen  hatten*). 


*)  Bis  zum  Jahre  1851  herrschte  in  Deutschland  die  österreichische  Hauptstadt  fast 
allein  im  Pianofortebau. 

In  Norddeutschland  regte  sich  zwar  auch  die  Intelligenz;  der  Pianofortebau  kam 
aber  in  der  ersten  Hälfte  des  19ten  Jahrhunderts  doch  zu  keiner  rechten  Blüthe.  Ein- 
zelne Daten  dürften  für  Norddeutschland  genügen.  Zum  Beispiel  wird  vom  Jahre  1804 
aus  Berlin  berichtet:  Bei  der  diesjährigen  Ausstellung  der  Kunstwerke  der  Königlichen 
Akademie  der  bildenden  Künste  und  mechanischen  Wissenschaften  sind  auch  einige  Ar- 
beiten hiesiger  musikalischer  Instrumentenmacher.  Herr  J.  Müller  hat  zwei  aufrecht- 
stehende Pianoforte  auf  zweierlei  Art  nach  eigener  Erfindung  geliefert ;  Herr  J.  G. 
Conrad  ein  Fortepiano  von  Mahagoniholz  in  ovaler  Form  mit  Bronze  verziert,  von  Contra 
E  bis  viergestrichen  C;  Herr  F.  Wilcke  ein  Pianoforte;  Herr  G.  Hoffmann  ein  Forte- 
piano in  rundem  Format,  von  Contra  jP  bis  viergestrichen  C ;  die  Herren  Wagner  und 
Evert  ein  aufrechtstehendes  Fortepiano,  mit  Marmor-  und  Alabasterverzierungen,  in  der 
Form  eines  Cylinders,  mit  einem  Aufsatz,  worauf  sich  eine  Achttageuhr  befindet;  end- 
lich Herr  Schramm  ein  Ciavier  und  ein  aufrechtstehendes  Fortepiano. 

Im  Jahre  1806  wurden  in  Berlin  von  der  Königlichen  Akademie  der  bildenden 
Künste  und  mechanischen  Wissenschaften  in  den  Sälen  der  Akademie  öffentlich  ausge- 
stellt :  Von  Herrn  Schramm :  ein  Doppel-Fortepiano  mit  zwei  Claviaturen  nach  eigener 
Idee;  von  Herrn  Conrad:  ein  Ciavier  bis  zum  viergesti-ichenen  c;  von  Herrn  Gre/ ein 
dreichöriges  Fortepiano  in  Flügelform  und  eins  in  Ciavierform,  beide  mit  alabasternen 
Verzierungen  vom  Bildhauer  Wolff;  von  Hrn.  Langenbach:  ein  aufrechtstehendes  Forte- 
piano in  Cylinderform ;  von  Hrn.  J.  Müllet :  ein  aufrechtstehendes  Fortepiano  in  Form 
eines  Meubels  und  ein  Fortepiano  in  Ciavierformat;  von  Hrn.  Combe:  ein  Fortepiano, 
dessen  innerer  Bau  sich  durch  einen  neuerfundenen  Mechanismus,  so  wie  auch  durch 
einen  sehr  angenehmen  Ton  und  sehr  dauerhafte  Einrichtung  auszeichnet;  (von  Hrn. 
Thielemann:  eine  Lyra-Guitarre  und  eine  Guitarre  mit  einer  neuen  mechanischen  Vor- 
richtung, nach  welcher  die  Wirbel  an  den  Seiten  des  Halses  der  Guitarre  so  angebracht 
sind,  dass  sie  vermittelst  der  Schraube  ohne  Ende  das  Umdrehen  einer  kleinen  Welle 
bewirken,  um  welche  die  Saite  befestigt  ist,  wodurch  der  Vortheil  entsteht,  das  Instru- 
ment auf  das  Genaueste,  Leichteste  und  in  der  nämlichen  Lage,  worin  es  gespielt  wird, 
stimmen  zu  können).  Wilhelm  Vollmer,  Pianofortemacher  in  Berlin,  erhielt  im  Jahre 
1822  ein  Patent  für  ein  Tasteninstrument,  wo  metallene  Federn  durch  Luft  in  Bewe- 
gung gesetzt  werden,  von  ihm  Mc'odikt.  genannt,  welches  der  Fhysharmonika  ganz  ähn- 
lich war.  . 

Im  Jahre  1824  wurden  in  Berlin  zu  Concerten  dreichörige  Pianofortes  verwendet, 
Der  Pianist  Hr.  Carl  Arnold  spielte  auf  einer  neuen  Art  dreichöriger  Pianofortes,  die 
Hr.  Kisting  in  Tafelform  verfertigt  hatte,  und  die  sich  durch  ungewöhnliche  Stärke  des 
Tones  und  gute  Spielart  ausgezeichnet  haben  sollen,  da  der  Mechanismus  de?  Anschlags 
und  der  Abdämpfung  verbessert  war. 

Der  akademische  Künstler  J.  Grüneberg  in  Halle,  dessen  Vater  das  Piano-droit  ein- 
führte ,  baute  im  Anfang  des  Jahres  1843  einen  Cabinetflügel ,  in  welchem  der  soge- 
nannte Leistenkasten  durch  ein  eisernes  Gerippe  ersetzt  wurde.  Zwar  baute  er  das 
Gehäuse  der  damaligen  Flügelform  ganz  ähnlich  von  Holz,  doch  war  das  Innere,  wo 
sonst  Stimmstock,  Anhängeplatte,  Resonanzboden,  iiölzerne  und  eiserne  Verspreizungen 
befindlich,  ganz  leer.     Alle  Theile,   welche  zur    Befestigung    und    Spannung    der    Saiten 


137 

Eine  der  ältesten  Firmen  Oesterreichs  ist  die  von  Streicher,  deren  erster 
Besitzer  der  Tochtermann  des  alten  verdienstvollen  Stein  war  und  ausser 
seiner  ausgezeichneten  fachmännischen  Wirksamkeit  durch  sein  Freund- 
schaftsverhältniss  zu  Schiller,  dessen  Biographie  er  in  Angriff  nahm 
interessant  geworden  ist.  Geboren  1761  zu  Stuttgart,  verheirathete  er 
sich  mit  der  tüchtigen  Pianistin  und  Pianofortebauerin  Nannette  Stein 
1794  und  trat  in  deren  vom  Vater  ererbten  Fabrik  später  als  thätiges 
Mitglied  ein,  nachdem  er  früher  hauptsächlich  als  Lehrer  im  Pianoforte- 
spiel thätig  gewesen  war.  Seinen  Sohn,  Herrn  J.  JB.  Streicher,  Hess 
der  treffliche  Joh.  Andreas  Streicher  musterhaft  erziehen,  sendete  ihn  so- 
dann zur  weiteren  Vervollkommnung  auf  Reisen  und  übergab  ihm  lange 
vor  seinem  Tode,  der  ihn  71  Jahre  alt  traf,  die  ganze  Fabrik  zur  selbst- 
ständigen Führung.  Streicher's  fachliche  Leistungen  haben  sich  stets 
durch  ihre  Vollkommenheit,  sowie  durch  sinnreiche  Verbesserungen  und 
Erfindungen  ausgezeichnet.  Besondere  Erwähnung  verdient  in  dieser 
Beziehung  die  von  ihm  im  Jahre  1823  construirte  und  durch  15  Jahre 
patentirt  gewesene  Hammerschlagmechanik  von  oben,  woraus  1829  sein 
Patent  -  Flügel  mit  erhabener  Tastatur  hervorging.  Der  übrige  Theil 
desselben  war  niedriger  und  wohl  um  die  Hälfte  schmäler,  als  ein  ge- 
wöhnliches Corpus,  die  Hämmer  schlugen  —  wie  erwähnt  —  von  oben 
auf  die  Saiten  und  der  Ton  erschien  rund,  stark  und  hell.  Dass  diese 
Erfindung  von  Schröter  herrührt  und  die  alten  Pantalonclaviere  jeden- 
falls zu  Vorbildern  gedient  haben,  erscheint  nach  diesen  Berichten  ganz 
zweifellos.     Dennoch  Hess  sich  nach  Bekanntwerduno;  des  Streicher'schen 


dienen,  bestanden  aus  massivem  Eisen  und  bildeten  mit  dem  hölzernen  Resonanzboden 
und  der  Dämpfung  ein  isolirtes  Ganzes.  Dieses  eiserne  Gerippe  mit  Saitenbezug, 
Dämpfung  und  dem  hölzernen  Resonanzboden  wurde  in  das  Gehäuse  hineingelegt,  die 
Claviatur  sammt  Mechanismus  in  gewöhnlicher  Weise  eingeschoben  und  somit  das  In- 
strument in  allen  seinen  Theilen  fertig  hergestellt.  Doch  fehlte  zu  dessen  Vollkommen- 
heit das  wesentlichste  Erfordernisse  nämlich  schöner  Ton^  der  erst  später 'in  der  zweck- 
mässigen Verbindung  von  Holz  un  T  Eisen  erreicht  wurde. 

1845  soll  Julian  Morgenstern  in  Preussisch-Polen  eine  Verbesserung  am  Stiram- 
stocke  des  Pianoforte  erfunden  haben.  Statt  der  gewöhnlichen  Wirbel  in  hölzernen 
Slimmstöcktn  hat  ei  nämlich  eiserne  Stimmschrauben  in  einem  eisernen  Gange  ange- 
bracht und  den  Schrauben  statt  der  gebräuchlichen  verticalen  Lage,  die  horizontale  ge- 
geben. Die  Vorzüge  dieser  Veränderung  sollten  darin  bestehen,  dass  die  Stimmung  sich 
besser  hielt  und  mechanisch  sehr  erleichtert  war.  Die  höherer.  Töne  erhielten  längere 
Saiten,  wfo  ebenfalls  mannichfach  vortheilhaft  gewesen  sein  soll.  Uebrigens  konnte  die 
neue  Einrichtung  an  jedem  nach  älterer  Art  gebauten  Pianoforte  angebracht  werden. 


138 

Mechanismus  Fape  in  Paris  ein  Brevet  auf  Claviere  mit  über  den  Sai- 
ten liegenden  Hämmern  geben  und  die  Society  d'encouragement  widmete 
dieser  ursprünglich  Schröter'schen,  von  Herrn  Streicher  mit  Glück  er- 
weiterten Erfindung  eine  höchst  lobende  Abhandlung.  Später  vertrat 
der  Berliner  Fabrikant  Stöcker  das  Princip  des  Hammerschlags  von 
oben  noch  mit  vielem  Glück,  und  auf  der  1862  veranstalteten  Lon- 
doner Weltausstellung  hatten  die  Herren  Wornum  &  Sons  einen  ähnlich 
o-ebauten  Flügel  exponirt.  Was  aber  bei  den  Streicher'schen  Piano- 
fortes  mit  Hammerschlag  von  oben  noch  wesentlich  auf  eine  bessere 
Tonentwickelung  fördernd  einwirkte,  das  war  die  an  diesen  Instrumenten 
zuerst  von  Streicher  eingeführte  Weglassung  des  untern  Ciavierbodens, 
deren  Zweckmässigkeit  in  der  seitdem  allgemein  gewordenen  Anwendung 
dieser  Verbesserung  wohl  ihre  beste  Bestätigung  findet.  Das  im  Jahre 
1824  erworbene  Privilegium  Streicher' s,  nach  welchem  er  beim  aufrecht- 
stehenden Pianoforte  englischer  Construction  einen  Oetaven-Zug  derart 
anbringen  konnte,  dass  man  vermittelst  desselben  nicht  nur  jedem  Tone 
seine  obere  Octave  beizufügen,  sondern  auch  ganze  in  den  unteren  Ton- 
lao-en  mit  den  Händen  angeschlagene  Accorde  unter  Anwendung  eines 
Pedaltrittes  um  eine  Octave  höher  erklingen  zu  lassen  im  Stande  war,  ist 
gleichfalls  eine  schon  im  löten  und  17ten  Jahrhundert  dagewesene  Er- 
scheinung, welche  nur  durch  die  Hammermechanik  einen  höhern  Grad 
von  Vollkommenheit  erhielt. 

Im  Jahre  1831  wurden  Herrn  Streicher  zwei  weitere  Erfindungen  pri- 
vilegirt  und  zwar  a)  ein  neuer  Mechanismus  für  englische  Cabinet- 
Pianofortes,  wodurch  die  Absonderung  der  Hämmer  von  den  Abstracten 
zur  Erzielung  eines  vollkommenen  Auslösens  und  Fangens  der  Hämmer 
erreicht  wurde;  h)  ein  für  Pianoforte  deutschen  Kastenbaues,  d.  h.  an 
denen  der  Mechanismus  unter  dem  Resonanzboden  liegt,  anwendbarer 
Stosszungen -Mechanismus  mit  elastischem  Hammerstuhle,  beweglichen 
Fano-ern  und  liegender  Dämpfung,  wodurch  nicht  nui  die  dem  englischen 
Mechanismus  sonst  eigenthümlichen  Uebelstände,  wie  das  störende  Po- 
chen des  Hammerschlages  imDiscante,  der  tiefe  Fall  der  Tasten  und  die 
Schwierigkeit  des  wiederholten  Anschlages  mit  abwechselnden  Fingern, 
o-ehoben  sind,  sondern  die  bei  den  Ciavieren  nach  Wiener  Construction 
so  lange  üblich  gewesenen  und  mangelhaften  Stiefel-Dämpfungen,  gänz- 
lich   beseitigt    wurden.     Die    Trefiflichkeit    der    an    deren    Stelle    von 


139 


Streicher  zuerst  eingeführten  liegenden  Dämpfungen  hat  sich  auch  so  be- 
währt, dass  man  an    Ciavieren  deutschen   Kastenbaues  keine    anderen 
mehr  angewendet  findet.     Nicht  minder  zweckentsprechend  ist  die  von 
Streicher  an  Flügeln  ganz  englischer  Construction  angebrachte  Verbes- 
serung,   den  Hammerstuhl  aufschlagen  oder    nach  Herausziehen   zweier 
Stifte  von  der  Claviatur  trennen  und  als  Ganzes  für  sich  bei  Seite  legen 
zu  können.     Da  an  diesem  Hammerstuhle  die  Kapselleiste  wie  an  seinen 
Patent-Flügeln  deutschen  Kastenbaues  im  Discant  elastisch  gelegt  ist,  so 
wird  hierdurch   das  an    den  Pianofortes  ganz    englischer  Construction 
,  sonst  so  störende  Pochen  der  Discanttöne  ebenfalls  gänzlich  beseitigt.  — 
Die  frühere  Hammermechanik   Streichers,  bevor  derselbe   Flügel  nach 
amerikanischer  Construction  baute,  erblicken  wir  in  beistehender  Figur. 
Dass  die  Firma    Streicher  für  den  Ruf  der  sogenannten   Wiener 
Mechanik  ausserordentlich  gewirkt  hat,  ist  schon   oft  anerkannt  worden, 
und  es  dürfte  sich  kaum  eine  andere    österreichische   Fabrik   in  dieser 
Hinsicht    mit    ihr    messen    können.      Bekanntlich    wanderte     die    von 
Sübermann   in   der    ersten   Hälfte  des   18ten    Jahrhunderts    annectirte 
Schröter'sche  Mechanik  nach  England  und  fand  hier  durch  Broadwood 
weitere  Verbreitung,  während  in  Deutschland   Steiyi  dieselbe   Mechanik 
zu  Grunde  legte,  bei  ihrer  Verbesserung  aber  einen   andern  Weg  ein- 
schlug. Von  Eng- 
land kam  die  eng- 
lische   Mechanik 
durch  Erardndkdh. 
Frankreich,     wo 
sich    die    anglo- 
französische  ent- 
wickelte, die  je- 
doch durch     die 
eben  angeführten 

Streicher'schen  Resultate,  welche  unmittelbar  aus  der  Stein'schen  Me- 
chanik hervorgingen,  modificirt  wurde.  Von  Deutschland  ist  ursprüng- 
lich Alles  ausgegangen,  auf  Deutschland  haben  alle  Völker,  welche 
den  Pianofortebau  treiben,  mit  Dankbarkeit  zu  blicken,  und  die  Quelle 
der  schönen  Mechanik,  welche  das  Instrument  zu  allen  Tonschattirun- 
gen  befähigt,  ist  das  Königreich  Sachsen. 


Streicher's  frühere  Hammermechanik . 


140 

In  der  ersten  Hälfte  des  neunzehnten  Jahrhunderts  trat  der  Unter- 
schied zwischen  der  englischen  und  deutschen  Mechanik,  deren  Ver- 
schmelzung sich  in  der  Gegenwart  vollzieht,  noch  sehr  deutlich  hervor, 
und  der  Vater  des  modernen  Clavierspiels,  J.  'Nep.  Hummel,  geb.  1778, 
gest.  1837,  fühlte  sich  daher  veranlasst,  über  den  Unterschied  der  engli- 
schen und  deutschen 

Figur  I.    Englische  Mechanik. 

Pianofortemecha- 
nik, welche  wir  in 
Figur  I  u.  Figur  II 
erblicken,  Folgen- 
des zu  veröffentli- 
chen :  „Es  liegen  bei 
demPianoforte  über- 
haupt zweierlei  Me- 
chanismen zu  Grun- 
de: der  deutsche  (so- 
genannte Wiener),  der  sich  mit  Leichtigkeit,  und  der  englische,  der  sich 
minder  leicht  behandeln  lässt;  die  übrigen  sind  Zusammensetzungen  beider 

Figur  II.     Gewöhnliche  deutsche  Mechanik. 


Arten  oder  nur  theilweise  Veränderungen  derselben.  Es  ist  nicht  zu  leug- 
nen, dass  jeder  dieser  beiden  Mechanismen  seine  eigenen  Vorzüge  hat. 
Der  Wiener  lässt  von  den.  zartesten  Händen  sich  leicht  behandeln.  Er 
erlaubt  dem  Spieler,  seinem  Vortrage  alle  möglichen  Nuancen  zu  geben, 
spricht  deatlich  und  prompt  an,  hat  einen  runden,  flötenartigen  Ton,  der 


\ 


141 

sich  besonders  in  grossen  Localen  von  dem  accompagnirenden  Orchester 
gut  unterscheidet,  und  erschwert  die  Geläufigkeit  nicht  durch  eine  zu  ! 
grosse  Anstrengung.  Diese  Pianoforte  sind  auch  dauerhaft  und  beinahe 
im  halben  Preise  der  englischen.  Diese  Instrumente  wollen  daher  auch 
nach  ihren  Eigenschaften  behandelt  sein;  sie  erlauben  weder  ein  heftiges 
Anstossen  und  Klopfen  der  Tasten  mit  ganzer  Schwere  des  Armes,  noch 
einen  schwerfälligen  Anschlag;  die  Kraft  des  Tones  muss  allein  durch 
die  Schnellkraft  der  Finger  hervorgebracht  werden.  Volle  Accorde  wer- 
den z.  B.  meist  ganz  rasch  gebrochen  vorgetragen  und  wirken  so  weit 
mehr,  als  wenn  die  Töne  zusammen  auf  einmal  noch  so  stark  angeschla- 
gen werden.  Für  Männerhände  wähle  man  aber  solche  deutsche  Instru- 
mente ,  die  nicht  zu  seicht  oder,  wie  man  auch  sagt,  zu  flach  im  Anschlage 
eind.  Dem  englischen  Mechanismus  muss  man  wegen  seiner  Dauerhaf- 
tigkeit und  Fülle  des  Tones  allerdings  Recht  widerfahren  lassen.  Diese 
Instrumente  gestatten  jedoch  nicht  den  Grad  von  Fertigkeit,  wie  die 
Wiener,  indem  sich  der  Anschlag  der  Tasten  bedeutend  gewichtiger 
anfühlt,  sie  auch  viel  tiefer  fallen  und  daher  die  Auslösung  der  Hämmer 
bei  wiederholtem  Tonanschlage  nicht  so  schnell  erfolgen  kann.  Wer  an 
solche  Instrumente  noch  nicht  gewöhnt  ist,  lasse  sich  durch  das  Tieffallen 
der  Claves  und  durch  den  schweren  Anschlag  der  Tasten  keinesweges 
stören:  nur  übernehme  er  sich  nicht  im  Tempo  und  spiele  alle  ge- 
schwinden Sätze  und  Rouladen  durchaus  mit  der  gewöhnlichen  Leichtig- 
keit; auch  die  kräftig  vorzutragenden  Stellen  und  Passagen  müssen,  wie 
bei  den  deutschen  Instrumenten,  durch  die  Kraft  der  Finger,  nicht  aber 
durch  die  Schwerkraft  des  Armes  hervorgebracht  werden;  denn  man  ge-  , 
winnt  durch  heftiges  Schlagen^  da  dieser  Mechanismus  nicht  zu  so  viel-  I 
fachen  Tonabstufungen  wie  der  unsrige  geeignet  ist,  keinen  stärkern  j 
Tongehalt,  als  die  natürliche,  kräftige  Elasticität  der  Finger  hervorzu-  j 
bringen  vermag.  Im  ersten  Augenblicke  fühlt  man  sich  zwar  etwas  un-  j 
behaglich,  weil  wir,  besonders  im  Forte  der  Rouladen,  die  Taste  bis  auf 
den  Grund  fassen,  was  hier  mehr  oberflächlich,  mehr  leichthin  geschehen 
muss,  da  man  sonst  nur  mit  höchster  Anstrengung  fortkommen  und  die 
Fertigkeit  doppelt  erschweren  würde.  Dagegen  bekommt  der  Gesang 
auf  diesen  Instrumenten  durch  die  Fülle  des  Tones  einen  eigenen  Reiz 
und  harmonischen  Wohllaut.  '  Indessen  habe  ich  beobachtet,  dass,  so 
stark  diese  Instrumente  im  Zimmer  tönen,  sie  dennoch  in  einem  grossen 


142 

Locale  die  Natur  ihres  Tones  verändern  und  bei  complicirterer  Orches- 
terbegleitung weniger  durchdringen,  als  die  unsrigen,  welches,  nach  mei- 
ner Meinung,  dem  oft  gar  zu  dicken,  vollen  Tone  zuzuschreiben  ist." 

Hierbei  müssen  wir  wiederum  darauf  hinweisen,  dass  die  verschie- 
dene Art  des  Anschlags  bei  beiden  Mechaniken  die  verschiedene  Klang- 
farbe bewirkte.  Bei  der  Wiener  Mechanik  tönten  jedenfalls  bei  stärke- 
rem Hammeranschlag  die  höheren  Obertöne  mehr,  als  bei  der  englischen, 
wo  der  Grundton  ein  allzugrosses  Uebergewicht  hatte,  so  dass  dem 
durch  englische  Mechanik  erzeugten  Klange  die  für  den  Concertsaal 
nöthige  Schärfe  fehlte.  Da  man  aber  früher  die  Theorie  der  Helmholtz'- 
schen  Obertöne  nicht  kannte,  wenn  dieselbe  auch  jetzt  noch  den  meisten 
Instrumentenmachern  wohl  eine  Terra  incognita  ist,  und  nur  von  den 
Intelligentesten  erfasst  wird,  so  konnte  man  sich  jene '  Verschiedenheit  in 
der  Klangfarbe  nicht  genügend  erklären.  Hoffentlich  nimmt  man  von 
jetzt  an  bei  Herstellung  der  Mechanik  seinen  Ausgangspunkt  von  dieser 
wichtigen  Entdeckung.  — 

Von  den  Reibereien  und  gegenseitigen  Anfeindungen  der  Instru- 
mentenbauer  hielten  sich  auch  die  österreichischen  Fabriken  nicht  fern, 
wie  ein  interessantes  Actenstück  aus  der  ersten  Hälfte  des  19ten  Jahr- 
hunderts deutlich  darthut.  Da  dasselbe  zugleich  einen  klaren  Einblick  in 
die  österreichische  Pianofortebaukunst  damaliger  Zeit  gewährt,  so  lassen 
wir  es  hier  folgen,  um  dann  zur  Londoner  Ausstellung  vom  Jahre  1851 
übergehen  zu  können,  aus  deren  Resultaten  sich  noch  so  manches  bisher 
nicht  Berührte  ergänzen  wird.  Die  Wiener  Firma  Wachtl  &  Bleyers 
beschuldigte  Martin  Seuffert  ebendaselbst,  dass  dieser  ihre  Erfindungen 
nachahme  und  auf  jedes  Namensschild  ungerechtfertigterweise  schreibe: 
„Erfunden  von  Martin  Seuffert  in  Wien".  Um  diese  Anmassung 
Seufferfs  zu  widerlegen,  suchte  jene  Firma  schon  im  Jahre  1811  ihre 
Erfindungen  zur  allgemeinen  Kenntniss  des  PubHkums  zu  bringen.  Sie 
theilte  daher  im  Zusammenhange  Folgendes  mit: 

„Sieben  Jahre  sind  es  nun,  dass  wir Fortepianos,  grösstentheils  auf- 
rechtstehende und  zwar  von  unserer  eigenen  Erfindung  fertigen.  Die 
Aufrechtstehenden,  womit  das  klavierliebende  Publikum  seit  mehreren 
Juhren  überschwemmt  wurde,  hatten  soeben  allen  Kredit  verloren. 
Doch  uns  schreckte  dies  nicht,  da  wir  wohl  wussten,  dass  die  Un- 
brauchbarkeit    dieser  F.  P.  nicht  von   der  Natur    dieser    Instrumente, 


143 

sondern  vom  Manofel  an    theoretischen  Kenntnissen  der  Fertiger  her- 
rühre. 

Unser  erstes  aufrechtstehendes  Fortepiano  war  pyramidenförmig.  Es 
war  durchaus  nur  zweifach  besaitet  und  wir  konnten  es  gegen  jeden 
dreifach  besaiteten  Flügel  stellen.  Da  nun  der  erste  Versuch  unseren 
Hoffnungen  entsprach,  so  wollten  wir  auch  das  Quer-Fortepiano  in  eine 
gefällige  stehende  Form  bringen  und  zugleich  diesem  in  jeder  Hinsicht 
mehr  Vollkommenheit  verschaffen.  Auch  dies  gelang.  Jedermann  ge- 
stand, dass  unsere  aufrechtstehenden  Quer-Fortepianos  die  Liegenden 
weit  übertreffen.  In  zwei  Jahren  fertigten  wir  grosse  aufrechtstehende 
in  fünf  und  stehende  Quer-Fortepianos  in  drei  Formen.  Nun  gings  mit 
der  Verbesserung  dieser  Instrumente  zwar  langsamen  Schritts,  jedoch 
immer  vorwärts.  Das  Nöthigste  war,  den  Saitendicken  eine  gehörige 
Proportion  zu  geben;  denn  wer  sich  auf  Treu  und  Glauben  der  Draht- 
fabrikanten verlässt,  wird  oft  schändlich  betrogen.  Nicht  weil  es  ihnen 
an  Geschicklichkeit  fehlt,  nein,  sondern  weil  ihre  Abnehmer  es  so  genau 
nicht  nehmen,  so  findet  man  oft  unter  zwei  Nummern  einerlei  und  unter 
einer  Nummer  zweierlei  Dicken  der  Saiten.  Dass  ferner  nicht  alle  Fabriken 
einerlei  Mass  beobachten,  davon  kann  man  sich  sehr  leicht  überzeugen. 
Wir  gaben  unserer  gabelförmigen  Saitenlehr  folgende  Einrichtung. 
Zwischen  zwei  Saiten,  a  b,  deren  Durchmesser  sich  verhalten  =  1:2, 
sind*15  Stufen  eingeschaltet  und  zwar  so,  dass,  wenn  man  alle  Saiten- 
Durchmesser  in  gehöriger  Ordnung  hinschreibt,  eine  geometrische  Reihe 
zum  Vorschein  kommt.  Im  geometrischen  Verhältnisse  müssen  die 
Saiten-Dicken  zu-  und  abnehmen,  wenn  die  Töne  des  Instruments 
gleichförmig  klingen  sollen.  Wir  haben  also  von  a  bis  b  =  17  Num- 
mern. Die  hiesigen  wie  die  nürnberger  Saiten  haben  zwischen  a  und  b 
niu:  6  Nummern  und  wenn  man  auch  halbe  Nummern  einschaltet,  so  hat 
man  doch  nur  15  Nummern,  deren  halbe  Nummern  zu  Irrungen  Anlass 
geben.  An  der  Mensur  srabs  am  meisten  zu  feilen.  Diese  war  durch 
mechanische  Tradition  und  vermeintliche  Verbesserungen  so  sehr  ver- 
stümmelt, dass  kein  ursprüngliches  Octavenverhältniss  mehr  zu  entdecken 
war.  Wie  sehr  die  Gleichheit  der  Klänge  unter  einer  verstümmelten 
Mensur  und  unter  einer  Besaitung,  deren  Nummern  keine  Proportion 
haben,  leidet,  ist  leicht  zu  ersehen.  Zwar  wird  mancher  hierauf  erwiedern, 
man  könne  durch  geschickte  Belederung  die  Gleichheit  der  Klänge  her- 


144 

stellen.  Wohl  ja,  aber  wie  lange  wird  diese  erzwungene  Gleichheit 
dauern?  Durch  einen  genau  angestellten  Versuch,  wozu  zwei  eigene 
Apparate  und  ein  Einsaiter  verfertigt  werden  mussten,  wurde  die  Lange, 
die  Dicke  der  Saiten  und  die  vortheilhafteste  Spannung  für  die  Töne  f" 
und  klein  f  bestimmt.  Aus  diesen  Tönen  wurden  die  übrigen  einzu- 
schaltenden 47  Töne,  welche  eine  geometrische  Eeihe  bilden  müssen, 
entwickelt  und  hieraus  ergab  sich  unser  Octaven  -  Verhältniss  =  1  t 
1-9458608-  Wie  wichtig  in  Hinsicht  des  Stimmunghaltens  es  ist,  den  Kasten 
so  fest  zu  bauen,  dass  er  sich  nicht  verziehen  kann,  sieht  jedermann  ein; 
aber  dass  das  Weichen  der  Sarge  auch  den  ursprünglich  schö- 
nen Klang  des  Instruments  verderben  könne,  dürfte  vielen  unbekannt 
sein.  An  Beispielen  für  den  letzten  Fall  fehlt  es  nicht.  Mancher  Stüm- 
per ist  so  glücklich,  einen  schönen  Klang  in  sein  Instrument  zu  bringen 
—  aber  ist  die  Sarge  aus  schlechtem  Materiale,  oder  liederlich  gebaut, 
so  weicht  die  Sarge  aus  ihrer  Stelle,  drückt  den  Resonanzboden  —  die- 
ser verliert  dadurch  seine  freie  Elasticität  und  der  Klang  verliert  sich  so 
sehr,  dass  oft  nichts,  als  ein  mit  Tasten  versehenes  Hackebret  übrig 
bleibt.  (Verschnüret  dem  Sänger  die  Kehle  und  iasst  ihn  singen.)  Baut 
man  einen  Kasten  auf  die  gewöhnliche  Art,  nämlich  mit  massiven  Sarg- 
stücken und  verstrebt  die  Wände  noch  so  sehr,  so  findet  man  in  einem 
halben  Jahre,  wenn  man  den  Resonanzboden  herausreisst,  dass  sich 
durch  die  Spannung  der  Saiten,  welche  bei  90  Centner  beträgt,*  alle 
Streben  bei  einer  Linie  tief  in  den  Wänden  eingedrückt  haben  und  nun 
ganz  los  sind.  Es  ist  nicht  genug,  dass  man  den  Kasten  durch  einen 
massiven  Bau  zum  Stimmhalten  tüchtig  mache,  er  muss  nicht  allein  stark, 
sondern  auch  fest  gebaut  sein,  um  die  Schwingungen  der  Töne  mitma- 
chen und  verstärken  zu  können.  Im  Monat  April  1808  bauten  wir  den 
ersten  Kasten  nach  unserm  neuerfundenen  System.  Dieser  Kasten  hat 
die  erwähnten  Fehler  nicht  und  erfüllt  überdies  die  erwähnten  Beding- 
nisse in  reichem  Masse. 

Es  wird  nämlich  die  ganze  Form  der  Resonanzsarge  mit  ihren  Bän- 
dern und  Streben  aus  einer  Lage  von  Leisten,  die  nuc  einen  Zoll  dick 
sind,  gebildet,  auf  diese  erste  Lage  kommt  die  zweite  so  zu  leimen, 
dass  sie  die  Fugen  der  ersten  deckt  und  bindet,  nun  kommt  die  dritte 
wie  die  erste,  die  vierte  wie  die  zweite  und  die  fünfte  wie  die  erste 
Läse  darauf.     Hier  können  die  Streben  sich  nicht  eindrücken,  denn  sie 


145 

sind  mit  den  berührenden  Theilen  aufs  Innigste  verbunden  und  hierdurch 
erhält  der  Kasten  eine  solche  Cohärenz,  die  der  natürlichen  nicht 
viel  nachsteht  und  daher  der  akustischen  Absicht  ungewöhnlich  ent- 
spricht;  denn  es  ist  bekannt,  dass  ein  fester  Körper  ein  vollkommener 
Schalleiter  ist.  Alles  Holz  wird  in  einer  Darrkammer  künstlich  getrock- 
net. Wir  folgten  hierin  dem  guten  Beispiel  des  Herrn  Mundinger  (hie- 
siger Bürger  und  Tischlermeister),  welcher  seit  ungefähr  zwölf  Jahren 
sich  dieser  Methode  bedient.  Wenige  Holzarbeiter  sehen  die  Vortheile 
dieser  Behandlung  des  Holzes  ein.  Sie  behaupten,  die  Zeit  trockne 
das  Holz;  man  lasse  aber  Holz  50  Jahre  in  der  Luft  liegen,  so  wird  es 
nicht  so  trocknen,  dass  es  magnetisch  wird,  was  aber  bei  der  künstli- 
chen Trocknung  in  acht  Tagen  geschieht.  Späterhin  machten  wir  einen 
Versuch  mit  einem  Resonanzboden,  dessen  Holzfasern  in  schiefer  Rich- 
tung unter  den  Saiten  hinlaufen. 

„Eine  Idee,  die  von  unseren  ältesten  Vorgängern  schon  ausgeführt 
und  als  unzweckmässig  verworfen  wurde.  Es  kam  nur  auf  eine  schick- 
liche Auswahl  des  Holzes,  auf  eine  angemessene  Dicke  des  Resonanz- 
bodens und  auf  eine  zweckmässige  Verbindung  desselben  an,  um  einen 
Resonanzboden  zu  erhalten,  der,  wie  Chladmj  richtig  bemerkt,  fähig  ist, 
jede  Schwingung  der  Saiten  anzunehmen,  und  wir  halten  dafür,  dass  ein 
Resonanzboden  nach  gewöhnlicher  Art  verfertigt,  nie  jenen  hohen  Grad 
von  Schnellkraft  und  freier  Elasticität  erhalten  werde,  welche  den  Klan»- 
und  Sang  des  Instrumentes  so  sehr  vermehrt  und  die  Gleichheit  der 
Klänge  so  sehr  begünstigt,  als  dieser  Resonanzboden.  Ein  solcher  Re- 
sonanzboden bekommt  auch  nie  Wellen  oder  Bäuche,  die  bei  anderen 
Resonanzböden  zuweilen  so  stark  werden,  dass  die  Basssaiten  aufschla- 
gen. Das  Holz  zu  Resonanzböden  und  Tastaturen  wird,  bevor  es  in 
die  Darre  kommt,  48  Stunden  lang  gedämpft.  Der  heisse  Dampf  von 
gesalzenem  Wasser  dringt  durch  alle  Poren  des.  Holzes ;  es  löset  das  in 
den  Poren  befindliche  Loch  und  den  Harz  auf  und  führt  es  auf  die 
Oberfläche  des  Holzes,  wo  man  es  in  braunen  Tropfen  stehen  sieht.  Man 
sieht  leicht  ein,  dass  ein  auf  diese  Art  behandelter  Resonanzboden  nicht 
nur  dauerhafter,  sondern  auch  der  akustischen  Absicht  angemessener  ist. 
Die  Maschine  an  unseren  stehenden  Quer-Fortepianos  war  von  deut- 
scher Art.  Wir  waren  nicht  zufrieden  mit  ihr  und  ich  erfand  daher 
vor  zwei  Jahren  eine  Maschine  nach  ensjUscher  Art,  wodurch  der  Klan«- 

10 


146 

an  Stärke  und  Schönheit  viel  gewann.  Die  Maschine  an  unseren  gros- 
sen stehenden  Fortepianos  ist  von  deutscher  Art  und  ist  durch  manche 
Verbesserung  nun  auf  einen  höheren  Grad  von  Vollkommenheit  gebracht, 
als  die  deutsche  Maschine  am  deutschen  Flügel  Sie  kommt  an  Einfalt 
der  letzten  gleich,  an  Dauer  und  angenehmer  Spielart  lässt  sie  jene  weit 
zurück,  welche  letzten  zwei  Eigenschaften  an  anderen  aufrechtstehenden 
Fortepianos  heute  noch  vermisst  werden.  Einige  Ciavierspieler  bemerk- 
ten ganz  richtig,  dass  von  unsern  stehenden  Fortepianos  die  Töne  zu 
grell  auf  das  Ohr  wirkten;  diesem  Uebel  ist  gesteuert,  seitdem  wir  uns 
der  englischen  Erfindung  des  Schalldeckels  bedienen. 

„Kenner,  die  nun  Alles  in  Erwägung  ziehen  wollen,  was  ich  hier  für 
Verbesserungen  angebe,  werden  finden,  dass  ich  nicht  übertreibe,  wenn 
ich  behaupte,  dass  unsere  Fortepianos  en  Giraflfe  in  jeder  Hinsicht 
einen  grossen  Vorzug  vor  den  flügeiförmigen  Fortepianos  haben,  das 
Einzige  ausgenommen,  dass  man  sie  der  stehenden  Form  wegen  beim 
Concerte  nicht  wohl  anbringen  kann.  —  Aber  eben  diese  stehende  Form 
schafft  dem  Instrumente  eine  bessere  Natur;  viel  leichter  schwingen  hier 
die  Saiten  und  alle  schwingenden  Theile,  und  geben  daher  den  empfan- 
genen Klang  mit  mehr  Wucher  zurück,  als  ein  liegender  Körper,  der  auf 
4  bis  5  Punkten  unterstützt  und  dadurch  zu  Schwingungen  untauglich 
gemacht  ist.  Uebrigens  haben 'unsere  Fortepianos  nur  die  drei  -Muta- 
tionen, als:  Forte,  Lautenzug  und  Einsaiter.  Auf  Begehren  fertigen  wir 
wohl  noch  den  Fagott  und  die  Aeolsharfe  dazu,  —  aber  grosse  Trommel 
und  Cinellen  nie." 

Hieraus  ist  zugleich  ersichtlich,  welche  Züge  zu  jener  Zeit  am  meis- 
ten im  Gebrauch  waren  und  wie  nian  danach  strebte,  überflüssige  Spie- 
lereien nach  und  nach  abzuschaffen;  doch  haben  sich  die  Erbauer  im 
Vergleich  mit  dem  liegenden  und  aufrechtstehenden  Resonanzboden  ge- 
irrt. Ein  liegender  Eesonanzboden  lässt  eine  grössere  Spannung  zu  und 
die  Stützen  desselben  befördern  das  Zurückwerfen,  das  Reagiren  der 
Saiten-  und  Molecularschwingungen ,  während  ein  zu  wenig  gestütz- 
ter aufrechtstehender  Resonanzboden  durch  Transversalschwing-ungen 
zum  unregelmässigeren  Erzittern  gebracht  wird,  daher  auch  gewöhnlich 
bei  unseren  modernen  Pianinos  das  „Klimpern"  mehr  bemerkbar  ist,  als 
bei  den  Flügeln.  Immerhin  ist  jener  Bericht  wegen  der  verschiedenen 
interessanten  Angaben,  aus  denen  sich  das  Wesen  damaliger  Pianoforte- 


147 

baukunst  mit  ziemlicher  Sicherheit  erkennen  lässt,  sehr  beachtenswerth^ 
und  wir  erfahren  auch  aus  demselben  die  schon  damals  feststehende  An- 
sicht über  den  Unterschied  des  deutschen  und  englischen  Mechanismus, 
welche  doch  beide  aus  einerlei  Quelle,  d.  h.  aus  dem  Geiste  des  Sachsen 
Schröter  o^eflossen  waren. 

Obgleich  es  für  die  Geschichte  des  Claviers  ganz  unwesentlich  ist 
die  Namen  verschiedener  Ciavierbauer  zu  weissen,  da  sich  die  Fortschritte 
nur  an  die  bedeutendsten  Namen  knüpfen,  so  hat  doch  Oesterreich  in 
der  ersten  Hälfte  des  19ten  Jahrhunderts  eine  so  hervorragende  Kolle  im 
Instrumentenbau  gespielt,  dass  vielleicht  die  Namhaftmachung  einzelner 
Firmen  nach  Thon  und  Fischhof  nicht  ungerechtfertigt  erscheinen  dürfte. 

Ausser  Andre  Stein,  Christoj)h,Kober,  Walther,  Schanz,  Bley  er,  Wachtl, 
Brodmann,  Leschen,  Martin  Seuffert,  Conr.  Graf,  Streicher,  Bösendorfer, 
Schiveighofer  sind  nach  Thon  noch  besonders  zu  nennen,  und  zwar  in 
Wien:  Bertsche,  Donal,  Hofmann,  JäcMsch,  Katholnig,  Köher,  Marschal, 
Müller,  Rosenberger,  Schneider,  Seidel,  Teutschniann,  Wimula,  Wist; 
ferner  Gärtner  in  Tachau,  Gatto  in  Krems,  Gries  in  Grätz,  Guth  in 
Tschisday,  Horach  in  Kuttenberg,  Horack  in  Zwettl,  Kalh  in  Prag,  Kess- 
ler in  Eger  (Ungarn),  Kleeblatt  in  Oedenburg,  Klügel  in  Güns,  Mül- 
ler in  Eger  (Böhmen),  Eeuss  in  Prag,  Bott  in  Prag,  Schmidt  in  Salz- 
burg, Schmidt  in  Ellbogen,  Schwarz  in  Salzburg,  Schwarz  in  Grätz,  Staii- 
dinger  in  Brunn,  Staiidinger  in  Engelsberg,  Weise  in  Prag,  Zausisch  in 
Wiener  Neustadt*). 


*)  Von  den  Oesteneichern  erlernten  meistentheils  die  Italiener  die  Pianofortebau- 
kunst ;  doch  blieb  in  Italien  die  Fabrikation  immerhin  spärlich  genug.  Einzelne  soge- 
nannte Erfindungen  und  Verbesserungen  diirften  kaum  auf  Neuheit  Anspruch  erheben, 
z.  B.    diejenige  des  Abtes   Gregorio   Trentino  vom  Jahre  1817. 

„Nachdem  dieser  Abt  in  Venedig  den  Preis  bei  der  Industrieausstellung  für  eine 
"kostbare,  zu  Mailand  erbaute  Harfe  erhalten  hatte,  verfertigte  er  im  Jahre  1817  ein 
Pianoforte,  welches  nach  dem  Urtheile  der  erfahrensten  Kenner,  z.  B.  Ayblinger 
und  Pavesi  in  Venedig  und  Capellmeister  Simon  Mai/er  aus  Pergamo,  mit  den  besseren 
Deutschlands  wetteiferte.  Da  bei  den  gewöhnlichen  Pianofortes  ein  voller,  majestäti- 
scher Bass  —  der  wahre  Grand,  die  Seele  der  Harmonie  —  nicht  selten  fehlte,  so  war 
imser  Künstler  vornehmlich  darauf  bedacht,  diesen  Mangel  zu  verbessern  und  diese 
Lücke  auszufüllen,  indem  er  unter  dem  gewöhnlichen  oberen  Kasten  des  Instrumentes 
noch  einen  anderen  anbrachte,  der  die  eine  Octave  tieferen  Saiten  enthielt,  von  denen 
je  /.wei  —  wie  gewöhnlich  —  mit  einer  dritten,  eine  Octave  höher  erklingenden  ver- 
bunden waren  und  so  ein  mit  dem  Uebrigen  genau  zusammenhängendes  Pedal  von  zwei 
Octaven  bildeten,  das  vollkommen  eben  so  stark,' eben  so  leicht  und  sicher,  auch  eben 
60  zart  und  fein  mit  den  Füssen  behandelt  werden    konnte,    wie    das    Manual    mit    den 

10* 


148 

Bei  diesen  Namenerwähnungen  wollen  wir  auch  die  Angaben  Fisch- 
Jiofs  nicht  übergehen,  dass  Georg  Staufer  und  Max  Haidinger  auf  kreis- 
förmige Pianofortes  1824,  Fr.  Schuster  auf  sein  unverstimmbares  Ciavier 
Adiaphanon  1821,  Carl  Stein  auf  Vorrichtungen  zur  Vermeidung  des 
Klapperns  der  Tastatur  1828,  Matth.  Müller  auf  ein  Ciavier  mit  zwei 
Claviaturen,  genannt  Dittanaklasis,  1800,  und  1801  auf  Claviere  mit 
Claviaturen  über  den  Saiten  und  dem  Stimmstockklotze,  sowie  mit  Ham- 
merschlag  von  oben  Patente  erhielten. 

Leschen  brachte  1826  den > Stimmstock  so  an,  dass  die  Saiten  unter 
ihm  befestigt  wurden  und  der  Hammerschlag  an  die  Saiten  von  unten 
gegen  den  Steg  und  Stimmstock  geschah.  Ehlers  machte  eine  Verbes- 
serung auf  dem  Stimmstock,  denselben  doppelt  (Capo  tasta)  von  Metall 
Eisen,  Messing  oder  auch  aus  Holz  so  anzubringen,  dass  der  Anschlag  des 
Hammers  gegen  diesen  Steg  geschah,  der  sich  auf  und  nieder,  vor-  und 
rückwärts  schrauben  Hess.  Diese  Vorrichtung  sollte  die  Vortheile  gewähren, 
durch  Verkürzung  oder  Verlängerung  der  Mensur  das  Instrument  höher 
oder  tiefer  oder  mit  anderen  Instrumenten  augenblicklich  gleichstimmen 
zu  können.  Die  metallene  Vorrichtung  war  in  drei  Theile  getheilt,  einer 
für  den  Bass,  der  zweite  für  die  Mittellage,  der  dritte  für  den  Sopran. 

„Die  Stegstifte",  berichtet  Fischhof  ferner,  „erhielten  durch  Matth.  , 
Müller  die  Aenderung,  dass   er  anstatt   jener,  Stimmgabeln  von   Stahl 
oder  Messing;  mittelst  Stimmstiften  anwendete,  die  nach  den  Saiten  ihre 


Händen.  Auch  -«Tirde  durch  einen  leichten  Mechanismus  bewirkt,  dass  die  Züge,  welche 
die  Veränderungen  im  oberen  Kasten  regierten,  dasselbe  im  Pedal  hervorbrachten,  wo- 
durch ein  vollkommenes  Uebereinstimmen,  wie  bei  einem  ganzen,  auf  einmal  ertönenden 
Orchester,  zu  Stande  kam." 

Dieses  Instrument,  welches  Abt  Trentin  Pianoforte-Organistico  nannte,  soll  sich  da- 
bei durch  sanften,  deutlichen  Ton,  durch  feste  Stimmung,  durch  Leichtigkeit  des  An- 
schlags, sowohl  bei  den  Tasten,  welche  mit  den  Händen,  als  denen,  welche  mit  den 
Füssen  behandelt  werden,  ausgezeichnet  haben.  Die  innere  Bauart  und  die  genaue  Zu- 
sammenfügung der  einzelnen  Theile  hing  von  wenigen  Schrauben  und  wenigen  Federn 
ab,  die  leicht  beweglich,  aber  doch  zugleich  dauerhaft  waren,  so  dass  das  Instrimient 
nicht  leicht  leiden,  oder  auch  bei  einer  sehr  unbescheidenen  Behandlungsart  beschädigt 
werden  konnte.  Auch  vermochte  man  das  Pedal  dieses  Pianoforte-Organistico  bei  jedem 
anderen  Pianoforte  als  Anhang  anzubringen.  Der  Preis  des  doppelten  Pianoforte-  Or- 
ganistico  von  Nuss-  oder  Kirschbaum  war  2500  Franken.  Ein  zweiter  Preis  für  den 
blossen  Körper  zum  Pedale,  um  bei  einem  anderen  Pianoforte  verwendet  zu  werden, 
war  625  Franken.  Das  Pedal  erzielte  natürlich  in  Verbindung  mit  den  Basssaiten  des 
eigentlichen  Cla^^ers  einen  volleren  Grundbass,  eine  Verbindung,  welche  man  früher 
schon  längst  erfunden  hatte,  wie  es  die  Geschichte  genugsam  nachweist. 


149 

Verjüngung  erhalten  und  nach  dem  Tone,  den  ihre  Saiten  haben,  ge- 
stimmt werden,  wodurch  die  dritte  Saite  entbehrlich,  die  Fülle  des  Tones 
befördert  und  noch  mancher  Vortheil  erzielt  werden."  Die  unberippten 
Resonanzböden  Brodmann' S,  die  Freilegung  der  Corpuszarge  Promber- 
ger's,  die  Legung  des  Resonanzbodens  über  die  Saiten  von  Joh.  Jac.  Goll, 
die  doppelten  Resonanzböden  und  die  theilweise  Verwendung  pergament- 
artig zubereiteter  Ochsenhaut  von  Fried,  die  Verbesserungen  damit  von 
Janssen,  die  Wölbungen  des  Resonanzbodens  von  Anders,  die  Legung 
mehrerer  Resonanzböden  und  der  Schallboden  Hoxa!s,  das  Apollirikon  von 
Weiss,  das  Sirenion  Promherger's  u.  s.  w.  waren  alle  vorübergehende 
Erscheinungen.  Die  Anwendung  der  hölzernen,  mit  Eisenblech  überzo- 
genen Anhängplatte,  statt  der  in  Frankreich  und  England  üblichen  Eisen- 
platten, wie  sie  Streicher  einführte,  „wodurch  bei  gleicher  Solidität  des 
Instrumentes  ein  geringeres  Gewicht  desselben  erzweckt  ist,  und  ferner 
das  Abnehmen  der  unter  dem  Resonanzboden  befindlichen  Zarge  bis  bei- 
nahe an  den  Resonanzboden,  bei  mit  Röhrenverspreizung  versehenen  Ciavie- 
ren", erscheint  als  eine  Nachahmung  Pape'scher  Erfindungen;  überhaupt 
glauben  wir,  dass  wohl  Einer  den  Andern  nachahmte  und  keiner  — weder 
Streicher  noch  Pape  —  ganz  frei  vom  Vorwurf  der  Nachahmung  sein 
dürfte,  der  überdies  in  den  Augen  Unparteiischer  gar  kein  Vorwurf  ist, 
weil  doch  Einer  vom  Andern  lernen  muss.  Wilhelm  Bachmann,  Eies, 
L.  Beregszashj,  F.  Mata  u.  A.  noch  erwähnend,  wenden  wir  uns  zu  den 
bedeutendsten  Ausstellunoren. 


VII. 
Der  Standpunkt  des  Piauofortebanes  anf  den  Ansstellnngen. 

Aus  dem  Verlauf  äer  Geschichte  wird  sich  ergeben  haben,  dass  aus 
dem  Clavichord  das  tafelförmige  Piano,  aus  dem  Clavicitherium  das 
Pianino,  aus  dem  Clavicymbel  der  Flügel  hervorging.  Alle  drei  Arten  des 
Claviers  erfreuen  sich  jetzt  der  weitesten  Verbreitung,  wie  sie  die  Fa- 
brikation der  bedeutenderen  Firmen  deutlich  erkennen  lässt.  Die 
Herstellung  dieser  drei  verschiedenen  Formen  basirt  im  Allgemeinen 
auf  gleichen   Principien,  d.  h.  Kasten,  Saitenbezug  mit  allem  Dazugehö- 


150 


Figur  I. 


rigen,  Hesonanzboden,  Mechanismus,  Claviatur,  müssen  mit  gleicher  Sorg- 
falt gearbeitet  sein,  wenn  das  Instrument  auf  Solidität  Anspruch  erheben 
will.  Der  in  früherer  Zeit  (um  1850)  gewöhnliche  Kastenbau,  welcher 
aber,  wie  uns  die  Steinway'schen  und  Blüthner'schen  Constructionen  leh- 
ren, jetzt  zum  überwundenen  Standpunkt  gehört,  zeigt  sich  uns  in  Figur  I 

für  einen  Flügel,  in  Figur  II 
für  ein  vorderstimmiges  Tafel- 
formpiano, in  Figur  III  für 
ein  hinterstimmiges  Tafelform- 
piano. Zum  Kasten  dürfen 
nur  gut  getrocknete  Hölzer 
genommen  werden,  da  jede 
Feuchtigkeit  der  Dauerhaftig- 
keit und  dem  Klange  Abbruch 
thut.  Jeder  tüchtige  Tischler 
wird  wissen,  dass  von  der 
Festigkeit  des  Kastens  ein 
grosser  Theil  von  der  Klang- 
wirkung des  Instrumentes  und 
Dauer  der  Stimmung  abhängt. 
Schon  Welcker  hat  nachge- 
wiesen, dass  „die  ungeheure 
Spannkraft,  welche  der  Sai- 
tenbezug auf  den  Körper  eines 
Fortepianos  ausübt,  einen  Bau 
erfordere,  der  das  Vermögen 
besitzen  müsse,  dieser  Span- 
nung hinlänglichen  Wider- 
stand zu  leisten;  denn  einer 
einzigen  Saite  von  13*/2  Zollen  Mensurlänge  und  einer  Dicke  wie  No.  15 
(englisch)  müsse  man  schon  ein  Gewicht  von  etwa  70  Pfunden  anhängen 
wenn  sie  das  a'  von  440  Schwingungen  angeben  solle.  Hieraus  entstände 
für  den  dreichörigen  Flügel  bei  ganz  gleichmässigem  Fortschreiten  schon 
eine  Spannlast  von  10422  Pfunden."  Zur  Auswahl  des  Holzes  gehört 
Erfahrung  und  diese  kann  durch  keine  Abhandlungen  ersetzt,  sondern 
muss  auf  praktischem  Wege  gewonnen  werden;  wohl  aber  sind  die  Aus- 


151 

einandersetzungen  zu  empfehlen,  welche  Welcher  in  dem  oft  angeführten 
Buche  von  Seite  49  bis  143  veröffentlicht  hat.  Da  wir  keine  Anleitung 
zum  Ciavierbau  schreiben,  so  müssen  wir  uns  bezüglich  der  Verfertigung 
nur  auf  die  nothwendigsten  Angaben  beschränken.  Nächst  der  Festig- 
keit des  Holzes  wird  guter  Leim  zur  Verbindung  der  zugeschnittenen 

Figur  II. 


Hölzer  erfordert  und  endlich  ist  die  Verspreizüng  des  Kastens  von  we- 
sentlichem Einflüsse  auf  die  Dauerhaftigkeit  und  Güte  des  Instrumentes. 
Diese  Verspreizüng,  welche  zu  Anfang  des   I9ten  Jahrhunderts  mit  Ei- 


Figur  III. 


senbarren  angebahnt  wurde,  von  denen  man  1816  gewöhnlich  zwei, 
später  aber  mehrere  anAvendete,  führte  zu  mannigfachen  Aenderungen. 
Stodarfs  Röhrenverspreizung  haben  wir  nach  Ghlaän^s  Bericht  bereits 
erwähnt.  Erard  suchte  durch  einen  gusseisernen  Rahmen  der  Spannung 
der  Saiten  grösseren  Halt  zu  geben.     Sein  Princip  vervollkommneten 


152 

später  in  sinnreicher  Weise  die  Amerikaner,  da  ihm  selbst  die  nutz- 
reiche Herstellung  nicht  vollkommen  gelang.  Gleichfalls  ist  der  Sai- 
tenbezug von  Seiten  der  Verfertiger  einer  genauen  Prüfung  zu  unterwer- 
fen. Zu  Anfang  des  19ten  Jahrhunderts  galten  die  Nürnberger  Draht- 
saiten von  Fuchs  für  die  vorzüglichsten,  später,  um's  Jahr  1820,  erlangte 
Berlin  in  dieser  Hinsicht  die  Superiorität  und  nach  1834  wurden  die 
englischen  Gussstahlsaiten  besonders  von  Webster  in  Birmingham  allen 
anderen  vorgezogen;  docjb  erzählt  uns  Welcker,  dass  die  Saiten  von 
Miller  in  Wien  im  Jahre  1850  an  Spannkraft  die  englischen  übertrofFen 
hätten.  —  Zur  Befestigung  der  flaiten  bedient  man  sich  der  Wirbel  und 
Stegstifte,  deren  Fabrikation  auf  dazu  erfundenen  Maschinen  geschieht. 
Die  Mensur  der  Saiten  muss  je  nach  der  Grösse  des  Kastens  und  Reso- 
nanzbodens bestimmt  w^erden.  Am  besten  scheint  das  Verfahren  des 
Ciavierbauers  ^wY^m^  in  Bern  zu  sein,  welcher  statt  des  Monochordes  ei- 
nen Proportionalcirkel  von  26  bis  28  Zoll  Länge  erfand,  dessen  Schen- 
kel er  in  500  Theile  theilte.  Bei  der  Anwendung  öffnete  er  die  Schen- 
kel bis  zur  Länge  der  als  Ausgangspunkt  angenommenen  Saite,  „z.  B.  für 
das  kleine  f,  welches  eine  Länge  von  34  Zoll  verträgt,  so  dass  diese 
Länge  zwischen  den  beiden  Punkten  500  enthalten  ist"*).  Die  Länge 
für  fis  und  die  folgenden  Töne  ist  dann  in  nachstehenden  Zahlen 
fixirt:  fis  =  472,  g  =  4451/2,  gis  =  4201/2,  a  =  397  u.  s.  w.,  welche 
Berechnung  Jedem  ganz  klar  sein  wird,  der  unsere  Bemerkungen  über 
Tonmessung  nachgelesen  hat.  Hinter  den  Resonanzbodensteg  legt  man 
gewöhnlich  die  Anhängeplatte  von  Metall  oder  Eisenblech,  welche,  durch 
Eisenstäbe  gestützt,  das  NachschAvirren  der  Töne  verhindert.  Hierdurch 
erhält  dieLage  der  Saiten  mehr  Raum  und  die  Anhängestifte  gewinnen  einen 
besseren  Platz,  Gleichwie  der  Klangsteg  von  Metall,  welchfer  am  Stimm- 
stock häufig  über  die  Saiten  gelegt  wurde  und  den  Bisher,  Collard,  Erard 
und  Andere  in  verschiedenen  Formen  benutzten,  so  sind  auch  in  neuerer  Zeit 
vielfach  die  von  Sebastian  Erard  zuerst  gebrauchten,  schon  früher  erwähn- 
ten Agraffen  für  jedes  einzelne  Saitenchor  angewendet  worden,  und  die 
Firma  Steinwar/  ^  Söhne  in  New-York  schreibt  denselben  bei  richtiger 
Verwerthung  keine  unwesentliche  Förderung  des  Klanges  zu.  üeber  den 
Resonanzboden  haben  wir  uns  schon  im  akustischen  Theile  ausgespro- 


*)    Welcher,  S.  8^- 


153 

chen;  hier  bleibt  nur  zu  bemerken,  dass  für  jedes  Instrument  der  Reso- 
nanzboden besonders  geprüft  und  seine  Berippung  darnach  eingerichtet 
werden  sollte.  Wie  die  verschiedenartigen  Klangfiguren  ergeben,  hat 
jeder  Resonanzboden  vom  anderen  eine  verschiedene  Elasticität.  Ein 
mehr  zu  Transversalschwingungen  neigender  Resonanzb  "»den  bedarf  da- 
her stärkerer  Rippen,  als  ein  anderer,  der  zum  Erzittern  im  Ganzen  we- 
niger geneigt  ist.  Erst  nach  dem  Abprobiren  dieser  Eigenschaften  wird 
die  Berippung  vorzunehmen  sein,  damit  man  durch  den  aufgeleimten 
Steg  die  Saitenschw^nguno-en  in  richtiger  "Weise  zum  Resonanzboden 
überleiten  und  dessen  Molecularschwingungen  wenigstens  annähernd  von 
vornherein  regeln  könne.  Wie  unendlich  viel  von  der  tüchtigen  Berip- 
pung abhängt,  ist  uns  durch  unzählige  Beispiele  klar  geworden,  und 
gerade  in  diesem  Punkte  finden  wir  vielfach  Schablonenarbeit  vor,  wäh- 
rend doch  nur  wissenschaftliches  Erkennen  zum  Ziele  führen  kann.  Als 
die  besten  Resonanzholzlieferanten  werden  in  Deutschland  P.  Strunz  zu 
Aussergefild  in  Böhmen,  G.  Liclitenauer  zu  Dorf  Kreuth  in  Ober-Bayern, 
Fr.  Plöchinger  zu  Finsterau  in  Nieder-Bayern,  Michael  Poscliinger  zu 
Oberfrauenau  in  Nieder-Bayern,  Johann  Schreiner  zu  Dexelschlag  in 
Nieder-Bayern,  Jac.  Hentsch  zu  Lindberg  genannt.  Ueber  den  Mecha- 
nismus zur  Erregung  der  Saiten  haben  wir  bereits  gesprochen  und  dabei 
die  Broadwood'sche,  Erard'sche,  Pape'sche  und  Streicher'sche  Mechanik 
als  besonders  nennenswerth  in  früherer  Zeit  bezeichnet.  In  der  Gegen- 
wart halten  wir  die  Mechanik  des  Königl.  Sächsischen  Hofpianoforte- 
Fabrikanten  Julius  JBlüthner  in  Leipzig  für  eine  sehr  empfehlenswerthe,  da 
die  Leichtigkeit  der  Spielart  nicht  auf  Kosten  der  Dauerhaftigkeit  erzielt  ist 
und  ihre  einfache  Einrichtung  alle  Modificationen  des  Anschlags  ver- 
stattet. Die  Repetition  lässt  niemals  zu  wünschen  übrig  und  der  Hammer- 
kopf schlägt  die  Saite  so,  dass  aus  ihrer  Erregung  ein  harmonisch  voller 
Ton  mit  Wegfall  der  disharmonirenden  Obertöne  hervorgeht. 

Obgleich  wir  später  noch  einmal  auf  Blüthner's  treffliche  In- 
strumente zu  sprechen  kommen,  so  wollen  wir  doch  hier  durch  Zeich- 
nung seinen  Mechanismus  kurz  veranschaulichen,  da  derselbe  in  Wahr- 
heit einen  hohen  Grad  von  Vollkommenheit  erreicht  hat.  Diese  paten- 
tirte  Mechanik  in  allen  ihren  Details  zu  beschreibet,  würde  hier  zu  weit 
führen;  die  Zeichnung  selbst  veranschaulicht  jedem  Einsichtsvollen  hin- 
reichend die  Vorzüge  derselben.  Z.  B.  erkennt  man  in  a  deutlich  den  Ab- 


154 


sträct,  welcher  mit  dem  Hammerstiel  verbunden  ist.  In  h  sieht  man  eine 
Feder,  die  Hammerstiel  und  Abstract  zu  elastischer  Thätigkeit  befähigt, 
und  in  c  erkennen  wir  die  den  Stösser  festhaltende  Feder.    Durch  die 

feine,  zarte  Feder,  wie  wir 
sie  in  d,  dem  Stösser  mit  Win- 
kel, wahrnehmen,  wird  die  Spiel- 
art ausserordentlich  leicht  und 
angenehm,  während  die  Stell- 
schraube e  zur  Trao;ung  des 
Hammerkopfs  dient  und  die  ganz 
genaue  Regulirung  ermöglicht. 
Wenn  nun  die  Stoffe  zur  Gar- 
nitur sorgfältig  gewählt,  geson- 
dert und  abprobirt  werden,  so 
dürfte  diese  Mechanik  sicherlich 
keine  Rivalität  zu  scheuen  ha- 
ben, wovon  die  Flügelfabrikation 
Blüthner's  das  gültigste  Zeug- 
niss  selbst  liefert.  Im  Kastenbau 
wendet  Julius  Blüthner  ganz  al- 
lein die  symmetrische  Form  an, 
wodurch  er  entschieden  viel  Re- 
sonanzbodentläche  gewinnt.  Bei 
Besprechung  der  Pariser  Aus- 
stellung nehmen-  wir  auf  dieselbe 
noch  näher  Bezug;  hier  theilen 
wir  den  Kastenbau  nebst  dem 
Verspreizungssystem  mit,  um  die 
Vortheile  desselben  besser  zu  ver- 
anschaulichen. Von  deutschen 
Instrumenten  haben  wir  nicht 
ein  einziges  kennen  gelernt,  was 
an  Kraft  die  symmetrischen  Flü- 
gel Blüthner's  überboten  und  in 
Schönheit  der  Klangfarbe  er- 
reicht hätte.  Nicht  bloss  das  Ver- 


155 

spreizungssystem   und  die  Berippung    des  Resonanzbodens  tragen  zur 
Klangschönheit  so    wesentlich    bei,   sondern  es  ist  auch  ein  Verdienst 
Blütlmer''s,  dass  er  bei  je- 
dem einzelnen  Flügel  die 
Wahl  der  Anschlagsstelle 
genau  priift  oder  prüfen 
lässt  und  dabei  nicht  nach 
der    Schablone    verfährt. 
Denn   die  Akustik  lehrt, 
dass     jedes     Instrument 
seine    Individualität     be- 
sitzt und  dass  mithin  jedes 
mit  Berücksichtigung  der- 
selben    zusammengesetzt 
sein    will.    Gute    Zusam- 
mensetzer, mit  den  nöthi- 
sen    akustischen   Kennt- 
nissen  ausgerüstet,  gehö- 
ren freilich  zu  den  Selten- 
heiten.    Die    Erard'sche 
Mechanik,     sowie    über- 
haupt dessen  ganze  Con- 
struction,  welche  man  in 
Deutschland  in  der  Mitte 
des  19ten  Jahrhunderts  als  die  vollkommenste  betrachtete,  kann  mit  der 
Blüthner'schen  nicht  mehr  gleichen  Schritt  halten,  besonders  wenn  der 
Vergleich  beim  stärkeren  Angreifen  der  Instrumente  gezogen  wird. 

Was  nun  die  Claviatur  anbelangt,  so  hat  dieselbe,  wie  wir  sahen,, 
die  verschiedensten  Phasen  durchgemacht,  Ihre  Herstellung  stützt  sich 
aber  in  der  Gegenwart  auf  die  unabänderliche  Regel  der  zwölfstufigen 
Abtheilung  und  die  Reproduction  der  chromatischen  Scala  bedingt  den 
bei  Flügeln,  tafelförmigen  Pianos  und  Pianinos  in  einerlei  Gestalt 
erscheinenden  vorderen  Theil  der  Tasten.  Der  hintere  Theil  ist  jedoch 
vielfach  von  der  verschiedenen  Construction  des  Saitenbezugs  über  dem 
Resonanzboden  abhängig.  Für  die  oeste  Einrichtung  hält  der  Piano- 
foftebauer  TMcA'er, wenn  man  den  Tasten  für  Flügel  durchschnitt- 


156 


Dämpfung  bei  deutscher  Mechanik.    Figur  a. 


lieh  eine  ganze  Länge  von  1  T^/j  Zoll,  Waagestifte  von  vorn  8  Zoll,  Aus- 
löser 13  Zoll,  Hammerlinie  IG^/g  Zoll  zukommen  lässt. 

Den  hinterstimmigen  tafelförmigen  Pianos  dürften  am  besten  Tasten 
eigen  sein,  deren  ganze  Länge  vom  Contra  C  ab  18^/4  Zoll,  Waagestift  von 
vorn  ö^/s  Zoll,  Stosszunge  10  Zoll,  Hammerlinie  13^/2  Zoll,  vom  dreige- 
strichenen a  ab  ganze  Länge  26^/4  Zoll,  Waagestifte  von  vorn  11^/4  Zoll, 
Stosszunge  22^/2  Zoll,  Hammerlinie  25^/4  Zoll  beträgt.  Die  Tasten  für 
Pianinos  dürften  eine  Länge  von  14  Zoll,  einen  Waagestift  von  8  Zoll 
und  einen  Angriffspunkt  des  Gegenhebers  von  13  Zoll  beanspruchen. 

Ochsenbein,  Elfenbein  und  Hirschbein  sind  die  besten  Belegungs- 
mittel für  die  Tasten,  deren  Form  wir  nicht  näher  zu  beschreiben  nöthig 
haben,  da  sie  durch  die  Abbildungen  anschaulich  gemacht  wurde.  Die 
Dämpfung  ist  bei  den  meisten  Ciavieren  neuester  Zeit  über  den  Saiten 
angebracht;  für  die  deutsche  Mechanik  hat  man  gewöhnlich  die  Form,  wie  sie 
Pigur  a  giebt,  für  die  englisch-französische  aber  die,  wie  sie  Blüthner  ange- 
bracht. Das  Pianino  hat  ge- 
wöhnlich im  ganzen  eine  solche 
Mechanik,  wie  sie  uns  Figur  h 
zeigt.  Geschieht  bei  tafelför- 
migen Instrumenten,  obgleich 
das  jetzt  nicht  mehr  gebräuch- 
lich ist,  der  Hammerschlag  von 
oben,  wie  Figur  c  erkennen  lässt,  so  ist  es  zweckdienlicher,  die  Dämpfung 
unterhalb  anzubringen. 

Nach  dieser  übersichtlichen  Orientirung  gehen  wir  zur  Londoner 
Ausstellung  im  Jahre  1851  über,  welche  als  die  erste  wahrhaft  bedeu- 
tende und  tiefgreifende  zu  bezeichnen  ist. 

Von  dieser  berichtet  Fischhofin  sehr  eingehender  und  sachkundiger 
Weise.  Er  führt  uns  zuerst  England  vor  und  nennt  bei  diesem  Lande 
zunächst  Addison  und  Harvar.  Der  Erstere  nannte  sein  aufrechtstehendes 
Pianino  Eoyal  Albert  transposing  Pianoforte,  dessen  System  aus  Frank- 
furt stammte. 

Pape  in  Paris  hatte  nämHch  früher  eine  getheilte  Taste  erfunden, 
deren  ursprünglicher  Zweck  dahin  ging,  den  schweren  Anschlag 
etwas  leichter  zu  machen.  Mercier  bediente  sich  derselben  Erfindung, 
jedoch  zum  Zwecke  der  Transposition.     Er  verkaufte  sein  Patent  aa 


157 


Addison.     Die  Tasten  waren  in  der 
Länge  getheilt  —  der  vordere  Theil 
sowie  der  hintere  konnten  einzeln  und 
unabhängig  von  einander  bewegt  wer- 
den —  mit   einander    Avaren   sie   ver- 
bunden durch  einen    schiebbaren  He- 
bel,  der   sich  unten  befand,  so  zwar, 
dass,  wenn  vorn  immer  eine  und  die- 
selbe Taste  angeschlagen  wurde,  durch 
diesen  Hebel  nach  Belieben  die  Saiten 
der  Nachbartöne    von  dem    hinteren 
Ende  erklangen.      Uarivar  stellte  ein 
aufrechtstehendes  Piano  von  einem  an- 
dern Transponirsysteme  aus,  nach  wel- 
chem sich  nicht  die  Claviatur,  sondern 
der  ganze    Resonanzboden    mit    sei- 
nem  Bezüge  verschieben  musste,  ein 
Verfahren,    dessen     Ungeschicktheit 
auf     der     Hand 
liegt.  ÄUisonEo- 
hert  &  Comjp.  be- 
malte die  Tasten, 
um  die  Erlernung 
der      Scala      zu 
erleichtern     und 
zwar  abweichend 
sowohl    von  "der 
älteren    Art,   wo 
die    Untertasten 
schwarz  und  die 
Obertasten  weiss 
waren ,  als  auch 
von  dem  moder- 
nen   Usus,    bei 
welchem    gerade 
das      Gegentheil 


Figur  b. 


Figur  c. 


158 

stattfindet,  mit  anderen  Farben,  nämlich:  0=  rothgrau,  Cis  =  weiss, 
J)  =  rothgrau,  Dis  ==  weiss,  E  =  rothgrau,  F  =  weiss,  Fis  =  roth- 
grau, G  =  weiss,  Gis  =  rothgrau,  A  ==  weiss,  Ais  =  rothgrau, 
H  =  weiss.  Dass  die  Scalenerlernung  dadurch  etwa  befördert  M^erden 
könnte,  scheint  uns  unglaubhaft,  gleichwie  auch  der  von  Gerher  be- 
richtete Versuch  HoJdeder's,  des  pommerschen  Pastors  in  Friedland, 
im  Jahre  1792,  keinen  Nutzen  schaffte.  Denn  der  von  ihm  der  Berliner 
Akademie  zur  Begutachtung  vorgeschlagene  Farbenwechsel  von  Taste  zu 
Taste  kann  unmöglich  das  Erlernen  der  Scala  erleichtern.  Dergleichen 
dilettantische  Spielereien  brachten  sogar  den  Pariser  Instrumentenmacher 
Carl  Lemme  um  Vermögen  und  Verstand,  so  dass  derselbe  in  Folge  des 
Wahnsinns  starb. 

Jones  &  Comp.,  gleichwie  Pirsson  in  New- York,  hatten  Zwillings- 
Instrumente  ausgestellt.  Ersterer  in  aufrechter  Form,  der  Andere  ein  Dop- 
pelpianoforte.  FiscMiof  sagt  über  Letzteres,  es  sei  beinahe  ein  doppelter 
Bau,  welcher  in  einem  Kasten  nebeneinander  zwei  vollständige  Claviere 
darstelle,  hingegen  im  Instrumente  von  Jones,  welches  zweien  Pianinos, 
die  sich  mit  dem  Eücken  aneinanderlehnen,  ähnlich  wäre,  nur  ein  beiden 
gemeinschaftlicher  Rahmen  sich  vorfinde,  dagegen  auf  jeder  Seite  Tasta- 
tur, Resonanzboden,  Mechanik  und  Saitensystem  eigens  angebracht  seien, 
wobei  der  Berichterstatter  mit  Recht  auf  das  Piano  vis-ä-vis  von  Andreas 
Stein  1785  aufmerksam  macht.  Uns  scheint  dieser  Mechanismus  beim 
Pianino  ganz  unpraktisch  zu  sein,  weil  sich  bei  Vorträgen  von  Doppel- 
concerten  die  Spieler  ja  nicht  sehen  können,  und  dies  ist  hierbei,  wie  je- 
der Pianist  weiss,  durchaus  nothwendig. 

Sodann  finden  w'iv  Jenkins  &  Sohn  mit  einem  Cottage -Pianino  er- 
wähnt, welches  vergrössert  und  verkleinert  werden  konnte,  gleichwie 
Marius  schon  1712  seine  Clavecins  bris^s  eingerichtet  hatte.  FiscJihof 
fand  bei  Alexandre  &  Fils  und  bei  Deutsclimann  (in  Wien)  dieselbe 
Mechanik  auf  Physharmonikas  angewendet. 

Cadhjfs  grosses  Pianoforte  von  7  Octaven  und  zwei  aufrechten 
Cottages,  wo  der  Resonanzboden  vom  Corpus  und  Stimmstocke  getrennt 
erschien  und  ein  riesiges  Verspreizungssystem  mit  Schrauben  über  den 
ganzen  Umkreis  des  Instrumentes  verbreitet  war,  welche  letzteren  durch 
eiserne  Zapfen  mit  dem  Resonanzboden  in  Verbindung  standen,  so  dass 
man  ihn,  gleichwie    die   Pauke,  spannen  und  nachlassen  konnte,  Hess 


159 

durchaus  nicht  die  erstrebte  Klangschönheit  wahrnehmen.  Hmid  S  Sohn 
fanden  mit  einem  auirechtstehenden  Piano  in  lyraähnUcher  Gestalt 
grosse  Anerkennung.  Dieses  Instrument  hatten  die  Erbauer  mit  einei 
hohlen,  dem  Tone  mehr  Schallkraft  verleihenden  Estrade  verbunden, 
welche  Höhlung  sie  zugleich  benutzten,  um  die  tiefen  Basssaiten  ebenso 
lang  aufzuziehen,  wie  bei  grossen  Ciavieren.  Der  Spieler  war  bei  ge- 
ringerer Höhe  des  Aufsatzes  dem  Publicum  sichtbar  und  die  Rückwand 
schön  verziert. 

Kirhnan  &  Sohn  zeichneten  sich  mit  zwei  guten  Pianofortea, 
einem  aufrechtstehenden Cottage  und  einem  Modell  in  verkleiner- 
tem Massstabe  aus,  welches  alle  Verbesserungen  in  sich  vereinigen 
sollte. 

Gh'eine/s  Pianoforte  mit  zwei  Saiten  für  jede  Taste  und  mit  einer 
gleich  dem  Sprachrohr  gehöhlten  Krummseite  des  Flügels,  Matthews'  me- 
tallreichen Flügel,  und  Eolfe's  Instrumente  mit  double  action  erwähnt 
der  Berichterstatter  gleichfalls  in  lobender  Weise.  Er  kommt  sodann  zu 
der  alten,  schon  in  den  zwanziger  Jahren  durch  ihr  Verspreizungssystem 
bekannten  Firma  Stodart,  welche  8  Hohlröhren  an  ihrem  6^/4  Octaven 
enthaltenden  grossen  Claviere  zur  Verstärkung  des  Tones  angebracht 
hatte,  ohne  damit  das  vorgesteckte  Ziel  zu  erreichen.  Von  demselben 
Hause  lernte  Herr  Fischhof  ein  tafelförmiges  Piano  „  compact  Square  " 
von  6^/4  Octaven  kennen,  welches  6  oder  8  Zoll  kürzer  war,  als  die 
gewöhnlichem  Instrumente  dieser  Gattung.  Die  von  oben  wirkende 
Hammermechanik  hatte  Greiner  durch  Entfernung  der  Federn  wesentlich 
verbessert. 

Wornuni's  zweisaitiger  Stutzflügel  „  Albion "  besass  ebenfalls  eine 
1842  patentirte  von  oben  wirkende  Hammermechanik. 

CoUard,  die  durch  3Iusio  Clementi  emporgehobene  Firma,  glänzte 
durch  ihr  grosses  Pianoforte  von  7  Octaven,  durch  ihr  tafelförmiges  Cia- 
vier und  durch  das  billige  aufrechtstehende  Piano  for  thepeople,  wobei 
Fischhof  besonders  die  Spielart  hervorhebt. 

JBroadtvood's  Verdienste  haben  wir  bereits  nach  Quellenberichten  aus 
früherer  Zeit  bemerkt ;  auf  der  Londoner  Ausstellung  erschien  die  Klang- 
farbe seiner  Instrumente  als  die  schönste.  Der  Ton  war  mächtig, 
grossartig,  rund,  weich  und  der  zartesten  Behandlung  fähig.  Fischhof  er- 
klärt sie  für  Meisterwerke,  der  höchsten  Geltung  würdig. 


160 

Erarä's  Instrumente  befanden  sich  zugleich  in  der  enghschen  und 
französischen  Abtheilung  mit  Ausnahme  eines  Prachtflügels,  Avelcher  im 
Schiffe  des  Gebäudes  auf  einer  Estrade  prangte.  Eines  seiner  Pianofor- 
tes  war  6  Zoll  breiter,  als  die  gewöhnlichen,  und  hatte  7  Octaven  Umfang 
(von  A  zu  A).  Die  breitere  Anlage  geschah  deshalb,  um  die  Saiten 
etwas  weiter  von  einander  zu  theilen  und  die  Schwingungen  der  diesel- 
ben umgebenden  Luftmasse  dadurch  mächtiger  in  Bewegung  zu  setzen. 
Sein  Stutzflügel  „  Short-grand "  von  7  Octaven  zeichnete  sich  ebenso 
durch  klaren,  edlen  Ton  aus,  wie  sein  tafelförmiges  Instrument,  und  an 
einem  aufrechtstehenden  Piano  hatte  Erard  die  Repetitionsmechanik  an- 
gebracht, deren  er  sich  bei  grossen  Instrumenten  bediente.  Sein  Pedal  mit 
zwei  Octaven  Umfang  erschien  zur  Ausführung  Bach'scher  Compositionen 
vorzüglich  geeignet. 

Henri  Hern  stellte  Flügel  mit  über  den  Saiten  liegenden  Resonanz- 
böden nach  Joh.  Jac.  GolVs  System  1 822  aus,  welches  durch  den  Associe 
von  Hers,  den  Ciaviermacher  Klepfer,  verbessert  worden  war.  Sein 
Piano  eolien  besass  die  nicht  mehr  unbekannte  Vorrichtung,  vermittelst, 
welcher  nach  dem  Anschlag  ein  Luftzug  über  den  Saiten  das  An-  und 
Abschwellen  der  Töne  bewirkte.  Die  mit  jeder  Taste  in  Verbindung 
stehende  Klappe  zur  Leitung  des  Luftzuges  wurde  durch  den  Anschlag 
geöffnet  und  die  Winderzeugung  durch  Bälge  bewerkstelligt,  welche 
man  mit  den  Füssen  trat.  Das  Anemo-Corde  SchieWs  in  Paris  1789, 
mit  welchem  dieser  sich  1795  aus  der  Revolution  rettete,  mit  dem  er  1799 
in  Wien  vor  das  Publicum  trat  und  auf  dem  Hummel  1811  in  Wien 
improvisirt  haben  soll,  scheint  zur  Construction  jenes  Herz'schen  Instru- 
mentes die  Grundlage  geboten  zu  haben,  nachdem  der  mit  Hers  bekannte 
Mechaniker  Isoard  manche  Verbesserungen  erdacht  hatte. 

Äewn  Pape'5  Verdienste  in  Frankreich  haben  wir  schon  angeführt;  die 
verschiedenen  Arten  seiner  Pianos  aus  damaliger  Zeit  sind  noch  jetzt 
in  Frankreich  ganz  bel.annt.  Die  geringeren  Leistungen  Herdeng' s 
aus  Angers  und  Aucher's  aus  Paris,  von  Soufleto  d'  Kleinjasper,  von 
Franche,  Domeny,  Bord  u.  s.  w.  sind  weiter  nicht  zu  berühren,  dagegen 
der  blinde  Montal  durch  seine  Transpositions-  und  Repetitionsmechanik, 
ferner  durch  seine  Anbringung  der  doppelten  Auslösung  beim  Pianino 
gerechtes  Aufsehen  erregte.  Die  Vollkommenheit  seines  Systems  der 
Transpositionsmechanik,    nach  welchem  die  Transposition   durch  einen 


161 

Hebel  geschah,  hatten  vor  ihm  Mercier  und  Addison  vergeblich  angestrebt, 
Beim  Pianino  brachte  er  ein  Pedal  an,  welches  die  Claviatur  erniedrigte, 
die  Hämmer  näher  an  die  Saiten  setzte  und  somit  zur  Erzeugung  des 
Pianissinio  beitrug. 

Von  den  Uebrigen  bewährte  sich  die  alte  Firma  Boiler  (£■  Blandiei 
am  meisten,  wogegen  die  Instrumente  der  Association  egalitaire  Qi,  frater- 
nelle,  ferner  von  Zeiger,  von  Jaidin,  Dehain  u.  s.  w.  nicht  bemeriienswerth 
erscheinen. 

Aus  Oesterreich  macht  der  Berichterstatter  Pottje,  Schneider,  Hoxa 
und  Seuffert  namhaft.  Hoxä's  ausgezeichnet  die  Stimmung  haltendes 
Instrument  mit  klangbaren  Metallplättchen  in  der  höchsten  Klangregion 
und  Seufferfs  Pianino  mit  ])raktischer  Transpositionsmechanik  empfiehlt 
Fischhof  besonders.  Diese  Transpositionsmechanik,  „  welche  durch  Drehung 
der  an  der  rechten  äusseren  Claviaturbacke  befindlichen  Schraube  nach 
rechts  oder  links  mittelst  des  beigegebenen  langen  Stimmschlüssels  die 
Claviatur  unter  andere  Hammerkopftheile  verschob'',  war  noch  dadurch 
praktisch,  dass  sie  sich  nicht  weiter,  als  unbedingt  nöthig,  verrückte,  in- 
dem nämlich  der  Erbauer  an  der  inneren  Claviaturseitenbacke  erhabene 
gelbe  Stifte  angebracht  hatte,  welche  die  richtige  Stellung  der  Claviatur 
vermittelst  des  gelben  Knöpfchens  anzeigten,  dessen  Hälfte  auf  jeder 
Seite  sichtbar  sein  musste. 

Vom  übrigen  Deutschland  erwähnt  der  Berichterstatter  die  Namen: 
BreitTcopf  &  HärteJ,  Schiedmayer  aus  Stuttgart,  Gebmihr,  Westermann, 
Lipp,  Dörner,  Bessalie,  Adam,  Scheel,  Heitemayer,  Zeitter  und  beson- 
ders Schröder  ausHamburg;  aus  Dänemark:  Ruhms  S  Hornung,  aus  der 
Schweiz:  Hünid'  Hubert  (mit  grossem  Lobe),  Sprecher  d'  Bar,  Kützing. 
Da  wir  auf  Nordamerika  bei  der  Pariser  Ausstellung  noch  näher  zu 
sprechen  kommen,  so  führen  wir  hier  nur  die  vom  Berichterstatter 
erwähnten  Namen  an:  Nunns  d  Clarh,  Meyer,  Chickering,  Gilbert,  Pirs- 
sons,  James  Wood,  von  denen  Chickering  als  der  bedeutendste  hervor- 
zuheben ist. 

Belgien  leistete  im  Ganzen  wohl  nur  sehr  Geringes,  doch  sind  die 
Firmen  Vogelsang,  JastrzebsJci ,  Aerts,  Verhasselt  zu  nennen.  Holland 
befand  sich  mit  einem  unbedeutenden  Ciavier  allein  und  aus  Russ- 
land   erregte    Lichtenthai    mit    den    ersten    übersaitigen    Instrumenten 

Interesse.  — 

11 


162 

Für  Deutschland  hat  die  Münchner  AussteUung  vom  Jahre  1854 
einiges  Interesse,  wo  bei  den  ausgestellten  Instrumenten  hauptsächlich 
Erard'sche  und  englische  INIechanik  in  meist  vortheilhafter  Anwenduno-  zu 
erkennen  war.  Wirklich  neue  Erfindungen  erwähnt  der  tüchtige  Kenner 
des  Pianofortebaues  und  vorzügliche  Musiker  Dr.  ScJiafhaeuß  nicht, 
weshalb  wir  uns  wohl  auf  Angabe  der  Auszeichnungen  beschränken 
können. 

Die  grosse  Denkmünze  erhielten: 

1.  Ä.  Biber,  Hofpianofortefabrikant  in  München  (Bayern),  wegen 
Herstellung  von  Flügeln  und  tafelförmigen  Fortepianos  in  einem  überaus 
hohen  Grade  der  Vollendung  im  Ganzen  sowohl  als  in  den  einzelnen 
Theilen  und  wegen  Erfindung  einer  sehr  einfachen,  dauerhaften  und  den- 
noch durchaus  vollkommenen  Mechanik,  welche  in  Wirklichkeit  nur 
eine  recht  anerkennenswerthe  Verbesserung  der  englischen  Mechanik 
war.  Durch  Zugabe  einer  kleinen,  an  einem  Federchen  elastisch  schwe- 
benden Pelote,  auf  der  schiefen  Fläche  des  Stösserkopfes  unter  dem 
Hammerstiele  angebracht,  wird  nämlich  der  Hammer  in  jeder  Höhe  ge- 
fangen und  die  Repetition  ist  —  wie  Schaflmeutl  sagt  ~  so  leicht  und 
sicher  und  nie  versagend,  als  bei  der  vollendetsten  Erard'schen  Mechanik. 
Durch  diese  einfache  sinnreiche  Erfindung,  welche  leicht  anzufertigen, 
einfach,  wohlfeil  auszuführen  und  nicht  leicht  in  Unordnung  zu  bringen 
ist,  wurde  unserem  Berichterstatter  zufolge  in  Hinsicht  auf  den  Piano- 
fortebau ein  grosser  Fortschritt  hervorgerufen. 

2.  Eduard  Seiiffert,  Ciaviermacher  in  Wien,  wegen  Herstellung 
von  fiügelförmigen  Pianos  von  ausserordentlich  grossem  und  schönem 
Tone. 

3.  J.  L.  Scliiedmayer  Sf  Söhne  in  Stuttgart  wegen  Fabrikation  von 
sehr  schönen  und  vortrefflichen  Fortepianos  von  edler  Tonfarbe  und 
Begründung  eines  ausgedehnteren  Fabrikationszweiges  in  Würtemberg. 

Ehrenmünzen  empfingen: 

1.  C.  H.  Schröder  in  Hamburg  für  Verfertigung  eines  ausgezeich- 
neten Pianinos. 

2.  Ernst  Haake,  Instrumentenmacher  in  Hannover,  wegen  Verfer- 
tigung eines  ausgezeichneten  Piccolo  (?Pianino)  in  der  einfachsten  Form. 


163 

3.  W.  JRitniüller  in  Göttingen  wegen  Verfertigung  eines  vortreff- 
lich ausgeführten  flügeiförmigen  Pianos  von  gleichem,  gutem  Tone. 

4.  C.  Scheel  in  Kassel  für  Verfertigung  ausgezeichneter  Pianinos. 
,5.     Fr.  Rausch  4"  Sohn  in  Wien  wegen  Verfertigung  von  vortreff- 
lich ausgeführten  flügeiförmigen  Pianos  von  gleichem,  gutem  Tone. 

6.  M.  ScJiiveighofer^s  Wittive  in  Wien  für  Verfertigung  guter  FlügeJ 
und  tafelförmiger  Pianofortes  in  grossem  Massstabe. 

7.  Westermann  Sf  C.  in  Berlin  wegen  Verfertigung  eines  vortrefflich 
ausgeführten  flügeiförmigen  Pianos  von  gleichem,  gutem  Tone. 

8.  J.  B.  Kiews  in  Düsseldorf  für  Verfertigung  eines  vortrefflich 
ausgeführten  flügeiförmigen  Pianos  von  ganz  gleichem,  gutem  Tone. 

9.  Ernst  Irmler,  früher  Schambach  ^  Merhaut,  in  Leipzig  wegen 
Verfertigung  eines  vortrefflich  ausgeführten  flügel-  und  tafelförmigen 
Piano  von  gleichem,  gutem  Tone. 

10.  Dieudonne  4'  Slxidel  in  Stuttgart  wegen  Verfertigung  von 
vortrefflich  ausgeführten  flügeiförmigen  Pianos  von  gleichem,  gutem 
Tone. 

11.  Eich.  Lipp  in  Stuttgart  für  Verfertigung  von  tafelförmigen 
Pianofortes  von  grossem  Tone. 

12.  Frdr.  Dörner  in  Stuttgart  wegen  Verfertigung  guter  Flügel 
und  tafelförmiger  Pianofortes  in  grossem  Massstabe. 

Belobende  Erwähnung: 

1.  J.  J.  Jäger  in  München. 

2.  C.  Ä.  Andre  in  Frankfurt. 

3.  B.  Schott,  Söhne,  in  Mainz. 

4.  Joh.  Hcitzmann  in  Wien. 

5.  Emmerich  Betsy  in  AVien. 

6.  Jos.  Schneider  in  Wien. 

7.  Joh.  Fritz  in  Gratz. 

8.  Carl  Schmidt  in  Pest. 

9.  Ludwig  Beregssdszy  in  Pest. 

10.  Holling  Sf  Spangenberg  in  Zeitz. 

11.  Julius  Blüthner  in  Leipzig.  * 

12.  Breithopf  4' Hdrtel  m  lje\T^z\g, 

13.  •  Hagele  ^  huts  in  Aalen. 

J1* 


164' 

14.  Maithaes  ^  Kanhmiser  in  Stuttgart. 

15.  F.  Kaim  ^  C,  Günther  In  Kirchheim. 

Ueber  die  Pariser  Ausstellung  vom  Jahre  1855  haben  wir  keine  uns 
zusagende  Quelle  finden  können,  da  Fetts  allzu  unzuverlässig  ist,  ale 
dass  wir  ihn  benutzen  könnten.  Möglich  ist  es,  dass  in  der  kurzen  Zeit 
zwischen  der  Londoner  Ausstellung  1851  und  Pariser  Ausstellung  1855 
keine  wichtigeren  Verbesserungen  hervorgebracht  wurden;  doch  nimmt 
es  uns  Wunder,  dass  wir  in  keinem  musikalischen  Fächblatte  einen  ein- 
gehenderen Bericht  vorfanden. 

Da  die  Quellen  sparsam  fliessen,  so  können  wir  auch  nur  spärlich 
kredenzen.  Wir  finden  unterden  zahlreichen  Ausstellungsgegenständen  einen 
kostbaren  Erard'schen  Flügel  in  einem  vergoldeten  und  bemalten  Kasten 
erwähnt,  welcher  durchaus  der  Berühmtheit  der  Fabrik,  aus  der  er  her- 
vorgegangen, entsprochen  haben  soll.  In  der  französischen  Musiktrophäe 
figurirte  ein  anderes  Piano  von  Erard,  dessen  Kasten  in  Malachit,  Perl- 
mutter und  Jaspis  ausgelegt  war.  Unter  den  österreichischen  Instrumen- 
ten werden  des  vortreflTlichen  Tones  wegen  diejenigen  von  Bereghszaszy 
in  Pest,  unter  den  belgischen  die  von  Vogelsang  und  von  Sternberg  in 
Brüssel  namhaft  gemacht.  Die  Instrumente  aus  der  Schweiz  em- 
pfahlen sich  durch  ihre  Billigkeit,  Kopenhagen  war  durch  Homung  & 
MöUer  bemerkenswerther  vertreten.  Von  den  spanischen  Pianos  erwähnt 
ein  Berichterstatter  diejenigen  der  Firma  Botsselot  aus  Barcelona,  deren 
Hauptefablissement  in  Marseille  ist;  viele  Künstler  in  Paris  sollen  diesen 
Instrumenten  den  Vorzug  vor  den  Erard'schen  gegeben  haben,  was  wir 
denn  doch  stark  bezweifeln  möchten.  Ferner  hätten  englische  Fabriken 
mehrere  Instrumente  nach  Paris  gesandt,  welche  im  Tone  hinter  den 
französischen  zurückgeblieben  wären,  was  wir  nicht  anzweifeln  wollen» 
Preussen  fand  seine  beste  Vertretung  durch  Bessalie  in  Breslau  und  Wester- 
mann in  Berlin.  Was  Würtemberg  anbelangt,  so  hatten  Hagele  <&  Lutz  in 
Aalen  tafelförmige  Pianos  ausgestellt,  welche  sich  bei  billigen  Preisen 
durch  solide  Bauart  und  reichen  Klang  auszeichneten;  als  ganz  vorzüg- 
lich wurden  die  Instrumente  von  ScMedmayer  &  Söhne  aus  Stuttgart  ge- 
priesen, welche  die  Auszeichnungen  vollständig  gerechtfertigt  haben 
Bollen,  die  ihnen  in  London  und  München  zu  Theil  geworden  sind. 

Ueber  die  Londoner  Ausstellung  vom  Jahre  1862  legen  wir  Eduard 
HanslicKs  Bericht  in  der  von  Seltnar  Bagge  redigirten,  zu  Wien  damals 


165 


erscheinenden  deutsehen  MusikzeiUmg  zu  Grunde,  welcher  über  d,e 
Jury  internationaler  Ausstellungen  sehr  richtig  bemerkt:  »D.c  Dnbe- 
fan..enheit  der  Richter  setzen  «ir  vollständig  voraus,  wenngleich  N.e- 
„amlen,  unbekannt  ist,  wie  jeder  Juror  vor  Allem  seiner  «genen  Nal.on 
die  ..rösst -mögliche  Zahl  von  Medaillen  durchzusetzen  trachAt  und  da^ 
durch  ein  System  gegenseitiger,  mehr  die  Herkunft  als  die  Gute  betonen- 
den  Concessionen  in's  Leben  ruft." 

Diesen  Ausspruch   können  wir  auch  getrost  für  die  Pariser  Aus- 
stellung vom  Jahre  1867  acceptircn,  wo  wir  bei  der  Beurlheilung  von 
derselben  Voraussetzung  ausgehen  werden,  wie  es  Herr  Professor  Dr. 
Eduard  HansUck  bei  Besprechung  der  Londoner  Ausstellung  186.  ge- 
than  hat.    Von  dieser  sagt  der  geehrte  Berichterstatter,  dass  s.ch  von  .hr 
ein  neuer  Abschnitt  in  der  Geschichte  des  Ciavierbaues  mcht  dabren 
lasse,    da  sie  zwar  manche  kleine  Verbesserungen,   aber  kerne  durch- 
greifende    neue    Reform     aufgewiesen     habe.       Von     den    cnghschen 
Fabrikanten  nennt  er  besonders  wieder  Broadmoi,  dessen  Mechamk  er 
als  bekannt   voraussetzt.      Nach   den   neuesten  authentischen  Angaben 
betrage  die  Summe,  welche  Broadwood  jährlich  verausgabt,  nach  dem 
DurcLchnit.  der  letzten  fünf  Jahre  (von  1857  bis  1862)  «»r  Emohnung 
der  Arbeiter  (mit  Ausschluss  der  Commis  und  Faetoren)  «.^O«  L'  *'.'- 
für  Holzankäufe  17,434  L.  St.,  für  Metall  11,40,5  L.  S,.,- für  Elfcnbe.n 
935  L  St     Die  Zahl  der  in  Broadwood's  eigener  Fabrik  beschäftigten 
Arbeiter  sei  560.  die  der  jährlich  verfertigten  Pianos  2120      Die  von 
Broadwood  ausgestellten  Concertflügel  sollen  an  Kraft  tmd  Fülle  des 
Tones,  angenehmer  Spielart,  schöner  und  dauerhafter  Arbe.t  Alles  ge- 
leistet haben,  was  von  den  besten  Ciavieren  einer  weltberühniten  Firma 
„ur  immer  erwarte,  werden  konnte.     Die  Firma  CoUard  *  OoUard  er- 
wähnt er  gleichfalls  mit  Anerkennung  und  hebt  ausser  sechs  Concertflugeln 
das  Modell  eines  Pianino  für  Südamerika  hervor,  das  in  zwe,  Hälften 
zu  zerlcven  war.    Ein  Maulesel  wird  rechts  und  links  mit  je  einer  Hälfte 
bepackt^und  trägt  so    das   ganze   Instrument   über  das  A"desge  irg. 
Rühmenswerther  war  bei    Gollard-.   Instrumenten   die  solide  Mechanik 
und  das  feste  Corpus,  als  der  namentlich  bei  den  Co.tages  häufig  man- 
gelhafte Ton.    Sodann  erwähnt  er  die  Repetitionsmechamk  Hopkmson  s; 
die  westindische  Schnitzarbeit  an   einem  Flügel  von  Kirk.mm  anäSon; 
die  ^olide  Arbeit  C.  Gadbtfs  und  CMlcns;  die  neue  Stimmvorrichtung 


166 

Greiner's,  mittelst  welcher  alle  drei  Saiten  zugleich  gestimmt  werden 
konnten;  die  der  Dauerhaftigkeit  wegen  unter  dem  Resonanzboden  be- 
findliche Eöhrenspreize  Hamptotis;  die  einfache  Mechanik  Harrison's- 
Wormmi's  von  oben  wirkende  Hammermechanik;  Hüsfs  Tubula-Holz- 
säulen  und»  den  edlen  Ton  seiner  Instrumente;  PoJdmann^s  Instrument 
vom  Jahre  1772,  an  welchem  Gluck  nachweislich  seine  Armida  com- 
ponirt  hatte;  CJiappeVs  kleines  vieroctaviges  Ciavier  für  10  Guineen; 
Lotlce's  als  Spielzeug  zu  betrachtendes  kleines  Ciavier- Glockenspiel; 
Charles  Hampton' s  ganz  in  Glas  gefasstes  Piauino,  als  praktisches  Modell 
für  alle  Einzelnheiten  des  Ciavierbaues;  das  Fehlen  Erard's,  dessen 
Mechanik  so  vielfach  nachgeahmt  wurde;  das  Streben  nach  Verein- 
fachung der  Erard'schen  Mechanik  von  Seiten  der  Schweizer  Huni  S 
Hubert,  des  Petersburgers  Becker,  des  Belgiers  Sternherg,  der  Firma 
Herz  (?)  in  Paris;  die  preisgekrönte  französische  Yixmo, Herz,  welcher  das 
aus  64  Theilen  bestehende  double  echappement  Erard's  um  drei  Theile 
vereinfacht  hatte,  obgleich  bei  seinen  Instrumenten  der  Anschlag  wegen 
seines  Zuckens  und  der  Empfindung  nach  doppelten  Tastenfalls  weniger 
vorzüglich  war,  als  bei  Broadwood;  sodann,  nach  einer  Bemerkung  über 
die  allzu  ausgedehnte  Anwendung  des  Eisens  beim  Bau  der  Claviere,  lobt 
er  PleyeVs  einfache  Mechanik  nach  dem  Muster  der  Broadwood'schen 
und  dessen  im  Basse  gut  wirkende  Dämpfung  von  oben;  ferner  erwähnt 
er  Wölfefs  vollendetes  Echappement  und  seltene  Ausgeglichenheit  der 
Spielart;  Blanchet's  „nach  und  nach"  übersponnene  Basssaiten  zur  Ver- 
meidung des  Ueberganges,  und  dessen  Pianino  in  sehr  verkleinertem 
Massstabe;  Boisselot's  gute  Arbeit;  MontaVs,  des  blinden  Clavierbauers,^ 
tonschwellendes  Pedal,  dessen  Befestigung  des  Resonanzbodens  durch 
eiserne  Stangen  ohne  Leim  aus  Rücksicht  auf  zu  heisse  Climata, 
und  seine,  sowie  Blanchet's  Transponirvorrichtungen;  die  Agraflfen 
Aucher's  (dieselben  hatte  ja  schon  Pierre  Erard  ebenso  angewa.ndt);  Bords 
sich  nur  durch  Billigkeit  auszeichnende  Claviere;  Kriegelstehis präcise,  saa- 
ber gearbeitete  Mechanik  bei  schwachem  Tone;  Debain's  Piano  mic&mquey 
das  man  als  Clavierspieler  wie  ein  Ciavier,  und  als  Nichtclavierspieler 
vermittelst  eingelegter  Spielwalzen  wie  eine  Drehorgel  behandeln  kann, 
welche  Vorrichtung  auch  Henri  und  Martin  aus  Paris  an  ihren  Pianos 
ä  donhle  Systeme  de  Ciatier  et  cylindre  angebracht  hatten.  Nach  Be- 
sprechung Frankreichs  kommt  er  zum  Zollverein,  wo   er  Bechstein's,  dea 


167 

Berliners,  vorzügliche  Flügel  nach  dem  System  von  Chickering  in  Nevv- 
York  hervorhebt  und  daneben  die  Firmen  Adam,  Knacke,  Hardt,  Breit- 
kopf, Hundt,  Spangenberg,  Schiedmayer,  Doli  S,-  Kamprath,  Malits,  Rachais 
theils  lobend,  theils  tadelnd  namhaft  macht.  Die  nichts  Wichtieres 
enthaltenden  Erörterungen  über  die  belgische  Firma  Sternherg,  über  die 
Schweizerfirmen  Hüni  Sf  Hubert  und  Sprecher,  über  die  schlechten  spani- 
schen Instrumente  von  Guarro  und  Mortano,  über  den  Petersburger  Flügel 
von  Becker,  über  die  norwegischen  Pianinos  von  Hals-Brothers',  über  die 
dänischen  Pianinos  von  Carlsen  Sf  Comp.,  und  von  Hornums,  endlich  über 
die  schwedischen  Pianos  von  Mulmsjö  und  von  Sülherberg  können  wir 
übergehen.  Dagegen  widmet  Herr  Hanslick  der  ausgezeichneten  New- 
Yorker  Fabrik  von  Steinway  S)-  Söhne  eine  eingehendere  Betrachtung, 
aus  der  wir  entnehmen,  dass  schon  auf  der  Londoner  Ausstellung  von 
jener  Firma  das  angebahnt  worden  ist,  was  sie  auf  der  Pariser  Ausstel- 
lung 1867  unbedingt  erreicht  hat  —  nämlich  die  Suprematie  über  alle 
Fabriken  der  Welt.  Da  wir  auf  die  hervorragenden  Leistungen  dieses 
deutsch-amerikanischen  Hauses  noch  näher  zu  sprechen  kommen,  so  be- 
merken wir  von  Nordamerika  nur  noch  die  Firma  Hidscamp,  welche  die 
Eesonanzbodenspannung  zur  Saitenspannung  vermittelst  einer  Schrauben- 
regulirung  in  Proportion  zu  setzen  suchte.  Von  den  acht  österreichischen 
Ausstellern  belobt  Herr  Hanslick  besonders  Streicher  und  Ehrbar.  Die 
Ehrbar'schen  Instrumente  nahmen  jedoch  auf  der  Pariser  Ausstellung 
eine  so  massige  Stufe  ein,  dass  wir  wohl  glauben  müssen,  es  seien  die  in 
London  1862  ausgestellten  Instrumente  dieser  Fabrik  „  ausnahmsweise  " 
gut  gerathen.  Denn  auch  sonst  ist  uns  Ehrbar,  der  Nachfolger  von 
Seiiffert,  nie  hervorragend  erschienen,  während  wir  die  lobende  Er- 
wähnung Streicher' s  und  ßösendorfers  unbedingt  unterschreiben;  ja  wir 
finden  Letzteren  —  so  weit  wir  seine  Fabrikate  kennen  —  noch  zu  sehr 
hintenangesetzt.  Von  den  Fabriken:  Schneider,  Cramer,  Blümel,  Pottje,  Be- 
regszhdszi  ist  nur  der  Letztere,  ein  Pester,  insofern  namhaft  zu  machen, 
als  er  durch  einen  breiteren  Steg  die  Vibrationen  der  Saiten  besser  auf 
den  Resonanzboden  zu  übertragen  suchte,  was  ihm  auch  theihveise  ge- 
lungen zu  sein  scheint. 

Gehen  wir  nun  zum  Schluss  der  Schrift  zur  Pariser  AVeltaus- 
stellung  vom  Jahre  1867  über,  deren  Leistungen  wir  persönlich  ken- 
nen lernen  und  prüfen  konnten: 


168 

Der  französische  Kaiser  Napoleon  III.  hat  durch  das  Zustande- 
kommen der  Ausstellung  eine  Idee  verwirklicht,  deren  Grösse  Niemand 
leugnen,  Niemand  bemäkeln  kann.  Die  industrielle  Verbindung  aller 
Nationen  der  Welt,  der  Wettkampf  des  Geistes,  welcher  sich  durch  die 
ausgestellten  Erzeugnisse  des  Genies  und  Fleisses  entwickelte,  die  dadurch 
gegebene  Anregung  zu  weiterem  Nachdenken  und  Erfinden,  das  dem 
Manne  der  Wissenschaft  so  nöthige  praktische  Veranschaulichen  der 
durch  die  Theorie  gewonnenen  Gesetze,  vor  Allem  aber  das  hohe  Be- 
wusstsein,  dass  nur  im  Frieden  der  wahre  Fortschritt  gedeihen,  dass  nur 
geistiges  Ringen  um  die  Palme  die  Völker  beglücken  und  dass  nur  durch 
gegenseitige  internationale  Unterstützung  die  Volkswirthschaft,  somit 
auch  Kunst  und  Wissenschaft,  emporblühen  können:  das  hat  der  geniale 
Mann  unter  Beihülfe  der  Nationen  durch  die  gewaltige  Industrieausstel- 
lung vom  Jahre  1867  in  Paris  dargethan  und  schlagend  bewiesen.  Wir 
gehören  nicht  zu  denen,  welche  nur  das  Einheimische  allein  lobpreisend 
erwähnen  und  anderen  Nationen  nicht  Gerechtigkeit  widerfahren  lassen; 
daher  halten  wir  es  auch  für  unsere  Pflicht  auszusprechen,  dass  sich 
Frankreich  mit  beregter  Ausstellung  den  Dank  aller  Nationen  in  hohem 
Grade  erworben  hat. 

Wie  in  Griechenland  die  Völker  zum  Kampf  der  Wagen  und  Ge- 
sänge eilten,  wie  mit  dem  Fichtenkranz  so  manche  hochbedeutende 
Leistung  gekrönt  wurde,  wie  dort  die  Stämme  ihren  gegenseitigen  Werth 
erkannten:  so  hat  sich  jetzt  in  weit  höherem  Maasse  der  Process  gegen- 
seitiger Würdigung  zwischen  allen  Nationen  der  Erde  vollzogen,  und 
hoffentlich  ist  diese  Würdigung  eine  Garantie  für  das  Gedeihen  des 
Friedensw^erkes,  mit  welchem  nur  die  Kunst  w^achsen  und  blühen  kann. 

Denn  dass  leider  der  Kunstausübung  und  ihrer  Beurtheilung  bis 
letzt  noch  oft  der  gesinnungstüchtige  Boden  fehlt,  lehrte  in  ihrer  Schat 
tenseite  ebenfalls  die  Ausstellung.  Um  während  derselben  in  Paris  zui 
Geltung  zu  kommen,  bedurfte  es  vor  allen  Dingen  des  Geldes  und  einer 
gewissen  Manier  im  geselligen  Verkehr.  Die  Kunstzustände  erschienen 
häufig  so  frivol,  dass  sich  oft  der  Schwindel  in  kürzerer  Zeit  Bahn  brach, 
als  charaktervolle  Gesinnung  und  künstlerisches  Können.  Das  Publicum 
liess  sich  nur  zu  oft  durch  bezahlte  Artikel  leiten  und  gab  auf  ein  soge- 
nanntes Bonmot  in  Witzblättern  und  Tagesjournalen  mehr,  als  auf  eine 
streng;  beweisende  Abhandlung:.    Doch  vergass  es  solchen  Charivari-Witz 


169 

sofort  wieder,  wenn  am  anderen  Tage  ein  noch  piquanteres  Wort  von 
irgend  einem  gewonnenen  Scribenten  ausgesprochen  wurde.  Wandte  nun 
der  Künstler  nicht  die  nöthigen  Mittel  an,  die  Presse  für  sich  zu  gewin- 
nen, machte  er  nicht  gewissen  Recensenten  unausgesetzt  den  Hof,  ver- 
stand er  es  nicht,  mit  Gewandtheit  von  nichtssagenden  Dingen  zu  sprechen, 
und  war  er  nicht  im  Stande,  manchen  Rivalitätsintriguen  mit  noch  grös- 
serer Schlauheit  zu  begegnen:  dann  war  er  für  Paris  verloren.  —  Der 
Künstler  muss  hier  stets  gerüstet  sein,  seinen  von  irgend  einem  Zeitungs- 
artikel zu  Boden  geschlagenen  Ruf  von  Neuem  wiederherzustellen,  falls 
es  ihm  vorher  überhaupt  gelang,  sich  geltend  zu  machen.  Und  was  sind 
es  zuweilen  für  Leute,  welche  in  Paris  über  künstlerische  Verhältnisse 
schreiben  und  wie  Könige  mit  dem  Scepter  in  der  Hand  die  Feder 
führen?  Es  sind  theil weise  mit  der  Technik  der  Kunst  ganz  unvertraute 
Personen,  welche  vermöge  ihrer  Bildung  nicht  im  Stande  sind,  nur  einen 
einigermassen  sicheren  Blick  in  die  künstlerischen  Werkstätten  zu  thun. 
Durch  solche  Oberflächlichkeit  der  Kritik  sind  viele  Künstler  selbst  ober- 
flächlich geworden  und  man  wird  sicherlich  unter  Zwanzig  kaum  Einen 
finden,  der  neben  dem  Gelderwerbe  noch  etwas  Höheres  erstrebte.  Thut 
er  aber  Letzteres,  so  wird  es  ihm  kaum  gelingen,  sich  eine  Popularität 
im  edleren  Sinne  zu  erwerben,  wofür  z.  B.  Berlios  und  Gouvy  schlagende 
Beispiele  sind.  Beide  sind  viel  zu  wenig  anerkannt,  obgleich  namentlich 
der  Letztere  auf  dem  Gebiete  der  Instrumentalmusik  seit  vielen  Jahren 
bei  AVeitem  das  Gediegenste  von  allen  Pariser  Componisten  geleistet  hat. 
Goiinod  vermochte  allerdings  ausnahmsweise  durch  seine  Opern  festen 
Boden  zu  erringen;  dass  aber  dem  grösseren  Theile  des  Pariser  Publicums 
eine  OfFenbach'sche  Tirade  höher  steht,  als  die  höchste  Kunstleistung, 
dass  ihnen  Beethoven! s  Fidelio  noch  als  ein  Buch  mit  sieben  Siegeln  er- 
scheint, ist  unleugbare  Thatsache.  Den  eigenen  gediegeneren  National- 
kräften, denen  man  als  der  grossen  Nation  entsprossen  immerhin  noch 
mehr  geneigt  sein  muss  zu  huldigen,  ist  also  schon  eine  schwere  Bahn 
vorgezeichnet;  das  Fremde  ist  aber  unrettbar  verloren,  wenn  es  im  be- 
scheidenen, den  wahren  Künstler  sonst  so  zierenden  Gewände  auftritt; 
Goethe' s  Wort:  „Nur  die  Lumpe  sind  bescheiden"  wird  von  einem  Theile 
der  Pariser  wörtlich  genommen,  und  wehe  dem  Manne,  der  es  wagt,  in 
einer  weniger  coquett  zugestutzten  Haartour,  in  einem  nicht  nach  der 
neuesten  Mode  zugeschnittenen  Habit  in  den  Gesellschaf tscirkeln  dieses 


170 

Theiles  zu  erscheinen.  Das  Schlichte  und  Einfache  gilt  dort  als  Tölpelei, 
das  Fade  und  Oberflächliche  als  guter  Ton.  Leider  haben  sich  in  die 
grossen  Städte  Deutschlands  auch  manche  derartige  Missverhältnisse  ein- 
gesclilichen;  in  Leipzig  sind  wir  aber  noch  glücklicherweise  weit  entfernt 
von  einem  den  w^ahren  künstlerischen  Sinn  so  untergrabenden  Gesell- 
schaftstone, der  dort  sogar  in  die  unteren  Schichten  Eingang  gefunden 
hat.  Phrasen-  und  Lorettenthum  sind  Geschwister  von  einer  Mutter, 
welche  nur  durch  fortgesetzte  Energie  und  Thatkraft  von  Seiten  des 
besseren  Theiles  der  Kunstfreunde  zu  beseitigen  ist.  Dass  inmitten  eines 
solchen  Getriebes  manche  Aussteller  viel  zu  kämpfen  hatten,  um  die  Mei- 
nung des  Publicums  für  sich  zu  gewinnen,  ist  leicht  begreiflich.  Denn 
wenn  auch  die  internationale  Jury  als  oberster  Gerichtshof  für  den  Aus- 
steller selbst  das  massgebendste  Urtheil  lallte,  so  musste  diesem  doch  viel 
daran  liegen,  im  Publicum  festen  Fuss  zu  fassen  und  damit  seinen  Fabri- 
katen eine  weitere  Verbreitung  zu  erringen.  Aus  diesem  Bestreben  ent- 
wickelten sich  denn  auch  die  verschiedensten  Kämpfe  unter  den  Con- 
currenten  und  man  las  daher  heute  ein  überschwängliches  Lob  über  die 
Erfindungen  und  Verbesserungen  einer  Fabrik,  was  am  anderen  Tage  in 
demselben  Blatte  negirt  wurde.  Den  interessantesten  Kampf  führten  in 
dieser  Beziehung  die  beiden  amerikanischen  Firmen  Steinway  Sf  Söhne 
aus  New-York  und  GMchering  aus  Boston,  wobei  es  natürUch  ohne  die 
merkwürdigsten  Keclamen  nicht  abgehen  konnte.  Wenn  sich  der  sonst  so 
gediegene  Steinivay  veranlasst  sah,  den  angeblichen  Ausspruch  Rossini^ s  mit- 
zutheilen:  „Die  Steinway- Flügel  sind  gleich  gross  im  Donnersturm  des 
Gewitters,  wie  im  süssen  Flöten  der  Nachtigall  in  einer  Frühlingsnacht",  so 
entgegnete  ChicJcering,  dass  Lis^st  gesagt  habe :  „Drei  Dinge  will  ich  sehen, 
bevor  ich  sterbe:  die  Prairien  in  Amerika,  den  Niagarafall  und  —  die 
Pianos  von  ChicJcering".  Die  Ausgaben  der  beiden  Firmen,  über  Avelche 
letzteren  man  fast  jeden  Tag  einen  neuen  Artikel  lesen  konnte,  steigerten 
sich  bis  zu  einem  kaum  glaubhaften  Maasse,  so  dass  sogar  die  „Signale" 
die  Fabel  erzählten:  „Von  den  Preisen  in  Paris  während  der  Weltaus- 
stellung wird  man  sich  schwer  eine  Idee  machen  können,  wenn  man 
erfährt,  dass,  wie  uns  dort  glaubhaft  versichert  wurde,  unter  anderen  die 
beiden  amerikanischen  Ciavierfabrikanten  Steinway  aus  New-York  und 
ChicJcering  aus  Boston,  während  eines  allerdings  zweimonatlichen  Aufent- 
haltes nicht  unter  400,000  Francs  Spesen  machten;  das  heisst,  ein  Jeder 


171 

von  ihnen!  Aber  Beide  erhielten  die  goldene  Medaille  und  Chickering 
dazu  noch  einen  Orden.  —  Nicht  etwa  die  Preise  für  die  Wohnungen  etc., 
sondern  die  Preise  z.  B.  für  Buchdruckerschwärze  waren  zu  einer  so 
enormen  Höhe  gestiegen."*)  Ueber  die  bedeutenderen  Leistungen  Stevi- 
icat/'s  konnte  man  gar  nicht  im  Zweifel  sein,  wenn  man  mit  der  nöthigen 
Sachkenntniss  eine  Vergleichung  zwischen  seinen  und  Chichering's  Instru- 
menten anstellte,  welche  überdies  alle  Tage  im  Ausstellungsgebäude  dem 
Publicum  durch  zwei  Pianisten  vorgeführt  wurden.  Ausserdem  hatten 
beide  Firmen  über  ihre  Fabrikation  Broschüren  veröffentlicht,  deren  un- 
gleichmässiger  Gehalt  sofort  in  die  Augen  springt.  Während  Theodor 
Stemivay  mit  akustischen  Kenntnissen  ausgerüstet  auf  die  amerikanische 
Fabrikation  von  Pianos  im  Allgemeinen  Rücksicht  nimmt,  ferner  die 
Verdienste  der  einzelnen  amerikanischen  Pianofortebauer  —  daher  auch 
diejenigen  der  Firma  CliicTcering  —  sachgemäss  beleuchtet  und  schliess- 
lich die  neuen  Constructionen  seiner  eigenen  Instrumente  in  Wort  und 
Zeichnung  offen  darlegt,  begnügt  sich  Chickering  va\i  allgemeinen  Phrasen 
über  den  Werth  seiner  Fabrik,  mit  einzelnen  Zeugnissen  einiger  Pianisten 
und  mit  Zeichnungen  von  den  Kasten  seiner  Instrumente,  aus  denen 
kein  Mensch  etwas  gewinnen,  wohl  aber  Jeder  erkennen  kann,  dass 
hinter  solcher  Oberflächlichkeit  auch  keine  Productivität  verborgen  liegt. 
Schon  auf  der  Londoner  Ausstellung  1862  errangen  sich  die  Stein- 
way'schen  Instrumente  die  höchste  Anerkennung  aller  Sachverständigen 
und  man  prophezeite  damals  dem  Instrumentenbau  durch  die  Leistungen 
des  Hauses  Steimoay  einen  neuen,  vorher  nicht  geahnten  Aufschwung. 
Di§  Pariser  Ausstellung  1867  hat  alle  früheren  Erfindungen  dieser  Fabrik 
in  gereifter  Vollendung  erkennen  und  einen  Fortschritt  wahrnehmen 
lassen,  auf  welchem  jetzt  die  gesammte  Ciavierfabrikation  Europas 
fussen  muss,  wenn  sie  mit  der  amerikanischen  von  Steimoay  nur  an- 
nähernd gleichen  Schritt  halten  will.  Die  einsichtsvollen  Instrumenten- 
bauer, z.  B.  Streicher  in  Wien,  weisen  auch  die  Errungenschaften  Ame- 
rikas nicht  zurück,  sondern  bauen  nach  ihrer  eigenen  Aussage  jetzt  In- 
strumente nach  amerikanischer  Construction,  ebenso  befleissigen  sich  die 
Pariser,  ihre  durch  das  Haus  Steinway  so  weit  übertroffiene  Fabrikation 
durch   die   Herstellung   von  Pianos   americains    zu  heben;    in    England 

*)    Wir    machen    hier    ausdrücklich    darauf    aufmerksam ,    dass    dieser    Signalscherz 
jedenfalls  in's  Reich  der  Fabeln  gehört.  — 


172 

iicheint  man  aber  noch  starr  an  dem  Althergebrachten  festzuhalten,  wes- 
halb auch  die  berühmte  Firma  Broadwood  nicht  bloss  von  Steinivay,  son- 
dern von  mehreren  deutschen  Fabrikhäusern  weit  überflügelt  wurde. 

Der  Standpunkt  der  Pianofortebaukunst  ist  also  in  Amerika  durch 
das  Haus  Steimoay  Sf  Söhne  auf  eine  so  hohe  Stufe  gebracht  worden, 
dass  alle  europäischen  Fabrikanten  zu  derselben  emporblicken  und  von 
ihr  die  Gesetze  für  ihr  eigenes  Wirken  abstrahiren  müssen.  Diese  Stufe 
bedingt  aber  auch  als  historisches  Moment  einen  Rückblick  auf  die  frühere 
Fabrikation,  für  welche  uns  die  Broschüre  Theodor  Steituvay's  und  andere 
Belege  dankenswerthe  Anh altepunkte  bieten. 

In  den  ersten  drei  Jahrzehnten  dieses  Jahrhunderts  galten  die  euro- 
päischen  Instrumente  eines  Erard,  Broadwood,  CoUard,  sowie  auch  der 
Wiener  Fabrikanten  in  Amerika  als  einzige  preiswürdige  Waare  und 
obgleich  das  amerikanische  Clima  den  europäischen  Erzeugnissen  im 
Pianofortebau  nicht  gerade  förderlich  war,  sondern  im  Gegentheil  die 
Klangfarbe  bei  den  Pianos  matter  als  im  Heimathslande  erscheinen  liess, 
so  blieben  doch  noch  im  Anfange  des  19.  Jahrhunderts  die  Versuche  der 
Amerikaner  im  Pianofortebau  sehr  vereinzelt  und  unvollkommen.  Ersi 
im  Jahre  1825  ist  der  erste  Schritt  zur  Verbesserung  des  Pianoforte- 
baues in  den  Vereinigten  Staaten  zu  entdecken,  weil  damals  zuerst  das 
Streben  hervortrat,  durch  Benutzung  eines  vollen  gusseisernen  Rahmens 
dem  Corpus  mehr  Festigkeit  und  Widerstandskraft  gegen  den  Zug  der 
Saiten  zu  geben.  Da  der  Geschmack  und  die  Vorliebe  für  das  tafel- 
förmige Piano  in  Amerika  vorherrschend  war,  so  machte  man  jene  Ver- 
suche auch  zuerst  an  Instrumenten  dieser  Gattung  (Square  Piano)  und 
erreichte  damit  eine  dem  Clima  entsprechendere  Construction.  Ueberhaupt 
wendete  man  sein  Hauptaugenmerk  auf  die  Fabrikation  von  tafelförmigen 
Pianofortes,  von  denen  jetzt  noch  95  Procent  der  Gesammtfabrikation  er- 
baut werden.  Die  importirten  fingen  nach  und  nach  an  hinter  den  ein- 
heimischen zurückzutreten,  weil  sie  in  Folge  des  häufigen  und  plötzlichen 
Temperaturwechsels  die  Stimmung  nicht  hielten,  die  angenehme  Klang- 
farbe bald  verloren  und  in  den  mit  Gardinen  und  Teppichen  reich  ver- 
zierten Salons  der  vornehmen  Klasse  bei  ihrem  schwächeren  Tone  nicht 
vollkommen  zur  Geltung  kommen  konnten.  Die  aufrechtstehenden  Pia- 
nos, welche  in  neuerer  Zeit  allgemein  mit  Pianinos  bezeichnet  werden, 
befriedigten  unter  solchen  Umständen  selbst  die  massigsten  Anforderun- 


173 

^en  nicht  und  auch  jetzt  noch  ist  in  Amerika  das  Vorurtheil  gegen  diese 
Gattung  von  Instrumenten  so  tief  eingewurzelt,  dass  die  Verfertigung 
derselben  verhältnissmässig  äusserst  gering  zu  nennen  ist. 

Die  historischen  Forschungen  ergeben,  dass  im  Jahre  1825  Alpheus 
Bahcooh  in  Philadelphia  ein  Patent  auf  einen  gusseisernen  Ring  erhielt, 
welcher  in  Harfenform  auf  ein  hinterstimmiges  tafelförmiges  Pianoforte 
geschraubt  wurde,  um  dessen  Festigkeit  zu  erhöhen.  Durch  diese  Erfin- 
dung führte  der  Genannte  zuerst  das  Prineip  ein,  die  Anhängeplatte  mit 
dem  Stütztheile  des  Stimmstockes  zusammen  aus  einem  Stücke  zu  giessen. 

Im  Jahre  1833  stellte  Conrad  Meyer  aus  Philadelphia  im  dortigen 
Franklin- Institute  ein  vorderstimmiges  Pianoforte  aus,  welches  einen 
vollen  gusseisernen  Rahmen  hatte. 

Jonas  Chickering  in  Boston  (gest.  im  Jahre  1853)  erhielt  im  Jahre 
1840  ein  Patent  auf  einen  eisernen  Stimmstocksteg  nebst  Leiste  zur  Auf- 
nahme der  Drähte  für  die  Dämpfung.  Steg  und  Leiste  waren  mit  dem 
Rahmen  zusammengegossen. 

Die  Anwendung  des  vollen  gusseisernen  Rahmens  wurde  in  Amerika 
durch  die  vorzügliche  Qualität  des  Eisens,  sowie  die  grosse  Vollkommen- 
heit erleichtert,  welche  die  Giesskunst  daselbst  bereits  erreicht  hatte. 
Dass  die  Haltbarkeit  der  Stimmung  eines  Pianos  durch  den  eisernen 
Rahmen  bedeutend  gewinnen  musste,  ist  unbestreitbar,  jedoch  litten  die 
Instrumente  mit  solcher  Construction  an  einem  dünnen,  unangenehmen 
Nasentone,  welcher  den  Beweis  für  ungleichmässige  Erzeugung  der  Mole- 
cularschwingungen  und  für  das  Vorhandensein  unharmonischer  ObertÖne 
liefert.  Daher  fand  auch  die  neue  Erfindung  bald  ebensoviele  Gegner 
als  Anhänser  und  wurde  bis  zum  Jahre  1855  von  mehr  als  der  Hälfte 
der  amerikanischen  Fabrikanten  gar  nicht  angewendet.  Die  Gegner  waren 
in  New- York  besonders  zahlreich  vertreten,  wo  nachweislich  kein  einziger 
Fabrikant  von  Bedeutung  vor  dem  Jahre  1855  den  vollen  eisernen  Rah- 
men bei  der  Fabrikation  von  Pianos  anwendete. 

Die  in  Boston  gefertigten  Instrumente  hatten  alle  den  gusseisernen 
vollen  Rahmen,  in  welchem  der  Stimmstocksteg  ein  Theil  der  eisernen 
Platte  war.  Ueber  die  spitze  Kante  des  letzteren  liefen  die  durchschnitt- 
lich sehr  dünnen  Saiten  und  die  bei  diesen  Pianos  angewendete  Mechanik 
war  ausschhesslich  die  oft  erwähnte  englische.  In  New- York  dagegen 
baute  man  die  Instrumente  mit  kleiner  gusseiserner  Platte  und  französi- 


174 

scher  Mechanik,  wobei  man  einen  volleren,  stärkeren,  aber  auch  weniger 
singenden  Ton  erreichte.  Die  New-Yorker  Fabrikanten  erzielten  die 
Haltbarkeit  der  Stimmung  bei  ihren  Instrumenten  durch  solide  Versprei- 
zunsr  des  Kastens  und  namentlich  durch  Anwendung  eines  mehr  als  fünf 
Zoll  dicken  Bodens,  welcher  das  elegante  Aussehen  der  Instrumente  etwas 
beeinträchtigte.  Durch  Zunahme  des  Tonumfangs  stellte  sich  aber  auch 
bald  der  Uebelstand  ein,  dass  selbst  bei  der  geschicktesten  Anwendung 
des  Holzes  die  Festigkeit  der  Stimmung  doch  nicht  zu  erreichen  war. 
Deshalb  musste  man  darauf  denken,  das  Princip  des  eisernen  Rahmens 
wieder  aufzunehmen  und  dabei  einige  Unzuträglichkeiten  desselben  zu 
■vermeiden,  was  auch  die  Firma  Steinway  Sf  Söhne  im  Jahre  1855  zuerst 
erreichte.  Der  Gründer  dieser  Firma  ist  Heinrich  Steinioay,  welcher  am 
15.  Februar  1797  im  Herzogthum  Braunschweig  geboren  wurde.  Schon 
in  seiner  früheren  Jugend  beschäftigte  er  sich  aus  Neigung  mit  dem 
Zither-  und  Guitarrenbau,  erlernte  später  in  Goslar  die  Tischlerei,  suchte 
sich  auch  bei  einem  Orgelbauer  mit  der  Construction  der  Orgel  genau 
vertraut  zu  machen  und  gründete  dann  ein  selbständiges  Geschäft,  in 
welchem  er  längere  Zeit  hindurch  Flügel,  tafelförmige  Pianos  und  Piani- 
nos  verfertigte.  Im  Jahre  1849  fasste  der  energische  Mann  den  Ent- 
schluss,  die  engen  Zollgrenzen  seines  Vaterlandes  zu  verlassen,  zu  welchem 
Zwecke  er  seinen  Zweitältesten  Sohn  Carl  in  selbem  Jahre  nach  New-York 
sendete.  Die  Berichte  desselben  lauteten  so  günstig,  dass  Heinrich  Stän- 
ivay  im  Jahre  1850  mit  seiner  ganzen  Familie  ohne  Bedenken  Europa 
verliess  und  in  die  amerikanische  Hauptstadt  übersiedelte.  Er  Hess  sich 
daselbst  nieder,  während  der  älteste  Sohn  Theodor  das  Geschäft  des  Va- 
ters in  Deutschland  übernahm  und  mit  dem  besten  Erfolge  bis  zum  Jahre 
1865  in  Braunschweig  fortsetzte.  Die  musikalischen  Tonangeber  dieser 
Stadt  waren,  wie  wir  aus  ihrem  eigenen  Munde  hörten,  sehr  betrübt, 
als  ihnen  1865  die  Gewissheit  geworden  war,  dass  der  intelligente  Theodor 
Steinway  die  Bedeutung  seiner  Firma  mit  nach  Amerika  zu  nehmen  beab- 
sichtige. Denn  in  der  That  konnten  seine  Fabrikate  mit  allen  europäi- 
schen siegreich  concurriren,  welche  Thatsache  natürlich  der  Stadt  Braun- 
schweig mit  zu  Gute  kam  und  den  musikalischen  Verhältnissen  der- 
selben grossen  Vorschub  leistete. 

Heinrich  Steinway  und  seine  Söhne  Carl,  Heinrich,Wilhelm  und  Albert 
beschlossen,  in  der  neuen  Welt  selbst  erst  gründlich  die  Verhältnisse  und 


175 

namentlich  den  Unterschied  zwischen  der  amerikanischen  und  deutschen 
Pianofortefabrikation  kennen  zu  lernen.  Deshalb  nahmen  sie  Anfangs 
bei  verschiedenen  New-Yorker  Fabrikanten  Arbeit  und  erst  nach  Verlauf 
von  fast  drei  Jahren  gründeten  Vater  und  Söhne  ihr  eigenes  Geschäft, 
welches  sie  Anfangs  im  Fi'ühjahre  1853  ganz  bescheiden  im  Hinterhause 
einer  kleinen  Strasse  (Varichstreet)  einrichteten.  Obgleich  sie  zunächst 
nur  ein  Piano  in  der  Woche  bauten,  so  wurden  Sachkenner  doch  bald 
auf  die  Güte  ihrer  Fabrikate  aufmerksam,  demzufols:e  steigerte  sich  der 
Absatz,  und  das  Geschäft  musste  zum  Zwecke  erhöhter  Wirksamkeit  in 
ein  geräumiges  Gebäude  in  Walker-Street,  nahe  dem  Broadway,  verlegt 
werden.  Der  grosse  Erfolg  der  Firma  datirt  seit  dem  Jahre  1855,  wo 
Steinway  Sf  Söhne  in  der  New-Yorker  Industrieausstellung  des  American 
Institute  im  Crystallpalaste  ein  nach  einem  vollständig  neuen  Systeme 
gebautes  Piano  ausstellten  und  auf  dasselbe  den  ersten  Preis  erhielten. 
Seitdem  wuchs  das  Geschäft  mit  wahrhaft  riesenmässiger  Geschwindig- 
keit  und  im  Jahre  1858  war  die  Firma  genöthigt,  ein  Grundstück  zur 
Errichtung  einer  grossartigen  Fabrik  anzukaufen,  deren  Bau  1859  unter- 
nommen und  1860  vollendet  wurde,  wonach  man  die  Fabrik  bezog  und 
bis  zum  Jahre  1863  in  solchen  Verhältnissen  arbeitete.  In  diesem  Jahre 
wurde  wiederum  der  Anbau  des  südlichen  Flügels  zur  Nohwendigkeit, 
nach  deren  Erfüllung  das  Gebäude  seinen  jetzigen  Umfang  erhielt.  Diese 
bedeutende  Localität  wird  uns  folgendermassen  beschrieben: 

Die  Steinway'sche  Pianofabrik  liegt  in  der  vierten  Avenue  in  New- 
York  und  nimmt  die  Länge  des  ganzen  Häusergeviertes  zwischen  der 
52sten  und  53sten  Strasse  (201  Fuss)  ein,  während  zwei  Flügel  des  Ge- 
bäudes sich  in  die  beiden  letztgenannten  Strassen  ei'strecken. 

Die  Fronte  an  der  vierten  Avenue  ist  201  Fuss  lang,  bei  40  Fuss 
Tiefe.  Die  Flügel  des  Gebäudes  an  der  52sten  und  53sten  Strasse  sind 
je  165  Fuss  lang  bei  40  Fuss  Tiefe,  so  dass  die  Fabrikgebäude  eine  un- 
unterbrochene Strassenfronte  von  531  Fuss  haben. 

Die  Architektur  ist  modern  italienisch,  das  ganze  Gebäude  auf  die 
substantiellste  Weise  massiv  aus  Backsteinen  erbaut  und  die  Seitenflügel 
von  dem  Frontgebäude  durch  je  eine  dicke  Mauer  getrennt,  durch  welche 
auf  jeder  Seite  mit  einer  doppelten  eisernen  Thüre  versehene  Passagen 
führen,  so  dass  bei  einer  etwaigen  Feuersbrunst  nur  der  Tb  eil  des  Ge- 
bäudes zerstört  werden  kann,  in  welchem  das  Feuer  entstanden  ist.  Auf 


176 

dem  durch  die  Front-  und  Seitengebäude  auf  drei  Seiten  umschlossenen 
Hofe  befinden  sich  zwei  zweistöckige  Gebäude,  ■von  bezüglich  40  Fuss 
Tiefe  bei  78  Fuss  Länge,  und  1 00  Fuss  Länge  bei  20  Fuss  Tiefe,  welche 
die  Dampftrockenräume  und  Packkistenmacherei  in  den  unteren  Stock- 
werken enthalten. 

In  den  oberen  Stockwerken  dieser  beiden  Gebäude  werden  die 
Mechaniken  und  Dämpferwerke  fabricirt,  und  befindet  sich  hier  eine 
Sammlung  der  vollkommensten  und  sinnreichsten  Maschinerien,  welche 
zu  der  Fabrikation  dieser  Theile  existiren. 

Die  sämmtlichen  Gebäude  enthalten  118,480  Quadratfuss  Boden- 
fläche. Hinter  der  Fabrik  befindet  sich  ein  Platz  von  35,000  Quadratfuss, 
wo  fortwährend  gegen  drei  Millionen  Fuss  Holz  aufgestapelt  liegen. 
Jedes  dort  liegende  Stück  Holz  wird  durchschnittlich  zwei  Jahre  lang 
hier  der  freien  Luft  ausgesetzt  und  liegt  dann  drei  Monate  lang  im 
Trockenraume,  ehe  es  gebraucht  wird. 

Die  Dampftrockenräume  bestehen  aus  fünf  Abtheilungen,  von  denen 
eine  jede  mit  circa  2000  Fuss  Dampfröhren  geheizt  wird.  Jede  Abthei- 
lung fasst  etwa  75,000  Fuss  Holz,  so  dass  circa  375,000  Fuss  Holz  fort- 
während in  diesen  Räumen  getrocknet  werden. 

Unter  dem  Hofe  befinden  sich  feuerfeste  Gewölbe  zur  Aufnahme 
der  Kohlen.  Hier  arbeiten  auch  vier  grosse  Dampfkessel  von  zusam- 
men 320  Pferdekraft,  welche  den  nöthigen  Dampf  für  die  70,000  Fuss 
Dampfröhren  liefern,  womit  die  Trockenräume  und  Arbeitssäle  geheizt 
werden,  und  drei  Dampfmaschinen  von  125,  50  und  25  Pferdekraft 
treiben,  welch  letztere  wiederum  nicht  weniger  als  102  verschiedene  Ma- 
schinen bewegen. 

In  einer  Fabrik,  welche  regelmässig  wöchentlich  mehr  als  fünfzig  Pianos 
zu  verfertigen  hat  und  der  zweckmässigsten  wie  grösstmöglichsten  Theilung 
und  besten  Organisation  der  Arbeit  bedarf,  macht  sich  selbst  bei  den  ein- 
fachsten Gegenständen  der  Gebrauch  einer  Maschine  bezahlt.  Die  hohe 
Steuer  von  früher  sechs,  jetzt  fünf  Procent  von  der  Verkaufssumme  eines 
jeden  Instrumentes  und  die  Höhe  der  Arbeltslöhne,  welche  jetzt  durch- 
schnittlich 26  Dollar  für  jeden  in  der  Fabrik  beschäftigten  Arbeiter  per 
Woche  betragen,  machten  es  nothwendig,  Maschinenkräfte  in  der  aus- 
gedehntesten Weise  anzuwenden  und  viele  solcher  Maschinen  selbst  zu 
erfinden.    Zu  diesem  Zwecke  ist  in  dem  Souterrain  der  Fabrik  eine  eigene 


177 

Abtheilung  für  Maschinenbau  eingerichtet,  in  der  fast  alle  jene  Ma- 
schinen gebaut  werden,  welche  die  feineren  Arbeiten  verrichten,  denen 
die  Menschenhand  allein  niemals  eine  ähnliche  gleichmässige  Feinheit 
und  Vollkommenheit  zu  geben  vermasj. 

Die  schwerste  und  grösste  Maschinerie  befindet  sich  im  Souterrain 
der  Fabrik,  wo  sie  auf  den  unter  der  ganzen  Fabrik  liegenden  Felsen 
gebettet  ist.  Fünf  Hobelmaschinen  liegen  unter  dem  Flügel  der  53sten 
Strasse,  wo  sie  das  trockene  Holz  zum  Gebrauche  der  Arbeiter  zurich- 
ten. Die  grösste  dieser  Maschinen  (Daniel's  Patent)  macht  1200  Um- 
drehungen in  jeder  ^Minute  und  hobelt  eine  Fläche  von  42  Zoll  Breite 
und  16  Fuss  Länge.  Es  bedarf  7  Pferdekräfte,  dieselbe  zu  treiben  und 
sie  repräsentirt  eine  Arbeitskraft  von  27  Mann.  Eine  zweite  Hobel- 
maschine von  3  Pferdekräften  hobelt  Breter  von  34  Zoll  Breite  und  16 
Fuss  Länge,  macht  3200  Umdrehungen  in  der  Minute  und  ersetzt  28 
Arbeiter. 

Es  würde  einen  massig  starken  Band  erfordern,  um  die  102  ver- 
schiedenen Hobel-,  Säge-,  Fuge-,  Bohr-,  Stemm-,  Drechsel-  und  sonstige 
Maschinen  zu  beschreiben  und  ihre  Zwecke  zu  erklären;  so  genüge  es 
denn,  dass  dieselben  nach  massiger  Schätzung  mindestens  die  Arbeits- 
kraft von  500  Menschen  ersetzen.  Ausserdem  verrichten  sie  alle  jene 
beschwerlichen  Arbeiten,  welche  früher  Gesundheit  und  Leben  der  Arbeiter 
so  sehr  gefährdeten.  In  dem  ersten  Stockwerke  des  Flügels  an  der 
53sten  Strasse  werden  die  Böden,  Stimmstöcke  und  anderen  Theile  des 
Pianokörpers  verleimt  und  mit  Maschinen  zum  Zusammensetzen  fertio- 
gemacht.  Im  zweiten  und  dritten  Stockwerke  ist  die  feinere  Maschi- 
nerie. Das  Stockwerk  darüber,  sowie  der  Flügel  an  der  52sten 
Strasse  wird  von  den  Kastenmachern  benutzt,  welche  alle  unten  verfer- 
tigten einzelnen  Theile  zusammensetzen,  fourniren  und  den  Pianokörper 
bis  zum  Lackiren  vorbereiten.  In  jedem  Stockwerke  der  Kasten- 
macher befinden  sich  drei  grosse  Wärmekasten  aus  gewalztem  Eisen  mit 
Dampfröhren,  um  eine  Hitze  von  200  Grad  zu  erzeugen.  Das  Lackir- 
•  departement  (Varnishroom)  nimmt  das  ganze  obere  Stockwerk  der  Front- 
und  Seitengebäude,  d.  h.  eine  Länge  von  531  Fuss  ein. 

Die  durchschnittliche  Zeit,  in  welcher  ein  Piano  fertig  lackirt  wird, 

beträgt  drei  Monate,  so  dass  sich  stets  etwa  600  Pianokörper  in  diesem 

Räume  befinden.     Ungefähr  fünf  Anstriche  von  Lack  dienen  dazu,  die 

12 


178 

Poren  des  Holzes  auszufüllen  und  dasselbe  vollständig  zu  imprägniren. 
Jede  Lage  Lack  muss  erst  ganz  trocken  sein,  bevor  der  nächste  An- 
strich folgen  darf.  Dann  wird  aller  Lack  bis  auf  das  Fournier  wieder 
absrezosren  und  nun  erhält  dasselbe  wieder  fünf  oder  sechs  Anstriche  vom 
reinsten  durchsichtigen  Copallack,  wovon  jeder  wenigstens  acht  Tage 
trocknen  muss.  Dann  wird  die  Oberfläche  fein  abgeschliffen,  und,  erst 
wenn  das  Piano  ganz  fertig  ist,  polirt. 

Selbstverständlich  ist  dieser  Process  .ausserordentlich  kostspielig, 
allein  abgesehen  davon,  dass  diese  Politur  einen  prächtigen  und  dauer- 
haften Glanz  besitzt,  ist  ein  solcher  Schutz  gegen  alle  Einflüsse  der 
Atmosphäre  in  diesem  Lande  ganz  unerlässlich  nothwendig. 

Aus  dem  zuletzt  beschriebenen  Stockwerke  kommen  die  vollständig 
bis  auf  die  letzte  Politur  lackirten  Pianokörper  in  das  darunter  liegende 
Stockwerk  des  Frontgebäudes,  wo  die  Resonanzboden  in  die  Pianokör- 
per gefügt  werden.  Im  nächsten  Stockwerke  unterhalb  werden  die  Sai- 
ten aufgezogen  und  die  Mechaniken,  wie  Claviaturen  eingepasst  (welche 
letzteren  in  demselben  Stockwerke  des  Flügels  an  der  52sten  Strasse 
angefertigt  werden).  Hier  werden  auch  die  fertig  lackirten  Deckel,  die 
Beine  und  die  Lyra's  angepasst.  Die  Mechaniken  der  Pianos  werden 
in  dem  nächsten  Stockwerke  regulirt  und  die  Instrumente  dann  in  das 
unterste  Stockwerk  gebracht,  wo  der  Ton  derselben  auf  die  sorgfältigste 
Weise  egalisirt  und  abprobirt  wird.  Nachdem  dies  geschehen  ist,  wird 
das  fertige  Instrument  nach  dem  Verkaufslocale  gesandt,  wo  es  erst  die 
letzte  Politur  erhält. 

In  demselben  Stockwerke  an  der  53sten  Strasse  befindet  sich  das 
Comptoir  des  Etablissements,  von  welchem  aus  ein  elektrischer  Tele- 
graph das  Verkaufslokal  mit  der  Fabrik  in  augenblickliche  Communi- 
cation  setzt.  An  dieser  Seite  befindet  sich  auch  der  einzige  während  der. 
Arbeitsstunden  geöffnete  Ein-  und  Ausgang.  Neben  dem  Comptoir  ist 
das  Magazin,  welches  Mechaniken,  Filz,  Leder,  Schrauben,  Elfenbein, 
Saiten,  Stifte  etc.  enthält,  die  zu  den  inneren  Th eilen  des  Pianos  ge- 
braucht werden.  Von  diesen  Gegenständen  hält  die  Firma  Steinway 
&  Söhne  stets  einen  Vorrath  im  Werthe  von  30,000  bis  40,000  Dollars. 
Das  Souterrain  des  Frontgebäudes  enthält  alles  Eisen  und  die  zu 
dessen  Verarbeiten  erforderlichen  Maschinen,  sowie  auch  die  Jacaranda- 
Fourniere  im  Werthe  von  mehr  als  20,000  Dollars. 


179 
Im  ganzen  Gebäude  wird  durchaus  kein  Feuer  gebraucht,  da  jeder 
Theil    der    Fabrik    durch  Dampfröhren    geheizt    und    durch    Gas    er- 
leuchtet wird. 

Vier  grosse  Dampf hebemaschinen,  zwei  im  Frontgebäude  und  eine 
in  jedem  Flügel,  dienen  dazu,  alle  zu  transportirenden  Gegenstände  in 
der  Fabrik  hinauf  oder  herunter  zu  befördern. 

An  den  drei  äussersten  Enden  der  Fabrikgebäude  befinden  sich 
Uhren,  welche  die  Zuverlässigkeit  der  Nachtwächter  controliren.  Von 
diesen  Uhren  aus  laufen  Drähte  in  jedes  Stockwerk  und  wenn  diese 
Drähte  nicht  zu  gewissen  Zeiten  gezogen  werden,  so  hat  der  Wächter 
nicht  seine  vorgeschriebene  nächtliche  Runde  gemacht,  welche  That- 
sache  durch  die  Uhr  am  nächsten  Morgen  angezeigt  wird. — 

In  dem  südlichen  Flügel  der  Fabrik  (52ste  Strasse)  ist  ein 
geräumiges  Zimmer,  dessen  Einrichtung  und  Ausstattung  das  gei- 
stige nruptquartier  der  Fabrik  erkennen  lässt.  Mensuren  und  Modelle 
für  jeden  einzelnen  Theil  eines  Instrumentes,  aus  Holz  oder  Metall  be- 
stehend, sind  hier  aufgestellt  und  das  Betrachten  dieser  Sammlung  zeigt 
dem  Kenner  die  allmäligen  Fortschritte  in  dieser  Kunstindustrie. 

Eine  grosse  Sammlung  von  Modellen,  von  Mechaniken  zeigt  alle 
interessanten  Erfindungen,  welche  in  diesem  Zweige  des  Pianofortebaues 
o-emacht  worden  sind,  und  namentlich  die  französische  Abtheilung  in 
ihrer  Mannigfaltigkeit  und  Mustergültigkeit. 

Waa^e,  Zirkel  und  Gradbogen  bestimmen  in  diesem  Räume  die 
Schwere  und  Länge  für  die  Pendelbewegung  der  Saiten.  Modelle  der 
Construction  der  Klangkörper,  sowie  Modelle  für  die  Eisenarmirungen 
der  Pianokörper,  nebst  Metallschablonen  für  auch  den  kleinsten  Theil 
eines  Instrumentes  sind  hier  jjiufgestellt. 

Dies  giebt  die  Sicherheit,  dass  jeder  der  unendlich  vielen  kleinen 
Theile,  aus  welchen  ein  fertiges  Instrument  besteht,  und  welche  zu  Hun- 
derten und  Tausenden  mit  Hand  und  Maschinerie  verfertigt  werden, 
sich  harmonisch  dem  Ganzen  einfügt  und  zu  der  Vollkommenheit  und 
Gleichmässigkeit  des  Fabrikates  beiträgt,  welche  die  höchste  Garantie 
für  die  Güte  und  Dauer  eines  Instrumentes  bieten  muss. 

Es  würde  zu  weit  führen,  eine  genaue  Beschreibung  der  Herstellung 

iedes  einzelnen  Gegenstandes  zu  geben,  und  es  sei  daher  nur  noch  be- 

'  12* 


180 

merkt,  dass  die  Steinway'sche  Fabrik  mit  ihren  Arbeitern,  Maschinerien 
und  Einrichtungen  die  vorzüglichste  Organisation  und  Theilung  der 
Arbeit  repräsentirt. 

Etwa  1100  Instrumente  sind  fortwährend  in  den  verschiedenen  Sta- 
dien der  Fabrikation  vom  Anfange  bis  zur  Vollendung. 

Die  Zahl  der  Arbeiter  beträgt  etwa  500,  welche  jede  Woche  ca^ 
50  Instrumente,  nämlich  sechs  Flügel,  vier  aufrechte  und  40  Tafelform- 
pianos fabriziren. 

Das  Geschäft  ist  in  18  Departements  abgetheilt,  deren  jedes  von 
einem  geschickten  Vormanne  controlirt  und  beaufsichtigt  wird;  diese 
Vormänner  werden  wieder  von  dem  Obervormann  controlirt. 

Es  Avird  keinem  Arbeiter  gestattet,  in  mehr  als  einer  Branche  zu  ar- 
beiten, und  wird  dadurch,  dass  jeder  Arbeiter  fortwährend  nur  einen  und 
denselben  Gegenstand  macht,  eine  Vollkommenheit  in  seiner  Arbeit  er- 
zielt, welche  in  kleinen  Geschäften  absolut  unmöglich  erreicht  werden 
kann.  Dazu  kommt  noch,  dass  bei  dieser  grossen  Theilung  der  Arbeit 
ein  und  derselbe  Gegenstand  bis  zu  *  seiner  schliesslichen  Vollendung 
durch  die  Hände  mehrerer  Arbeiter  geht,  wovon  keiner  den  Gegenstand 
von  seinem  Vorarbeiter  annimmt,  wenn  derselbe  in  dem  Stadium  seiner 
Bearbeitung  nicht  völlig  fehlerfrei  ist. 

Die  Leitung  der  Fabrik,  des  Verkaufslocales ,  sowie  der  Einkäufe 
und  Bauten  wird  direct  von  den  Mitgliedern  der  Firma  Steinway  &  Söhne 
geführt  und  ist  in  jeder  Hinsicht  eine  einheitliche. 

Alle  Erfindungen  und  Veränderungen  im  Bau  ihrer  Instrumente, 
sowie  alle  wichtigen  Acte  sind  Resultate  gemeinschaftlicher  Ueber- 
legung  und  Debatten  unter  den  Mitgliedern  der  Firma  und  ist  diesem 
harmonischen  Zusammenwirken  wohl  mit  Recht  ein  grosser  Theil  der 
erheblichen  Erfolge  der  Firma  zuzuschreiben. 

Die  grosse  Nachfrage  nach  den  neuerfundenen  aufrechten  Pianos 
haben  die  Herren  Steimvay  Sf  Söhne  veranlasst,  eine  zweite  grosse  Fa- 
brik, welche  sich  "in  unmittelbarer  Nähe  des  Verkaufslocales  befindet, 
anzukaufen,  um  daselbst  den  Bedarf  für  die  Pianinos  zu  befriedigen, 
ohne  die  Anzahl  der  Flügel  und  Tafelformpianos  zu  reduciren. 

Um  einen  BegriflF  von  der  jetzigen  Ausdehnung  des  Geschäftes  zu 
geben,  wollen  wir  erwähnen,  dass  die  Herren  Steinway  4'  Söhne  am 
Schlüsse  des  Jahres  1866  512  Arbeiter  beschäftigten.     Die   Gesammt- 


181 
summe    der    im    Jahre    1866    bezahlten    Arbeitslöhne    betrug    533,725 

Dollars.  . 

Dass  die  Erfolge  der  Firma  der  Productionskraft  Theodor  Stemway  s 
in  den  letzten  zwei  Jahren  mitzudanken  sind,  dürfte  wohl  ausser  allem  . 
Zweifel  stehen.  Als  Mensch  Hebenswürdig  und  für  die  Tonkunst  wahr- 
haft beo-eistert,  genügten  ihm  die  erworbenen  35  ersten  Preismedaillen,  die 
Anerkennung  auf  der  Londoner  Ausstellung  1862,  der  prächtige  Marmor- 
palast als  Verkaufslocal  durchaus  nicht,  sondern  er  setzte  im  Verem  mit 
Vater  und  Brüdern,  von  denen  nur  noch  Wilhelm  und  Alhert  am  Leben 
waren,  den  Bau  eines  grossen  Concertsaales  ins  Werk,  um  der  Kunst  eme 
bleibende  Stätte  zu  gründen.  Dieser  Saal,  „Steimmy  Hall^  von  123  Fuss 
Länge,  75  Fuss  Breite  und  42  Fuss  Höhe,  mit  Sitzplätzen  für  2500 
Personen,  enthält  zugleich  eine  grosse  Orgel  und  ist  einer  der  grössten, 
nach  dem  Urtheile  der  Sachverständigen  der  eleganteste,  akustisch  voll- 
kommenste in  den  Vereinigten  Staaten.  Das  Haus  Stdnway  ist  der 
Sammelplatz  aller  einheimischen  und  fremden  Künstler  inNew-York  und 
oft  finden  in  jenem  Saale  Concerte  statt,  deren  Einrichtung  Stehmay  Sf 
Söhne  mit  den  humansten  Rücksichten  übernehmen.  — 

Gehen  wir  wieder  zurück  zum  Jahre  1855,  wo  die  Firma  ein  Piano 
mit  fester  Barre  und  vollem  eisernen  Rahmen  baute,  welcher  letztere  den 
Stimmstock  bedeckte,  dessen  Steg  aus  Holz  gefertigt  war. 

Die  Stange,  welche  im  Discant  die  Anhängeplatte  mit  der  Stimm- 
stockplatte verband,  lag  ein  wenig  höher  als  die  Saiten  und  lief  in 
einer  anderen  Richtung  als  diese,  genau  gegen  den  Winkel,  in  welchem 
der  Stimmstock  den  Zug  der  Saiten  auszuhalten  hat.  Ebenso  arrangirte 
man  die  Anbringung  der  Resonanzbodenstege  so,  dass  sie  mehr  in  die 
Mitte  des  Sangbodens  gelegt  wurden.  Dadurch  vergrösserte  sich  natürUch 
auch  die  gerade  Länge  dieser  Stege,  deren  man  drei  in  parallellaufender 
Richtung  mit  übereinandergelegten  Saiten  anbrachte. 

Die  Ausdehnung  der  Stege  über  dem  Resonanzboden  erhöhte  man 
damit  von  40  auf  68  Zoll  Länge  und  ihre,  der  Mitte  des  Resonanzbodens 
näher  gerückte,  von  den  mit  Eisen  bedeckten  Rändern  des 
Ka  Steins  entferntere  Lage  verschaffte  dem  Tone  des  Instrumentes  eine 
weit  grössere  Intensität,  was  mit  den  akustischen  Ergebnissen  Pellisov's 
vollständig  im  Einklänge  steht.  Diese  Construction  wurde  für  alle 
Fabrikanten  in  New-York  natürlich   die  mustergültige,  weil  sie  in  der 


182 


Ausstelhing 
daselbst  den 
Preis    davon 
getragen  hat- 
te, und  nach 
vielseitigen 
Ermittelun- 
gen      dürfte 
auch  festzu- 
stellen    sein, 
dass  noch  ge- 
genwärtig 
die    tafelför- 
migen Pianos 
in  den  Verei- 
nigten   Staa- 
ten nach  die- 
S  sem    Muster 
1  gebaut    wer- 
den. 

Eine     an- 
dere wichtige 

Verbesse- 
rung wurde 
von  den  Her- 
ren Steinway 
iS,-  Söhne  im 
Jahre  1859 
o-emacht  und 
ihnen  paten- 
tirt.       Diese 

Verbesse- 
rung bestand 
in    der  Con- 
struction    ei- 
nes  eisernen 


183 

Rahmens  mit  einem  mit  der  Linie  seines  Stimmstocksteges  parallellaufenden 
Winkelstücke,  Avelches  sich  fest  vor  den  Stimmstock  legte  und  demselben 
mehr  Festigkeit  verlieh.  In  dieses  Winkelstück  wurden  die  von  ASt^ia^^mn 
und  Pierre  Erard  in  Paris  erfundenen  und  in  deren  Flügeln  zuerst  gebrauch- 
ten Agraffen  geschraubt,  was  als  die  erste  erfolgreiche  Anwendung  von 
Agraffen  an  dem  Discant  eines  tafelförmigen  Pianofortes  anzusehen  ist. 

Figur  I  zeigt  das  Arrangement  des  ganzen  Eisenrahmens  mit  der 
Saitenlage,  die  Position  des  Steges  mit  Agraffen  und  die  Gruppirung  und 
Lage  der  kUngenden  Stege  des  Resonanzbodens. 

Wie  bereits  bemerkt,  erhielt  die  Firma  Steimvay  cj-  Söhne  ihr  Patent 
am  29.  November  1859  für  eine  neue  Construction  des  Eisenrahmens  in 
tafelförmigen  Pianos.  Statt  der  bisher  gebrauchten  hölzernen  oder 
eisernen  Stege  des  Stimmstockes  bekam  der  Theil  des  Eisenrahmens,  der 
den  Stimmstock  bedeckt,  ein  eisernes  Winkelstück,  welches,  parallel  mit 
der  Steglinie  des  Stimmstockes  laufend,  sich  seiner  ganzen  Länge  nach 
vor  den  Stimmstock  legt  und  dadurch  dessen  Festigkeit  und  Unbeweg- 
lichkeit  erhöht. 

Beistehende  Figur  zeigt  den  Quer- 
durchschnitt eines  solchen  Eisen rah-        <  v\ 
mens  mit  Winkelstück  etc. 

Dies  Winkelstück  diente  zugleich 
zur   Aufnahme  der  Agraffen,    deren 

Anwendung  im  vollen  Eisenrahmen  nur  durch  Erfindung  einer  eigens  con- 
struirten  Bohrmaschine  ermöglicht  wurde.  Erst  durch  diese  Maschine 
war  man  im  Stande,  mit  der  grössten  Genauigkeit  jeder  Agraffe  ihren 
Richtungswinkel  gegen  die  bei  jedem  Tone  sich  etwas  verändernde  Lage 
des  Saitenchores  zu  geben. 

Durch  diese  Construction  wurde  der  Endpunkt  der  Saite,  welcher 
auf  diesem  Theile  des  Instrumentes  in  der  Agraffe  ruht,  zu  vollkommener 
Unbeweglichkeit  fixirt  und  die  Saite  befähigt,  ihre  volle  Stosskraft,  her- 
vorgebracht durch  die  Schwingungen,  auf  den  klingenden  Theil 
des   Instrumentes,   den   Resonanzboden,  ausschliesslich  wirken  zu  lassen. 

Ein  neues  Arrangement  der  Unterlage  der  Saiten  auf  den  Resonanz- 
boden —  der  sogenannten  Resonanzboden-Stege  —  wurde  damit  verbun- 
den. Anstatt  zweier  Stege  wurden  deren  drei  so  gruppirt,  dass  dieselben 
fast  parallel  neben  einander  liefen,  wodurch  ihre  lineale  Länge,  wie  oben 


184 

erwähnt,  von  etwa  40  Zoll  auf  circa  68  Zoll  ausgedehnt  wurde.  Auch 
kam  die  Lage  dieser  Stege  ganz  bedeutend  von  den  eisenbedeckten 
Eändern  ab,  mehr  in  die  Mitte  des  Resonanzbodens.  Einige  sehr  wich- 
tige Verbesserungen  in  der  Umrahmung  des  Resonanzbodens  durch  eine 
eigenthümlich  construirte  feste  Barre  auf  der  der  Claviatur  zugekehrten 
Seite,  wie  auch  die  feste  Einfassung  des  Resonanzbodens  auf  der  Seite 
der  Hämmerlinie  hatten  die  besten  Resultate. 

Auch  wurde  durch  alle  diese  Einrichtungen  der  Klangraum  so  ver- 
bessert, dass  die  Saiten,  welche  sich  mittelst  des  Uebereinanderleffens  auf 
grössere  Stegflächen  vertheilten,  mehr  Platz  fanden  und  von  viel  grösserer 
Stärke  als  früher  verwendet  werden  konnten. 

Dem  Flügel,  der  vollkommensten  Form  besaiteter  Ciavierinstrumente, 
schenkte  man  in  den  Vereinigten  Staaten  bis  zum  Anfang  der  vierziger 
Jahre  sowohl  Seitens  der  Fabrikanten  als  auch  des  Publicums  nur  ge- 
ringe  Beachtung.  Der  Verkauf  eines  Flügels  war  ein  seltenes  Ereigniss, 
und  wenn  europäische  Pianisten  Amerika  bereisten,  so  brachten  sie  ge- 
wöhnlich ihre  eigenen  Concertflügel  aus  Europa  mit. 

Steimoay  sagt  in  seiner  Broschüre,  dass  „unter  den  Pionieren  der 
Flügelfabrikation  der  verstorbene  Fabrikant  Chichering  in  Boston  genannt 
zu  werden  verdiene."  Seine  Flügel  waren  in  Form  und  Mensur  nach 
dem  Erard'schen  Vorbilde,  jedoch  mit  vollem  gusseisernen  Rahmen  ge- 
baut. Die  Linie  des  Stimmstocksteges  bestand  aus  einem  eisernen,  über 
dem  Eisenrahmen  emporstehenden  Rande;  in  diesen  wurden  Löcher  ge- 
bohrt und  mit  Tuch  ausgefüttert,  durch  welche  die  Saiten  liefen,  um  den 
Gebrauch  der  Agraffen  zu  vermeiden.  Auf  diesen  eisernen  Sattelrand 
erhielt  Chickering  ein  Patent  im  Jahre  1 843. 

Andere  Fabrikanten  bauten  auch  wohl  hin  und  wieder  Flügel,  lie- 
ferten  jedoch  nichts  Bedeutendes  oder  Erwähnenswerthes,  mit  Ausnahme 
eines  kleinen  Fabrikanten  in  New-York,  Namens  Biitiikofer,  welcher  recht 
annehmbare  Flügel  nach  europäischem  Muster  und  ohne  Eisenrahmen 
anfertigte. 

Die  ersten  von  der  Firma  Steimoay  S,-  Söhne  im  Jahre  1856  gebauten 
Flügel  waren  gradsaitige  Instrumente  mit  vollem  Eisenrahmen,  einem 
Discantstück  aus  Messing  oder  Eisen  und  mit  in  Holz  geschraubten 
Agraffen  in  den  Mitteltönen  und  im  Basse.  Diese  Flügel  kamen  bald  in 
Aufnahme  und  erfreuten  sich  der  allgemeinsten  Anerkennung,  so  dass 


185 


Figur  II. 


186 

sie    sehr  bald    in    Concerten    benutzt    und    in    grosser    Zahl    verkauft 
wurden. 

Die  Firma  erhielt  noch  mehrere  Patente  auf  neue  Mechanismen  für 
Flüo-el,  von  denen  ihr  der  bedeutendste  im  December  1859  patentirt  wurde. 
Die  Construction  ersieht  man  in  Figur  IL 

Der  complet  gegossene  Eisenrahmen,  mit  dem  Winkelstück  auf  der 
Seite  des  Stimmstockes  zur  Aufnahme  der  Agraffen,  erhielt  ein  ganz 
neues  Arrangement  in  der  Lage  der  Saiten  und  Spreizen,  zu  welchem 
xolgende  Motive  vorhanden  waren:  ^ 

Bei  dem  Tafelform-Piano  wurde  die  Saite  vermöge  des  Hammeran- 
schlages in  eine  Schwingungsbewegung  gesetzt,  welche  dem  Tone  dieses 
Instrumentes  etwas  Biegsames  und  Liebliches  verlieh,  trotz  Anwendung 
verhältnissmässig  sehr  starker  Saiten. 

Dieselbe  Wahrnehmung  machte  man  an  Oblique  Pianinos  im  Ver- 
»•leich  zu  gradsaitigen  Instrumenten  gleicher  Gattung.  Bei  dem  Flügel, 
wo  die  Richtung  der  Saiten  parallel  mit  der  Bewegung  des  Hammer- 
anschlages lag,  konnte  diese  Biegsamkeit  immer  nur  annähernd  erreicht 
werden,  und  zwar  auf  Kosten  der  Dauer  des  Tones  durch  eine  unver- 
hältnissmässige  Schwächung  des  Resonanzbodens  in  seinen  Rippenlagen 
zu  seiner  Grösse. 

Wurden  so  starke  Saiten  zu  gradsaitigen  Flügeln  genommen,  als 
im  Tafelform-Piano  der  neuen  beschriebenen  Construction  zulässig  waren, 
so  o-eschah  die  Vermehrung  der  dadurch  erreichten  Kraft  auf  Kosten  der 
Weichheit.  Der  Ton  hatte  etwas  Steifes  und  beim  Forciren  steHte  sich 
das  unangenehme  metalUsche  Pfeifen  der  stärkeren  Stahlsaiten  ein. 

Um  alle  diese  berührten  Uebelstände  zu  vermindern,  wenn  nicht  ganz 
zu  vermeiden,  wurde  das  Auseinanderlegen  der  Saiten  auf  den  Stegen 
des  Resonanzbodens,  oder  die  fächerförmige  Saitenlage,  als  viele  Vor- 
theile  in  sich  vereinigend,  angewendet. 

Im  Discant  des  Flügels  wurde  die  mit  der  Richtung  des  Hammers 
parallel  Hegende  Lage  beibehalten,  da  erfahrungsmässig  in  diesem  Theile 
des  Instrumentes,  auch  im  Tafelform-Piano,  die  erwähnte  Saitenlage  den 
stärksten  Ton  producirt. 

Von  der  Mitte  des  Discantes  breitete  man  die  Saitenchöre  auf  der 
Linie  des  Resonanzbodensteges  von  rechts  nach  links  zu  fächerförmig 
aus,  so  weit  dies  der  Raum  im  Flügel  erlaubte. 


187 

Die  übersponnenen  Basssaiten  wurden  von  links  nach  rechts  zu  auf 
einem  hinter  dem  ersten  liegenden  höhern  Resonanzbodenstege  mittelst 
des  Uebereinanderlegens  der  Saiten  gleichmässig  vertheilt. 

Die  durch  dies  System  erreichten  Vortheile  waren  von  verschie- 
dener Art. 

Die  Linie  der  Resonanzbodenstege  wurde  bedeutend  verlängert 
und  grössere,  bisher  unthätig  gewesene  Flächen  des  Resonanzbodens  in 
Action  gesetzt. 

Zwischen  jedem  Saitenchore  war  weit  mehr  Raum  als  früher,  wo- 
durch die  Klangwirkung  der  Saiten  mächtiger  und  freier  aus  dem  Reso- 
nanzboden entwickelt  werden  konnte. 

Die  Stege  kamen  mehr  in  die  Mitte  des  Bodens,  von  dessen  eisen- 
bedeckten Rändern  ab,  Aveshalb  sie  auch  den  Klang  der  Saiten  dem 
Resonanzboden  besser  vermittelten  und  zur  Erzeugung  einer  grösseren 
Tonfülle  wesentlich  beitrugen.  Desgleichen  gewann  man  für  die  Saiten 
eine  grössere  Länge  bei  gleicher  Grösse  des  Instrumentes. 

Das  Spreizsystem  wurde  viel  wirksamer,  denn  die  zweite  schräge, 
mit  dem  höchsten  Basschore  parallel  laufende  Stange  bildete  mit  der 
dritten  einen  spitzen  Winkel,  der  genau  auf  den  Punkt  trifft,  wo  der 
Bogen,  welcher  die  ganzen  Basssaiten  trägt ,  einen  natürlichen  Stütz- 
punkt hat. 

Die  Lage  der  mittleren  und  tieferen  Saiten  gegen  die  Richtung  des 
Hammerschlages  hatte  jene  Art  rotirender  Schwingung  zur  Folge,  welche 
selbst  der  viel  stärkeren  Saite  eine  bisher  nicht  erzielte  Weichheit  und 
Modulationsfähigkeit  verlieh,  bei  im  Ganzen  viel  mächtigerer  Tonfülle. 

Die  Erfindung,  Saiten  übereinander  zu  legen,  ist,  wie  wir  sahen,  eine 
sehr  alte.  Schon  vor  der  Erfindung  des  Hammerclaviers  wurde  in  den 
alten  Clavichorden  den  Basssaiten  eine  um  eine  Octave  höher  erklingende 
Saite  hinzugefügt.  Diese  war  auf  einem  Stege  befestigt,  welcher  unter 
den  tiefern  Saiten  auf  dem  Resonanzboden  lag. 

Verschiedene  Versuche,  das  Uebereinanderlegen  der  Saiten  nutzbar 
zu  machen,  scheiterten ,  so  dass  selbst  namhafte  Schriftsteller  glaubten, 
die  über  einander  liegenden  Saiten  verwirrten  gegenseitig  ihre  Schwin- 
gungen. Dies  ist  jedoch  nicht  der  Fall,  denn  so  wenig  dies  neben  ein- 
ander liegende  Saiten  thun,  geschieht  es  bei  über  einander  liegenden. 


188 

Die  ungünstigen  Resultate,  welche  frühere  Versuche  dieser  Art  hat- 
ten, lagen  nur  in  einer  falschen  Anwendung,  welche  stets  darauf  hinaus- 
lief, mittelst  des  Uebereinanderlegens  der  Saiten  die  Stege  von  der 
Mitte  des  Resonanzbodens  weg  mehr  an  die  Ränder  desselben  zu  bringen. 

Ferner  wurden  nothwendiger  Weise  durch  diese  falsche  Construc- 
tion  die  Zwischenräume  der  Saitenchöre  auf  den  Stegen  verengt,  statt 
vergrössert. 

Wissenschaft  und  Praxis  haben  ^vollkommen  erwiesen,  dass  die 
transversale  Schwingung  der  Saite  als  solche  durchaus  keinen  Ton  in 
der  Luft  erzeugt;  erst  die  Wirkung,  welche  die  in  ihren  Schwingungen 
molecülar  erregte  Saite  auf  einen  resonanzfähigen  Körper  ausübt, 
bildet  in  diesem  wiederum  die  molecülare  Schwingungsbewegung,  die 
sich  der  umgebenden  Luftsäule  mittheilt  und  so  als  Ton  dem  Ohre  ver- 
nehmbar wird. 

Je  mehr  die  Saite  an  dem  einen  Ende  unbeweglich  feststeht,  Avie  es 
hier  durch  das  massive  eiserne  Winkelstück  im  höchsten  Grade  erreich- 
bar wurde,  desto  mehr  muss  natürlich  die  ganze  Wirkung  auf  den  elasti- 
schen Theil  —  den  Resonanzboden  —  fallen. 


Figur  Iir. 


189 


Figur  IV. 


Wie  schon  erwähnt,  war  das  Pianino  in  den  Vereinigten  Staaten 
sehr  unpopulär;  die  importirten  vertrugen  das  Klima  nicht  und  amerika- 
nische Pianofortefabrikanten  verstanden  es  nicht,  dieser  kleinen,  für  das 
Zimmer  so  angenehmen  Form  die  nöthige  Dauerhaftigkeit  zu  geben.  Nach 
mancherlei  Versuchen  und  angebrachten  Verbesserungen  gelang  es  endlich 
der  Firma  Steinivay  ^-  Sohne  eine  Construction  herzustellen,  welche  von 
den  Sachkennern  als  zweckentsprechend  anerkannt  und  demzufolge  1866 
patentirt  wurde.  Figur  III  zeigt  die  Vorderseite  des  Instrumentes,  den 
Eisenkörper  mit  Saiten,  sowie  (Jie  Lage  des  Stimmstockes  und  der  Reso- 
nanzbodenstege. Figur  IV  stellt  die  Rückseite  des  Eisenkörpers  ohne 
den  Resonanzboden  dar. 

Die  erwähnten  klimatischen  Verhältnisse  verhinderten  bisher  die 
Einführung  dieser  Instrumente  in  den  Vereinigten  Staaten.  Versuche, 
welche  gemacht  wurden,  den  Bau  durch  Eisen  zu  verstärken,  geschahen 
auf  Kosten  der  Kraft 
und  Fülle  des  To- 
nes, und  auf  die 
kui'zen  j^edrungenen 
.  Holzkörper  wirkte 
der  abnorme  Wech- 
sel zwischen  Feuch- 
tigkeit und  zehren- 
der, trockener  Luft 
auffallend  zerstö- 
rend. Erst  die  Er- 
findungen ,  welche 
die  Firma  Steimoay 
Sf  Söhne  über  die 
Art  und  Weise  der 
Tonerscheinungen 
im  Resonanzboden 
machten,  befähigten 
dieselbe,  für  den 
Körper  dieses  In- 
strumentes Eisen  an- 
zuwenden,  den  Re- 


190 

sonanzboden  jedoch  ganz  unabhängig  und  isolirt  von  dem  Eisenkörper 
anzubringen. 

Die  Tafel  des  Resonanzbodens  besteht  bekanntlich  aus  Fichtenholz, 
welches  mit  seinen  weichen  und  harten  Adern  als  das  beste  Material  für 
Construirung  eines  Resonanzbodens  anerkannt  ist  und  verwendet  wird. 

Warum  gerade  dieses  Material  durch  die  Praxis  als  das  vorzüglichste 
anerkannt  wurde,  darüber  ist  noch  immer  eine  wissenschaftlich  correcte 
Erklärung  nicht  gegeben  worden.  Selbstverständlich  kann  es  nicht  der 
Zweck  dieser  Darlegung  sein,  die  speciellen  Meinungen  und  Ansichten 
der  Firma  Steimcay  4'  Söhne  zu  demonstriren,  sondern  dieselbe  muss 
sich  auf  vorhandene  Erscheinungen  beschränken. 

Es  ist  bekannt,  dass  die  Lage  der  Holzfasern  des  Resonanzbodens, 
sowie  das  System  der  Rippenlage  (d.  h.  der  Leisten,  welche  unter  oder 
über  demselben  sich  befinden)  und  deren  Formen  auf  die  verschieden- 
artigste "Weise  angewendet  worden  sind.  Alle  darin  nur  erdenkbaren 
Richtungen  und  Lagen  haben  ihre  Vertreter  gefunden,  und  zwar  ohne 
bedeutende  Unterschiede  im  Resultate. 

Ferner  ist  es  eine  bekannte  Thatsache,  dass  die  Schönheit  und 
Grösse  des  Tones  bei  einem  Instrumente  ganz  wesentlich  von  dem  Reso- 
nanzboden abhängt,  und  zwar  von  seiner  Eigenschaft,  gegen  die  empfan- 
genen Vibrationen  der  Saiten  mittelst  einer  eigenthümlichen  Molecülar- 
bewegung  seiner  kleinsten  inneren  Fasern  zu  reagiren. 

Dieser  letztere  Process  erst  setzt,  wie  bereits  bemerkt,  die  den  Reso- 
nanzboden umgebende  Luft  in  jene  Bewegung,  welche  dem  Ohre  als 
Tonerscheinung  wahrnehmbar  wird. 

Die  mehr  oder  minder  grosse  Pressuno;  dieser  einzelnen  Theilchen 
des  Resonanzbodens  gegen  einander  bedingt  die  Kraft  und  Empfind- 
lichkeit desselben.  Hiervon  hängt  die  Gesangsfähigkeit  eines  Instrumen- 
tes wesentlich  ab,  wenn  man  erwägt,  wie  schnell  diese  natürliche  Pres- 
sung und  Spannung  des  Resonanzbodens,  trotz  Anwendung  des  besten 
trockenen  Holzes,  verloren  geht,  nicht  allein  durch  abwechselnde  Feuch- 
tigkeit und  Trockenheit,  sondern  auch  durch  den  Gebrauch  der  In- 
strumente. 

Anhaltende  feuchte  Luft  löst  nach  und  nach  die  ätherischen  Oele, 
verflüchtigt  dieselben  und  treibt  die  Holzzellen  auf,  gegen  und  über  ein- 


191 

ander,  wodurch  bei  Eintritt  von  trockener  Luft  deren  vormalige  Pressung 
und  Stütze  gegen  einander  gemindert  wird. 

Aehnliche  Wirkung  hat  im  Laufe  der  Zeit  die  sich  stets  wiederholende 
Erschütterunor  des  Resonanzbodens  durch  den  Gebrauch  des  Instrumen- 
tes,  wodurch  die  Erscheinung  vollkommen  begreiflich  wird,  dass  ein 
neues  Piano  stets  frischer  und  mächtiger  klingt  als  ein  gebrauchtes,  selbst 
w^enn  letzteres  mit  ganz  neuer  Mechanik  versehen  ist. 

Ferner  ist  zu  erwägen,  dass  es  geradezu  unmöglich  ist,  den  richti- 
gen Grad  dieser  Pressung  zu  bestimmen  mit  Kräften,  über  die  man  keine 
regulirende  Gewalt  hat.  Neben  der  Wirkung  von  Feuchtigkeit  und 
Trockenheit  bei  Anfertigung  des  Resonanzbodens  war  es  hauptsächlich 
die  Gewalt  des  Saitenzuges  und  das  dadurch  entstehende  mehr  oder 
mindere  Zusammenziehen  des  Körpers,  mit  dessen  Rändern  der  Reso- 
nanzboden fest  verbunden  ist,  welches  dem  letzteren  etwas  Pressung  gab. 
Hatten  z.  B.  Instrumente  so  starke  Eisenrahmen,  dass  durchaus 
keine  Elasticität  für  jene,  dem  Resonanzboden  nöthige  Pressung  blieb,  so 
war  jedesmal  ein  schwacher,  matter  Ton  die  Folge. 

Die  am  5.  Juni  1866  patentirten  Verbesserungen  wurden  von  der 
Firma  Steinioay  Sf  Söhne  zuerst  an  einem  Pianino  oder  „aufrechten  Piano" 
angewendet. 

Dieses  Instrument  ist  aus  einem  massiven  Gussstücke  —  mit  zu- 
sammenhängender Rückwand  und  Vorderplatte  —  gebildet,  dessen  eine 
Seite  offen  ist,  in  welchen  offenen  Raum  der  Resonanzboden  geschoben 
wird. 

In  den  Rändern  dieses  doppelten  Eisenrahmens  befindet  sich  eine 
Anzahl  eigenthümlich  construirter  Schrauben  mit  concav  ausgedrehten 
Köpfen,  so  arrangirt,  dass  dieselben  jedesmal  gegen  die  Enden  der  Rip- 
pen des  Resonanzbodens  treten,  welche  die  Fasern  der  Fichtenholztafel 
kreuzen.  Die  Stärke  der  Eisenränder  erlaubt  mittelst  der  Schrauben 
einen  ausserordentlichen  Druck  gegen  die  Ränder  des  Resonanzbodens 
und  die  Lage  der  Schrauben  ist  so,  dass  der  durch  dieselben  ausgeübte 
Druck  dem  Resonanzboden  eine  steigende  Spannung  gegen  den  Stoss 
der  Saiten  verleiht.  Die  Wirkung  ist  eine  bedeutende  Zusammenpressung 
der  Holzfasern  des  Resonanzbodens  bis  zu  einem  durch  die  praktische 
Erfahrung  zu  bestimmenden  Grade.  — 

Allmälig  theilt  sich  diese  Pressung  von  den  Rändern  her  auch  den 


192 

in  der  Mitte  des  Resonanzbodens  befindlichen  kleinsten  Theilchen  mit 
und  befähigt  dieselben,  die  empfangenen  Einwirkungen  der  Saiten  sehr 
enercrisch  zu  reproduciren,  selbst  auch  in  den  leisesten  Schwingungen 
der  Saiten,  wodurch  der  Ton  eine  ausserordentliche  Länge  und  Gesangs- 
fähigkeit nebst  Klarheit  und  edler  Klangfarbe  erhalt,  weil  ja  auch  der 
Resonanzboden  keine  Transversalschwingungen  als  Ganzes  machen  kann. 
Erwägt  man,  dass  die  ganze  Dicke  dieses  Eisenkörpers  nur  4  Zoll 
beträo-t,  mithin  dessen  Aufstellung  innerhalb  der  Aussenwände  eine  nach 
vorn  o-eneigte  Lage  erlaubt,  so  bietet  dies  für  die  Spielart  einen  bedeu- 
tenden Vortheil,  da  der  Rückfall  der  Hämmer  ein  natürlicher  wird,  wäh- 
rend auch  das  Instrument  selbst  fester  steht  und  nicht  leicht  umfallen 

kann. 

Das  erste  „aufrechte  Instrument"  dieser  Art  wurde  im  Februar  1866 
fertig  und  die  Firma  Steinway  4'  Söhne  setzte  es  zur  Prüfung  der  Dauer- 
haftigkeit den  ungünstigsten  Einwirkungen  aus;  jedoch  bewährten  sich 
Spielart  und  Stimmung  in  nie  vorher  gekanntem  Maasse. 

Auch  bei  Flügeln  wurde  dieser  Apparat  mit  dem  besten  Erfolge  an- 
o-e wendet,  während  sich  früher  bei  der  Grösse  des  Resonanzbodens  sehr 
leicht  jene  Schlaffheit  desselben  einstellte,  welche  schon  in  der  natür- 
lichen Porosität  des  Fichtenholzes  begründet  ist. 

Durch  die  regulirende  Kraft  dieses  Apparates  wurde  jene  besondere 
Art  Membran-  oder  Trommelschwingung,  welche  im  Zimmer  mehr  oder 
weniger  unangenehm  wirkt,  auf  ein  richtiges  Maass  reducirt. 

Jedenfalls  ist  damit  ein  Mittel  gegeben,  die  Klangfarbe  eines  Instru- 
mentes zu  veredeln.  Dieser  regulirende  Apparat  —  unter  dem  Namen 
Resonator"  von  der  Firma  Steimvay  Sf  Söhne  verwendet  —  erlaubt 
sicherer  ein  gutes  und  vollkommenes  Instrument  herzustellen,  als  bisher, 
wo  das  Resultat  des  Tones  stets  von  den  Zufälligkeiten  abhing,  welche 
bei  der  Construction  eines  Resonanzbodens  dessen  innere  Spannung  be- 
einflussten. 

Von  den  offenen  Darlegungen  der  Firma  Steinway  Sf  Söhne  zur 
Pariser  Ausstellung  zurückkehrend  wird  es  jedem  Einsichtsvollen  wohl 
vollständig  klar  sein,  dass  die  Erzeugnisse  dieser  denkenden  Köpfe  Auf- 
sehen erregen  mussten.  Wir  waren  glücklicherweise  in  der  Lage,  die 
Fabrikate  dieser  Firma  nicht  bloss  auf  der  Ausstellung  spielen,  genau 
durchprobiren  und  von  Anderen  hören  zu  können,  sondern  wir  wohnten 


iy3 

auch  Concerten  bei,  in  denen  namhafte  Pianisten,  z.  B.  Alfred  Jaell,  diese 
Instrumente  benutzten  und  mit  ihnen  den  grössten  Erfolg  erzielten.  Ge- 
wiss können  Avir  versichern,  dass  kein  anderes  Instrument  auf  der  Welt- 
ausstellung die  Vorzüge  in  solcher  Harmonie  erkennen  Hess,  als  ein  jedes 
aus  der  Steinway'schen  Fabrik.  Die  Spielart  ist  gleichmässig  und  leicht, 
der  Ton  voll,  stark,  singend  und  jeder  Modulation  fähig  tmd  die  Dauer- 
haftigkeit so  vorzüglich,  dass  den  Instrumenten  weder  die  grosse  Seereise, 
noch  die  fortwährende  Feuchtigkeit  in  der  Weltausstellung  Eintrag  gethan 
hatte.  Was  nun  speciell  den  Vorzug  der  Instrumente  bezüglich  ihrer 
Tonfülle  anbelangt,  so  ist  derselbe  wohl  hauptsächUch  dem  Material,  der 
gelungenen  Construction,  aber  auch  dem  fleissigen  Abprobiren  Theodor 
Steinway's  zu  danken,  dessen  Bekanntschaft  mit  den  Theorien  Helmholtz' 
ihn  veranlasst,  bei  jeder  Saite  die  genauesten  Untersuchungen  machen  zu 
lassen,  bevor  er  das  Instrument  aus  der  Fabrik  zu  bringen  verstattet.  Das 
Gesetz  der  consonirenden  Obertöne  ist  ihm  massgebend  und  man  wird 
sicherlich  kein  Instrument  finden,  welches  etwa  in  Folge  des  Mitklingens 
von  disharmonirenden  Partialtönen  das  sogenannte  grelle  „Klimpern" 
wahrnehmen  liesse.  Selbst  beim  aufrechtstehenden  Pianoforte,  dem  Pianino, 
haben  Steinway  S,-  Söhne  die  von  den  Gesetzen  der  Akustik  als  schön  be- 
wiesene Klangfarbe  dadurch  erreicht,  dass  der  Eisenkörper  mit  dem  Schrau- 
benapparate den  Resonanzboden  verhindert,  Transversalschwingungen  als 
Ganzes  zu  machen,  wohl  aber  denselben  befähigt,  den  Stoss  der  durch 
Haramerschlag  erregten  Saitenschwingung  mit  der  nöthigen  Widerstands- 
kraft aufzunehmen  und  das  Schwirren  des  ganzen  Klangkörpers,  mithin 
das  Mitklingen  des  7ten,  9ten,  Uten  etc.  Partialtones  zu  beseitigen.  Selbst 
durch  das  Zupfen  der  Saiten,  wodurch  man  die  höchsten  Partialtöne 
leichter  erhält,  vermochte  man  dem  Klangkörper  des  Instrumentes  keine 
disharmonirenden  Geräusche,  ja  selbst  nicht  einmal  den  7ten  Partialton 
zu  entlocken,  was  entschieden  für  die  Klangfarbe  der  Instrumente  die 
grösste  Empfehlung  ist,  und  wir  hätten  nur  gewünscht,  Herrn  Professor 
Heimholte  selbst  auf  der  Ausstellung  zu  finden,  um  ihm  den  praktischen 
Erfolg  seiner  Auseinandersetzungen  mittheilen  zu  können.  Ein  unbe- 
kannter Mensch,  welcher  jetzt  in  Paris  lebt  und  einige  norddeutsche  Aus- 
steller dort  vertrat,  machte  in  Nr.  34  und  35  der  Brendel'schen  Musik- 
zeitung den  schwachen  Versuch  einer  schriftstellerischen  Leistung,  be- 
treffend die  musikalischen  Instrumente  der  Pariser  Ausstellung,  wo  er 

13 


194 

den  Ton  der   Steinway'schen  Instrumente  cymbalartig  nennt,  natürlich,, 
um  mit  seiner  vermeintlichen  Stärke  die  Fabrikate  gegenüber  der  Jury 
und  allen  Sachkennern  zu  vernichten.     Der  arme  Mann,  dem  jene  Zei- 
tung —  wir  wollen  annehmen,  aus  Unkenntniss  der  Verhältnisse  —  ihre 
Spalten  geöffnet  hat,  weiss  nicht,  welche  Schmeichelei  er  damit  der  Firma 
sagte;  denn  die  Geschichte  spricht  noch  jetzt  von  dem  wunderbaren  Tone 
des  Cymbals,  welches  Fantaleon  Hehenstreit  im  Anfange  des  1 8.  Jahrhun- 
derts zum  Entzücken  aller  Zuhörer  spielte,  und  man  war  50  Jahre  später 
noch  immer  der  Ansicht,  dass  es  niemals  möglich  sein  würde,  auf  besai- 
teten Tasteninstrumenten  eine  solch'  bezaubernde  Klangfarbe  hervorzu- 
bringen, wie  sie  Pantaleon  Hehenstreit  im  grössten  Saale  vor  Tausenden 
von  Zuhörern  auf  seinem  Cymbal  produciren  konnte.     Wenn  ein  bedeu- 
tender Mann  den  Vergleich  mit  dem  Cymbal  gezogen  hätte,  so  würden 
wir  Herrn   Steimoay  gratuliren,   dass   es   ihm   gelungen   sei,   mit  seiner 
Construction  den  Zauber  des  Hebenstreit'schen  Instrumentes  zu  erreichen; 
so  aber  hat  freilich  wider  Willen  nur  die  blinde  Henne  ein  Korn  gefun- 
den.    Schmälern  wir  ihr  dieses  Körnlein  nicht,  sondern   gönnen   wir  ihr 
den  bescheidenen  Genuss  bei    starkem  Appetite:    sie    wird  sicherlich 
der  fortschrittlichen  Entwickelung  durch  ihr  unartikulirtes  Glucken  kein 
Hinderniss  in  den  Weg  legen.     Dass  die  Firma   Steinway  Sf  Söhne  für 
Amerika  die  erste  goldene  Medaille   erlangte,   können   wir  nur   als 
vollkommen  gerecht  bezeichnen;  ebenso  würde  es  dem  Gerechtigkeitssinn 
der  Jury  nur  entsprechend  gewesen  sein,  wenn  sie,  wie  glaubwürdig  an- 
genommen wird,  darüber  debattirt  hätte,  ob  Herr  Chiakering  die  silberne 
oder  goldene  Medaille  verdiene.     Die  Entscheidung  würde  für  uns  nicht 
so  schwer  gewesen  sein;  denn  Herrn  Chickering's  aufrechtes  Piano  zeigte 
nicht  einmal  eine  den  mittleren  deutschen  Instrumenten  ebenbürtige  Voll- 
kommenheit und  es  erschien  uns  daher  ganz  natürlich,  dass  man  dasselbe 
meistentheils  verschlossen    vorfand.      Das    tafelförmige    Instrument  der 
Firma  Chickering  ist  zwar  in  ähnlicher  Weise  gebaut,  wie  das  Steinway'sche, 
der  Ton  nähert  sich  aber  mehr  dem  Poltern,  und  besonders  haben  die 
Basssaiten    die    unangenehme    Eigenschaft,    sich    gegenseitig    in    ihrem 
Schwingungsverhältnisse   zu   stören.     Daher  sie   auch  —  um   ein  land- 
läufiges Wort  unter  den  Pianisten  zu  gebrauchen  —  sozusagen  „kollern" 
und  tosend  ineinanderklingen.     Die  übersponnenen  Saiten  lassen  viel- 
fach unharmonische  Nebengeräusche   erkennen  und  im  Discant  ist  der 


195 

Hanimeranschlag  so  unglücklich  gewählt,  dass  die  Saite  jenes  unange- 
nehme metallische  Zischen  als  Beigabe  zum  Klange  erhält.  Wollte  man 
doch  erkennen,  dass  nicht  die  Stärke  des  Tones  dem  Instrumente  allein 
seine  Güte  giebt,  sondern  dass  vor  allen  Dingen  die  sonore  Klangfarbe 
den  Ausgangspunkt  für  die  Beurtheilung  bieten  muss.  Der  Ton  kann 
stark  und  dabei  grell,  zischend  sein,  ohne  dass  derselbe  Fülle  und  Run- 
dung besitzt,  welche  nur  durch  das  richtige  Verhältniss  der  Partialtöne 
zum  Grundtone  im  Klange  zu  erreichen  ist.  Die  Flügel  Avaren  schon 
besser  und  erschienen  zur  Ausführung  kraftvoller  Tons1;ücke  ziemlich 
geeignet.  Sie  waren  nach  dem  alten  System  und  mit  vollem  eisernen 
Rahmen  construirt.  Das  Metall  übte  auch  hier  seinen  störenden  Einfluss 
aus  und  gerieth  beim  Spielen  in  Mitschwingung,  ein  Fehler,  den  Stein- 
way  so  glücklich  zu  vermeiden  weiss,  da  er  von  dem  richtigen  Grund- 
satz ausgeht,  dass  Metall  niemals  zur  Tonerzeugung,  sondern  nur  zur 
Festigkeit  dienlich  sein  kann.  Herr  Cliickeriny  erhielt  doch  endlich  die 
zweite  goldene  Medaille  für  Amerika,  obgleich  nach  der  Aussage  des 
Jurors  HansUck  zwei  Mitglieder  der  Jury  dagegen  protestirt  hatten,  in- 
dem diese  Herrn  Gldchering  nur  die  silberne  Medaille  zuerkennen  wollten. 
Da  sich  aber  ein  Streit  erhob,  welche  von  beiden  Firmen  die  erstegoldene 
Medaille  für  Amerika  erlangt  habe,  oh  Steimoay  oder  Oiickering,  so  las- 
sen wir  umstehend  das  wörtliche  Zeugniss  der  Jury  folgen.  (Siehe  Seite  196.) 

Die  Namen  der  Preisrichter  sind  so  respectable,  dass  an  deren 
Gewissenhaftigkeit  nicht  zu  zweifeln  ist.  Interessant  ist  für  uns  auch 
die  Thatsache,  dass  die  vorzüglichste  musikalische  Autorität  Frankreichs 
bei  der  Prüfung  von  Instrumenten  zu  demselben  Resultat  gelangt  ist, 
wie  wir  selbst  durch  unsere  Untersuchungen.  Nachstehender  uns  einge- 
sandter Brief  möge  dies  bekräftigen.    (Siehe  Seite  197.) 

Berlioz,  der  Verfasser  dieses  Briefes,  ist  durch  seine  auch  in  diesem 
Buche  erwähnte  Instrumentationslehre  als  Kenner  musikalischer  In- 
strumente bei  Franzosen  und  Deutschen  gleich  hochgeschätzt.  Abgesehen 
von  den  excentrischen  Bemerkungen  über  die  Herstellung  eines  Riesen- 
orchesters, liefern  seine  Analysen  bezüglich  der  Klangfarbe  und  Verwen- 
dung von  Tonwerkzeugen  höchst  werthvolle  Beiträge  zur  Beurtheilung 
der  musikalischen  Instrumente.  Eine  treffliche  deutsche  Uebersetzung 
jener  Instrumentationslehre  vom  Gustos  Alfred  Dörffel  erschien  bei  Heinze 

in  Leipzig,  was  wir  hier  beiläufig  bemerkt  haben  wollen. 

13* 


^    jfnAT^ > o,.,^.^  s/u^wWd^        j^ä-c^^l^^^/t-^S^c^  a^ 


A-vöe' 


'l^t/rvt/i  (  I 


^         v'Uf    ^'  <2**^^t, U^      ^k^vuTjH?  ^»^      /t«/ri^^*^.*vaJfcr 


QfUic^il^^   ^-^-^^-^    ^^^^^^-^"^^ 


198 

Das  eirunde  Piano  cycloide  von  Lindema7in  hatte  in  seiner  Con- 
struction  einige  Nachahmungen  von  Stdmvay,  ohne  das  Original  auch 
nur  annähernd  erreichen  zu  können.  — 

Was  nun  die  französischen  Instrumente  betrifft,  so  ist  zwar  von 
mancher  schätzenswerthen  Seite  in  neuerer  Zeit  (}i\eY'vcva^Pleyel~^'Wolf, 
welche  im  Jahre  1807  durch  Ignaz  Pleyel  gegründet,  1S24  von  dessen 
Sohn  M.  Camille  Pleyel  übernommen  und  seit  dem  Tode  desselben  1855 
von  Auguste  Wolff  dirigirt  wurde,  über  das  alte  berühmte  Haus  Erard 
gestellt  worden,  und  auch  manche  namhafte  Pianisten  haben  die  Verein- 
fachung des  double  echappement  dem  Erard' sehen  Mechanismus  vorge- 
zogen; dagegen  haben  sich  aber  doch  auch  gewichtige  Stimmen  geltend 
gemacht,  welche  der  Fabrik  der  Madame  Erard  volle  Gerechtigkeit  wi- 
derfahren Hessen.  AVir  selbst  konnten  den  Enthusiasmus  für  Pleyel 
Sf  Wolf  nicht  theilen,  weil  bei  den  Instrumenten  dieser  Firma  die  über- 
haupt den  französischen  Pianos  eigene  Sprödigkeit  des  Tones  am  schärf- 
sten hervortritt  und  die  Concertfähigkeit,  Piano  gegen  Piano  gehalten, 
entschieden  unter  der  vom  Hause  Erard  erreichten  steht.  Denn  wenn 
auch  letzteres  dem  Tone  nicht  die  Rundung  zu  geben  vermag,  welche 
bei  den  Steinway' sehen  und  auch  einigen  deutschen  Instrumenten 
nachweisbar  ist,  so  bewahrt  der  Ivlang  doch  immerhin  eine  grosse 
Reinheit  der  Farbe,  der  nur  ein  grösseres  Uebergewicht  des  Grundtones 
zu  W'ünschen  wäre.  Bei  akustischem  Abprobiren  werden  die  Saiten  der 
Erard'schen  Instrumente  meist  den  2ten  und  4ten  Partialton  verhältniss- 
mässig  zu  stark  hören  lassen,  hingegen  bei  denen  der  Pleyel  &  WolfT- 
schen  Pianos  die  Duodecime,  mithin  der  3te  Partialton  deutlicher  ver- 
nehmbar ist,  daher  auch  erstere  durch  ihre  Helligkeit,  letztere  durch  ihre 
mixturenartige  Grundfarbe  charakteristisch  erscheinen,  Henri  Herz  ist  mit 
seinen  elegant  ausgestatteten  Pianos  durch  seinen  Neffen  Philippe  Henri 
Herz  überflügelt  worden,  obgleich  auch  letzterer  auf  bunt  bemalte  Kasten 
mehr  zu  geben  scheint,  als  auf  einen  vollen,  singenden^Ton.  Ueberhaupt 
erschien  uns  die  französische  Ciavierfabrikation  stark  im  Sinken  begrif- 
fen zu  sein,  da  man  nirgends  neue  Inventionen  vorfand,  sondern  allent- 
halben der  schön  verzierte  Kasten  die  mangelhafte  Construction  ersetzen 
musste.  Dies  kommt  wohl  auch  hauptsächlich  daher,  dass  die  kleineren 
Firmen  die  ganze  Mechanik  fertig  arbeiten  lassen  und  sich  fast  aus- 
schliesslich  nur  mit   der  Zusammensetzung  des  Instrumentes    befassen. 


199 


Beinahe  säuun.Uche  Mechaniken  gehen  aus  den  Häusern  Kohden  und 
ScInvancU.  in  Paris  hervor,  so  dass  natürlich  der  ganze  Bau  zur  Schablo- 
nenarbeit  herabsinkt*). 

Von  den  Engländern  vermochte  nur  die  Firma  i3,oad»oorf  Interesse 
zu  erwecken,  auf  deren  mehr  als  UOjähriges  Alter  Jeder  mit  Eespect 
■blicken  nntss.  Aber  der  Erfindungsgeist  scheint  von  ihr  gewichen  zu 
sein,  da  sie  nur  mit  deutschem  Mittelgute  zu  concurriren  vermochte. 
Die  -oldene  Medaille  erhielt  sie  wohl  ihres  Alters  wegen;  denn  d,e  Gute 
der  Instrumente  konnte  die  Jury  unmöglich  bestimmen,  ihr  diesen  Preis 
zuzuerkennen.  Die  Mechanik  erschien  in  derselben  Gestalt,  wie  vor 
fünf  Jahren,  gleichwie  auch  Spielart  und  Tontülle  hinter  den  modernen 
Fortschritten  zurückgeblieben  waren.  Die  übrigen  engUschen  Instru- 
mente brachten  nicht  näher  zu  berücksichtigendes  Mittelgut,  an  welchem 
kein  Fortschritt,  ja  nicht  einmal  antike  Schönheit  haftete.  Broaä.ood 
und  die  englischen  Instrumente  erschienen  tms  wie  der  englische  Lord 
unter  seinen  Bauern"^*). 

T^r  Mechanik  erfüllten   Gav.au.,   Kriegelstein,  Maugeot,   AlUnger,    Blanchet 
)  m  cer  .Mcena  p^,.„r,,no.cn    ohne   etwa  mittlere  Firmen  .Deutschlands  zu 

3Iartin    und    Andere   massige  Iouleiunc,cn,  omiu  Pv-nloncrntions-Pedal-' 

erreichen    während   Gaudonnet  mit  seinem  Tonvcrlangerungsmittcl  „Pro  ongations  rectal 
rt^o:   mJ  seiner  KepetitionsmechaniU  langst 'verbrauchte  "^J^^ J™ ^^= 
verworfene  Einrichtungen  ^e^  r-liemi^v^a^^   ^  ^Utc^f  ir^m" 

Glase    zu  demselben  Zwe:ke  an;  desgleichen  konnte  auch  das  „Piano-Violon"  von  £au./e. 
Sinen   In    ruch   auf  Neuheit  erheben.     Das   alte  Bogenelavier  brachte   jeden  alls  ganz 
dnseLn  Effect  hervor  und  wenn  Herr  Prof.  HansUck  meint,   Herr    Bandet   l..^.e 
aenseiutu  i^uc^  Tages  aus   dem  Stadium  des 

Instrument    erdacht    und    es  sei    möglich,  „dabs  es  einch  x  „  •,    i-    i       r» 

VC    udieh  raustrete  und  in  vervollkommneter  Gestalt  zur  wirk  ic  en  musikalischen  Be- 
leb     m^   werde",    so    müssen   wir    doch    auf   die    Versuche    früherer    Zeit    hinweisen, 
w    cl      da°s  Spielen    eines  Streichquartetts    mit   allen    Schattirungen  ermöglichten.     A  er 
Tenn  die  Ma  Chine  erst  den  Ton  hervorlocken  muss,  wenn    nicht   der    von    der    rechten 
Tnd     csllisch  erregten  Spielers  geführte  Bogen  über  die  Saiten  streicht    wenn  mcht 
STst  eilhinstrumentgewissermassen   mit    dem  Spieler  verwachst,   dann    ist  auch  keine 
gute  St  eichmusik  möglich.     Es  wird  Spielerei  bleiben,    gleichwie  auch   der  auf  der  Pa- 
r^r  Au     ellang  wieder  bemerkbare   Versuch,   Contrabüsse  mit  einer  Tastenmasehiner^ 
u     eichen,  in  das  Reich  Idndischer  Träume    gehört.      Letzteres      ewies    nur    die  voll- 
tändZte  Lnkenntniss  bezüglich  der  Saitenschwingungen.     Desgleichen  ist  auch  das  In- 
nimri     des  nloniumfabrikanten  Mustel,  welcher  die  Hämmerchen    auf    abgestimmte 
Stirmglbeln  anstatt  auf   Saiten    schlagen    und    den   Ton    durch    Schallrohre    verstarken 
lässt,  keine  der  Kunst  nutzenbringende  Erfindung. 

.*)  Die  c^rossen  Flü.el  verkauft  die  Firma  Broada-ood  je   nach   dem  Verliältniss  der 
äusseren    Ausstattung  mit  120  bis  zu  250  Gninecn,   die  Pianinos  dagegen  mit  48  bis  zu 


200 

Dagegen  hob  sich  Deutschland  von  diesem  steifen  und  eckigen  Hin- 
tergrande als  ein  Bild  der  Intelligenz  vortheilhaft  ab.  Vor  allen  glänzte 
der  symmetrische  Flügel  von  Julius  Slüthner  aus  Leipzig  mit  feiner  Schnitz- 
arbeit von  Schneider  ebendaher.  Das  Instrument  war  auf  der  ganzen 
Ausstellung  das  einzige  in  dieser  Form  und  erwarb  sich  die  hohe  Aner- 
kennung der  Sachverständigen.  Unter  den  europäischen  Fabrikaten 
nehmen  diejenigen  Blüthner's  unbestreitbar  einen  sehr  hohen  Rang  ein,, 
und  wäre  Norddeutschland  durch  einen  Juror  vertreten  gewesen,  so 
würde  ihm  sicherlich  die  goldene  Medaille  zuerkannt  worden  sein;, 
denn  dass  dieselbe  Streicher  in  Wien  für  Deutschland  allein  erhielt, 
scheint  uns  sehr  natürlich  zu  sein,  weil  Oesterreich  dui'ch  den  Juror 
Herrn  Professor  Dr.  Eduard  Hanslick  vertreten  war,  dessen  im  Jahre 
1862  von  ihm  selbst  niedergeschriebener  Grundsatz  —  wie'bereits  be- 
merkt —  dahin  lautet:  „Die  Unbefangenheit  der  Richter  setzen  wir  (bei 
internationalen  Ausstellungen)  vollständig  voraus,  wenngleich  Niemandem 
unbekannt  ist,  wie  jeder  Juror  vor  Allem  seiner  eigenen  Nation  die 
grösste  mögliche  Zahl  von  Medaillen  durchzusetzen  trachtet  und  da- 
durch ein  System  gegenseitiger,  mehr  die  Herkunft  als  die  Güte  betonen- 
den Concessionen  ins  Leben  ruft".  Wo  also  ein  Juror  fehlte,  konnte 
natürlich  auch  in  dieser  Beziehung  nichts  erreicht  werden,  und  wir  be- 
wundern immerhin,  dass  Julius  Blüthner  die  silberne  Medaille  erhielt, 
welcher  wir  in  diesem  Falle  getrost  eine  Stelle  neben  der  goldenen  ein- 
räumen möchten.  Blüthner  s  Streben  ist  stets  ein  eifriges  und  mit  Er- 
folg gekröntes  gewesen.  Geboren  am  11.  März  1824  zu  Falkenhein  bei 
Zeitz,  erlernte  er  nach  beendeter  Schulzeit  das  Tischlerhandwerk  bei  dem 
in  letztgenannter  Stadt  sehr  angesehenen  Meister  Denk  und  wurde  von 
diesem  wie  der  eigene  Sohn  behandelt.  Die  Vorliebe  zum  Pianoforte- 
bau nahm  schon  in  seinem  16ten  Jahre  so  überhand,  dass  er  emsig  dar- 
nach trachtete,  bei  Hölling  in  Zeitz  dieses  Fach  zu  erlernen,  womit  er 
denn  auch,  17 1/2  Jahre  alt,  beginnen  konnte.  Nach  absolvirter  Lehrzeit,, 
in  welcher  er  sich  die  Liebe  und  Achtung  seines  Principals  erworben 

95  Guineen.  Kirkmann,  Brinsmead  u.  A.  vermochten  kaum  Interesse  zu  erwecken  uncJ 
ebenso  erregte  Womum  mit  seinem  Instrumente,  an  welchem  der  Hammerschlag  von 
Oben  geschieht,  nur  ein  Gefühl  des  Bedauerns.  Denn  diese  Aufwarmung  Pape'scher 
und  Streicher'scher  Ideen,  welche  sogar  auf  Originalität  Anspruch  erhob,  zeigte  deut- 
lich, wie  wenig,  man  sich  in  England  um  die  Geschichte  und  Fortschritte  des  Clavier- 
baues  gekümmert  hat. 


201 

hatte,  besuchte  er  zum  Zwecke  weiterer  Ausbildung  verschiedene  Fabri- 
ken Deutschlands  und  gründete  alsdann  im  Jahre  1853  seine  eigene  Fa- 
brik, in  welcher  er  Anfangs  nur  drei  Arbeiter  beschäftigte.  Bald  erreg- 
ten seine  Instrumente  die  Aufmerksamkeit  der  Kennerund  Pianisten,  da 
sich  ihr  Ton  vortheilhaft  vor  dem  der  Instrumente  älterer  Firmen  aus- 
zeichnete. Nachdem  Blüthner  seine  treffliche  Repetitionsmechanik  im 
Jahre  1856  eingeführt  und  auf  dieselbe  ein  Patent  genommen  hatte,  be- 
dienten sich  auch  die  namhaftesten  Pianisten  seiner  Instrumente  und  als 
die  neudeutsche  Schule  im  Jahre  1859  eine  Tonkünstlerversammlung  in 
Leipzig  arrangirte,  errangen  zwei  prächtige  Flügel  aus  seiner  Fabrik 
unter  den  Händen  Alfred  JaelVs  und  Mosclielei  einen  durchschlagenden 
Erfolg.  Tilüihners  Versuche,  dem  Resonanzboden  eine  erhöhte  Span- 
nung zu  geben ,  die  Berippung  nach  den  Principien  der  besten  akusti- 
schen Forschungen  einzurichten,  glückten  überraschend,  die  durch  jene 
einfache,  ihm  patentirte  Repetitionsmechanik  erlangte  Spielart  veranlasste 
die  Künstler,  seine  Instrumente  immer  mehr  in  Concerten  zu  gebrau- 
cjien,  und  demzufolge  wuchs  das  Interesse  des  Publicums  für  die  Blüth- 
ner'schen  Fabrikate  so,  dass  1863  ein  zweites  Fabrikgebäude  zu  dem 
bereits  vorhandenen  aufgeführt  werden  musste,  dessen  Anlage  äusserst 
zweckmilssig  ist  und  vielleicht  den  Vergleich  mit  jeder  anderen  deut- 
schen Fabrik  aushält.  Am  15.  März  1863  lud  er  die  Leipziger  Kunst- 
notabilitäten  zur  Prüfung  eines  neuen  Instrumentes  in  seinen  Salon  ein, 
welche  daselbst  einen  Flügel  mit  auf  beiden  Seiten  geschweiften  Wän- 
den vorfanden,  so  dass  sich  derselbe  also  mit  jeder  Seite  an  eine  Zim- 
merwand stellen  liess.  Das  übersaitige  System,  die  richtig  gewählte 
Hammeranschlagsstelle,  der  elastische  Resonanzboden,  die  Dauerhaftig- 
keit des  Mechanismus  verschafften  diesen  Instrumenten  bald  einen  be- 
deutenden Ruf,  welcher  durch  Erwerbung  mehrerer  erster  Preise  auf 
einheimischen  Ausstellungen  noch  erhöht  wurde.  In  allerletzter  Zeit, 
durch  den  Besuch  der  Pariser  Weltausstellung  angeregt,  ist  Herrn 
Blüthner  wiederum  eine  Verbesserung  am  Resonanzboden  geglückt,  de- 
ren Veröffentlichung  uns  jedoch  nicht  zusteht.  Ein  nach  diesem  System 
erbauter,  zur  Meininger  „neudeutschen"  Tonkünstler- Versammlung 
verwendeter  Flügel  in  symmetrischer  Form  hat  allseitiges  Interesse 
hervorgerufen  und  wir  selbst  glauben  nach  genauer  Prüfung  versichern 
zu  können,  dass  die  Fabrikate  anderer  deutscjier  oder  französischer  Fir- 


202 

men  schwerlich  einen  Vergleich  aushalten  würden,  wenn  man  Piano 
gegen  Piano  aufstellen  wollte.  Gegenwärtig  beschäftigt  Blüthners  Fa- 
brik 112  Arbeiter;  da  aber  das  Etablissement  fort  und  fort  mehr  Boden 
im  Publicum  gewinnt,  so  dürfte  sich  bald  die  Erweiterung  desselben  als 
Noth wendigkeit  herausstellen,  die  auch  für  künftiges  Jahr  in's  Auge  ge- 
fasst  worden  ist. 

Die  Form  seiner  symmetrischen  Concertflügel  erkennen  wir  in  bei- 
stehender Figur.  Den  erwähnten  symmetrischen  Flügel  auf  der  Pariser 
Weltausstellung  zieren  noch  die  Bildnisse  mehrerer  berühmter  Meister, 
und  in  französischen  wie  deutschen  Fachjournalen   sind  demselben    die 


lobendsten  Anerkennungen  zu  Theil  geworden.  Gleichfalls  verdienen 
die  Instrumente  des  Berliner  Fabrikanten  Bechstein  die  vollste  Würdi- 
gung, wenn  sie  auch  theil  weise  noch  ein  schwerfälligeres  System  erken- 
nen und  daher  auch  die  Weichheit  und  Modulationsfähigkeit  des  Tones 
nicht  im  höchsten  Grade  in  den  Vordergrund  treten  lassen.  Bezüglich 
der  Stärke  und  Eleo;anz  sind  sie  sicher  über  die  Pariser  Instrumente 
Erard's  zu  stellen  und  in  der  Spielart  dürften  sie  denselben  die  Wage 
halten.  BezügUch  der  Klangfarbe  machten  sich  jedoch  einige  Bedenken 
geltend.     Namentlich  besass  die  Mitte  des  grossen  Ausstellungsflügels 


203 

etwas  Knöchernes  und  Leeres,  wogegen  der  Bass  sonor  und  voll  ertönte. 
Im  Discant  bemerkte  man  bei  schärferm  Angreifen  das  Chickering'sche 
metallische  Zischen,  dem  der  nach  seinen  Arbeiten  als  sehr  intelligent  zu 
bezeichnende  Fabrikant  gewiss  bald  abhelfen  wird. 

Durch  BecJistein  ist  Berlin  seit  1856  zu  einem  gewissen  Rufe  in  der 
Pianofortebaukunst  gelangt,  hingegen  es  früher  der  österreichischen  Haupt- 
stadt bei  Weitem  nachstand.  Die  Aufnahme  nachfolgender  Zeugnisse 
möge  diesem  strebsamen  Fabrikanten  die  Würdigung  unsererseits  dar- 
thun,  obgleich  wir  nicht  in  allen  Punkten  mit  dem  gespendeten  Lobe 
übereinstimmen  können. 

„Die  Bechstein'schen  Instrumente  zeichnen  sich  durch  vorzügliche 
Qualität  in  allen  Zweigen  des  Ciavierbaues  aus;  Zuverlässigkeit  und  So- 
lidität der  Mechanik,  erdenklich  möglichste  Gleichmässigkeit  ebenso  der 
Spielart,  wie  der  Klangregister,  eine  unerschöpfliche  Tonfülle,  welche  den 
grössten  Reichthum  der  mannigfaltigsten  Abstufungen  vom  piano  bis  zum 
forte  in  sich  schliesst,  kurz  alle  jene  Eigenschaften,  deren  Erkenntniss 
mir  an  den  Bechstein'schen  Instrumenten  schon  vor  einer  Reihe  von  Jah- 
ren die  seitdem  durch  nichts  entkräftete  Ueberzeugung  mitgetheilt  hat, 
dass  Herr  Beckstein  der  erste  deutsche  Pianoforte-Fabrikant  ist ,  welcher 
seine  Produkte  auf  eine  Höhe  der  Vollkommenheit  gebracht  hat,  dass 
dieselben  mit  den  trefflichsten  und  berühmtesten  des  Auslandes  eine  glück- 
liche Concurrenz  bestehen  können. 

(o-ez.)     Freiherr  Hans  von  Bülow. 
Hof-Pianist  Sr.  Majestät  des  Königs  v.  Preussen." 


„Auf  meinen  letzten  Reiseii  in  Deutschland  benutzte  ich  zu  meinen 
Concerten  die  Instrumente  von  Herrn  Carl  Beckstein.  Dieselben  zeich- 
nen sich  durch  grossen,  gesangreichen  Ton,  elastische  Spielart  nicht 
allein  vor  andern  Instrumenten  aus,  sondern  haben  auch  eine  Modulations- 
Fähigkeit,  unterstützt  durch  eine  ausgezeichnete,  leicht  zu  behandelnde 
Mechanik,  Avelche  nur  diesen  Instrumenten  eigen  ist.  Es  macht  mir  ein 
Vergnügen,  Jedem  dieselben  als  vortrefflich  in  jeder  Hinsicht  empfehlen 

zu  können 

(gez.)  A.  Dreyschock 

'Künigl.  Kaiserl.  Hof- Kapellmeister." 


204 

„Beim  Preisgericht  der  Königlichen  Commission  der  Londoner  Aus- 
gtelking  für  1862  solke  laut  Instruction  eine  gleiche  Auszeichnung  (Me- 
daille) für  Alle  gegeben  werden. 

Die  Jury  war  dadurch  in  eine  sehr  schwierige  Lage  gebracht,  da 
sie  doch  Viele  auszeichnen  wollte,  aber  doch  unmöglich  das  Hervorra- 
gendste mit  dem  etwas  Geringeren  in  eine  Kategorie  bringen  konnte.  Es 
richteten  deshalb  5  Jurors  an  den  Präsidenten  Sir  George  Clerk  die  Bitte: 
die  fünf  ausgezeichnetsten  Fabrikanten  von  Pianos,  zwei  in  England,  zwei 
In  Frankreich  und  Bechstein's  Firma  in  Deutschland  „ausser  alle  Con- 
currenz"  zu  setzen.  Es  wurde  dieser  Vorschlag  zwar  als  nicht  praktisch 
verworfen,  jedoch  kam  der  Conseil  of  Chairmen  überein,  in  dem  ofFi- 
ciellen  Berichte  dieser  fünf  Firmen  als  besonders  auszuzeichnender  Fa- 
brikanten zu  erwähnen." 


(Aus  dem  officiellen  Bericht  der  Londoner  Industrie- Ausstellung  pro 
1862  entnommen.) 

„Preussen  —  Carl  Sechstem,  Hoflieferant  Sr.  Majestät  des  Königs 
und  Sr.  Königl.  Hoheit  des  Prinzen  Friedrich  Carl  von  Preussen,  dessen 
Geschäft  erst  Im  August  1856  gegründet  wurde,  aber  in  der  kurzen  Zeit 
von  sechs  Jahren  sich  zu  einer  solchen  Höhe  emporgeschwungen  hat, 
dass  er  mit  circa  130  Arbeitern  gegen  400  Instrumente  jährlich  fabricirt. 
worunter  allein  180  Flügel  zu  zählen  sind,  und  nach  Amerika,  Asien, 
England  und  Russland  ausführt,  hatte  zwei  ganz  ausgezeichnete  Flügel 
geschickt.  Die  Instrumente  Bechsteiris  zeichnen  sich  durch  eminente 
Frische  und  Freiheit  des  Tones,  Annehmlichkeit  der  Spielart  und  Gleich- 
heit der  verschiedenen  Register  aus,  und  dürften  selbst  der  kräftigsten 
Behandlung  Widerstand  leisten. 

Wir  berichten  mit  Freuden,  dass  diese  Flügel  eine  grosse  Anzahl 
von  Freunden  In  London  gefunden  haben  und  sind  überzeugt,  dass  sich 
das  schon  vorhandene  Renommee  noch  steigern  und  dieselben  noch  grös- 
sere Verbreitung  In  England  finden  werden.  Die  Uebereinanderlegung 
der  Saiten  in  dem  einen  Flügel  ist  zwar  nicht  neu,  aber  mit  grossem 
Erfolg  und  sehr  geschickt  angewendet.  Das  Fabrikat  wird  mit  der 
„Ersten  grossen  englischen  Preismedaille"  prämllrt." 

(Unterschrift  des  Preisgerichtes.) 


205 

Gegenwärtig  soll  Herr  Beckstein  in  seiner  neuen  Fabrik  gegen  200 
Arbeiter  beschäftigen,  [welche  in  zweckentsprechender  Weise  nach  ihren 
Kräften  vertheilt  sind. 

KnaJce  in  Münster  und  Schiedmayer  in  Stuttgart  stehen  nicht  ganz 
auf  der  Stufe  Beckstein^ s;  Streicher  in  Wien  kann  sich  aber  durchaus  mit 
ihm  messen  und  wenn  derselbe  seine  den  Steinway'schen  Fabrikaten  ab- 
gelernte „amerikanische  Construction",  welche  er  nach  eigener  Aussage 
fortan  nur  anwenden  will,  weiter  ausbaut,  so  dürfte  er  auch  in  Oester- 
reich  keine  Concurrenz  zu  scheuen  nöthig  haben.  Da  sein  ausgestellter 
Flügel  nur  als  eine  Nachahmung  des  amerikanischen  Systems  zu  be- 
zeichnen ist,  bei  welchem  er  noch  den  früher  erwähnten  elastischen 
Hammerstuhl  eigener  Construction  angebracht  hat,  so  gehen  wir  zu 
Ehrbar,  Nachfolger  von  Sexiffert,  über,  dessen  Instrumente  zwar  Ge- 
sang, aber  keinen  freien  Gesang  besassen.  Der  Flügel  kam  uns  vor, 
wie  das  Organ  eines  Sängers  mit  heiserer  und  gepresster  Stimme.  So- 
wohl der  Flügel,  als  auch  das  äusserlich  mit  prächtiger  Schnitzarbeit 
ausgestattete  Pianino  Ehrbm^'s  vermochte  uns  über  dieses  Bedenken  nicht 
hinwegzuhelfen.  Auch  konnten  wir  seiner  Bindfaden-  oder  vielmehr 
Seidenfadenmechanik  keinen  Geschmack  abgewinnen.  Diese  Mechanik 
besitzt  nämlich  eine  Feder  zur  Repetition,  welche  durch  Faden  von  Seide 
mit  dem  Hammerstiele  verbunden  ist.  Die  Spielart  wird  dadurch  weder 
schön,  noch  dauernd,  und  wir  begreifen  nicht,  wie  man  von  schätzens- 
werther  Seite  diesen  Instrumenten  eine  so  hohe  Stufe  einräumen  konnte, 
zumal  noch  obendrein  die  Resonanzbodenlegung  an  den  Pianinos  Ehrbar  s 
deutlich  zeigt,  wie  wenig  dabei  die  Gesetze  der  Akustik  berücksichtigt 
wurden.  Der  Resonanzboden  macht  Transversalschwino-ungen  als  Gan- 
zes  und  bewirkt  deshalb  einen  heiseren  Grundton  und  klimpernde  Ober- 
töne im  Klange,  was  von  der  unpraktischen  Freilegung  desselben  her- 
kommt. Ausserdem  setzt  derselbe  die  den  Anhänorestock  vertretende 
eiserne  Platte,  welche  zwar  äusserlich  vom  Resonanzboden  getrennt  ist, 
mit  in  Schwingung,  wodurch  sich  den  schwirrenden  Nebengeräuschen 
auch  noch  das  metallische  Kritzeln  zugesellt.  Weit  bedeutender  erschien 
uns  die  Ciavierfabrikation  Bösendorfer'' s  in  Wien,  obgleich  wir  von  ihm 
viel  bessere  Instrumente  kennen  gelernt  haben,  als  seine  Ausstellungs- 
claviere.  Diesen  Fehler  mochte  wohl  Herr  Bösendorfer  selbst  erkennen, 
indem  er  noch  nachträglich  zwei  Instrumente  nach  Paris  sandte,  welche 


206 


freilich  nicht  mehr  in's  Bereich  der  Beurtheilung  von  Seiten  der  Jury 
o^ezogen  werden  konnten.  Es  haben  sich  aber  gewichtige  Stimmen  über 
die  VortreflEHchkeit  dieser  Instrumente  vernehmen  lassen,  so  dass  wir 
keinen  Augenblick  zweifeln,  es  werde  dem  jetzigen  intelligenten  Besitzer, 
Herrn  Bösendorfer  jun.,  gelungen  sein,  seine  Mechanik  zum  grossen  Vor- 
theil  der  Tonerzeugung  zu  verwenden.  Leider  können  wir  nicht  aus 
eigener  Erfahrung  sprechen,  weil  wir  Paris  bereits  verlassen  hatten,  be- 
vor die  Bösendorfer'schen  neuen  Instrumente  ausgestellt  wurdene.  Zellnet' s 
Blätter  für  Theater,  Musik  und  bildende  Kunst  widmen  ihnen  aber  in 
ihrer  Nr.  52  einen  längeren  Artikel,  in  welchem  sie  namentlich  den  pracht- 
vollen Baustyl  derselben  hervorheben.  Das  eine  derselben  wurde  von 
Ihrer  Majestät  der  Kaiserin  von  Oesterreich  erworben  und  deshalb 
„Kaiserinciavier"  getauft.  Die  angeführte  Musikzeitung  stellt  die  Poesie 
des  Tones  über  alles  bisher  in  dieser  Hinsicht  im  Instrumentenbau  Ge- 
leistete, was  anzuzweifeln  wir  nicht  in  der  Lage  sind.  In  neuester  Zeit, 
und  namentlich  seit  dem  Jahre  1860,  hat  sich  überhaupt  das  Bösendor- 
fer'sche  Etablissement  in  einer  Weise  emporgearbeitet,  dass  in  quantita- 
tiver Hinsicht  dasselbe  jetzt  wohl  weitaus  das  grösste  in  Wien  ist.  In 
Schlesien  galten  in  früherer  Zeit  die  Bösendorfer'schen  Flügel  als  Muster- 
instrumente und  übertrafen  sogar  die  vor  ungefähr  20  Jahren  in  jener 
Gegend  ausserordentlich  verbreiteten  Bessalie'schen  Flügel  bei  Weitem. 
Ihr  Hauptvorzug  ist  der  sehr  lange  nachsingende  Ton,  dessen  Weichheit 
auf  uns  immer  sympathisch  gewirkt  hat,  wobei  man  freilich  Stärke  und 
Fülle  bis  jetzt  etwas  vermisste.  Die  Spielart  und  den  Hammeranschlag 
an  die  Saiten  vervollkommnete  aber  der  jetzige  Besitzer,  wie  bereits  er- 
wähnt, durch  Construction  einer  Mechanik,  welche  als  eine  sehr  glück- 
liche Combination 
der  deutschen  und 
englischen  Stoss- 
zungenmechanik  zu 
bezeichnen  ist.  Sie 
soll  in  ihrer  Wir- 
kung die  Kraft  der 
letzteren  mit  der 
reizvollen  Milde  der  Wiener  Klang-erzeusung  vereinigen.  Die  Einfach- 
heit  dieser  Mechanik  aus  neuester  Zeit  ist,  sofei'n  dieselbe  vom  Erfinder 


207 

freigegeben  werden  sollte,  im  Interesse  des  Pianofortebaues  zur  Nach- 
ahmung sehr  zu  empfehlen.  Sie  stellt  sich  unsern  Augen  in  vorstehender  Fi- 
gur dar,  und  Ihre  Wirksamkeit  hat  sich  nach  der  Preisverthcilung  auf  der 
Pariser  Ausstellung,  wie  die  Berichte  fachkundiger  Blätter  versichern,  voll- 
ständig erprobt.  —  Schceighofer  und  Promherger,  deren  Fabriken  von 
jungen  Männern  dirigirt  werden,  hatten  Claviere  mit  bekannter  Wiener 
Einrichtung  ausgestellt,  bei  welcher  die  saubere  und  gediegene  Arbeit 
allo-emein  anerkannt  wurde.  Ueber  das-  Uebrige  können  Avir  uns  kurz 
fassen,  da  wir  vom  Pianofortebau  alles  Bedeutendere  erwähnt  haben. 
Belgien,  Italien,  Spanien,  Schweden,  Norwegen,  Dänemark  sind  in  die- 
sem Fache  ausserordentlich  zurückgeblieben  und  besonders  haben  wir 
uns  über  die  schwachen  Leistungen  Belgiens  gewundert,  da  doch  die 
respectable  Nähe  Frankreichs  Besseres  erwarten  liess.  Um  so  eigen- 
thümlicher  erschienen  uns  die  Auszeichnungen  durch  silberne  und  bron- 
zene Medaillen,  welche  diesem  Staate  zu  Theil  wurden,  und  wir  glauben 
zuversichtlich,  dass  der  belgische  Juror  Herr  Felis  hierbei  doch  allzusehr 
die  landsmännischen  Interessen  geltend  gemacht  hat.  Denn  thatsächlich 
steht  fest,  dass  die  mit  gar  keiner  Auszeichnung  bedachten  Instrumente 
mancher  deutschen  Firma,  z.  B.  Breitkopf  ^-  Härtel,  Wanckel  Sf  Temmler, 
Irmler  in  Leipzig,  den  belgischen  weit  überlegen  sind.  Von  Russland 
hatten  wir  uns  mehr  erwartet;  das  geringe  Ergebniss  der  Leistungen 
dieses  Landes  scheint  jedoch  aus  der  äusserst  massigen  Betheihgung  an 
der  Ausstellung  hervoi-gegangen  zu  sein,  da  es  bekannt  genug  ist,  dass 
Petersburg  und  Moskau  sehr  tüchtige  Pianofortefabrikanten  besitzen. 
Die  Classification  der  Länder  bezüglich  der  Leistungen  in  diesem  Fache 
lässt  sich  übersichtlich  in  folgender  Weise  fixiren: 

1.  Amerika,  Steinicay  ()•  Söhne  in  New -York.  2.  Deutschland,  für 
welches  Land  wir  Norddeutschland,  Süddeutschland  und  den  Oesterreichi- 
schen  Kaiserstaat  zusammenfassen:  Blüthner  in  Leipzig,  Streicher  in  Wien, 
Bechstein  in  Berlin,  Bösendorfer  in  Wien,  Schiedmayer  in  Stuttgart,  Knaahe 
in  Münster,  Ehrbar  in  Wien,  Promherger,  Schiveighofer  in  Wien,  Be- 
regszaszy  m.  Pesth,  Kaim  8f  Günther  in  Kirchheim.  3.  Frankreich:  Erard, 
Pleyel  cj-  Wolf,  Philippe  Herz,  Henri  Herz,  Kriegelstein  Vater  und  Sohn 
in  Paris,  Allinger  in  Strassburg,  Martin  in  Toulouse,  Mangeot  in  Nancy 
H.  Gaveaux  in  Paris.  4-.  P^ngland :  Broadioood,  Kirkman  Sf  Sohn,  Womumy 
Alisott  c)'-  Sohlt,   Brinsmead  in  London.  5.  Russland:  Malecki  cj-  Schröder 


208 

In  Warschau.  6.  Schweiz:  Huni  Sc  Hubert  in  Zürich.  7.  Belgien:  H.Gün- 
ther, L.  Sternberg  in  Brüssel.  8.  Norwegen:  Gebrüder //a/s  in  Christiania. 
9.  Schweden:  Jilalmsioe  in  Gothenburg.  10.  Dänemark:  Hornung  ^ Möller 
in  Copenhagen.  11.  Spanien:  Bernareggi  Sf  Comp,  in  Barcelona.  Im 
Uebrigen  ist  nichts  Erwähnenswerthes  aufzuweisen,  so  dass  sich  eigent- 
lich die  auf  der  Pariser  Ausstellung  wahrzunehmende  Intelligenz  im 
.Pianofortebau  auf  die  vier  Länder:  Amerika,  Deutschland,  Frankreich 
und  England  beschränkte,  und  von  diesen  wiederum  Amerika  und  Deutsch- 
land bezüglich  des  Erfindungsgeistes  im  Construiren  gegenwärtig  die 
Oberhand  behaupteten,  da  die  genialen  Franzosen  Sebastian  Erard,  Pierre 
Erard,  Pleyel,  Pape  etc.  nicht  mehr  thätig  sein  können  und  die  Engländer 
an  ihrem  alten  System  mit  kaum  begreiflicher  Starrheit  festhalten.  Waren 
doch  aber  auch  in  Frankreich  die  genannten  Erfinder  mit  Einschluss  Pape^s 
Deutsche,  deren  Wirksamkeit  die  Pianofortebaukunst  zum  höchsten 
Aufschwung,  deren  Tod  aber  dieselbe  zum  Sinken  brachte,  und  ist  doch 
in  Amerika  das  deutsche  Element  durch  das  Haus  Steinway  {Steinweg) 
so  siegreich  vorgeschritten,  dass  das  englisch -amerikanische  vollständig 
in  den  Hintergrund  treten  musste,  woraus  im  Hinblick  auf  die  Intelligenz 
in  Deutschland  selbst  logisch  zu  folgern  ist,  dass  auch  die  Deutschen 
gerade  für  den  Pianofortebau  die  befähigtsten  Elemente  besitzen,  gleich- 
wie sie  in  der  Tonkunst  das  Höchste  erreicht  haben*). 

Sprechendes  Zeugniss  von  den  tonkünstlerischen  Errungenschaften 
Deutschlands  legten  die  Beethovenausgabe  von  Breitkopf  Sf  Härtel  in 
Leipzig,  die  Bachausgabe  von  Peters  in  Leipzig  und  Berlin,  die  trefflichen 
Editionen  deutscher  Meister  von  Rieter  -  Biedermann  in  Leipzig  und 
Winterthur  ab,  und  was  ist  diesen  Firmen  für  eine  Belohnung  zu  Theil 
geworden?  Das  deutsche  Nationalgefühl  muss  sich  dagegen  sträuben,  wenn 


*)  Auch  in  den  Materialien  zum  Ciavierbau  leisteten  die  Deutschen  Ausgezeichne- 
tes. Das  Uebcrziehen  der  Hammerküpfe  mit  Filz  ist  jetzt  bei  Herstellung  der  Mecha- 
niken das  herrschende  Verfahren,  daher  auch  der  Fabrikation  des  Filzes  auf  der  Aus- 
stellung besondere  Beachtung  geschenkt  wurde.  Namentlich  zeichnete  sich  hierin  Herr 
Weickert  aus  Leipzig  aus,  mit  dem  die  französische  Firma  Billion  und  Wandlefelt  jetzt 
Duval  u.  Sohn  kaum  concurriren  konnten. 

Zu  Saitenbezügen  sind  .die  Gussstahlsaiten  des  Herrn  Pöhlmann  aus  Nürnberg  be  - 
sonders  zu  empfehlen,  -welche  nach  der  Prüfung  mit  dem  WolflF'schen  Dynamometer  die 
stärkste  Spannkraft  aushalten.  Der  in  diesem  Buche  bereits  erwähnte  österreichische 
Fabrikant  Miller  war  nicht  vertreten,  wogegen  der  früher  genannte  Webster  aus  London 
und'^Horsfall  ebendaher  ihr  gewöhnliches,  längst  übertrofFenes  Fabrikat  ausgestellt  hatten. 


209 

anan  im  Preisvertheilungskatalog  Breitkopf  Sj-  Härtel  mit  ihrem  nationalen 
Unternehmen,  mit    ihrer  treffHchen  Beethovenausgabe  und  anderen  be- 
deutenden Werken  mit  der  silbernen  Medaille  erwähnt  und  mit  den 
unbedeutenderen  französischen  Firmen:  HeugeJ,  Brandus  SfDufour,  Lemoine, 
Gerard  <$■  Comp.,  Escudier  und  mit  der  spanischen  Firma  Bonifacio  Eslava 
in   gleichen   Rang    gestellt    findet.     Bieter  -  Biedermann,    dessen  Verlag 
Schumann'scher  Compositionen  unbedingt  eine  der  ersten  Stellen  behaup- 
tet, befindet  sich  sogar  in  der  Abtheilung  der  bronzenen  Medaillen  neben 
Baudon  in  Paris  gestellt  und  endlich  suchen  wir  Peters  vergeblich  unter 
den  ehrenvollen  Erwähnungen.   Freilich  weiss  man  in  Paris  nicht,  welche 
ffrosse  Verdienste  sich  die  letzterwähnte  Firma  um  die  musikalische  Bil- 
düng;  der  ganzen  Welt  erworben  hat;  man  scheint  dort  nicht  die  weit- 
tragende  Bedeutung  der  billigen,  handlichen  Ausgaben  Bach'scher,  Hän- 
del'scher,  Gluck'scher  Werke  zu  kennen,  und  hier  staunt  man  über  den 
geringen  Einfluss  deutscher  Jurors,  denen  es  nicht  möglich  war,  für  dies© 
wahren  Pflegestätten  musikahscher  Production  den  so  eminenten  Leistun- 
gen entsprechende  Preise  zu  erringen*).     Denn  wir  können  nicht  glau- 
ben, dass  dieselben   nicht  an  massgebender  Stelle  dafür  gewirkt    oder 
gar  die  Bedeutung  der  genannten  Firmen  übersehen  haben  sollten.   Zwar 
war  es  keine  kleine  Aufgabe,  aus  der  Menge  des  Stoffes  das  Würdigste 
herauszufinden  und  vom  Geringeren  zu  unterscheiden;  den  Jurors  waren 
aber  die  Untersuchungen  bei  Weitem  mehr  erleichtert,  als  den  Fremden, 
w'elche  zu  den  Ausstellern  in  gar  keiner  Beziehung  standen.     Bezüglich 
der  Ausgaben  und  tlieoretischen  Werke,  unter  denen  wir  z.  B.  die  Namen 
Hauptmann  und  Hehnholtz  vorfanden,  konnten  sich  Letztere  über  das 
Geleistete  immerhin  noch  besser  orientiren,  als   in  der  Abtheilung   für 
musikalische  Instrumente,  wo  man  an  so  manchem  Tage  zufrieden  sein 
musste,  das  verschlossene  Gehäuse  der  Ciavierinstrumente  mit  Einschluss 
der  Harmoniums  und  Orgeln,  ferner  die  hinter  sicherem  Verschluss  in 
einem  Glaskasten  geborgenen  Saiten-  und  Blasinstrumente  in  ihrer  äus- 
seren Form  zu  betrachten,  ohne  die  ihnen  eigenthümllche  Fähigkeit  zur 
Tonerzeuguno;  kennen  zu  lernen  und  beurtheilen  zu  können.     Erst  nach 


*)  Lenioine's  Diamantausgaben  der  Beethoven'schen  Ciaviersonaten ,  der  Chopin'- 
schen  Walzer  u.  s.  w. ,  ferner  die  bei  Brandus  ^'  Dufour  erschienenen  Partituren  ^/e^/ec- 
beer's  und  dergleichen  mehr  konnten  doch  unmöglich  mit  den  gewaltigen  Verlagswerken 
von  Breükopi  &  Härtel  etc.  concurriren?  Und  dennoch  ist  dem  französischen  National- 
gefühl Rechnung  getragen  worden! 

14 


210 

manchen  vergeblichen  Versuchen,  nach  wiederhohen  Bemühungen  und 
Complimenten  gelang  es  denn,  sich  über  die  Klangwirkung  dieser  Ton- 
werkzeuge zu  unterrichten,  von  denen  die  kleine  Orgel  des  Orgelbauers 
Cavaille-Coll  in  Paris  eine  der  ersten  Stellen  zu  behaupten  berechtigt  ist. 
Ausser  den  Koppelungen  konnte  man  14  klingende  Register,  2  Manuale 
und  1  Pedal  erkennen,  unter  denen  namentlich  die  Hohlflöten  von  ganz 
vorzüglicher  Klangfarbe  waren.  Der  berühmte  Instrumentenbauer  hat 
mit  dieser  Arbeit  wiederum  ein  Meisterstück  geliefert,  welches  zwar  nicht 
quantitativ,  wohl  aber  qualitativ  seinen  grossen  Orgelwerken  in  den 
Kirchen  St.  Sulpice,  Notre  Dame,  St.  Madeleine,  St.  Vincent,  St.  Paul, 
Notre  Dame  de  Lorette,  St.  Denis  etc.  getrost  an  die  Seite  zu  setzen  ist. 
Seine  Herstellung  der  Hohlflöten  übertriflft  Alles,  was  wir  bis  jetzt  in 
dieser  Hinsicht  kennen  lernten  *).  Die  Pariser  Firma  Stolz  ^"  Sohn  ver- 
mochte sich  ebenfalls  durch  eine  Orgel  mit  26  Registern,  2  Manualen 
und  Pedal  allgemeine  Anerkennung  zu  erwerben,  während  die  sogenannte 
anonyme  Orgelbaugesellschaft  von  MerMin- Schütze  zwei  grosse  Kirchen- 
orgeln mitten  unter  den  arbeitenden  Maschinen  aufgestellt  hatte,  deren 
Güte  uns  aber  im  Verhältniss  zu  den  deutschen  Orgeln  von  Ladegast 
entschieden  im  Nachtheile  zu  sein  schien.  Leichte  Handhabung  konnte 
ihnen  nicht  abgesprochen  werden,  aber  das  Rohrwerk  vermochte  uns 
durchaus  nicht  sympathisch  zu  berühren,  wobei  allerdings  die  grosse 
Unreinheit  in  der  Stimmung  der  Werke  in  Anschlag  zu  bringen  war. 
Auf  der  einen  in  der  belgischen  Abtheilung  hörten  wir  verschiedene  Or- 
ganisten vom  Fach,  während  die  Orgel  in  der  französischen  Abtheilunor 
nur  äusserst  selten  benutzt  wurde  **).  Ausser  diesen  Werken  der  anony- 

*)  Cavaille-Coll  wandte  auch  zuerst  den  das  Orgelspiel  so  erleichternden  pneuma- 
tischen Heber  Barker  s  an  und  verbesserte  denselben  in  seinen  sogenannten  pneumati- 
schen Motoren.  Anstatt  der  schweren  Registerzüge  erblickt  man  an  seinen  grossen 
Orgeln  die  leicht  zu  handhabenden  Registerknöpfe,  an  welchen  sich  schwache,  mit  Fe- 
dern gespannte  Holzstäbe  befinden,  deren  Arrangement  wir  in  Deutschland  noch  nir- 
gends beachtet  gefunden  haben. 

**)  Das  Pariser  und  Brüsseler  Haus  von  MerMin  u.  Schütze  (Societe  anonjTne  pour 
la  fabrication  des  Grandes  Orgues)  gab,  gleichwie  Stoltz  et  ßls,  gedruckte  Prospecte  der 
eigenen  Fabrikation  aus.  Dass  sich  diese  Firma  seit  10  Jahren  zu  einer  bedeutenden 
Höhe  emporgeschwungen  hat,  ist  ganz  unleugbar,  und  wenn  wir  die  Menge  der  von  ihr 
aufgestellten  Orgeln  in  verschiedenen  Ländern  beti-achten,  so  müssen  wir  vor  ihrem 
Fleisse  und  ihrer  Arbeitskraft  staunen.  Von  den  beiden  Orgeln  hatte  die  grössere,, 
welche  für  Nancy  erbaut  war,  drei  Claviere,  ein  Pedal,  42  Stimmen,  7  Koppelungen  und 
drei  Pedale  für  das  Combinationsspiel  in  folgender  Anordnung: 


211 

men  Orgelbaugesellschaft  zu  Paris  und  Brüssel  fanden  wir  noch  eine 
kleine  Kirchenorgel  mit  22  Registern  von  Chazelle  ohne  besondere  Wir- 
kung, ferner  eine  Saalorgel  von  Gebrüder  Damiens,  eine  derselben  Art 
in  der  englischen  Abtheilung  aus  der  Werkstätte  der  Firma  Bryceson  Sf 
Comp,  zu  London,  die  kleine  Zimmerorgel  mit  6  Stimmen  von  Beving- 
ton  in  London  und  endlich  die  kleine  Orgel  des  Wiener  Fabrikanten 
Hesse,  von  denen  aber  nichts  Wichtigeres  berichtet  werden  kann.  Ein 
Curiosum  wollen  wir  hierbei  nicht  verschweigen;  dasselbe  betrifft  wie- 
derum eine  sogenannte  neue  Erfindung,  welche  wir  aber  bereits  als  60 
Jahre  alt  kennen.  Der  Erbauer,  dessen  Name  nichts  zur  Sache  thut, 
glaubte  nämlich  mit  der  Herstellung  einer  Pfeife,  in  welcher  sechs  ver- 
schiedene Octaven  einzeln  und  zusammen  ertönen  konnten,  ein  grosses 
Wunderwerk  errichtet  zu  haben.     Das  IGfüssige  C  war  der  tiefste  Ton; 


Ites  Ciavier.  3tes  Ciavier. 

1.  Bourdon 16  Fiiss  ^  „           .    ,      _.. 

^    _  .     .     ,                    _  ^  1.  Harmonische  Flöte 

2.  Principal b  Fuss  .,  .^            ,      . 

„    ^        ^                       _  ^  2.  Vox  coelestis 

3.  Bourdon 8  Fuss  „  ^      , 

A    c~  ,-  ■       1                  o  u  ^-  Gambe 

4.  Sahcional    .  .  .  .     ö  iuss  ^  -r,       , 

c    TT-  1      1     r.      u        c  ü  *•  Bourdon 

5.  Viola  da  Gamba      ö  tuss  _  ^ 

n    XX           .    ,     T^,.        ,.  T^  ö.  Uctavflote 

6.  Harmonische  Flöte    4  Fuss 

7.  Prestant 4  Fuss  Combinationsstimmen: 

8.  Glockenspiel  ...     2  Fuss  .  ^, 

'■  6.  Flageolet 

2tes  Ciavier.  7.  Fagot 

^    _       .     ,                  ,^  x^  8.  Oboe  u.  Fagot 

1.  Principal 16  Fuss  ^  ^ 

^    „       ,                       -.r.  T-,  "•  Trompete 

2.  Bourdon 16  Fuss  ,a  tt       ,: 

„    ,,                               o  T^  1^-  Vox  humana 

3.  Monti-e 8  Fuss 

4.  Bourdon 8  Fuss  Pedal. 

5.  Harmonische  Flöte    8  Fuss  .,  «  , , 

„    ^      ,                          Q  „  1.  Subbass 

6.  Gambe 8  Fuss  o  m-  ^    ^i-. 

„    ^  ,  .                        £,  ^  2.  Tiefe  Flöte 

7.  Dulciana 8  Fuss  o  o  1,1, 

„    ^        „..                     .  T^  o.  Subbass 

8.  Octavflote    ....     4  Fuss  .  ^        , 

^    ^                                .  ^  4.  Octavbass 

9.  Prestant 5  Fuss 

-rv    ^   .     ^  .                     o  T-.  ö.  Violoncell 

10.  Quintflote    ....     3  Fuss  .  _,.. 

6.  Flöte 

Corabinationsstimnien :  „      ,  .      .         . 

Combinationsstimmen : 

11.  Mixtur  -7  ü      1     j 
_^    ^  7.  Bombarde 

12.  Cornet  am, 
^„   „      ,      ,  8.  Trompete 

13.  Bombarde  „  ^,  . 

^  .    ^  9.  Clairon 

14.  Trompete 

15.  Clairon 

Die  zweite  kleinere   Orgel  hatte  zwei  Manuale,  ein  Pedal,  vier  Koppelungen,  zwei 
Combinationspedale  und  25  Stimmen, 

14* 


212 

nach  diesem  sprachen  in  derselben  Pfeife  die  höhere  Oetave  C,  dessen 
Octave  c  und  so  fort  &,  d',  c'",  c""  an,  auch  konnten  dieselben  vermittelst 
eines  Registerzuges  zu  gleicher  ^eit  zum  Ertönen  gebracht  werden. 
Hätte  uns  der  Instrumentenbauer  die  Verwendbarkeit  dieses  Experiments 
dargethan,  hätte  er  eine  Orgel  gebaut,  in  welcher  man  mit  einer  einzigen 
Keihe  von  Pfeifen  dieselbe  Wirkung  hervorzubi'ingen  im  Stande  wäre, 
wie  mit  6  Reihen  in  anderen  Orgeln,  dann  würden  wir  seinem  Werke 
einen  hohen  Rang  einräumen  müssen;  aber  so  finden  wir  nur  das  alte 
Curiosum  wieder,  was  bereits  der  Akustiker  Chladni  im  Jahre  1807 
zur  allgemeinen  Kenntniss  brachte.  — 

Den  Orgeln  im  Klange  etwas  verwandt  sind  die  Harmoniums,  in  deren 
Herstellung  das  Pariser  Haus  Alexandre  Sf-  Cow2p.  das  Vorzüglichste  auf  der 
Ausstellung  leistete,  obwohl  auch  die  Debain'schen  Fabrikate,  ferner  die 
Harmoniums  von  Bevington  Sf  Sohn  in  London,  Mason  S,-  Hamlin  in  New- 
York  und  Boston,  Claude  4'  SoJm  in  London,  Kelhj  in  London,  Trayser  (^• 
Comp,  in  Stuttgart,  Schiedmayer  in  Stuttgart  etc.  recht  anzuerkennen  sind*). 


*)  Alexandre' s  Verdienste  bestehen  hauptsächlich  in  der  sehn  eilen  Capacität,  mit 
welcher  er  alle  Fortschritte  Anderer  erfasst  und  dann  zweckmässig  verwerthet.  Er  be- 
schäftigt 1000  Arbeiter  und  ist  in  diesem  Fache  der  populärste  Fabrikant  der  Welt. 
Nach  ihm  ist  Debain  der  bekannteste,  dessen  Originalität  dem  praktischen  Sinne  Ale- 
xandre's  häufig  zu  Gute  kam.  Derselbe  schickt  jedes  Jahr  2000  Harmoniums  in  die 
Welt,  welche  er  theilweise  mit  herabzudrückenden  Klappen  unterhalb  der  Claviatur 
anstatt  der  unbequemen  Eegisterzüge  versieht.  Sein  Ausstellungs-Piano  mecanique,  das 
entweder  als  Clavier  oder  vennittelst  eingelegter  Walzen  als  Drehorgel  gespielt  werden 
kann,  imd  seine  Harmonika,  die  sowohl  als  Handharmonika  als  auch  als  Harmonium 
zu  behandeln  ist,  sind  beide  alte  bekannte  Dinge ,  deren  Bau  ^\ir  schon  in  Böhmen  und 
Dresden  vor  circa  12  Jahren  kennen  lernten.  Dagegen  erreichte  Mustel  mit  seinen 
Aeolsharfenstimmen  und  doppelten  Zungenreihen  für  die  Vox  coelestis  einen  Fort- 
schritt, welcher  der  Harmoniumfabrication  noch  sehr  nützlich  werden  dürfte.  In  Ame- 
rika baut  Mason,  Herausgeber  der  grossen  Musikzeitung  in  Boston,  die  besten  Instru- 
mente dieser  Gattung;  ja  für  uns  sind  dieselben  überhaupt  die  sj-mpathischsten.  We- 
niger Geschmack  konnten  wir  natürlich  dem  Zwitterinstrument  „Piano-Harmonium"  des 
Engländers  Ramsden,  noch  weniger  aber  den  zahlreichen  Harmoniflütes  und  Concertinas, 
sowie  auch  dem  von  Quentin  de  Giomard  erbauten  Cecilivun,  einem  Tasteninstrumente 
in  Gestalt  einer  Theorbe  mit  Metallzungen  und  Blasebälgen,  abgewinnen.  Unter  den 
..Orchestrions"  von  Weite,  Heitzmann  und  Zöhringer  erschien  das  des  Erstgenannten  als 
das  bedeutendste.  Es  tiiig  zwölf  Musikstücke  vor  und  besass  in  seiner  Instrumentation 
Posaunen,  Fagotts,  Clarinetten,  Flöten,  Octavflöten,  Pauken,  Triangel,  und  brachte  mit 
nur  einem  Laufwerk  alle  Nüancirungen  recht  fein  zu  Gehör,  obgleich  wir  im  akustischen 
Cabinet  von  Kaufmann  in  Dresden  noch  bessere  Werke  kennen  lernten.  Vollständige 
Symphonien,  wie  sie  die  Instrumente  Kaufmannes  ausführten,  haben  wir  auf  keinem  der 
drei  Ausstellungsorchestrions]  vortragen    gehört.     Die    Schweizer  Spieldosen    und    Spiel- 


213 

An  sich  schon  hat  das  Harmonium  keine  grosse  künstlerische  Bedeutung; 
dasselbe  kommt  uns  stets  vor  wie  eine  nervöse  Erkrankung  des  Orgel- 
baues. Seinen  Werth  verliert  es  aber  vollständig,  wenn  es  zu  solcher 
Spielerei  benutzt  wird,  die  auf  der  Weltausstellung  förmlich  paradirte. 
Wir  meinen  die  Verbindung  eines  Pianino  oder  Flügels  mit  dem  Har- 
monium, welche  sich  nur  als  das  Geschmackloseste  bezeichnen  lässt,  was 
jemals  in  der  Vereinigung  verschiedener  Klangfarben  zu  Wege  gebracht 
wurde.  Müssen  wir  schon  die  Transponirmechanik  als  ein  dem  Dilettan- 
tismus Vorschub  leistendes  Uebel  betrachten,  auch  wenn  dieselbe  an 
einem  Flüg-el  so  geschickt  ano;ebracht  ist,  wie  in  der  österreichischen 
Abtheilung  von  Herrn  Pidova,  einem  Gesanglehrer  aus  Wien:  so  können 
wir  die  Verbindung  des  Pianoforte  mit  dem  Harmonium,  wo  nicht  ein- 
mal irgend  ein  praktischer  Vortheil  erreicht  wird,  nur  als  den  Ausfluss 
eines  krankhaften  Strebens  bezeichnen,  dessen  Resultate  man  auf  Kosten 
alles  ästhetischen  Tongefühls  erzielte.  Dabei  sind  noch  Registerzüge 
angebracht,  um  das  Tremuliren  des  Tones  anwenden  zu  können,  welches 
bekanntlich  als  eine  der  grössten  Unarten  im  Gesänge  angesehen  wird, 
und  hier  will  man  damit  einen  sogenannten  Effect  erreichen.  Wäre  die- 
ser Registerzug  beim  Harmonium  noch  so  angebracht,  dass  man  eine 
dem  Geigentone  ähnliche  Bebung  oder  die  Nachahmung  des  seelischen 
Vibrirens  der  Stimme  bei  einem  wohlgeschulten  Sänger  erlangte,  dann 
wollten  wir  die  Unvollkommenheit  des  der  Menschenstimme  ganz  fern 
liegenden  Mechanismus  wohl  als  erträglich  bezeichnen;  in  der  erwähnten 
Weise  erregt  derselbe  aber  nur  das  Bedauern  über  die  verlorene  Zeit, 
welche  die  Instrumentenbauer  zur  Herstellung  verwendeten.  Der  Ge- 
schmack des  Publicums  kann  dadurch  nur  verdorben,  aber  niemals  ge- 
hoben werden. 

Dagegen  hatte  sich,  trotz  mancher  Curiosa,  der  Streichinstrumenten- 
bau in  seiner  Reinheit  erhalten  und  besonders  glänzte  J.  B.  Vuillaume  in 
Paris  mit  seinen  vortreff'lichen  Geigen,  deren  ausgezeichnete  Verwend- 


nhren  zogen  manchen  Liebhaber  dieser  kindlichen  Spielereien,  welche  man  auch  häufig 
in  Restaurationen  und  Salons  vorfindet,  mit  magischer  Kraft  an  sich  ;  der  Musiker  wird 
dabei  aber  stets  gleichgültig  bleiben,  weil  durch  diesen  Handelsartikel  der  Kunst  an  sich 
kein  Nutzen  ersteht.  Ueberdies  lieferte  Challiot  in  Paris  das  beste  Material  für  den 
Orgelbau  und  Schiedmayer  in  Stuttgart  die  schönsten  Zungenregister,  welche  schon  durch 
die  akustischen  Experimente  des  Herrn  Professor  Helmholtz  eine  Berühmtheit  erlangt 
haben.      Vergl.  Helmholtz,  die  Lehre  von  den  Tonempfindungen,  Seite  485. 


214 

barkeit  im  Ensemble  wir  in  den  Concerten  des  Conservatoireorchesters 
selbst  erfahren  konnten.  Obgleich  in  der  äusseren  Form  den  Fabrikaten 
der  alten  italienischen  Meister  Stradiiarius  und  J.  Guarneri  nachgebildet, 
besitzen  Vuillaume^s  Violinen  einen  helleren,  beim  starken  Angreifen  fast 
zu  grellen,  schreienden  Ton,  der  aber  im  Ensemble  durch  den  Klang- 
charakter der  anderen  Instrumente  etwas  gemildert  wird,  namentlich  wenn 
sich  im  Streichcorps  des  Orchesters  einige  Spieler  befinden,  deren  Geigen 
einen  weicheren  Ton  besitzen,  gleichwie  in  einem  gemischten  Chor  durch 
die  Verbindung  von  Knaben-  und  Frauenstimmen  eine  treffliche  Klang- 
farbe bewirkt  Avird.  Vuillaiime's  Verdienste  —  namentlich  für  Frank- 
reich —  stehen  ausser  allem  Zweifel  und  wir  können  der  französischen 
Nation  zu  einer  solch'  regen,  das  Orchesterwesen  besonders  fördernden 
Fabrik  nur  gratuliren.  Ausserdem  hatten  die  Jurors  Gelegenheit,  wäh- 
rend des  Spiels  der  Geiger  Joachim,  Alard  und  Vieuxtemps  eine  neue 
Vorrichtung  zu  prüfen,  welche  die  unpraktische  Einrichtung  der  jetzt 
gebräuchlichen  Sordinen  über  Bord  wirft.  Vuillaume  nennt  seine  neue 
Erfindung  „Sourdine  pedale",  deren  Zweckmässigkeit  dadurch  erhöht 
wird,  dass  sie  jeder  Geiger  an  seinem  Instrumente  anbringen  kann,  in- 
dem sie  gewissermassen  eine  sinnreiche  Nachahmung  der  alten  Clavier- 
saitendämpfung  ist  und  mit  Berücksichtigung  des  eigenthümlichen  Darm- 
saitenklanges aus  einem  Streifen  von  Stahl  besteht,  der,  hart  am  Stege 
unter  den  Saiten  liegend,  vermittelst  eines  besonderen  Kinndruckes  in 
Bewegung  gesetzt  und  an  die  Saiten  zum  Zwecke  der  So'rdinendämpfung 
gedrückt  wird.  Bei  allgemeiner  Einführung  dieser  wichtigen  Erfindung 
öffnen  sich  dem  Componisten  neue  Orchestereffecte,  da  es  ihm  dann  ver- 
gönnt ist,  in  raschestem  Wechsel  das  Spiel  mit  und  ohne  Sordinen  vor- 
zuschreiben. Dem  Solospiel  wird  dieses  neue  Moment  in  der  Geigen- 
fabrikation weniger  zu  Gute  kommen,  weil  der  Virtuos  selten  genöthigt 
ist,  Sordinen  zu  gebrauchen;  aber  auch  in  solchem  Falle  weissen  wir  nicht, 
ob  nicht  vielleicht  die  Composition  der  Zukunft  auf  diesen  raschen  Klang- 
farbenwechsel besondere  Rücksicht  zu  nehmen  sich  veranlasst  fühlt.  Mit 
Recht  sind  auch  die  Geigeninstrumente  der  österreichischen  Fabrikanten 
Lemhöch  und  Bittner  gewürdigt  worden,  obgleich  sie  wohl  kaum  den 
Vergleich  mit  den  Instrumenten  des  Leipziger  Geigen-  und  Cellobauers 
Ludioig  Bausch  auszuhalten  im  Stande  sein  dürften,  gleichwie  dieser  auch 
eine  Parallele  mit  Vuillaume  keinesfalls  zu  scheuen  nöthig  haben  würde 


215 

ja  wir  glauben  zuversichtlich,  dass  beim  Vergleich  Violine  gegen  Violine 
bezüglich  des  Solospiels  die  Fabrikate  von  Bausch  über  diejenigen 
Vidllaume's  den  Sieg  davontragen  würden,  weil  erstere  in  der  Stärke 
<len  letzteren  nicht  nachstehen  und  diesen  in  der  Schönheit  der 
Klangfarbe  gewiss  vorzuziehen  sind.  Unsere  Sympathie  für  die 
Instrumente  dieses  Leipziger  Fabrikanten  theilen  auch  Ferdinand  David 
und  Vienxtem'ps,  deren  überaus  glänzende  Zeugnisse  uns  vorliegen.  Ebenso 
hat  der  verstorbene  J.  II.  Lübeck  in  Holland  und  vor  Allem  der  Vater 
des  modernen  Geigenspiels  D7\  Louis  Spohr  diesen  Instrumenten  das 
grösste  Lob  zuerkannt.  Letzterer  spricht  sogar  in  seinem  Zeugnisse: 
„Diese  Violinen  (aus  der  Fabrik  ^•on  Bausch)  sind  nicht  nur  den  italieni- 
schen Vorbildern  in  der  Form,  der  Einlage,  dem  Lack  und  dem  alten 
Aussehen  auf  das  täuschendste  nachgeahmt,  sondern  es  besitzt  auch  eine 
jede  den  Charakter  des  Tons  ihres  Vorbildes  in  höchst  überraschender 
Weise."  Nach  solchen  Anerkennungen  bedauerten  wir  um  so  mehr,  diese 
Firma  auf  der  Pariser  Weltausstellung  nicht  vertreten  zu  finden,  da  die- 
selbe in  der  That  verdient,  auch  in  Frankreich,  dem  bezüglich  der  Gei- 
genfabrikation anerkannten  Herrschersitze  Vuillamne^s,  allseitige  Würdi- 
gung zu  erhalten.  Im  Bau  der  Viola  ist  Bausch  ebenfalls  ein  tüchtiger 
Meister,  wenn  er  auch  den  früheren  Gedanken  Vtiillaume's,  die  Bratsche 
in  etwas  grösserer  Form  und  mit  vollerem  Tone  herzustellen,  nicht  auf- 
gegriffen hat.  Eine  der  schönsten  Violen  lernten  wir  früher  durch  das 
Florentiner  Streichquartett  der  Herren  Jean  Becker^  Masi,  Chiostri  und 
Hilpert  kennen,  von  denen  der  ausgezeichnete  Bratschist  Herr  Chiostri 
sein  im  Solo-  und  Ensemblespiel  ausnehmend  glänzendes  Instrument  mit 
grosser  Meisterschaft  handhabte.  Unter  den  Contrabässen  bemerkten 
wir  d"ns  schon  angeführte  Curiosum  eines  Claviaturmechanismus,  mit 
dessen  Hülfe  der  Spieler  alle  diatonischen  und  chromatischen  Passagen 
mit  grösster  Schnelligkeit  auszuführen  im  Stande  ist.  Aber  die  Schwin- 
gungen der  Saiten  werden  durch  die  über  den  Saiten  schwebende  Me- 
chanik so  gestört,  dass  kein  voller  Basston,  sondern  nur  ein  näselnder, 
unsympathischer  Klang  durch  das  Streichen  entsteht,  mithin  die  Erfin- 
dung frommer  Väter  erst  in  ein  anderes  Stadium  zu  treten  hat,  bevor  ihr 
eine  Stelle  unter  den  künstlerischen  Errungenschaften  angewiesen  wer- 
den kann.  VuiUaumes  Octobass,  von  dem  schon  früher  Vielerlei  in  die 
OeffentHchkeit  gelanote  und  dessen  Vorzug  vor  den   gebräuchlichen  In- 


216 

Strumenten  dieser  Gattung  in  dem  um  eine  Quarte  nach  der  Tiefe  zn 
vergrösserten  Umfange  und  in  mächtigerer  Tonfülle  bestanden  haben 
soll,  war  auf  der  Ausstellung  nicht  zu  bemerken.  Das  zwischen  Cello 
und  Bratsche  die  Mitte  haltende  Instrument  des  Pariser  Streichin strumen- 
ten-Fabrikanten  Dubois,  sowie  dessen  Contrapedalbass  entbehrten  der 
edlen  Klangfarbe,  während  den  schönen  Instrumenten  Mirmonfs  in 
Paris,  Ganers,  Jacqiiofs  und  Grandjoiis  mit  Recht  die  Aufmerksamkeit 
der  Jury  zu  Theil  wurde.  Aus  Mirecourt,  einer  Stadt  in  den  Vogesen,. 
waren  ebenfalls  die  Fabrikanten  mit  ihren  billigen  und  verhältnissmässig 
recht  respectablen  Instrumenten  herbeigeeilt,  gleichwie  auch  Belgien  durch 
den  Brüsseler  N.  F.  Vuillaume  mit  guten  Geigen  und  Darche  ebendaher 
besonders  durch  sein  aus  den  Ueberbleibseln  eines  alten  Violoncells  von 
Amati,  welches  Carl  IX.  von  Frankreich  gehörte,  hergestelltes  Instru- 
ment rühmenswerth  vertreten  war.  Savaresse  in  Paris  übertraf  durch 
die  Güte  seiner  Darmsaiten  seine  französischen  und  italienischen  ßivalen ,, 
wenn  auch  letztere  noch  grössere  Haltbarkeit  nachwiesen. 

Der  vorerwähnte  Bittner  und  der  Wiener  Kindl  lieferten  die  besten 
Zithern,  hingegen  das  Monopol  in  der  Harfenfabrikation  dem  Hause 
Erard  immer  noch  zuzugehören  scheint,  da  bis  jetzt  keine  so  gewichtige 
Verbesserung  mit  diesem  Instrumente  mehr  vorgenommen  wurde,  als 
wie  sie  Seb.  Erard  mit  seinem  „double  mouvement"  der  Pariser  Akademie 
der  Wissenschaften  und  schönen  Künste  im  Jahre  1815  vorlegen  konnte, 
wogegen  Spanien  mit  den  schönsten  Guitarren  glänzte.  Unter  den 
Blechinstrumenten  waren  die  gut  und  tüchtig  gearbeiteten  Naturhörner 
sehr  schwach  vertreten,  und  doch  sollte  man  mit  aller  Kraft  dahin  stre- 
ben, die  Ventilhörner  in  denjenigen  Orchestern,  welche  sich  die  Repro- 
duction  der  Meisterwerke  eines  Haydn,  Mozart,  Beethoven  zur  Aufgabe 
gemacht  haben,  nur  dann  anzuwenden,  wenn  ihnen  die  Ausführung  neuerer 
Musikstücke  obliegt.  Das  Pariser  Conservatoireorchester  gebraucht  für 
die  Symphonien  der  genannten  Tonschöpfer  nur  Naturhörner  und  kommt 
damit  den  Intentionen  derselben  in  richtiger  Weise  nach,  da  unbestreit- 
bar der  Naturton  ein  schönerer  und  mächtigerer  ist,  als  der  auf  den 
Ventilhörnern  erzeugte.  Dennoch  scheinen  die  in  den  französischen 
Militärmusikchören  eingeführten  Saxophone,  Saxhörner,  Saxtrompeten, 
Saxtubas  etc.  den  meisten  Anklang  gefunden  zu  haben,  da  Herr  Sax  mit 
dem  Grand  Prix  gekrönt  wurde.     Der  Inhalt   des  meist  verschlossenen 


217 

Glaskastens,  welcher  dem  durch  Berlioz  und  Andere  berühmt  gemachten 
französischen  Blechinstrumentenbauer  A.  Sax  gehörte,  Hess  zumeist  nur 
solche  Instrumente  wahrnehmen,  wie  wir  sie  in  Militärorchestern  kennen 
lernten  und  von  denen  die  hauptsächlichsten  in  Berlioz'  Instrumentations- 
lehre beschrieben  sind.   Ueber  seine  neuesten  Erfindungen  ist  nur  wenig 
zu   sagen;  gleichwohl   wollen  wir  erwähnen,   dass   Herr   Sax  für   seine 
Blechinstrumente  und  insbesondere  für  die  Posaune  eine  Construction 
von  sechs  Bohren  angebracht  hat,  mit  deren  Hülfe  man  auf  der  Posaune 
die   schnellsten  Tonfiguren  ausführen  kann.     Dennoch   besitzt    die  alte 
Zugposaune  selbstverständlich  einen  weit  schöneren  Klang,  und  wer  den 
Dresdner  Virtuosen  Böhm  auf  derselben  gehört  hat,  wird  sicherlich  der 
Sax'schen  Erfindung  keinen  grossen  Geschmack  abgewinnen.     Praktisch 
erscheinen  für  Militärmusikchöre   seine  Tenorhörner  und  die  Pavillons 
tournants,  d.  h.  Oeffnungen  am  Schallrohr  der  Blechinstrumente,  welche 
man  nach  jeder   Seite  hin  behebig  richten  kann.     Marschirt  z.  B.   ein 
Bataillon  Soldaten  auf,  so  können  die  vorangehenden  Musiker  den  Schall 
nach  hinten  zu  strömen  lassen,  was  natürlich  das  Marschiren  erleichtert. 
In  Deutschland  triffst   man,   wie   schon  Berlioz   erwähnt,  Posaunen  und 
namentlich  Tenorposaunen  mit  Cylindern  an,  welche  bis  zum  Contra  B 
herabsteigen.    Berlioz  zieht  diesen  Instrumenten  gewiss  mit  vollem  Eechte 
die  Zugposaunen  vor  und  wir  können  auch  nicht  glauben,  dass  der  fran- 
zösische Fabrikant  Gautrot  —  Besitzer  von  zwei  Fabriken,   welche  mit 
zwei  Dampfmaschinen  über  47,000  Instrumente  aller  Gattungen   liefern 
—  mit  seinen  etwas  verbesserten  deutschen  RotationscyUndern  der  reinen 
Klangschönheit  einen  Vorschub  geleistet  habe.     Sein  Sarrusophon,  ein 
Zwitterinstrument  zwischen  Clarinette   und   Fagott,  und  sein  im  Basse 
noch  tiefer  herabsteigendes  Contrafagott,  als  es  die  gebräuchlichen  Ton- 
werkzeuge  dieser   Gattung  thun,   dürften   ebenfalls    keine  Bereicherung 
der  Klapgschönheit  sein.     Das  Contrafagott  ist  in  seinen  tiefsten  Tönen,, 
dem  32füssigen  B  und  16füssigen  C,  schon  schnarrend  im  Klange  und 
entbehrt  des  reinen,  vollen  Grundtones.     Noch  viel  mehr  ist  dieser  Feh- 
ler natürhch  bei  dem  Gautrot'schen  Instrumente  wahrzunehmen,  dessen 
unterster  Klang  um  eine  kleine  Septime  tiefer  steht.     Am  bedeutendsten 
erschienen  uns    die  Firmen  Lahbaye-Raoux  und  Couturier,  da  sie  ihr 
Hauptaugenmerk  auf  den  Bau  von  Naturhörnern  gerichtet  hatten, 
welche  zu  den  Symphonien  der  classischen  Meister  in  jedem  gediegenen 


218 

Orchester  angewendet  werden  müssten,  gleichwie  es  —  wie  bemerkt  — 
im  Pariser  Conservatoireorchester  geschieht. 

Das  Bemerkenswertheste  in  diesem  Fache  war  sodann  noch  die 
Wasserklappe  des  New -Yorker  Fabrikanten  Schreiher,  welcher  auch  die 
Instrumente  für  Milifärorchester  in  gewundener  Form  mit  Schallbechern 
nach  hinten  baut  und  äusserst  solide  Arbeit  liefert.  Die  Wasserklappe 
hat  den  Vortheil,  dass  der  Bläser  während  des  Vortrages  mit  einem  leich- 
ten Fingerdruck  das'lnstrument  sofort  vom  angesammelten  Wasser  befreien 
kann,  ohne  die  Lippen  vom  Mundstück  entfernen  zu  müssen.  Der  in 
der  Nähe  von  Steinioay  und  SMckering  aufgestellte  Glaskasten  Schreiber^s 
erregte  wegen  der  originellen  Form  seiner  darin  befindlichen  Instrumente 
die  grösste  Aufmerksamkeit  der  Ausstellungsbesucher.  An  Solidität  der  Ar- 
beit wurden  die  sächsischen  Firmen  Gebrüder  Sclmster  und  J.  A.  Klemm 
aus  Markneukirchen  von  keiner  anderen  übertrofFen,  trotzdem  ihre  Er- 
zeugnisse von  der  Jury  so  gering  beachtet  worden  sind.  Mit  Recht  hat 
man  aber  den  österreichischen  Fabrikanten  das  vollste  Lob  zuerkannt 
und  besonders  die  mächtigen  Armee -Posaunen  in  B-  und  jE^-Stimmung 
und  die  Jagdhörner  von  J.  F.  Cerveny  aus  Königsgrätz  in  Böhmen  her- 
vorgehoben. Sein  Contrafagott,  welches  bis  zum  64füssigen  B  herab- 
steigt,  scheint  das  Gautrot'sche  System  noch  zu  überbieten;  Avir  verspre- 
chen uns  aber  von  solcher  Neuerung  für  das  Orchester  auch  nicht  den  ge- 
ringsten Vortheil.  Als  eine  wichtige^  Neuerung  erscheint  uns  die  silberne 
Flöte,  welche  das  Conservatoireorchester  durchweg  anwendet.  Schon 
Gordon  und  Böhm  verbesserten  die  Flöte  dadurch,  dass  sie  die  Bohrung 
der  Löcher  nicht  mit  Rücksicht  auf  die  Bequemlichkeit  des  Spielers,  son- 
dern nach  physikaHschen  Gesetzen  vornahmen  und  dadurch  eine  grössere 
Reinheit  in  der  Tonansprache,  sowie  gleichmässigere  Vertheilung  von 
verdichteter  und  verdünnter  Luft  im  Rohre  erzielten.  Um  nun  die  äus- 
seren Einwirkungen  der  Temperatur  abzuschwächen,  übertrug  man  das 
System  auf  die  silbernen  Flöten,  welche  bei  grösserer  Helligkeit  und 
Stärke  des  Tones  der  Verstimmung  nicht  so  sehr  unterworfen  sind.  Die 
köstliche  Wirkung  derselben  ist  vollständig  anerkannt  und  wir  wünschten 
nur,  dass  man  auch  in  Deutschland  von  diesem  französischen  Fortschritte 
allgemein  Notiz  nähme.  Von  den  zum  eigentlichen  Kunstorchester  ge- 
hörigen Instrumenten  sahen  wir  Fagotte,  Oboen  und  Posaunen  in  un- 
veränderter Gestalt,  wobei  wir  die  in  Kunstorchestern  hier  und  da>  ge- 


219 

brauchte  Ventilposaune  noch  einmal  als  ein  dem  wahren  Posaunenklange 
nicht  günstiges  Instrument  namhaft  machen  müssen,  während  sich  die 
Erfindung  des  spanischen  Fabrikanten  Romero  und  des  Belgiers  Albert 
auch  nur  für  Militärorchester  bewähren  wird.  Dieselbe  besteht  in  der  Ver- 
vollkommnung des  BufFet'schen  Systems,  nach  welchem  man  bei  der 
Clarinette  in  einem  Rohre  und  ohne  besonderen  Aufsatz  nur  durch  das 
Drehen  des  Schallstückes  die  A  und  B  Stimmung  nach  Belieben  erhal- 
ten konnte;  Romero  und  Albert  fügten  noch  die  C  Stimmung  hinzu,  wo- 
durch also  jedem  Componisten  die  Möglichkeit  geboten  ist,  plötzlich  die 
Stimmung  wechseln  zu  lassen.  Albert  hat  dem  eingestrichenen  B  ein 
besonderes  Loch  zugetheilt  und  erzielt  durch  ein  Collier  mobile  die 
leichteste  Ansprache  des  zweigestrichenen  B.  Vermittelst  der  Bewegungs- 
klappe ist  sofort  A-  oder  i?- Stimmung  zu  erlangen;  doch  bleibt  erst  ab- 
zuwarten, ob  sich  der  Klangcharakter  in  selbem  Grade  den  Stimmungen 
entsprechend  verändert,  was  wir  bis  jetzt  noch  bezweifeln.  Die  Clari- 
nettenschnäbel  von  Metall  mit  Schräubchen  zur  Befestisruns:  und  Resru- 
lirung  des  Rohrblattes  scheinen  uns  das  lästige  Bindfadenumwickeln  des 
Rohrblattes  überflüssig  zu  machen,  wofür  der  Beweis  in  der  erfolgreichen 
Einführung  französischer  Orchester  zu  finden*).  Romero' s  Clarinette 
könnte  man  eigentlich  die  chromatische  Clarinette  nennen,  da  jeder  Halb- 
ton sein  besonderes  Loch  hat  und  in  temperirter  Stimmung  steht,  wäh- 
rend die  beiden  sonst  aneinandergeschraubten  Mittelstücke  aus  einem 
einzigen  gebohrten  Holzstücke  bestehen.  Im  Uebrigen  hat  seine  Clari- 
nette mit  der  Albert'schen  Manches  gemeinsam,  doch  dürfte  wohl  be- 
ziüglich  der  Gleichmässigkeit  in  Hervorbringung  der  Tonfiguren  sein 
System  dem  des  letztei-en  vorzuziehen  sein.  Aber  auch  hierbei  ist  der 
verschiedene  Charakter  der  Klangfarben,  wie  er  bei  der  Anwendung  der 
gewöhnlichen  Clarinette  mit  den  unterschiedenen  Stimmungen  hervorge- 
bracht werden  kann,  total  verwischt  und  es  bleibt  die  Einführung  in  den 
Orchestern  wohl  zu  bedenken.  Praktische  Versuche  können  hierbei  nur 
entscheidend  sein.  Von  den  deutschen  Fabrikanten  lieferten  der  Sachse 
Klemm  und  der  Oesterreicher  Ziegler  die  besten  Flöten,  wogegen  von 
den  übrigen  Ländern  nur  Lott  und  Büffet  in  Frankreich  in  der  Holzblas- 
instrumentenfabrikation Bedeutendes  leisteten.  —  Unter  den  Schlagin- 


*)  Auch  Mundstücke  von  Kristallglas  und   von   Kautschuck  figurirten  auf  der  Aus- 
stellung, deren  Güte  aber  erst  zu  erproben   ist. 


220 

Strumenten  ist  nur  die  Einrichtung  von  Bedeutung  namhaft  zu  machen, 
nach  welcher  das  Fell  der  Pauken  mittelst  eines  Schlüssels  und  einer 
Stimmschraube  zur  gehörigen  Stimmung  angespannt  wird.  Wenn  man 
von  Schätzenswerther  Seite  glaubt,  dass  diese  Erfindung  neu  sei,  so  irrt 
man  sich  gewaltig,  da  der  Leipziger  berühmte  Paukenschläger  Cand.  theoL 
Pfundt  dieses  System  schon  seit  vielen  Jahren  zur  Anwendung  gebracht 
hat.  Auch  ist  die  Annahme  irrig,  dass  sich  durch  diese  Einrichtung  die 
Stimmung  nicht  so  rein  herstellen  lasse,  als  durch  mehrere  Stimmschrau- 
ben. Pfundt  bewies  auf  niederrheinischen  und  engHschen  Musikfesten, 
sowie  in  den  Leipziger  Gewandhausconcerten  schon  oft  das  Gegentheil 
von  diesem  unmotivirten  Dafürhalten,  und  sicherlich  werden  wir  keinen 
Gegner  finden,  wenn  wir  behaupten,  dass  dieser  Leipziger  Paukenschlä- 
ger der  grösste  Meister  auf  seinem  Instrumente  ist.  Dass  die  chinesischen 
und  japanesischen  Glockenspiele  und  deren  verbesserte  Nachahmung  von 
französischen  Ausstellern  (z.B.  von  Bolle),  sowie  die  anderen  ausser- 
halb der  musikalischen  Cultur  der  Gegenwart  stehenden  Instrumente, 
z.  B.  Vina,  Serinda,  Nagassaran,  Karna,  Tourti,  Nefyr,  arabischen  Dop- 
pelflöten etc.,  nur  für  den  Historiker  Interesse  hatten,  welcher  sich 
freute,  seine  Forschungen  durch  praktische  Beispiele  bestätigt  zu  finden, 
schien  von  den  Besuchern  der  Ausstellung  allgemein  angenommen  zu 
werden;  denn  wir  befanden  uns  bei  Betrachtung  jener  zum  Theil  aus  der 
ältesten  Zeit  Indiens,  zum  Theil  aus  dem  früheren  Mittelalter  herstam- 
menden Formen  jener  Instrumente  aussereuropäischer  Cultur  stets  allein 
und  befreit  von  dem  Kreise  Neugieriger,  Ayie  er  sich  immer  um  die 
kindischen  Spielereien,  welche  man  mit  der  Verbindung  der  Pianinos 
und  Harmoniums  trieb,  in  ziemlichem  Umfange  versammelte.  Schon  in 
unseren  akustischen  Bemerkungen  theilten  wir  mit,  dass  Welcker  mit  voll- 
ständiger Unkenntniss  der  Sache  den  Seidenfabrikanten  Scheibler  aus 
Crefeld  lächerlich  zu  machen  suchte.  Die  Pariser  Ausstellung  würde 
den  Aberwitz  dieses  Pianofortebauers  gründlich  belehrt  haben,  .wenn  er 
•n  die  durch  Helmholtz  in  Deutschland  berühmt  gewordenen  Apparate 
des  Herrn  R.  König  (Verfertiger  akustischer  Instrumente,  Paris,  Rue 
Hautefeuille  30)  Einsicht  hätte  nehmen  können. 

Scheibler,  welcher  nachwies,  dass  nicht  bloss  die  Intervalle  zusammen- 
gesetzter Töne,  sondern  auch  diejenigen  einfacher  Töne  Schwebungen 
geben  können  und  dass  sich  demgemäss  ebenfalls  für  solche  Töne  Con- 


221 

sonanzen  und  Dissonanzen  scheiden,  obschon  viel  unvollkommener  als 
für  zusammengesetzte,  weil  diese  Schwebungen  nur  auf  den  Combina- 
tionstönen  höherer  Ordnung  basiren:  dieser  geniale  Mann  hat  auch  — 
wie  wir  früher  andeuteten  —  einen  Tonmesser  construirt,  mit  dessen 
Hülfe  man  eine  genaue  teroperirte  Stimmung  erhalten   kann.     Er  beo- 
bachtete nämlich,  dass  zwei  nahe  dem  Einklänge  eingestimmte  Töne,  wie 
2.B.  zwei  Stimmgabeln  im  Verhältniss  von  80  :  81,  gewisse  Pulse,  Stösse 
(Battemens)  vernehmen  lassen,  welche  dann  entstehen,  wenn  die  Vibra- 
tionen des  einen  mit  denen  des  anderen  im  verschiedenen  Zahlverhältniss 
zusammentreffen.     Wenn  z.  B.  bei  zwei  Tönen,  von  denen  der  erste  100, 
der  andere   101    Schwingungen  in  gleicher  Zeit  macht,   die   lOlte  des 
zweiten  mit  der  hundertsten  des  ersten  zusammentrifft,  so  ist  dieses  Zu- 
sammentreffen durch  einen  Puls  vernehmbar.  Wenn  das  Verhältniss  von 
100  :  104  besteht,  so  werden  sich  in  -selber  Zeit  4  Pulse  ergeben  und 
zwar  verhalten  sich   dieselben  nach  der  Schwingungszahl  wie  25  :  26, 
50  :  52,  75  :  78,  100  :  104.     D.  h.  mit  der  25sten,  50sten,  75sten,  lOOten 
Schwingung  des  ersten  trifft  die  26ste,52ste,  78ste,  104ste  des  zweiten  zu- 
ammen".    Nach  der  Zahl  solcher  .Pulse  ist  aber  natürlich  auch  die  gerin- 
gere und  grössere  Schwingungszahl  im  Verhältniss    eines  Tones    zum 
andern,  mithin  der  Grad  der  Höhe  genau  zu  bestimmen. 

Das  Hauptgesetz  dieser  Methode  besteht   also  -  wie  bemerkt  — 
darin,   dass  zwei  von  gut  gearbeiteten  Stimmgabeln  hervorgebrachte  und 
zugleich  gehörte  Töne  dann  eine  gewisse  Anzahl  Stösse  in  einer  bestimm- 
ten Zeit  mit  einander  machen  und  deutlich  wahrnehmen  lassen,  wenn  sie 
bezüglich  der  Klanghöhe  um  ein  Geringes  von  einander  abweichen,  so 
zwar'^  dass  sie  dem  Unisono  nahe  kommen.  Diese  Stösse  führten  Sclieih- 
ler  zu  einem  Tonmaass  von  einem  Tone  bis  zu  seiner  Octave,  vom  klei- 
nen a  bis  zum  eingestrichenen  a,  welches  er  durch  einen  Stimmgabel- 
apparat darzustellen  suchte.     Er  fing  nämlich  vom  kleinen  a,  dessen  ge- 
naue Vibrationszahl  er  damals  noch  nicht  kannte,  an  und  stimmte  dar- 
nach eine  zweite' Gabel  um  so  viel  höher,  dass  diese  mit  jenem  ange- 
nommenen Tone  a  in  der  Secunde  vier  Stösse  machte;  nach  dieser  zwei- 
ten Gabel  stimmte  er  eine  dritte  ebenfalls  um  vier  Stösse  in  der  Secunde 
höher  und  fuhr  auf  diese  Weise  fort,  bis  er  zur  reinen  Octave  a'  kam. 
Er  hatte  durch  dieses  Verfahren  220  Stösse  innerhalb  der  Octave  gefun- 
den.    Dass  diese  Stössezahl  220  mit  dem  Unterschiede  der  Vibrationen- 


222 

zahl,  welcher  sich  durch  den  Vergleich  des  kleinen  a  mit  dem  eingestri- 
chenen a  ergiebt,  nicht  identisch  sein  konnte,  zeigte  Scheihler  in  seinen 
Eechnungen  und  er  wies  darin  nach,  dass  eine  Differenz  von  2 
Vibrationen  einen  Stoss  bedingen,  mithin  220  Stösse  eine  Differenz  von 
440  Vibrationen  anzeigen  mtissten.  Da  er  nun  für  das  eingestrichene  a 
440  Doppelschwingungen  oder  880  einfache  Schwingungen  annahm  und 
diese  Annahme  im  Jahre  1834  von  der  deutschen  Naturforscherversamm- 
lung gebilligt  wurde,  so  folgt  daraus,  dass  dem  kleinen  a  440  einfache 
Schwingungen  zukommen.  Dieses  a  zum  Ausgangspunkt  genommen, 
hatte  er  also  nach  der  Höhe  fortschreitend  in  jeder  Gabel  8  Vibrationen 
mehr,  da  jede  zur  nächst  vorhergehenden  4  Pulse  hören  liess.  In  diesem 
Tonmaass  besass  er  nun  das  Mittel,  nach  solchen  Stössen  ein  h  von  466,16, 
ein  h  von  493,88,  ein  &  von  523,25  Vibrationen  und  so  alle  übrigen  Töne 
der  gleichschwebenden  Scala  mathematisch  genau  auf  Stimmgabeln  zu 
übertragen  und  darnach  jedes  Instrument  gleichschwebend  zu  stimmen. 
Er  erhielt  mithin  folgende  Tonreihe: 

8.  e'  =  659,26  Vibrationen. 

9.  f  =  698,46  . 
10. /?5'=(/e5'=  739,99 

11.  g'  =  783,99 

12.  (/?y=as'=  830,61 

13.  a'  =  880 
7.  f?«'.s'=  65' =  622,25 

Zur  praktischeren  Verwerthung  seiner  Theorien  bediente  sich  Scheih- 
ler eines  richtig  gearbeiteten  Metronoms,  auf  dem  nicht  bloss  alle  ganzen 
Nummern,  sondern  auch  Brucheintheilungen  verzeichnet  waren.  Da 
nämlich  die  Nummer  des  Metronoms  angiebt,  wie  viele  Pendelschwingun- 
gen in  der  Minute  stattfinden,  wenn  der  Schieber  auf  diese  Nummer  ge- 
stellt wird,  so  hatte  er  jetzt  nicht  mehr  nöthig,  sich  an  das  Secunden- 
zeitmaass  zu  binden,  sondern  er  konnte  leichter  zum  Ziele  kommen,  wenn 
er  beobachtete,  auf  welcher  Nummer  des  Metronoms  eine  gewisse  Anzahl 
von  Stössen  bei  jeder  Pendelschwingung  stattfindet,  was  sich  dann  auf 
Nr.  60,  d.  i.  das  Secundenzeitmaass,  reduciren  liess.  Denn  die  Pendel- 
nummern verhalten  sich  umgekehrt,  wüe  die  Anzahl  der  Stösse,  die  auf 
ihnen  bei  jeder  Schwingung  geschehen,  so  dass  z.  B.  2  Stösse  bei  einer 


\.  a                =  440      ^ 

V^ibrationen, 

2.  ais  =  h    =  466,16 

jj 

3.  ]i               =  493,88 

59 

4.  &               =  523,25 

» 

5.  eis' =  des' =  554,36 

» 

6.  d'               =  587,33 

?> 

223 

Schwingung  auf  Nr.  120  mit  derselben  Geschwindigkeit  stossend,  4  Stösse 
bei  einer  Schwingung  auf  Nr.  60,  oder  2  Stösse  auf  Nr.  90,  3  Stösse  auf 
Nr.  60  geben,  weil  sich  120  :  60  =  2  :  1  und  90  :  60  =  3  :  2  verhalten, 
mithin  die  Stösse  das  umgekehrte  Verhältniss  haben  müssen.  So  erhielt 
er  nun  z.  B.  ais  =  b  von  466,16  Vibrationen  vermittelst  seines  Ton- 
maasses  ganz  leicht,  indem  er  dasselbe  nach  der  Gabel  von  464  Vibra- 
tionen so  viel  höher  stimmte,  dass  beide  auf  Nr.  64,8  einen  Stoss  mit 
einander  vollführten;  ebenso  h  von  493,88  Vibrationen,  indem  er  es  nach 
der  Gabel  von  488  Vibrationen  um  zwei  Stösse  auf  Nr.  88,2  höher  stimmte, 
u.  s.  w.  Denn  466,16  und  464  Vibrationen,  deren  Differenz  2,16  ist, 
würden  1,08  Stoss  auf  Nr.  60  geben,  d.  i.  1  Stoss  auf  Nr.  64,8;  und 
493,88  und  488  Vibrationen,  deren  Differenz  5,88  ist,  würden  2,94 
Stösse  auf  Nr.  60  machen,  d.  i.  2  Stösse  auf  Nr.  88,2  u.  s.  w. 

Scheibler  führte  dann  zur  Erleichterung  der  ganzen  Methode  seine 
Pendelgrade  in  die  Rechnung  ein,  welche  letzteren  nichts  anderes  bedeu- 
ten, als  die  Vibrationen  mit  T^/j  zu  multipliciren.  Der  Vortheil  dieser 
Rechnungsart  liegt  darin,  dass  er  nur  nöthig  hatte,  zu  wissen,  um  wie 
viele  solche  Pendelgrade  ein  Ton  höher  als  der  andere  ist,  um  hiernach 
sogleich  zu  folgern,  dass  eben  diese  Differenz  die  Nummer  des  Metronoras 
sei,  auf  welcher  diese  beiden  Töne  4  Stösse  bei  jeder  Schwingung  mit 
einander  machen.  Wenn  z.  B.  ein  Ton  um  6  Vibrationen  höher  ist,  als 
ein  anderer,  so  wird  er  3  Stösse  in  jeder  Secunde  (d.  h.  bei  einer  Metro- 
nomschwingung auf  Nr.  60)  mit  diesem  machen,  oder,  was  dasselbe  ist, 
4  Stösse  auf  Nr.  45;  denn  60  :  45  =  4  :  3,  und  da  sich  die  Stösse  um- 
gekehrt, also  wie  3  :  4,  verhalten,  so  geschehen  auf  Nr.  45  4  Stösse. 
Nahm  er  nun  statt  der  6  Vibrationen  l^j^  mal  soviel  Pendelgrade  an,  so 
hatte  er  also  in  dieser  Zahl  45  die  Nummer  des  Metronoms,  auf  welcher 
die  beiden  Töne  4  Stösse  machten.  — 

Auf  die  Combinationstöne  Scheiblers,  welche  auch  Helmholtz  in  sei- 
ner Lehre  von  den  Tonempfindungen  eingehend  verwerthet  hat,  können 
wir  hier  nicht  näher  eingehen;  es  bleibt  uns  hier  nur  zu  bemerken  übrig,^ 
dass  JR.  König  in  Paris  das  Scheibler'sche  System  mit  grosser  InteUigenz 
ergriff  und  noch  weiter  vervollkommnete.  Während  dem  Seidenfabrikan- 
ten Scheibler  zur  genauen  Stimmung  52  Gabeln  genügten,  nahm  R.  König 
56  Stimmgabeln  und  stellte  vom  eingestrichenen  c,  dem  er  unterschieden 
von  dem  Scheibler'schen  &  =  523,25   die  Zahl  512  als  Norm  für  die 


224 

Menge  der  diesem  Tone  zukommenden  einfachen  Schwingungen  zutheilte, 
bis  zum  zweigestrichenen  c  die    chromatisch   temperirte   Scala    her,   so 
zwar,  dass  jede  Stimmgabel  von  ihrer  nächst  höheren  oder  tieferen   um 
8  einfache  Schwingungen  abstand,  mit  dieser  also  4  Stösse  in  der  Se- 
cunde  machte.     Denn  nach  Scheibler  gehören  2  einfache  Schwingungen 
zu  einem  Stosse,  mithin  kommen  auf  8   solche  Schwingungen  4  Stösse. 
Königes  zw^eigestri ebenes  c  musste  also  doppelt  so  viel  Schwingungen  als  das 
eingestrichene  c  oder  2  ><  512  Schwingungen  machen.  Auf  die  Stimmgabeln 
bezogen  giebt  dies  512  -|-  8  (65  —  1),  d.  h.  1024  Schwingungen.    Er  er- 
Aveiterte  darauf  seinen  Tonmesser  der  Art,  dass  er  für  vier  Octaven,  vom 
eingestrichenen  c  bis  zum  32füssigen  C,  8  Gabeln  anfertigte,  von  denen  je 
zwei  eine  Octave  darstellten.  Diese  beiden  Gabeln  haben  Schieber,  welche 
auf  die  gezogenen  Striche  der  Gabel  mit  daneben  bemerkten  Schwingungs- 
zahlen gerückt  werden,    um    die    verschiedene   Tonhöhe  auszudrücken. 
Selbstverständlich  vermindert  sich  von  Octave  zu  Octave  in  doppeltem 
Verhältniss   die  Zahl  der  Stösse,  indem  vom  eingestrichenen  c   bis  zu 
seiner  nächst  tieferen  Octave  die  Töne  um  je  zwei  Stösse,  vom  kleinen 
c  bis  zum  grossen  C  um  je  einen  Stoss  in   der  Secunde  von  einander 
differiren.     Vom  grossen  C  bis  zum  Contra  C  gehören  2  Secunden  zu 
einem  Stosse  und  von  diesem  bis  zum  32füssigen  je  4  Secunden  zu  einem 
Stosse.     Nach  der  Höhe  zu  verfertigte  er  für  jeden  Ton  besondere  Ga- 
beln, da  die  Schieber  wegen  der  Menge  der  Schwingungen  nicht  prak- 
tisch erschienen.     Vom  c"  zu  f'"  =  1024  :  2048  braucht  er  86  Gabeln, 
von  denen  jede  12  einfache  Schwingungen  von  ihrer  nächst  tieferen  oder 
höheren  differirt,  mithin  zu  jeder  6  Stösse   in   der  Secunde  vernehmen 
lässt;  von  c'"  zu  c""  2048  :  4096  nahm  er  aber  172  Gabeln  in  demselben 
Verhältniss,  wonach  für  die  nächst  höheren  Octaven   Stahlstäbe  folgten, 
deren  Longitudinalschwingungen  den  Ton  in  solcher  Höhe  besser  repro 
duciren,  als  Stimmgabeln,  zumal  wenn  die  Stäbe  bis  zu  c'""  8192  durch 
Reibung  longitudinal  und  von  c'""  bis   c"""  =  16384  durch  Anschlag 
transversal  erregt  werden.     König  hat  diesen  Tonmesser  sogar  bis  zum 
achtgestrichenen   C  fortgesetzt,  wo  der  Ton  nur  den   schärfsten  Ohren 
noch  vernehmbar  ist.    Diese  Fortsetzung  des  Scheibler'schen  Tonmessers 
ist  ein  Riesenwerk,  wie  es  nur  dem  geduldigsten  Arbeiter  und  Forscher 
herzustellen  möglich   sein  kann.     Desgleichen   zeichnete    sich    derselbe 
durch  die  Ausstelluno;  der  aus  den  Helmholtz'schen  Theorien  bekannten 


225 


Apparate,  z.  B.  des  Vocal-Apparats  und  des  Lissajous'schen  Vibrations- 
Mikroskops  {verg\  Helmlioltz  Seite  163  -  181  und  Seite  138)  besonders 
aus,  deren  nähere  Beschreibung  wir  hier  nicht  wiederholen  wollen.   Fer- 
ner waren  Pfeifen  mit  Kapseln  und  Brennern  für  Flammenzeiger,  Instru- 
mente zum  Analysiren  des  Klanges,  welches  nämlich  durch  8  Resonatoren 
mit  8  Kapseln  und  den  Brennern  für  die  Flammenzeiger  nebst  dem  Spie- 
gel ermöglicht  wird,  Platten  zur  Darstellung  Chladni'scher  Klangfiguren, 
eine  meh'rstimmige  Sirene  (vergl.  Helmholtz  Seite  242),  der  Crova'sche 
Wellenapparat  und  andere  Instrumente  vorhanden,  deren  Einrichtung  in 
der  praktischsten  Weise  hergestellt   ist,    sowie  auch  die  von  Helmholtz 
Seite  33  und  34  citirtcn  Stimmgabel- Chronographen  in  verbesserter  Ge- 
stalt erschienen*).     Das  Universal -Vibroskop  von   Vesselhoff  aus  Riga, 
mit  welchem  man  alle  Schwingungen   der  Saiten,  Membranen,  Stäbe 
u.  s.  w.  beobachten  konnte,  war  wohl  die  einzige  That,  welche  neben 
den  Errungenschaften  König' s  auf  der  Ausstellung  bestehen  konnte,  ob- 
gleich  er  natürlich  gegenüber  der  Vielseitigkeit  Königes,   welchem  die 
goldene  Medaille  zu  Theil  wurde,  nur  die  silberne  Medaille  erhielt. 

Die  Jury  für  die  musikalische  Abtheilung  bestand  aus  den  Herren: 
1.  Präsident  Mellinet,  senateur,  commandant  superieur  de  la  garde  na- 
tionale de  la  Seine;  2.  Vicepräsident  Ambroise  Tliomas,  membre  de  l'In- 
stitut,  professeur  au  Conservatoire  imperiale  de  musique  et  dedeclamation; 
3.  Kastner,  membre  de  l'Institut;  4.  Berichterstatter  FHis,  membre  de 
l'Academie  royale  des  sciences,  des  lettres  et  des  beaux-arts,  directeur 
du  conservatoire  royal  de  musique  de  Bruxelles,  membre  des  Jurys  inter- 
nationaux  de  1855  et  1862.  —  Dessen  Stellvertreter  war  der  Componist 
Qß^,aert.  —  b.  Julius  Sehiedmat/er,  Instrumentenfabrikant  aus  Würtemberg; 
6.  Secretär  E.  Hanslick,  Dr.  und  Professor  für  Geschichte  der  Musik  an  der 
Universität  zu  Wien;  7.  Lord  Gerald  Fitzgerald  und  dessen  Stellvertre- 
ter Hon.  Seijmour  Egerton  aus  London.  — 

Von  diesen  haben  wir  den  österreichischen  Berichterstatter  Herrn 
Professor  Dr.  Eduard  Hanslick  schon  früher  erwähnt  und  dessen  Grund- 
satz angeführt,  dass  jeder  Juror  seinem  Lande  so  viel  als  möglich  Me- 
daillen durchzusetzen  trachte.     Da  jedenfalls  dieses  Verfahren  bei  der 


*)  Vergl.  auch  „Catalogue  des  appareils  d'acoustiquc  construits  par  Rudolph  König. 

Paris  1865." 

15 


226 

Beurtheilung  von  Seiten  der  Jury  als  massgebend  betrachtet  worden  ist, 
so  müssen  wir  um  so  mehr  bedauern,  dass  der  norddeutsche  Bund  keinen 
Juror  beordert  hatte,  um  die  einheimischen  Fabrikate  gehörig  zu  vertre- 
ten. Die  Tüchtigkeit  der  Jurors  ist  bekannt,  und  nur  Herr  Fetts  suchte 
o-ar  zu  sehr  die  landsmännischen  Interessen  geltend  zu  machen.  Ihn 
selbst  kennen  wir  nicht  als  Menschen,  wohl  aber  als  einen  Historiker, 
dem  mehr  daran  gelegen  ist,  recht  viel  zu  schreiben  und  dem  Publicum 
Geschichtchen  zu  erzählen,  als  gründlich  zu  forschen.  Sein  Fantasiren 
in  o-eographischen  Dingen,  indem  er  z.  B.  Städte  als  Personen  ansieht, 
seine  Unklarheit  in  der  älteren  Musikgeschichte,  bezügUch  welcher  ihn 
bereits  sein  gelehrter,  von  uns  hochgeschätzter  Landsmann  Vincent, 
membre  de  Tlnstitut,  gründlich  widerlegt  und  zurechtgewiesen  hat,  end- 
lich seine  Art  und  Weise  auf  Bibliotheken  zu  arbeiten,  lassen  ihn  nicht 
als  den  unangreifbaren  Vertreter  einer  internationalen  Jury  erscheinen. 
Ueber  seinen  Besuch  der  Bibliotheken  sagt  z.  B.  sein  Landsmann 
Er.  Tlioinan:  „Man  kannte  von  dem  Buche  „la  Musique  universelle"  (des 
Antoine  de  Cousu,  welcher  in  der  ersten  Hälfte  des  17.  Jahrhunderts  lebte) 
nur  ein  einziges  Exemplar,  welches  seit  langer  Zeit  der  Kaiserlichen 
Bibliothek  gehörte;  aber  Herr  Fäis  spricht  von  zwei  Exemplaren  des 
Buches  von  Cousu  und  belehrt  uns,  dass  sich  das  eine  von  diesen  in 
seiner  Sammlung  befinde.  Von  seiner  Seite  erwähnt  Herr  Th.  Nisard, 
ohne  zu  sagen,  in  welcher  BibHothek  er  es  gefunden  hat,  ein  drittes 
Exemplar,  welches  (wie  man  es  weiterhin  sehen  wird)  nicht  das  der 
KaiserUchen  Bibliothek  sein  kann.  Trotzdem  kennt  man  nur  noch  zwei 
Exemplare  der  „Musique  universelle",  das  eine  entdeckt  durch  Herrn 
Nisard  und  das  andere,  welches  bei  Herrn  Fetis  ist  (et  l'autre  qui  est 
chez  M.  FHis);  denn  ach!  (car,  helas!)  das  Exemplar,  welches  sich  auf 
der  Bibliothek  in  der  Rue  Eichelieu  (Kaiserliche  BibHothek)  vorfand,  war 
dort  verschwunden.     Wie  ist  das  zugegangen?  — " 

Nach  solchen  Beispielen  von  Subjectivität  ist  es  wohl  glaublich, 
dass  auch  ganz  untergeordnete  Waare  vor  den  Augen  des  Herrn  Fetis 
Gnade  fand,  und  dass  die  belgischen  Pianos,  die  man  ihrem  Tone  nach 
mit  verschlossenen  Augen  für  alte  Schimmel'sche  Claviere  gehalten  hätte, 
auf  gleiche  Höhe  mit  Blüthners,  Bösendorf  er  s ,  Becksteins  Fabrikaten 
gestellt  wurden.  — 

Geben  wir  zum  Schluss  noch  alle  mit  Preisen  bedachte  Firmen  an: 


227 


Orden. 


Sax,  A.  J.,  in  Paris,  Offizier  der  Ehren- 
legion (Blasinstrumente).     .     Frankreich. 

Merklin  in  Paris,  Ritter  der  Ehrenlegion 
(grosse  Orgeln) Frankreich. 

Ausser  C 
Schiedmayer,     J.     und     P. ,     in    Stuttgart 

{J.     Schiedmayer,     Mitglied     der    Jury). 

Pianos  und  Harmoniums.      Würtemberg. 
Cavaill€-  Coli  in   Paris  (Beisitzer  d.  Jury). 

Orgeln Frankreich. 

Debain,    A.    F.,    in    Paris    (Beisitzer    der 

Jury).  Harmoniums.   .     .     .     Frankreich. 

Grosser 
Sax,  A.  J.,  in  Paris.     Blech-Blasinstrumente 


Schäfer  in  Paris,  Ritter  d.  Ehrenlegion 
(Associc  d.  Hauses  Erard).     Frankreich. 

Chickering  in  Boston,  Ritter  d.  Ehrenlegion 
(Pianos).  .     Vcr.  Staaten  v.  N.-Amcrika. 

oncours. 

Erard,  Frau  Wittvve,   in  Paris     {Schäffer, 

Beisitzer  d.   Jury).     Pianos.     Frankreich. 
Herz,  Henri,   in  Paris    (Beisitzer  d.  Jury). 

Pianos Frankreich. 

Pleyel,    Wolff   u.    Co.     in     Paris     (Wolff, 

Beisitzer  d.   Jury).  Pianos.     Frankreich 
Vuillaume,     J.    B.,     in    Paris     (Beisitzer 

d.  Jury).  Bogeninstrumcnte.    Frankreich. 

Preis. 


Frankreich. 


Goldene 
Eroadwood   u.   Sohii    in    London.     Pianos. 
Gross  -  Britannien. 
Steinway  u.  Sohn   in   New  -  York.      Pianos. 
Ver.   Staaten. 
Chickering    u.    Sohn    in    Boston.      Pianos. 
Ver.  Staaten. 
Anonyme  Gesellschaft  z.  Fabrikation  gros- 
ser   Orgeln  {Merklin- Schütze   n.    Co.)   in 
Ixelles  bei  Brüssel.     Orgeln. 

Belgien  und  Frankreich. 

Silberne 
Schiedmayer  u.  Sohn  in  Stuttgart.     Pianos. 
Würtemberg. 
Kirkmann  ti.  Sohn  in  London.     Pianos. 

Gross-Britannien. 
Kriegelstein,    Vater    und    Sohn,    in    Paris. 

Pianos Frankreich. 

Gaveaux,  J.,  in  Paris.  Pianos.  Frankreich. 
Ehrbar,  F.,  in  Wien.  Pianos.  Oesterreich. 
Knake,  B.,  in  Münster.  Pianos.  Preussen. 
Berhstein,  C,  in  Berlin.  Pianos.  Preussen. 
Blüthner,  J.,  in  Leipzig.  Pianos.  Sachsen. 
Günther,  J.,  in  Brüssel.  Pianos.  Belgien. 
Sternberg,  L.,  in  Brüssel.  Pianos.  Belgien. 
Sprecher  u.  Co.  in  Zürich.  Pianos.  Schweiz. 
Allinger,    G.    L.,    in    Strassburg.      Pianos. 

Frankreich. 
Vogelsangs,  H.,  in  Brüssel.  Pianos.  Belgien. 
Mulecki  u.  Schröder  in  Warschau.   Pianos. 

Russland. 


Medaillen. 

Alexandre,  Vater  u.  Sohn  (Gesellschaft  der 

vereinigten  Magazine)  in  Paris.     Orgeln. 

Franki-eich. 

Trieben,  F.,  in  Paris.  Holzblasinstrumente. 

Frankreich. 
Streicher,  J.  B.  u.  Sohn,  in  Wien.  Pianos. 

Oesterreich. 


Medaillen. 
Berden  u.   Co.  in  Brüssel.  Pianos.  Belgien. 
Huni  u.  Hubert  in  Zürich.  Pianos.  Schweiz. 
Bösendorfer,      L.,      in       Wien.       Pianos. 

Oesterreich. 
Biber,  Aloys,  in  München.  Pianos.  Bayern. 
Blanchet,    P.    A.     C. ,    in    Paris.     Pianos. 

Frankreich. 

Bord,   A.,   in    Paris.    Pianos.     Frankreich. 

Schweighoffer  in  Wien.  Pianos.  Oesterreich. 

Berington    u.    Sohn    in    London.     Orgeln. 

Gross  -Britannien. 

Mustel  in   Paris.   Harmoniums.  Frankreich. 

Trayser  u.  Co.   in   Stuttgart.   Harmoniums. 

Würtemberg. 

Mason  u.  Ramlin  in  New- York.  Harmoniums. 

Ver.  Staaten. 

Miremont,  C.  A.,  in  Pans.  Bogeninstrumente. 

Frankreich. 

15* 


228 


Silberne   Medai 

Gand  u.  Bernardel  Gebrüder  in  Paris.  Bo- 
geninstrumente Frankreich. 

Vuillaume,  R.  F.,  Brüssel.  Bogeninstru- 
mente. Belgien. 

Lemböck,  Gabriel,  in  Wien.  Bogeninstru- 
mente 0  esterreich. 

Distin,  Henry,  in  London.  Blechblasinstru- 
mente  Gross -Britannien. 

Cerveny,  V.  F.,  in  Küniggrätz.  Blechblas- 
instrumente.     .     .     .     .     .     OesteiTcich. 

Besson,  Madame,  in  Paris  .  Blechblasin- 
strumente  Frankreich. 

Mahillon,  Vater  und  Sohn,  in  Brüssel'. 
Blechblasinstrumente.      .  .     Belgien. 

Courtois,  A.,  in  Paris.  Blechblasinstrumente. 

Frankreich. 

Gautrot,  P.  L.,  in  Paris.  Blechblasinstru- 
mente  Frankreich. 

Lablaye,  J.  C. ,  in  Paris.  Blcchblasinstru- 
raente Frankreich. 

Bock,  Frans,  in  Wien.  Blechblasinstrumente. 

Oesterreich. 

Roth,  J.  C,  in  Strassburg.  Blechblasinstru- 
mente.        Frankreich. 

Millereau  u.  Co.  in  Paris.  Blechblasinstru- 
mente  Frankreich. 

Missenharter  in  Stuttgart.  Blasinstrumente. 
Würtemberg. 

Martin,  Jules,  in  Paris.  Blechblasinstru- 
mente  Frankreich. 

Albert,  E.,  in  Brüssel.  Holzblasinstrumente 

Belgien. 

Büffet- Crampon  u.  Co.  in  Paris.  Holzblas- 
instrumente  Frankreich. 

Lot,    L.,    in    Paris.      Holzblasinstrumente. 

Frankreich. 


11  en  (Fortsetzung). 

Romer oy,    Andia,    in   Madrid.     Holzblasin- 
strumente  Si>anien. 

Godefroy,   Clair ,  in  Paris.     Holzblasinstru- 
mente  Frankreich. 

Cocfie,    V.,   in  Paris.     Holzblasinstrumente. 

Frankreich. 

Ziegler,  J.,  in  Wien.     Holzblasinstrumente. 

Oesterreich. 

Bollet.     Mechanische   Instrumente. 

Weite  u.  Sohn  in  Vührenbach.  Mechanische 
Instrumente Baden. 

Kelsen,  P.  F.,  in  Paris.     Mechanische  In- 
strumente  Frankreich. 

Schwander    u.    Co.    in  Paris.     Mechanische 
Instrumente. Frankreich. 

Rohden  in   Paris.     Ciaviermechanik. 

Frankreich. 

Pöhlmann  in  Nürnberg.     Ciaviersaiten  von 
Gussstahl Bayern. 

Breitkopf  u.  Härtel  in  Leipzig.  Musikalien- 
Editionen Sachsen. 

Heugel    in    Paris.      Musikalien  -  Editionen. 

Franki'eich. 

Brandus   u    Ditfour   in   Paris.     Musikalien- 
Editionen Frankreich. 

Lemoine    in  Paris.     Musikalien  -  Editionen. 

Franki-cich. 

Eslava,  Bonifacio,  in  Madrid.   Musikalien- 
Editionen.      Spanien. 

Gerard  u.   Co.  in  Paris.     Musikalien  -  Edi- 
tionen  Frankreich. 

Martin  in   Toulouse.     Pianos.     Frankreich. 

Thibout  u.  Co.  in  Paris.  Pianos.  Frankreich. 

Mangeot,  Gebrüder  u.  Co.  in  Nancy.  Pianos. 

Frankreich. 

Escudier,   L      in   Paris.     Musikalien  -  Edi- 
tionen.     .  Frankreich. 


Brinsmead,     John,     in     London.      Pianos. 

Gross-Britannien. 

Kaim    u.    Günther    in   Kirchheim.     Pianos. 

Würtemberg. 

Elcke,  F.,   in  Paris.     Pianos.     Frankreich. 

Promberger,    J.    Sohn,    in    Wien.     Pianos. 

Oesterreich. 
Alison     und     Sohn     in     London.      Pianos. 

Gross  -  Britannien. 
Aucher,  Gebr.,  in  Paris.  Pianos.  Frankreich. 


Bronze-Medaillen. 

Schwechten   in  Berlin.     Pianos.      Preussen. 
Hardt,   Carl,   in  Stuttgart.     Pianos. 

Würtemberg. 
Beregszazy,  Louis,  in  Pcsth.     Pianos. 

Oesterreich. 
Dorner  in  Stuttgart.  Pianos.  Wm-tembcrg. 
Hals,    Gebrüder,    in    Christiania.      Pianos. 

Norwegen. 
Mahnsjö.  in    Gothenburg.     Pianos. 

Schweden. 


229 


B  r  o  n  z  c  -  M  e  (1  a  i  1 1  e  n  (Fortsetzung) 


Dleinel,  Fr.,  in  Wien.  Pianos.  Oesterrcich. 
Hornung  u.  Möller  in  Copenhagen.  Pianos. 

Dänemark 
Prestel  in  Strassbnrg.  Pianos.  Frankreich. 
Worniim  in  London.    Pianos. 

Gross-  Britannien. 

Stoltz  und  Sohn    in  Paris.     Orgeln. 

Frankreich. 
Bryceson    und     Co.     in    London.      Orgeln. 

Gross  -  Britannien. 
Ramsden  in  London.     Harmoniums. 

Gross  -Britannien. 

Rodolplie  in  Paris.     Harmoniums. 

Frankreich. 
Christophe  u.  Etimne  in  Paris.  Harmoniums. 

Frankreich. 

Fourneaux  in   Paris.     Harmoniums. 

Frankreich. 

Darche   in  Brüssel.     Bogcninstrumcnte. 

Belgien. 

Jacquot,  Vater,  in  Nancy.  Bogcninstrumcnte. 

Frankreich. 
Diehl     in     Darmstadt.      Bogcninstrumcnte. 

Hessen. 
Vnillaime,  S.,  in  Paris.  Bogeninstrumente. 

Frankreich. 
Memiegaud    in    Paris.      Bogeninstrumente. 

Frankreich. 

.Lirquot,  Sohn,  in  Nancy.  Bogeninstrumente. 

Frankreich. 
Grandjou     in      Paris.       Bogeninstrumente. 

Frankreich. 
Gemunder,  J.,  in  New- York.   Bogcninstru- 
mcnte  Ver.  Staaten. 

Guadagnini    in    Turin.      Bogeninstrumente. 

Italien. 
Grimm      in      Berlin.        Bogeninstrumente. 

Preusscn. 
Bittner,  Dar.,  in  Wien.  Bogeninstrumente. 

Oesterreich. 
Halsumnder,  Joh.,  in  München.  Instrumente, 
deren  Saiten  mit  Fingein  geschnellt  wer- 
den  •  •  ß'^y'^i-"- 

Kindl,  Anton,  in  Wien.  Instrumente, 
deren  Saiten  mit  Fingern  geschnellt 
werden Oesterreich. 

Amhergcr,   B.,    in   München.     Instrumente, 
deren     Saiten     mit    Fingern     geschnellt   i 
werden. Bayern.  \  . 


Gonzalez,  F.,  in  Madrid.  Instrumente, 
deren  Saiten  mit  Fingern  geschnellt 
werden Spanien. 

Tomschick,  Martin,  in  Brunn.  Blcchblas- 
instrumente Oesterreich. 

Van  Osch,  E.  F.,  in  Mastrich.  Blechblas- 
instrumente Niederlande. 

Schreiber,  L.,  in  New -York.  Blechblas- 
instrumente     ...         Ver.  Staaten. 

Coutiirier,  J. ,  in  Lyon.  Blechblasinstru- 
mentc Frankreich. 

Bohhmd,  G.,  in  Graslitz.  Blcchblasinstru- 
mente Oesterreich. 

Lausmann,  ./.  W.,  in  Linz.  Bluchblasinstru- 
mente Oesterreich. 

Pelitti     in     Mailand.       Blasinstr.       Italien. 

Lecomte,  A.,  in  Paris.  Blechblasinstrumente. 

Frankreich. 

Breton,  J.  JK,  in  Paris.  Hol/l)lasinstrumente. 

Frankreich. 

Martin,  Gebrüder,  in  Paris.  Holzblasinstru- 
mente  Frankreich. 

Choudens,  A.,  in  Paris.  Musikalien  -  Edi- 
tionen  Frankreich. 

Moucelot,  L.,  in  Paris.     Notendruck. 

Frankreich. 

Colomhier,  J.  F.,  in  Paris.  Musikalien- 
Editionen Frankreich. 

Mass  in  Paris.     Musikalien -Editionen. 

Frankreich. 
Panseron,     Wwe.,     in     Paris.     Musikalien- 
Editionen Frankreich. 

ThibotiviUe  d.  Aeltere,  in  Paris.  Holzblas- 
instrumente  Frankreich. 

Bujj'et  in  Paris.  Holzblasinstrumente. 

Frankreich. 
Biv  in  Paris.     Holzblasinstrumente. 

Frankreich. 
Heintzmann.     Mechanische   Instrumente. 

Baden . 

Chaillot,  Emilie,  in  Paris.    Werkzeuge  und 

Fournituren    für    Orgelbau.     Frankreich. 

Thihouville-Lamy    in    Paris.      Darmsaiten. 

Frankreich. 
Savaresse,    L.  H.,   in   Paris.     Darmsaiten. 

Frankreich. 

Duvol  und  Sohn   (The  Wandlcfelt   Co.)  ir. 

Paris.     Clavicrfilz.       .     .     •     Frankreich. 


230 


Bronze-Medail 

Weickert,   L.  D.,   in  Würzen.     Ciavierfilz. 

Sachsen. 
Billion  u.   Co.  in   Saint- Denis.    Ciavierfilz. 

Frankreich. 
Rieter-  Biedermann  in  Leipzig.  Musikalien- 
Editionen Sachsen. 

Baudon,    L.     B.,    in    Paris.      Notenstich. 

Frankreich. 
Bressler  Sohn  in   Nantes.     Pianos. 

Frankreich. 
Philippi,    Gebrüder.     Pianos.     Frankreich. 
Baudasse- Cazoüe    in    Montpellier.     Darm- 
saiten  Frankreich. 

Klemm,  G.  A.,  in  Markneukirchen.  Metall- 
saiten      Sachsen. 


len  (Fortsetzung). 

Bremond,   B.  Ä.,  Spieldosen.     Frankreich. 

Ducommim  -  Girod    in    Genf.      Spieldosen. 

Schweiz. 

Greiner,  Th.,  in  Genf.  Spieldosen.  Schweiz. 

Lecoutre  -  Suhlet    in    Sainte-Croix.     Spiel- 
dosen  Schweiz. 

Paillard-  Vaucher    und    Sohn    in    Sainte- 
Croix.     Spieldosen Schweiz. 

Jaccard,  L.   P.,  in  Sainte-Croix.     Spiel- 
dosen  Schweiz. 

Gavioli  in  Paris.    Drehorgeln.    Frankreich. 

Kelsen  in  Paris.  Mechan.  Orgeln.  Frankreich. 

Hesse,  Ch.,  in  Wien.     Kirchenorgeln. 

0 esterreich. 

Baudon,  Zinnplatten  und  Notendruck. 


Ehrenvolle  E 
Franche  in  Paris.   Pianos.       .     Frankreich. 
Montal  in  Paris.   Pianos.        .     Frankreich. 
L€veque,   J.  L.,    in  Paris.     Pianos. 

Frankreich. 
Hoeberechts    u.    Sohn    in    Lüttich.     Pianos. 

Belgien. 
Westermann    u.     Co.     in    Berlin.      Pianos. 

Preussen. 
Gramer,     Gottfried,     in      Wien.       Pianos. 

Oesterreich. 
Hagele,  Heinr.,   in  Aaden.     Pianos. 

Würtemberg. 
Stavenow,  L.,  in  Stockholm.     Pianos. 

Schweden. 
Soler,  Miguel,   in  Saragossa.     Pianos. 

Spanien. 
Dopere,  E.,  in  Brüssel.  Pianos.  Belgien. 
Klemms,    J.    L.,    in    Düsseldorf.      Pianos. 

Preussen. 
Westennayer,     E.,     in     Berlin.       Pianos. 

Preussen. 
Yot  -  Schreck    u.    Co.     in    Paris.      Pianos. 

Frankreich. 
Oehler,  Christian,  in  Stuttgart.  Pianos. 
Würtemberg. 
Souffleto  in  Paris.  Pianos.  Frankreich. 
Simon,  Jul.,  in  Wien.  Pianos.  Oesterreich. 
Bernareggi   u.    Co.    in    Barcelona.   Pianos. 

Spanien. 
Bertringer,  P.,  in  Paris.  Pianos.  Frankreich. 
Burckardt  und  Co.  in  Paris.     Pianos. 

Frankreich, 


rwähnungen. 
Rinaldi-Usse  in  Paris.  Pianos.  Frankreich. 
Salaum,    Schwab    u.    Co.    in    Paris.     Har- 
moniums  Frankreich. 

Kelly,      Ch.,     in    London.      Harmoniums. 

Gross  -  Britannien, 

Couty   u.  Richard   in  Paris.     Harmoniums. 

Frankreich. 
Kirchweger,  Ludtv.,  in  Frankenthal.  Bogen- 

instrumente Bayern. 

Padeivet,   J.,    in    Carlsruhe.     Bogeninstru- 

mente Baden. 

Dubois.      Bogeninstrumente.       Frankreich. 
Neuner  u.   Hornsteiner  in  Mittenwald.    Bo- 
geninstrumente  Bayern. 

Reiter,  Joh.,  in  Mittenwald.     Bogeninstru- 
mente  Baiern. 

Lechner,    F.,    in    München.      Instrumente, 
deren     Saiten     mit     Fingern     geschnellt 

werden Bayern. 

Tumhardt,   F.,  in   Salzburg.     Instrumente, 
deren     Saiten     mit     Fingern     geschnellt 

werden Oesterreich. 

Weigel,    Fr.,    in    Salzburg.      Instrumente, 
deren     Saiten     mit    Fingern     geschnellt 

werden Oesterreich. 

Farsky,  J.,  in  Pardubitz.     Blechblasinstru- 
mente  Oesterreich. 

Leroux,   Fr.,   der   ältere,   in  Paris.     Holz- 
blasinstrumente.    .          .     .     Frankreich. 
Kruspe,     Ch.,    in    Erfurt.     Holzblasinstru- 
mente.    .  Preussen. 


231 


Ehrenvolle  Erwähn 

Genteilet     in     Paris.      Holzblasinstrumente. 

Frankreich. 

Mollenhauer,    F.,    in    Fulda.      Holzblasin- 
strumente.  . Preussen. 

Gr^goire  in  Paris.  Schlaginstr.   Frankreich. 

Galtotti   in    Cremona.      Schlaginstrumente. 

Italien. 

Keurop£-Kildji  in  Psamatia.    Schlaginstru- 
mente  Türkei. 

Bandet,   C,  in  Paris.    Mechanische  Instru- 
mente  Frankreich. 

Lachenal  in  London.     Mechanische  Instru- 
mente  Gross -Britannien. 

Gehrling  in  Paris.     Ciaviermechaniken. 

Frankreich. 


ungen  (Fortsetzung). 

Hensel  in  Paris.  Pianos.    .     .     Frankreich. 

Pfeiffer     u.     Co.     in     Stuttgart.       Pianos. 

Würtemberg. 

Steingräber,     E.,     in     Bayreuth.     Pianos. 

Bayern. 
Mola,    Giuseppe,   in  Turin.     Harmoniums. 

Italien. 
Petroni,   Antonio,    in    Rom.      Saiteninstru- 
mente  Kirchenstaat. 

De   Gromard,    Que.ntin,   in  Eu.     Ceciliums. 

Frankreich. 

Menard.  Orgeln Frankreich. 

Faccini     in      Forli.        Blasinstr.        Italien. 
Pelitii    in     Mailand.       Blasinstr.      Italien. 


Werkführer  (oder  Mitarbeiter). 
Bronze- Medaillen. 

Linnemann,  Pierre,  bei  Erard.  Frankreich. 
Neukomm,  Basile,  bei  Erard.  Frankreich. 
Stockhausen,    bei    Plei/el,    Wolff   und     Co. 

Frankreich. 
Neubärger,  bei  CavailU-Coll.  Frankreich. 
lieinburg,    Gabr.,  bei    CavailU-  Coli. 

Frankreich. 
Pabis,  Achille,  bei  Debain.  Frankreich. 
Knoust,  bei  Jacques  Herz  Neffe.  Frankreich. 
Lappuchin,  bei  Rohden .  .  .  Frankreich. 
Cabrol,hei  Blanchet.     .     .     .     Frankreich. 


Eland,  bei  Blanchet.     .     .     .  Frankreich. 

Thiemann,   bei  CavailU- Coli.  Frankreich. 

Gandillon,  bei  Gautrot  d.  altern.  Frankreich. 

Sarrazin,  bei  Gautrot  d.  altern.  Frankreich. 

Mary ,   bei   Gautrot   d.  altern.  Frankreich. 

Carbonnier,   Ck.,  bei   Grandpn.  Frankreich. 

Mahin,  F.,  bei  Grandjon.       .  Frankreich. 

Brulart,  ./.,  bei  Mangeot  Gebr.  Frankreich. 

Bartsch,   bei  Ad.  Sax.       .     .  Frankreich. 

Feuillet,  P.,  bei  Ad.  Sax.     .  Frankreich. 


Erwähnungen. 

Bellanger,  bei  Henri  Herz. 
Raimond,   bei  Henri  Herz. 
Gontier,  bei  Henri  Herz.    . 
Michel,  bei  Henri  Herz.     . 
Bardony,  bei  Heiiri  Herz. 
Bouvet,  J.,   bei  Ad.    Sax. 
Courois,  L.,  bei  Ad.  Sax. 
Husson,  H.,   bei  Ad.   Sax. 
Farnouw,   W.,  bei  Ad.  Sax. 
Roche,  A.,  bei  Ad.  Sax.    . 
Chapitel,  E.,  bei   Grandjon. 
Haene,   bei  Pleyel.    .     .     . 


Ehrenvolle 
Michel,    Georges,   bei   Erard.      Frankreich. 
Chalaison,  Michel,  bei  Erard.     Frankreich. 
Gann,  bei  Pleyel,   Wolff  u.  Co.  Frankreich. 
D'Haerie ,  bei  Pleyel,   Wolff  und  Co. 

Frankreich. 

Millot,  bei  Debain Frankreich. 

Voirin,     Frang.     Nicolas,     bei     Vuillaume. 

Frankreich. 
Barb^,  Aimable,  bei  Vuillaume.  Frankreich. 
Deschner,  Franz,  bei  Schiedmayer. 

Würtemberg. 
Raupp,  Otto,  bei  Henri  Herz.  Frankreich. 
Guellier,  Hipp.,  bei  Henri  Herz.  Frankreich.    | 

In  der  Klasse  84)  erhielten  bezüglich  des  Musikunterrichts  Folgende  Preise: 

Goldene  Medaille. 
Soci^t^s  orph^nir/ues  de  France  in  Paris.     Musikalische  Werke Frankreich. 


Franki-eich. 
Frankreich. 
Frankreich. 
Frankreich. 
Frankreich. 
Frankreich. 
Frankreich. 
Frankreich. 
Frankreich. 
Frankreich. 
Frankreich. 
Frankreich. 


232 


Silberne  Medaillen. 


Papifi  in  Paris.  Musikmethode.   Frankreich. 
Delafontaine      in     Paris.       Musikmethode. 

Frankreich. 

Batiste  u.  Heugel  in  Paris.    Lehrbücher  d. 

Conservatoriums Frankreich. 


Hullah    in    London.     Musikalische   Werke. 

Gross  '  Britannien. 

Cheve,    Wwe.,   in  Paris.      Gesangmethode. 

Frankreich. 


Bronze-Medaillen. 


Rossi.      Gesangmethode.       .     .     .     Italien. 

Lahausse  -  dflssy  in  Paris.  Musikalische 
Uebungstabellen Frankreich. 

Ferret,  Leon,  in  Pont  -  Leveque.  Musik- 
werke  Frankreich. 

Pauraux  in  Paris.  Mechanische  Tonleiter- 
Tabelle - .     .     Frankreich. 


Dessirier,  Paris.  Gesangmethode.  Frankreich. 
Clement,  F.,  in  Paris.  Kirchengesang- 
Methode  .  Frankreich. 

Vervoitte  in  Paris.  Kirchenmusik-Sammlung. 

Frankreich. 
Delcasso  u.  Gross  in  Paris.  Gesangmethode. 

Frankreich. 


Ehrenvolle  Erwähnungen. 


Soriano  Fuertes.  Musikalien.  Spanien. 
Mouzin  in  Metz.  Gesangmethode.  Frankreich. 
Rahn  in  Baris.  Gesangmethode.  Frankreich. 
Lebeau    der    ältere    in  Paris.    Musikverlag. 

Frankreich. 


Hanon  in  Boulogne-sur-Mer.  System  zur 
Begleitung  des  Kirchengesanges,  Musik- 
methode  Frankreich. 

Danel  in  Lille.  Gesangmethode.  Frankreich 


Möchten  sich  Im  Jahre  1872  auf  der  Berliner  Ausstellung  noch  grös- 
sere 'Fortschritte  und  vor  allen  Dingen  noch  mehr  Bethätigungen  ver- 
schiedener Firmen  nachweisen  lassen. 

Man  soll  nicht  glauben,  dass  eine  so  grossartige  Ausstellung,  auch 
wenn  sie  noch  so  viele  Schattenseiten  zeigt,  auf  die  Fortentwickelung, 
auf  das  ganze  Denken  und  Empfinden  der  Industriellen  keinen  Einfluss 
ausüben  könne.  Es  verhält  sich  damit  gerade  so,  wie  mit  allen  bedeuten- 
deren Unternehmungen,  welche  bei  gehöriger  Inangriffnahme  auch  stets 
wichtige  Folgen  nach  sich  ziehen. 

Möchte  man  doch  immer  das  Schiller'sche  Wort  bedenken: 

Nur  der  grosse  Gegenstand  vermag 

Den  tiefen  Grund  der  Menschheit  aufzuregen; 

Im  engen  Kreis  verengert  sich  der  Sinn, 

Es  wächst  der  Mensch  mit  seinen   grossem  Zwecken. 


Nachträge. 

Zu  Seite  7:  Herr  Ämbros,  welcher  die  Schrift  „de  musica"  von 
BoetJims  für  ein  „schwer  verständliches  Werk"  hält,  urtheilt  über 
die  Glarean'sche  Ausgabe  beregten  Werkes  im  zweiten  Theile  seiner 
Geschichte  der  Musik,  Seite  39,  folgendermassen: 

„Die  von  Glarcan  zur  Erläuterung  des  BoetJims  entworfenen  Figu- 
ren gleichen  bald  Maschinen  und  wunderlichen  Apparaten  aus  irgend' 
einem  Laboratorium  zu  phantastischen  Zwecken,  bald  märchenhaften 
Kuppelbauten,  bald  verschlungenen  Drachenleibern,  bald  Zaubercharak- 
teren. So  begegnen  sie  dem  Blicke  fast  auf  jedem  Blatte  und  seltsam 
volltönende  griechische  Namen  und  mystische  Zahlen,  die  zur  Erläuterung 
der  den  Beschauer  geheimnissvoll  ansprechenden  Gebilde  beigeschrieben 
sind,  konnten  (im  Mittelalter)  den  anregenden  Reiz  der  Sache  nur  ver- 
mehren.   Die  Universitätsbibliothek  zu  Prag;  besitzt  einen  ganz 

ausgezeichneten  Boethius  in  einem  grossen  prächtigen  Pergamentcodex 
des  lOten  Jahrhunderts.  Auch  dieser  ist  mit  seltsamen  (?)  Aufrissen 
reichlich  ausgestattet." 

Wir  haben  in  den  auf  verschiedenen  Bibliotheken  befindlichen  zahl- 
reichen Manuscripten  der  fünf  Bücher  de  musica  des  Boethius,  von  denen 
der  von  uns  in  Cöln  entdeckte  und  zuerst  angezeigte  Codex  das  höchste 
Alter  hat,  durchaus  keine  seltsamen  Aufrisse,  sondern  nur  einfache 
Figuren  meist  in  Bogenform  gefunden,  die  zur  Erläuterung  der  Intervalle 
und  Klanggeschlechter  dienen.  Die  Zahlen  sind  ebenfalls  gar  nicht 
„mystisch",  sondern  in  ihrer  Bezeichnung  der  Tonverhältnisse  klar  zu 
erkennen  und  zu  verstehen.  Boethius  bediente  sich  zu  seiner  Zeit  ganz 
desselben  Versinnlichungsmittels,  wie  in  neuester  Zeit  Morits  Ilmqjt- 
mann  in  seiner  „Natur  der  Harmonik  und  der  Metrik",  wo  gleichfalls  die 
mannigfachen  harmonischen  und  metrischen  Beziehuno;en  häufisr  durch 
Bogen  veranschaulicht  sind.     Und  so  sind  auch  in  der  Baseler  Ausgabe 


234 

des  Boetliius  die  wenigen  von  Glarean  hinzugefügten  Figuren  zu  dem- 
selben Zwecke  den  Manuscriptfigurcn  nachgebildet.  Der  Prager  Codex, 
den  Herr  Amhros  nur  erwähnt  und  nicht  näher  beschreibt,  gehört  nach 
Joseph  HanslicKs  Geschichte  und  Beschreibung  der  Prager  Universitäts- 
bibliothek wahrscheinlich  ins  Ute  Jahrhundert.  Näheres  über  den  Werth 
der  Schrift  jenes  alten  Musikphilosophen  und  über  die  besten  Manuscripte 
findet  man  in  unserer  Dissertation:  „Die  absolute  Harmonik  der  Grie- 
chen", Leipzig  bei  Alfred  DörfFel,  wo  auch  die  Tonzeichen  facsimilirt  und 
erklärt  sind  Bisher  ist  noch  keine  Uebersetzung  und  vollständige 
Erklärung  der  Schrift  des  Boethms  in  einer  lebenden  Sprache  versucht 
worden,  daher  auch  der  aus  neueren  Werken  schöpfende  Compilator 
Herr  Arrey  von  Dommer,  welchem  die  alten  Sprachen  fern  zu  liegen 
scheinen,  in  seinem  „Handbuche  der  Geschichte  der  Musik",  Leipzig  bei 
Grounow  1868,  das  Werk  des  Boethius,  gleichwie  sein  gelehrterer  Vor- 
nan o-er  Herr  Äntbros,  ein  „allerdings  schwer  verständliches"  nennt.  Die 
Verlao-shandlung  des  Herrn  A.  H.  Payne  hat  sich  entschlossen,  eine 
Uebersetzung  aus  unserer  Feder  herauszugeben,  in  welcher  wir  den 
für  die  Musikgeschichte  so  wichtigen  Inhalt  darzulegen  hoffen. 

Zu  Seite  49:  Der  Mönch  Huchald  aus  St.  Amand  in  Flandern 
t  930,  nimmt  in  der  Geschichte  der  Musik  eine  bedeutsame  Stellung  ein 
und  zwar  hat  derselbe  seine  Berühmtheit  durch  das  sogenannte  „Orga- 
num" erlangt.  Betreffs  des  „Organum"  führt  Herr  ^möros,  dessen  Mei- 
nungen über  die  mittelalterliche  Geschichte  der  Musik  von  den  neuesten 
Historikern  allein  zu  beachten  sind,  weil  z.  B.  die  Herren  Brendel  und  Arrey 
von  Dommer  in  ihren  Handbüchern  nur  als  Ausschreiber  erscheinen,  die 
Ansicht  aus,  dass  man  zu  Huchald' s  Zeiten  in  parallelen,  zugleich  er- 
klingenden Quinten  und  Quarten  gesungen  habe,  welches  Curiosum  durch 
Gerbert  beigebracht  und  von  späteren  Geschichtsschreibern  in  den  modernen 
Sprachen  nacherzählt  wurde.  In  Deutschland  hat  namentlich  Kiesewet- 
ter durch  zusammenhangslose  Angabe  einiger  Stellen  aus  den  Werken 
Huchald' s,  wie  sie  schon  ForTcel  citirt  hatte,  jene  widersinnige  Quinten- 
und  Quartentheorie  zu  allgemein  angenommener  Giltigkeit  erhoben,  was 
um  so  mehr  zu  bedauern  ist,  als  dadurch  dieser  Abschnitt  der  Musik- 
geschichte als  etwas  Besonderes,  als  in  keinem  organischen  Zusammen- 
hange mit  dem  grossen  Ganzen  Stehendes  angesehen  werden  musste. 

Herr  Amhros  will  zwar  die  vermeindichen  Quinten-  und  Quarten- 


235 

parallelen  HucbalcVs  sowie  Guides,  des  im  Mittelalter  so  berühmten  Ton- 
lehrers und  Nachfolgers  unseres  Hncbalä,  als  Durchgangspunete  zur  wirk- 
lichen Polyphonie  betrachtet  wissen.  Wie  kann  aber  eine  Theorie  als 
Durchgangspunkt  angesehen  werden,  welche  zu  einer  späteren  Zeit  im 
geraden  Gegensatze  steht,  und  wie  ist  es  möglich,  einen  solchen  Gegen- 
satz für  eine  Grundstufe  weiterer  Entwickelung  zu  halten? 

Herr  Amhros  geht  noch  weiter  als  Kiesewetter,  welcher  Letztere  die 
parallelen  Quinten-  und  Quartengänge  als  eine  Speculationstheorie  mittel- 
alterlicher Mönche  hinstellt,  aber  die  praktische  Ausführung  derselben 
bezweifelt,  wogegen  Ersterer  jene  vermeintliche  Theorie  als  eine  täglich 
geübte  Singweise  jener  Zeit  angenommen  wissen  will.  Obgleich  wir 
schon  früher  in  den  Wiener  Recensionen,  Jahr  1865,  Nr.  25,  in  ähnlicher 
Weise  auf  diesen  Irrthum  aufmerksam  gemacht  haben,  so  halten  wir  es 
an  diesem  Orte  doch  wiederum  für  Pflicht,  auf  die  Unhaltbarkeit  jener 
Ansichten  hinzuweisen.  Zunächst  ist  zu  bemerken,  dass  die  meisten 
neueren  Historiker  nicht  mehr,  ja  noch  weniger  von  den  Schriften  Huc- 
batd's  wissen,  als  was  bereits  von  ForJcel  angegeben  worden  ist.  Sie 
haben  auf  Treu  und  Glauben  angenommen,  dass  „concentus"  mit  „har- 
monischer Zusammenklang"  zu  übersetzen  sei,  anstatt  mit  „melodische 
Folge",  weil  dieser  Ausdruck  eben  nicht  unserm  Begriff  von  Harmonie 
entspricht,  sondern  dem  griechischen  von  hermosmenon  und  harmonia, 
wie  auch  Wallis  in  seiner  Ausgabe  des  Ptolemaeus  richtig  nachweist. 
Ferner  hat  man  „in  unum  canere"  fälschlich  mit  „zugleich  singen"  über- 
setzt, anstatt  dass  es  heissen  muss:  „auf  einerlei  Art  singen"  (in  unum 
seil,  modum  canere):  denn  wenn  eine  Stimme  mit  der  andern  zusfleich 
singt,  so  heisst  dies:  „vox  simul  cum  voce  canit."  Auch  bedeutet  „com- 
mixtio  vocum"  nicht  eine  Mischung  harmonischer  Stimmen,  sondern  eine 
Mischung  melodischer  Stimmen. 

Indem  Hucbald  die  drei  verschiedenen  Quartengattungen  erklärt, 
welche  sich  durch  den  Sitz  des  Halbtones  unterscheiden,  z.  B.  Hede, 
c  d  e  f,  d  e  f  g,  und  diesen  auch  die  vier  Quintengattungen  nach  den- 
selben Grundsätzen  hinzugefügt,  bemerkt  er  zugleich,  dass  vermittelst 
dieser  Symphonien,  nämlich  der  Quarten  und  Quinten,  das  Organum 
bewerkstelligt  werden  könne.  Das  Organum,  meint  er,  sei  eine  Antwort, 
welche  der  Principalstimme  nachfolge,  und  zwar  könne  eine  einzige 
Stimme   einer  vorhergehenden   Principalstimme    auf   der    Quarte    oder 


236 


Quinte  als  „Organum"  antworten,  oder  auch  zwei  durch  Octaven  ver- 
doppelte Stimmen  dürften  die  Antwort  bewirken,  ja,  es  wären  sogar  zwei 
durch  Octaven  verbundene  Stimmen  berechtigt,  ein  „Organum"  zu  zwei 
durch  Octaven  verknüpfte  Principalstimmen  herzustellen.  Organum 
bedeutet  eben  weiter  nichts  als  „Nachahmung",  „Nachfolger",  „Anwort" 
auf  der  Quarte  oder  Quinte.  Z.  B.  stellt  er  ein  Exempel  in  vier  Zeilen 
auf  welches  wir  durch  Buchstaben  in  unserer  Tonbezeichnung  aufschrei- 
ben und  jedem  Tone  die  ihm  zugehörige  Silbe  beisetzen: 


4.  Principalstimme 

3.  Organum 

2.  Principalstimme 

1.  Organum 


d'  f   9'  9'   9'    9'  9'    «'   /' «'  d' 

Tu  pa  tris  sem  pi  ter  nus  es   fl  li  us 

a  c'    d'  d'    d'    d'  d'     e'  r'  h  a 

Tu  pa  tris  sem  pi  ter  nus  es  fi  li  us 

(Ifg  gggsrafed 

Tu  pa  tris  sem  pi  ter  nus  es  fi  li  us 

A  c     d  d     d   d     d      e     c  H  A 

Tu  pa  tris  sem  pi  ter  nus  es   fi  li  us 


Knabenstimme. 


Knabenstimme. 


Männerstimme. 


Männerstimme. 


Hierzu  sagt  Huchald  Folgendes: 
Sive  namque  simplici  cantui  du- 
plex Organum  adjungas,  quod  potest 
significare  primus  versus  ac  tertius, 
qui    ad    secundum    versum    vicem 


Möge  man  nun  dem  einfachen 
Gesänge  (der  einfachen  Principal- 
stimme) ein  doppeltes  Organum  hin- 
zufügen, welches  die  erste  und  dritte 
Zeile  bezeichnen  kann,  die  (beide 
zusammen)   zur   zweiten  Zeile  den 


tenent    organi;     sive    ad    duplicem     Wechsel   des   Organums  festhalten 

(den  Wechselgesang  bewirken) ;  oder 

cantum  simplex  Organum  referatur,        ..  r  i        i         u       r^ 

^  '^  möge  man  aul  den  doppelten  (jre- 

quod  versus  secundus  designat   et     sang  (auf  die  verdoppelte  Principal- 
stimme) ein  einfaches  Organum  be- 


quartus,  Organum  in  suo  medio 
continentes,  seu  et  Organum  gemi- 
nes   et  cantum,  sive  etiam  triplum 


ziehen,  welches  Verfahren  die  zweite 
und  vierte  Zeile  kennzeichnet,  die 
in  ihrer  Mitte  (d.  h.  zwischen  sich) 
das  Organum  enthalten,  oder  möge 


utrumque  facias,  descripta  ad  invi-     man  sowohl  das  Organum,  als  auch 

den  Gesang  (die  Principalstimme) 
verdoppeln   oder    auch    beide    ver- 

et  humanae  voces,  et  in  aliquibus     dreifachen,  so  consonirt  es  wechsel- 


cem  consonat  ratione.  Possunt  enim 


237 


instrumentis  musicis  non  modobinae 
et  binae,  secl  etiam  tcrnae  ac  ternae 
hac  sibi  collatione  misceri,  dum 
utii^ue  uno  impulsu,  vel  tribus  in 
unum  vocibus  actitatis,  totidem  vo- 
ces  respondent  orfj;anum.  UbI  atten- 
dendum,  ut  vox  media  inter  duas 
non  aequo  spatio  se  ad  utrasque 
habeat,  quippe  cum  in  octavo  nu- 
mero  unitatis  medietas  non  sit; 
verum  si  ab  inferlori  latere  ad  can- 
tum  diatessaron  spatio  respondeatur, 
a  superiore  vero  spatio  diapente.  Et 
ut  hoc  clarius  insinuetur  ncscien- 
tibus  sine  fastidio  scientium,  si  voce 
virili  organizetur  simul  cum  voce 
puerili,  sunt  hae  duae  voces  sibi 
per  diapason  consonae;  ad  eam 
autem  vocem,  quam  inter  se  mediam 
contintnt,  ad  quam  scilicet  utraeque 
Organum  respondent,  acutior,  quae 
est  puerilis,  quinto  extat  loco  supe- 
rior,   ea  quae    virilis,    quarto    loco 


seitijx  auf  die  beschriebene  Weise 

CT) 

Denn  es  können  sowolil  Menschen- 
stimmen, als  auch  Instrumental- 
stimmen nicht  nur  je  zwei  und  zwei, 
sondern  auch  je  drei  und  drei  in 
dieser  Verbindung  sich  mischen, 
indem  dann,  wenn  sogar  drei  Stim- 
men auf  einerlei  Weise  thätig  wa- 
ren, ebensoviel  Stimmen  auf  einen 
Antrieb,  d.  h.  zugleich  als  Organum 
antworten.  Hierbei  ist  zu  beachten, 
dass  die  zwischen  beiden  liegende 
mittlere  Stimme  sich  nicht  in  glei- 
chem Zwischenraumsverhältniss  zu 
beiden  verhält,  weil  nämlich  in  der 
8.  Zahl  die  Mitte  der  Einheit  nicht 
ist;  sondern  wenn  von  der  Tiefe  aus 
gerechnet  dem  Gesänge  (der  Princi- 
palstimme)  im  Zwischenraumsver- 
hältniss einer  Quarte  geantwortet 
wird,  dann  von  der  Höhe  aus  ge- 
rechnet im  Zwischenraumsverhält- 
niss einer  Quinte.  Und  damit  dies 
den  Nichtwissenden  ohije  Ueberdruss 
der  Wissenden  deutlicher  eingeprägt 
werde;  wenn  nämlich  durch  eine 
Männerstimme  zugleich  mit  einer 
Knabenstimme  organizirt  wird,  so 
sind  diese  beiden  Stimmen  sich 
selbst  in  der  Octave  consonirende; 
zu  der  Stimine  aber,  welche  sie 
zwischen  sich  als  die  mittlere  hal- 
ten, der  nämlich  l)eide  als  Organum 
antworten ,  zeigt  sich  die  höhere, 
nämlich  die  Ivnabenstimme,  auf  der 
fünften  Tonstufe  als  die  höhere,  die 


238 

gravior.      Sic    enim  cognato  nexu     Männnerstimme  auf  der  vierten  Ton- 
stufe als  die  tiefere.    Denn  so  ver- 

sese  mutuo  symphoniae  ligant:   ut       .  .  •  i    i      i  i.     i    /•, 

•^     ^  °  emigen  sich  durch  verwandtschatt- 

quicumque    sonus    ex    hac    parte     ^'^^^^  Verbindung  wechselseitig  die 

Symphonien,     so     dass    jedweder 
quartana  collatione  sese   habet  ad     Klang,  der  auf  der  einen  Seite  in 

i-„_  -ii  ,  T  Quartenbeziehung  zu  einem  andern 

anum,   ex  illa  parte  per  diapason     ^  ° 

steht,  auf  der  andern  Seite  in  der 
quinta  regione  ad  eundem  respiciat.     Octave  auf  der   fünften   Stufe  zu 

demselben  zurückblickt  (d.  h.  das 
Quintenverhältniss  zeigt). 
Huchald  sagt  also,  dass  ein  Gesang,  eine  Principalstimme  gege- 
ben sei,  wie  wir  sie  in  dem  aufgestellten  Exempel  durch  fettere  Schrift 
in  Nr.  2  ausdrücken  konnten.  Zu  dieser  Principalstimme  könne  man  ein 
doppeltes  Organum  setzen,  z.  B.  Nr.  1  und  Nr.  3,  welche  zusammen  den 
Wechselgesang  herstellen,  d.  h.  nach  dem  Vortrage  der  Principalstimme 
beginne  der  Wechselgesang,  welcher  nichts  Anderes  sei,  als  eine  durch 
die  tiefere  Octave  verdoppelte  Nachahmung  auf  der  Quinte,  so  dass 
natürlich  die  tiefste  Stimme  des  Organum  um  eine  Quarte  tiefer  lag, 
als  die  Principalstimme  und  von  dieser  die  höchste  Stimme  des  Organums 
um  eine  Quinte  entfernt  war.  Aber  auch  die  Principalstimme  dürfe  man 
verdoppeln,  wie  es  Nr.  2  und  4  darstellen,  wo  dann  Nr.  3,  wenn  eben 
nur  drei  Stimmen  vorhanden  sind,  als  Organum,  d.  h.  als  Nachfolger,  als 
Antwort  erscheint.  Endlich  sei  man  auch  im  Stande,  sowohl  die  Princi- 
palstimme, als  auch  das  Organum,  die  Antwort,  durch  Octaven  zu  ver- 
doppeln, ja  zu  verdreifachen,  wo  dann  eben  so  viel  Stimmen  als  Organum 
antworten,  wie  viele  als  Principalstimmen  thätig  waren.  Das  Verhältniss 
des  Gesanges  beruht  nämlich  auf  der  Theilung  der  Octave.  Die  Octave 
A — a  konnte  eingetheilt  werden  in  Quinte  und  Quarte  A — e — a,  oder  in 
Quarte  und  Quinte  A — d — «,  wie  wir  es  schon  in  unserer  absoluten 
Harmonik  der  Griechen  darlegten.  Dem  angeführten  Beispiele  liegt  die 
Eintheilung  A — d — a  zu  Grunde,  mithin  der  hypodorische  Ton,  dessen 
authentischer  Ton  die  Octavengattung  d—a — d'  war.  Wenn  also  die 
Principalstimmen  auf  dem  authentischen  Tone  die  Melodie  vorgetragen 
hatten,  so  begannen  dann  die  Stimmen  des  Organums  ihre  Antwort  auf 
dem  Piagaltone,  und  zwar  wurden  die  beiden  Principalstimmen  ebenso 


239 

von  einem  Manne  und  einem  Knaben  in  der  Octave,  mithin  in  äquiso 
nen  Klängen  ausgeführt,  wie  die  beiden  Stimmen  des  Organums.  Huc- 
bald  findet  es  also  passend,  wenn  Knaben-  und  Männerstimmen  in, 
Octaven  den  Gesang  vortragen ,  wonach  in  der  Quarte  oder  Quinte- 
wiederum  durch  Octaven  verbunden,  Knaben-  und  Männerstimmen  als 
Organum  antworten.  Die  Octave  hatte  eben  gleichklingende  Stimmen 
(voces  aeqnisonae) ,  wo  die  tiefere  Stimme  zugleich  mit  der  höheren 
Stimme  (simul  cum  voce)  eine  Melodie  vortragen  konnte.  Im  Diatessaron 
und  Diapente,  d.  h.  in  der  Quarte  und  Quinte,  konnte  aber  nur  der 
Wechselgesang,  die  Diaphonie,  stattfinden,  weil  diese  Symphonien  bei 
genauer  Beobachtung  der  Klangstufen  berechtigt  waren,  den  Wechsel 
des  Organums  (vicem  organi  teuere),  den  Wechselgesang  zu  behaupten 
und  aus  dieser  Verknüpfung,  d.  h.  aus  der  Aufeinanderfolge  des  Ge- 
sanges und  der  Antwort  (organale  responsum)  entstand  dann  eine  ange- 
nehme Melodie  (suavis  concentus). 

Nachdem  wir  nun  diese  von  ForJccI,  Kiesewetter ,  Coiissemaker, 
Felis,  Änibros  etc.  beigebrachte  Ansicht  von  den  Quinten-  und  Quarten- 
parallelen zurückgewiesen  haben,  müssen  wir  noch  kurz  berühren,  dass 
auch  das  sogenannte  „schweifende"  Organum,  aus  dem  Kicscivetter  und 
Amhros  „Orgelpuncte"  und  contrapunctisch  „taumelnde"  Stimmen  nach 
Gerhert  und  Forkel  ableiten,  nur  ein  Phantom  falscher  Erklärer  ist. 
Man  hat  sich  dabei  neben  Huchald  hauptsächlich  auf  Guido  gestützt, 
welcher  aber  ebenfalls  die  Stimmen  des  Gesanges  als  voranschreitende 
(praecedentes  voces)  und  die  des  Organums  als  nachfolgende  (subsequen- 
tes  voces),  aber  nicht  beide  als  zugleich  fortschreitende  bezeichnet.  Auch 
bezieht  der  berühmte  mittelalterliche  Schriftsteller  diese  ganze  Singweise 
auf  die  Antiphonien,  von  denen  er  z.  B.  Miserere  mei  Dens  anführt  in 
folgendem  Beispiel: 

Diapason. 

cf  d'  e'  c'  d'  e'  d'  &  d  &  h  a  g  d  d'  &  d'  d'  d 
Diapente. 

f  g  a  f  g  a  g   fffedcfgaggf 
Diatessaron. 

c  d  e  c  d  e  d  c  c  c  IIA  G  c  d  e  d  d  c 
Wir  haben  dieses  Beispiel  gleich  in  unserer  Tonbezeichnung  wieder- 
gegeben, um  unwesentliche  Weitläufigkeiten  und  Missverständnisse  zu 


240 

vermeiden.  Die  mittlere  Reihe  ist  die  Antiphonie  Miserere  mei  Deus 
und  enthält  die  voran  schreitenden  Stimmen  (praecedentes  voces)  und  die 
anderen  beiden  durch  Diapason  verbundenen  sind  die  nachfolgenden 
(subsequentes  voces),  welche  als  Organum  antworten,  gleichwie  wir  es 
durch  Huchald  kennen  lernten.  Ueber  der  untersten  Reihe  steht  Dia- 
tessaron,  d.  h.  Quarte,  weil  sie  die  Töne  der  Antwort  enthält,  welche  zum 
Gesänge,  zur  Principalstimme,  im  Verhältniss  der  Quarte  stehen.  Die 
Principal  stimme  ist  mit  Diapente,  d.  h.  Quinte,  überschrieben,  weil  die 
Töne  zur  obersten  Stimme  das  Quintverhältniss  zeigen  und  die  oberste 
Stimme  steht  zur  untersten  im  Octavverhältniss,  weshalb  ihr  die  Ueber- 
schrift  Diapason,  d.  h.  Octave,  zugetheilt  ist.  Nachdem  die  mittlere 
Reihe,  d.  h.  die  Principalstimme,  gesungen  war,  ertönte  antiphonisch  das 
Organum,  bestehend  aus  der  untersten  und  obersten  Stimme,  so  dass 
also  von  Quinten-  oder  Quartenparallelen  gar  keine  Rede  ist.  Dann 
stellt  Guido  aber  auch  noch  die  besondere  Regel  auf,  dass  die  Antwort 
(Organum),  welche  einem  auf  den  tonus  tritus  der  Finaltöne  =  f  com- 
ponirten  Gesänge  nachfolge,  nicht  tiefer  als  zum  c  herabsteigen  dürfe, 
sobald  man  in  ihr  dieselbe  Tonart  festhalten  wolle,  z.  B. 


Gesang:     f  f  (j  cj  f  f 
Antwort:  c  c  d  d  c  c 


d  e  f  e  d  c 
c  c  c  c  c  G 


Von  da  ab,  wo  wir  den  Strich  gemacht  haben,  steigt  also  der  Gesang 
tiefer  als  /'herab,  es  muss  deshalb  die  Antwort  auf c stehen  bleiben,  weil 
sie  zur  Festhaltung  des  Tonus  tritus  nicht  tiefer  herabsteigen  darf. 
In  dem  ersten  Beispiel  lag  dieselbe  Tonart  zu  Grunde,  nämlich  der 
Plagalton  des  Tonus  tritus  ==  c  —  f  —  c',  die  Antwort  konnte  dort  aber 
streng  durchgeführt  werden,  weil  derselben  nicht  die  Beschränkung  auf- 
erlegt war,  dieselbe  Tonart  festzuhalten.  Hier  jedoch  musste,  um  in  der 
Antwort  nicht  aus  der  Plagaltonart  des  Tonus  tritus  unter  den  Finaltönen 
{d  e  f  g)  herauszutreten,  das  System  c  —  f  —  &  streng  bewahrt  werden, 
daher  die  Antwort  in  ihrer  letzten  Hälfte  auf  dem  tiefsten  Tone  des 
Systems  stehen  blieb. 

Und  das  ist  nun  so  ein  vermeintlicher  Orgelpunct  eines  sogenannten 
„schweifenden"  Organums,  welchen  die  Erklärer  deswegen  aufgebracht 
haben,  weil  sie  mit  dem  Texte  nicht  vertraut  waren,  der  das  Organum 
ausdrücklich  als  subsequutor  (Nachfolger,  Nachahmer)  bezeichnet. 


241 

Der  Nachweis  kann  bei  allen  Beispielen  HucbaMs  und  Guidö's  in 
ähnlicher  Weise  .geführt  werden,  so  dass  sich  gewiss  die  Ueberzcugung 
Bahn  brechen  nuiss,  wie  die  ganze  Musikgeschichte  durch  eingehende 
Quellenforschungen  eine  vollständig  veränderte  Gestalt  gewinnt  und  wie 
mit  allen  Compilationen  trotz  der  geistreichsten  Diction  nichts  auszu- 
richten ist. 

Herr  Amhros  sagt  nun,  dass  die  Quarten-  und  Quintenparallelen 
eine  vielgepflegte  Singweise  gewesen  seien.  Das  ist,  wie  wir  sahen, 
unrichtig;  das  Organiziren  jedoch,  wie  wir  es  hier  als  Wechselgesang 
nachwiesen,  war  sehr  verbreitet,  wofür  man  den  Beweis  in  den  Zuständen 
der  Sängerschule  St.  Gallens  finden  kann;  ja  schon  die  Hebräer  und 
Griechen  kannten  ein  ähnliches  Verfahren ,  wie  man  bei  richtiger  Ein- 
theilung  der  Psalmen  und  aus  den  griechischen  Schriften  über  Musik  zu 
erkennen  vermag.  Dass  auch  die  Franzosen  an  dem  alten  G erh er fnoh&n 
Märchen  von  den  Quintenparallelen  hängen,  geht  aus  der  ganz  unrichti- 
gen Uebersetzung  Goussemalcer's  von  einigen  herbeigezogenen  Stellen 
hervor;  z.  B.  übersetzt  dieser  Historiker  in  seinem  Werke  „Histoire  de 
l'harmonie  au  moyen  äge"  Seite  230  folgendermassen: 

„Organum    est    vox    sequens  „L'organura  est   une   voix,  qui 

praecedentem    sub    celeritate  accompagne  rapidement,  ä  la 

diapente  et  diatessaron ;  quarum  vi-  quinte  et  ä  la  quarte,  une  autre  voix 

delicet  praecedentis  et  subsequentis  qui    la    precede,    de    maniere    que 

fit    copula     aliqua    decenti    conso-  l'assemblage  de  l'une  et  de  l'autre 

nantia."  produise  une   consonnance    conve- 

nable." 

Er  übersetzt  also  sequi  mit  accompagner  und  sub  celeritate  mit  rapi- 
dement; dann  weiss  er  nicht,  was  er  mit  der  vox  praecedens  anfangen 
soll,  über  die  er  sich  in  eine  geradezu  komische  Erklärung  einlässt. 
Musste  aber  dem  Franzosen  für  das  Wort  sequi  der  entsprechende  fran- 
zösische Ausdruck  suivre  nicht  recht  nahe  liegen?  —  Die  citirte  Stelle 
heisst  einfach  so: 

„Das  Organum  ist  eine  Stimme,  welche  einer  vorangehenden  nach- 
folgt in   der   Schnelligkeit  (d.   h.   in   der  Vibrationsschnelligkeit  in  dem 

Schwingungsverhältniss)   einer    Quinte  und  Quarte,  und  die  Ver- 

16 


242 

knüpfung  der  vorangehenden  und  nachfolgenden  Stimme  geschieht  durch 
eine  geziemende  Consonanz",  d.  h.  also,  wenn  die  vorangehende  Stimme 
gesungen  hat,  so  folgt  die  andere  in  der  Quarte  und  Quinte  nach  (man 
vergleiche  das  vorstehende  Beispiel  Guido' s)  und  der  Anschluss  beider 
Melodien,  nämlich  des  Gesanges  und  der  Antwort,  bildet  sich  durch  eine 
passende,  den  Gegensatz  kennzeichnende  Consonanz.  Bekanntlich  ist 
gerade  in  der  Quinte,  sowie  in  deren  Umkehrung,  der  Quarte,  das  gegen- 
sätzliche, das  antiphonische  Element  enthalten  und  wer  in  Haupt- 
mannes Natur  der  Harmonik  und  der  Metrik  einen  Blick  gethan  hat,  der 
wird  die  Ansichten  der  mittelalterlichen  Theoretiker  nicht  unnatürlich 
finden. 

Zu  Seite  187 :  Wir  haben  gezeigt ,  dass  der  Firma  Stdmoay  Sf  Söhne 
in  New -York  die  erste  erfolgreiche  Anwendung  des  kreuzsaitigen 
Systems  für  die  Saitenlegung  gelang.  Die  äussere  Form  des  kreuz- 
saitigen Systems  ist  bekanntlich  sehr  alt.  Denn  schon  im  16ten  und 
17ten  Jahrhundert  brachte  man  auf  dem  Resonanzboden  zwei  Stege  an, 
von  denen  der  eine  die  Normalsaiten,  der  andere  die  um  eine  Octave 
höher  erklingenden  Saiten  trug.  Man  verwarf  später  das  System  als  ein 
unpraktisches;  doch  suchte  Pape  im  Anfang  der  dreissiger  Jahre  unseres 
Jahrhunderts  dieses  Princip  auf  andere  Weise  wieder  zur  Geltung  zu 
bringen,  worauf  wir  schon  im  Texte  hindeuten  konnten.  Er  versuchte 
nämlich  ein  Instrument  herzustellen,  welches  einen  sehr  kleinen  Raum  in 
Anspruch  nahm.  Die  Höhe  desselben  betrug  nur  1  Metre,  die  Claviatur 
umfasste  jedoch  6  volle  Octaven.  Der  innere  Strebekasten  bestand  aus 
einem  eisernen  Gitter,  ferner  hatte  der  Instrumentenbauer  zwei  Reso- 
nanzboden angebracht,  um  einen  volleren  Ton  zu  erzielen  und  die 
Discantsaiten  liefen  vertical  über  einen  Resonanzboden  bis  zur  kleinen 
Bassoctave,  bis  wohin  die  Länge  der  Saiten  nicht  mit  der  Höhe  des 
Instruments  in  CoUision  kam.  Hinter  dem  Eisengitter  lag  ein  zweiter 
Resonanzboden,  mit  welchem  die  schräglaufenden  Basssaiten  durch  einen 
besonderen  Steg  in  Verbindung  gesetzt  waren. 

Dieses  System  fand  in  Herrn  Lichtenthai  zu  Petersburg  einen  Nach- 
ahmer, welcher  dasselbe  bei  der  Construction  von  Flügeln  anwandte  und 
1851  ein  in  dieser  Form  construirtes  Instrument  auf  der  Londoner  In- 
dustrieausstellung vorführte.  Die  beigedruckte  Zeichnung  soll  dieses  System 
einigermassen  veranschaulichen,  a a  ist  die  Scheide  zwischen 


243 

den  beiden  Resonanzboden,  von  denen  der  eine  für  die  Basssaiten  be- 
stimmte um  3/j  Zoll  höher  lag,  als  der  für  die  Discantsaiten.  x  ist  der 
Steg  für  die  tiefsten  Saiten,  welche  der  Construction  gemäss  sehr  dicht 
zusammengelegt  waren,  y  ist  der  Steg  für  die  geradliegenden,  unbe- 
sponnenen  Stahlsaiten,  die  mit  den  Tasten  und  den  Hämmern  parallel- 
liefen. Der  Ton  des  Flügels  erwies  sich  auf  der  Ausstellung  nicht  zu 
Gunsten  der  Construction,  weshalb  auch  die  Idee,  vermittelst  zweier 
Resonanzboden  einen  volleren  Ton  zu  erzielen,  verurtheilt  wurde.  Wie 
wir  gesehen  haben,  brachte  die  Firma  Steinway  ^-   Söhne  durch  ganz 


neue  Erfindungen  in  der  Construction  das  kreuzsaitige  System  erst  zur 
Anerkennung,  und  wenn  gewisse  Leute  behaupten,  die  Steinway'' &Qhe 
Construction  sei  eine  Nachahmung  früherer  Errungenschaften,  so 
zeigen  dieselben  nur,  dass  sie  mit  dem  Hergang  der  Sache  nicht  ver- 
traut sind. 

Zu  Seite  208:  Ueber  das  Haus  Breitkopf  &  Härtel  haben  die  Signale 
in  ihrer  Nr.  12  vom  Jahre  1867  einen  sehr  eingehenden  und  vortrefflich 

ausgeführten  Artikel  gebracht,  welcher,  so  viel  wir  wissen,  der  Feder  des 

16* 


244 

Herrn  Custos  Alfred  Dörffel,  einep  der  gründlichsten  musikalischen 
Schriftsteller,  entstammt.  Es  wird  in  diesem  Artikel  gesagt,  dass  der 
Musikalienhandel  in  unserem  jetzigen  Sinne  von  dem  berühmten  Hause 
mit  in's  Leben  gerufen  sei.  Ferner  erfahren  Avir,  dass  von  Bernhard 
Christoph  JSreitkopf  aus  Clausthal  im  Jahre  1719  die  Buchdruckerei  er- 
richtet und  von  dessen  als  Typograph  berühmt  gewordenen  Sohne  Jo- 
hann  Gottloh  Immanuel  BreitJcopf  im  Jahre  1745  übernommen  wurde, 
welcher  bis  zu  seinem  Tode,  den  28.  Januar  1794,  Seele  und  Leiter  des 
Geschäftes  blieb.  Der  1750  geborene  Sohn  des  Letzteren,  Christoph 
Gottloh  Breitliopfi  associirte  sich  1795  mit  Gottfried  Christoph  Härtel  aus 
Schneeberg  (geb.  den  27.  Januar  1763),  wonach  die  Firma  „BreitJcopf  & 
Härtel''^  entstand,  welche  bald  das  Geschäft  durch  eine  Stein-  und  Zinn- 
druckerei, sowie  durch  eine  Fabrik  musikalischer  Instrumente  erweiterte. 
Im  Jahre  1800  erlosch  der  Stamm  Breitkopf,  Härtel  blieb  der  alleinige 
Vorsteher  und  Eigenthümer  der  Handlung.  Nach  dessen  Tode,  im  Jahre 
1827,  theilten  sich,  abgesehen  von  einem  kurzen  Provisorium,  seine  beiden 
Söhne  in  die  Leitung.  Dies  sind  die  noch  gegenwärtigen  Führer:  Dr.  jur. 
Hermann  Härtel,  bekannt  als  kunstsinniger  Erbauer  des  sogenannten 
„Römischen  Hauses"  am  Petersstein  weg,  und  Baymund  Härtel,  derzeit 
Stadtältester  In  Leipzig.  Am  Beginn  des  Jahres  1867  endlich  erhielt 
deren  Neffe,  Wilhelm  Volhnann,  die  Procura."  Der  Artikel  begrenzt 
sodann  das  Bestehen  des  Hauses  in  folgenden  Perioden: 

„1719 —  1745,  Bernhard  Christoph  Breitkopf.  Buchdruckerei,  Schrift- 
giesserel  und  Buchhandel. 

1745  —  1794.  Johann  Gottlob  Immanuel  Breitkopf  Notendruck,  Mu- 
sikalienverlag und  Musikalienhandel.  —  Ph.  Em.  Bach,  Leop. 
Mozart,  Graun,  Rolle,  Doles,  Hiller  etc. 

1794—1827.  Gottfried  Christoph  Härtel.  Stein-  und  Zinndruckerei. 
—  Haydn,  Mozart,  Giemen ti,  Dussek. 

1827  —  1867.  Hermann  und  Raymund  Härtel.  —  Mendelssohn,  Schu- 
mann; Gesammtausgabe  von  Beethoven,  Ausgabe  der  Bach-  und 
der  Händelgesellschaft. 

Wir  haben  hierbei  durch  Zufügung  der  Coraponisten-Namen  zugleich 
angedeutet,  welche  Editionen  musikalischer  Werke  diese  Zeitabschnitte 
charakterisiren." 


245 

Nachdem  der  Verfasser  die  Verdienste  dargelef^t  hat,  welche  sich 
die  gefeierte  Handlung  um  die  Herausgabe  der  grössten  Meisterwerke, 
sowie  um  den  Musikalienhandel  überhaupt  erwarb,  fährt  er  fort:  „Ihr 
muss  fürwahr  die  Nachwelt  zu  Danke  verpflichtet  bleiben,  so  lange  jene 
Werke  irgend  noch  ein  Menschenherz  beglücken  werden!" 

„Aber  noch  eine  weitere  That,  nicht  minder  gross  und  nicht  weniger 
die  Culturinteressen  der  deutschen  Nation  fördernd,  ist  ihr  zu  danken: 
das  ist  die  Gründung  und  Forterhaltung  der  „Allgemeinen  Musikalischen 
Zeitung",  von  welcher  am  3.  October  1798  die  erste,  am  27.  December 
1848  die  letzte  Nummer  ausgegeben  wurde,  ein  Unternehmen  demnach, 
das  reichlich  ein  halbes  Jahrhundert  hindurch  seinen  segensreichen  Ein- 
fluss  auf  Kunst  und  Künstler  ausübte,  das  lange  Zeit  als  einziges  Boll- 
werk für  die  Muse  der  Tonkunst  dastand,  mitten  unter  den  Trümmern 
und  Verheerungen  der  Kriegsjahre  festen  Fusses  sich  behauptend.  Denn 
mit  Schluss  der  „Berlinischen  Musikalischen  Zeitung",  welche  der  Capell- 
meister  Beichard  von  Anfang  1805  bis  Mitte  1806  herausgab,  verlor  die 
Allgemeine  Musikalische  Zeitung  ihre  jüngere  Collegin ,  und  erst  im 
Jahre  1817  erwuchs  ihr  in  der  anfänglich  von  Mosel  in  Wien  heraus- 
gegebenen „Allgemeinen  Musikalischen  Zeitung  mit  besonderer  Rücksicht 
auf  den  österreichischen  Kaiserstaat"  eine  neue,  nicht  unebenbürtige 
Mitvertreterin  der  musikalischen  Interessen,  welcher  dann  Ä.  JB.  Marx 
1823  mit  der  „Berliner  Allgemeinen  Musikalischen  Zeitung"  und  Gott- 
fried Weber  1824  mit  der  „Cäciha"  nachfolgten.  Von  Mitte  1806  an 
bis  zum  Jahreschluss  1816  also,  gerade  während  der  Zeit,  dass  der  Genius 
des  herrlichen  Beethoven  in  reichster  Fülle  waltete,  war  und  blieb  die 
Allgemeine  Musikalische  Zeitung  der  alleinige  Hort  für  die  Tonkunst 
und  ihre  Jünger.  Der  Leser  wird  schon  aus  dieser  äussern  Thatsache 
die  hohe  Bedeutung  und  Wichtigkeit  der  Zeitung  zu  würdigen  wissen. 
Erinnern  wir  nun  daran,  dass  ihr  Gründer  und  Leiter  20  Jahre  hindurch 
ein  Mann  wie  Friedrich  HocMitz  war,  dass  später  der  ehren werthe,  bie- 
dere G.  W.  Fink  (Michaelis  1827  —  1841)  mit  ungemeinem  Fleisse,  mit 
Treue  und  Beharrlichkeit  sondergleichen  die  Redaction  führte,  so  wird 
wohl  Niemand  etwas  dagegen  einwenden,  wenn  wir  dem  längst  gesche- 
henen Ausspruche  mit  ganzer  Ueberzeugung  beistimmen:  „Diese  Zeitung 
wird  auf  in)merwährende  Zeiten  ein  Majjazin  der  Kunstgeschichte  für 
alle  kommende  Literatoren  der  Musik  sein."     Die  Verlasshandluna;  hat 


246 

aber  auch  nichts  unterlassen,  dieses  Magazin  als  ein  streng  in  sich  ge- 
schlossenes ^  doch  mit  Leichtigkeit  zugängliches  und  zu  übersehendes 
Ganze  zu  Nutz  und  Frommen  der  Nachwelt  hinzustellen:  sie  hat  sich 
dadurch  noch  hoch  verdient  gemacht,  dass  sie  ein  alphabetisches  Gesammt- 
register  anfertigen  und  drucken  Hess,  welches  in  seinen  drei  Abtheilungen 
(^179^3  _  1818,  1819  — 1828,  1829  — 1848)  zusammen  einen  Band  von 
der  Stärke  eines  ganzen  Jahrgangs  bildet.  Mit  Hülfe  dieses  sehr  sorg-, 
fältig  und  genau  verfassten  Registers  lassen  sich  bald  alle  Quellen  auf- 
finden, denen  der  Forscher  nachtrachtet,  Quellen,  die  in  vieler  Beziehung 
eben  nur  dieser  Zeitung  eigenthümlich  sind.  Es  würde  zu  weit  führen 
und  ausserhalb  des  Rahmens,  den  wir  vorgesteckt  haben,  zu  stehen 
kommen,  wollten  wir  nur  annähernd  einen  Auszug  des  Inhaltes  jener 
weiten  Reihe  von  Bänden  hier  niederlegen.  Zur  Charakteristik  der  ver- 
schiedenen Phasen,  welche  die  Zeitung  durchlebte,  genügt  es,  die  „Ab- 
schiede" der  beiden  Hauptredactoren  mitzutheilen.  Bochlitz  schreibt  in 
seiner  edlen,  gemüthvollen  Weise  zum  Jahreschlusse  1818  wie  folgt: 

„Hiermit  scheide  ich  von  Dir,  geehrter  Leser,  nicht  nur  für  dies 
Jahr,  sondern  für  immer,  in  wiefern  ich  nämlich  Redacteur  dieser 
Blätter  von  ihrem  Entstehen  bis  heute  gewesen  bin.  Habe  Dank,  dass 
Du  bey  ihnen,  und  in  so  weit  auch  bey  mir,  treulich  ausgehalten  hast. 
Deine  Ausdauer  ist  der  Lohn  für  die  meinige  in  guter  und  böser 
Zeit,  und  schmückt  mir  nun  das  Bewusstseyn,  während  dieser  zwanzig 
Jahre  schwerlich  zwanzig  Tage  verlebt  zu  haben,  wo  ich  Deiner  gar 
nicht  gedacht,  mich  um  Dich  gar  nicht  bemühet  hätte.  Jetzt  .  .  . 
Was  der  Mensch  frey  anfängt,  soll  er  auch  frey  enden:  am  besten 
endet  er  aber  mit  jedem  Vorhaben  (so  wie  das  Schicksal  mit  ihm  selbst), 
bevor  die  Kraft  sinkt,  der  Antheil  ermattet.  Damm  sage  ich  Dir  jetzt 
das  LebeAvohl.  Und  vergönnest  Du  mir  noch,  was  mir  Alle  Schei- 
denden sonst  gern  vergönnen  —  einen  Wunsch  zum  Abschiede,  so  sey 
es  der:  Behalte  in  wohlwollendem  Andenken  —  mich  selbst,  oder  willst 
Du  das  nicht,  doch  das  Beste  von  dem  was  ich  hier  für  Dich  geleistet 
habe!  —  Mit  Vergnügen  setze  ich  hinzu,  dass  mein  Zurücktreten  den 
Fortgang  des  Instituts  nicht  stören  wird.  Auch  sehe  ich  voraus,  meine 
alte  Anhänglichkeit  an  dasselbe  wird  mich  von  Zeit  zu  Zeit  veranlassen, 
als  Mitarbeiter  (mit  meines  Namens  Unterschrift)  zu  den  Lesern  zu- 
rückzukehren." 


247 

Die  „alte  Anhänglichkeit"  hat  MochlUz  bis  zu  seinem  am  16.  De- 
cember  1842  erfolgten  Tode  noch  oft  bewährt.  Der  am  27.  August  1846 
verewigte  Fink  spricht  sich  in  der  Schlussnummer  des  Jahrganges  1841 
so  aus: 

„So  wie  ich  1827  ohne  mein  Zuthun,  und  gern,  die  Redakzion 
dieser  Blätter 'übernahm,  so  lege  ich  sie  jetzt  auch  wieder  nieder.  Um 
meiner  vielen  Freunde  und  um  der  Liebe  willen,  die  mich  an  das 
Geschäft  ketteten,  ist  mir  der  Rücktritt  allerdings  nicht  gleichgiltig, 
und  ich  will  es  gar  nicht  verhehlen,  dass  sich  ein  vorübergehender 
Schmerz  in  den  Dank  mischt,  den  ich  meinen  getreuen  Mitarbeitern 
und  den  geneigten  Lesern  für  ihr  mir  reichlich  erwiesenes  Wohlwollen 
abstatte.  Aber  ich  habe  mir  auch  Unzufriedene  und  Gegner  verdient, 
und  kann  nicht  einmal  sagen,  dass  ich  es  bereue,  vielmehr  halte  ich  es 
für  einen  wesentlichen  Theil  der  Menschenehre,  auf  die  ich  Anspruch 
mache,  der  Ehre  rechtlicher,  aufrichtiger  und  fester  Gesinnung.  Ich 
hoffe  daher,  dass  meinen  Freunden  mein  Abschied  nicht  ganz  lieb, 
meinen  Gegnern  hingegen  mindestens  eine  heimliche  Freude  sein  soll, 
wenn  auch  nicht  auf  lange.  Denn  es  ist  jetzt  Krieg  im  Reiche  der 
Harmonie.  Da  tritt  kein  Mann  zurück;  ich  gewiss  nicht.  Es  ist  also 
kein  Scheiden  von  der  Kunst,  wenn  ich  von  der  Verwaltung  und  Pflege 
dieser  Blätter  zurückzutreten  mich  genöthigt  sehe.  Darum  auf  baldiges 
Wiedersehen." 

Unverkennbar  liegt  diesen  Worten  eine  Missstimmung  zu  Grunde, 
die  Viele  gegenwärtio-  nicht  zu  deuten  wissen  werden.  Wir  haben  hierzu 
den  Schlüssel  vollständig  in  Händen  und  können  daher  versichern,  dass 
der  Aufschluss  hier  nicht  am  Orte  sein  würde. 

Wenden  wir  uns  vielmehr  dem  neuesten  Zeitabschnitte  des  Hauses 
Breitliopf  &  Härtel  zu,  den  Jahren  1827  bis  zur  Gegenwart.  Mendels- 
sohn, Schumann,  Chopin,  Gade,  David,  —  Liszt,  Thalberg,  Henselt, 
St.  Heller,  —  Meyerbeer,  Halevy,  Lortzing,  Wagner:  dies  sind  berühmte 
Namen  genug,  um  darauf  hinzudeuten,  welche  Bereicherungen  der  Mu- 
slkalienverlasf  der  Handlung  in  dieser  Zeit  erfahren  hat.  Vor  Allem 
muss  aber  des  Monumentes  gedacht  werden,  dass  sich  das  Haus  durch 
die  Gesammtausgabe  der  Beethoven'schen  Werke  gesetzt  hat.  In  der 
unglaubHch  kurzen  Zeit  von  vier,  fünf  Jahren,  1862  —  1866,  ist  diese 
Ausgabe  vollständig  nach  Partituren  und   Stimmen,  einige  kurze  und 


248 

nebensächliche  Compositlonen  höchstens  abgerechnet,  bewerkstelligt 
worden,  und  zwar  in  einem  gleichmassig  schönen,  gewissenhaft  zuberei- 
teten Gewände,  an  dem  sich  Herz  und  Sinn  erfreuen.  Die  Werke  selbst 
sind  in  24  Serien,  fortlaufend  von  Nr.  1  —  263,  abgetheilt  und  sowohl  in 
Bänden  als  in  einzelnen  Nummern,  je  nach  Wunsch  der  Abnehmer,  zu 
bekommen.  Abgesehen  von  den  Titeln,  so  waren  für  diese  Ausgabe 
13,470  Platten  erforderlich,  eine  Zahl,  welche  das  nunmehr  glücklich 
beendete  Unternehmen  in  seiner  Grossartigkeit  sicher  vor  Augen  stellt. 

—  Weiter  gedenken  wir  des  Verdienstes,  welches  sich  die  Handlung 
durch  ihre  Betheiligung  an  der  Herausgabe  der  Bach  -  Gesellschaft  er- 
worben hat  und  fortwährend  noch  erwirbt.  Es  fragt  sich,  ob  diese  Aus- 
gabe je  den  Bestand  so  gewonnen  hätte,  wenn  ihr  nicht  von  Anfang  an 
diese  Stütze  zu  Theil  geworden  und  getreulich  zur  Seite  geblieben  wäre. 
Wer  von  den  Mitgliedern  der  Bach  -  Gesellschaft  wäre,  der  sich  nicht 
über  die  herrliche  Austattung  freute,  wer  wäre,  der  am  Schluss  des  eben 
abo-elaufenen  Jahres  den  vierzehnten  Jahrgang,  das  Wohltemperirte  Cia- 
vier enthaltend,  nicht  mit  grosser  Befriedigung  entgegengenommen  hätte? 

—  Auch  der  Herausgabe  der  Händel-Gesellschaft  widmete  die  Handlung 
in  den  ersten  Jahren  die  ausgezeichneten  Kräfte  und  Hülfsmittel  ihrer 
Officinen  vollständig,  und  auch  heute  noch  bestäti'gen  die  prachtvollen 
Titelblätter  der  Bände  den  nämlichen  Ursprung  wie  früher*). 

Wir  o-ehen  nunmehr  zu  den  einzelnen  Zweigen  des  Hauses  Breit- 
Jcopf  8f  Härtet  über  und  suchen  sie  ihrem  gegenwärtigen  Umfange  nach 
zu  veranschaulichen. 

Der  Bücherverlag  weist  Werke  aus  allen  Wissenschaften  auf. 
Wir  erwähnen  u.  a.  das  Hauslexicon,  das  Compendium  der  christlichen 
Dogmengeschichte  von  Baumgarten-Crusius,  das  Lehrbuch  der  Geschichte 
des  römischen  Rechts  von  Danz,  Goethe's  Briefe  an  Leipziger  Freunde 
(herausgegeben  von  Otto  Jahn),  die  Kirchengeschichte  von  Hase,  die 
Evangelische  Dogmatik  von  Demselben,  den  Cursus  der  Institutionen 
von  Puchta,  die  Theologie  von  L.  J.  Rückert,  die  Allgemeine  Pathologie 
von   K.   W.   Stark,   Yorick's    sentimentale  Reise   durch  Frankreich  und 


*)  Die  Lithographen  kennen  längst  den  Namen  des  trefflichen  Mannes,  der  die 
Härtel'schen  Titel  anfertigt,  und  \\issen  sie  als  Fachleute  leicht  auch  ohne  Beisatz  der 
Firma  unter  Hunderten  herauszufinden.  Wir  dürfen  den  Lesern  diesen  Namen  nicht  vor- 
enthalten, selbst  auf  die  Gefahr  hin,  dass  es  Herr   C.  H.  Nicklas  nicht  gern  sähe. 


249 

Italien  von  L.  Sterne,  das  System  des  sächsischen  Civil-  und  Admini- 
strativ-Processes  von  J.  Volkmann,  die  Predigten  von  Fr.  A.  Wolf,  den 
Literarischen  Nachlass  von  Caroline  v.  Wolzogen,  verschiedene  Werke 
von  J.  C.  Gottsched.  Ferner  ist  hier  die  Sammhmg  von  Bildnissen 
berühmter  Deutschen,  grüsstentheils  von  Meister  Sichling  gestochen, 
rühmlichst  hervorzuheben.  -  Aus  der  musikaUschen  Literatur  machen 
wir  folgende  wichtige  Werke  namhaft,  und  zwar  catalogmässig: 

Adlung,  ./.:  Anleitung  zur  musikalischen  Gelahrtheit. 

Beethoven  L.  ra«:  Thematisches  Verzeichniss  sämmtlicher  im  Druck  erschienenen  Werke. 

Chladni,  E.  F.  F.:  Die  Akustik. 

Chrysander,  F.:  G.  F.  Händel.     2V2  Bde. 

Jahrbücher  für  musikalische  Wissenschaft.     2  Bde. 

Fortlage,   C:  Das  musikalische  System  der  Griechen  in  seiner  Urgestalt. 

Gretry,  A.  E.:  Versuche  über  die  Musik. 

Hauptmann,  M.:  Die  Natur  der  Harmonik  und  der  Metrik. 

Jahn,  0.:  W.  A.  Mozart.     4  Bde. 

Kandier,  F.  S.:  Ueber  das  Leben  und  die  Werke   des   G.   Pictluigi   da    Palestrma, 

Kiesewetter,  R.   G.:  Geschichte  der  europäisch-abendländischen  oder  unsrer  heutigen 

Musik. 

Schicksale  und  Beschaffenheit  des  weltlichen  Gesanges, 

Ueber  die  Musik  der  neueren  Griechen. 

Guido  von  Arezzo. 

Die  Musik  der  Araber. 

Köchel,    L.    V.:    Chronologisch- thematisches    Verzeichniss     sämmtlicher     Tonwerke 

Wolfgang  Amade  Mozart's. 
Lobe,  J.  C:  Lehrbuch  der  musikalischen  Komposition.     3  Bde. 
Marx,  Ä.  B.:  Die  Lehre  von  der  musikalischen  Komposition.     4  Bde. 

Allgemeine  Musiklehre. 

Richter,  E.  F.:  Lehrbuch  der  Harmonie. 

—  —  .Lehrbuch  der  Fuge. 

Schicht,  J.  G.:  Grundregeln  der  Hannonie. 

Sechter,  S.:  Die  Grundsätze  der  musikalischen  Komposition.     3  Bde. 

Tucher,  G.  v.:  Schatz  des  evangelischen  Kirchengesangs.     2  Bde. 

Wagner,  R.:  Drei  Operndichtungen. 

Winterfeld,   C.  v.:  Der  evangelische  Kirchengesang.     3  Bde. 

Zur  Geschichte  heiliger  Tonkunst. 

Ein  Prachtwerk,  welches  im  Jahre  1840  „als  Festschrift  für  die 
vierte  Jubelfeier  der  Erfindung  der  Buchdruckerkunst"  von  C.  v.  Winter- 
feld herausgegeben  wurde,  bilde  den  Schluss  dieser  Abtheilung.  Dasselbe 
enthält:  „Dr.  Martin  Luther's  deutsche  Geistliche  Lieder  nebst  den  wäh- 
rend seines  Lebens  dazu  gebräuchlichen  Singweisen  und  einigen  mehr- 
stimmigen Tonsätzen  über  dieselben  von  Meistern  des  sechzehnten  Jahr- 
hunderts. Mit  eingedruckten  Holzschnitten  nach  Zeichnungen  von 
A.  Strähuber." 


250 

Der  Musikalienverlag  umfasst  eine  solche  enorme  Masse  der 
verschiedenartigsten  Compositionen  fast  aller  des  Nennens  werthen  und 
vieler  des  Nennens  unwerthen  Tonsetzer,  dass  wir  kaum  wissen,  wie  wir 
derselben  beikommen  sollen.  Denn  wenn  wir  auch  sagen,  dass  z.  B.  die 
im  Jahre  1860  erschienene  grosse  Partitur  zu  Wagner's  „Tristan  und 
Isolde",  welche  444  Platten  erforderte,  die  Verlagsnummer  10,000  trägt 
und  dass  die  eben  gegenwärtig  laufende  Verlagsnummer  auf  11,295  zu 
fixiren  sei,  so  giebt  dies  noch  lange  keinen  Maassstab  zur  Beurtheilung 
dessen,  was  in  dieser  Zeit  und  vorher  fertig  geworden  ist.  In  diese  fort- 
laufenden Nummern  ist  weder  die  ganze  Beethoven  -  Ausgabe,  noch  sind 
die  zahlreichen  Typendruckwerke  mit  eingerechnet  worden;  ausserdem 
laufen  unter  ein  und  derselben  Nummer  oft  Stücke,  die,  weil  sie  einzeln- 
abgegeben werden,  auch  besonders  für  sich  hätten  numerirt  werden 
können.  Will  man  nun  die  Beethoven  -  Ausgabe  als  ein  für  sich  abge- 
schlossenes Ganzes  betrachten,  will  man  von  allen  kürzeren  Tonstücken 
(Etüden,  Variationen,  Liedern  etc.)  absehen,  will  man  die  Arrangements 
jeglicher  Art  bei  Seite  lassen  und  sich  vielmehr  nur  an  die  Werke  cykli- 
scher  Form  und  an  solche  halten,  die  schon  eine  grössere  Anzahl  von 
Platten  zur  Herstellung  erheischten,  also  an  Symphonien,  Ouvertüren, 
Quint-  und  Quartette,  Sonaten  etc.,  an  Oratorien  und  Concertvocal werke, 
Opernclavierauszüge  und  sonst  andere  derartige  Volumina:  so  überblicke 
man  zur  Orientirung  folgenden  Catalogauszug,  mit  Mühe  und  Sorgsam- 
keit angefertigt.  Es  sind  erschienen,  und  zwar  von  Orchester-  und 
Kammermusik-  sowie  von  Kirchen-  und  Concertmusikwerken  zumeist  in 
Partitur  und  Auflegestimmen,  folgende  Werke  von: 

Abert,  J.  .7. :  Oper  (Astorga). 

Adam,  A.:  2  Opern  (die  Scliweizerhütte ,  der  König  von  Yvetot). 

Angely.  1  Singspiel  (sieben  Mädchen  in  Uniform). 

Auber,  D.  F.  E.:  6  Opern  (die  Barcarole,  Fiorella,  die  Braut,  Stumme  von 
Portici,  der  Feensee,  die  Sirene). 

Bach,  C.  Ph.  Em.:  1  Oratorium  (Auferstehung  und  Himmelfahrt  Jesu),  1  Sym- 
phonie. 

Bach,  J.  S.:  Matthäus-Passion.  6  Motetten,  6  Violinsonaten,  Violin-Chaconne, 
das  wohltemperirte  Ciavier,  das  musikalische   Opter,   viele   Orgelcompositionen. 

Baillot,  P.:  5  Violinconcerte. 

Bargiel,  W.:  1  Symphonie,  1  Ouvertüre,  1  Ciaviersuite  vierhändig,  1  desgl. 
zweihändig. 

Beethoven,  L.  v.:  Leonore  (Ciavierauszug  der  zweiten  Bearbeitung  mit  den  Ab- 
weichungen der  ersten). 

Bellmi ,   V.:  1  Oper  (Romeo  und  Julie). 


251 

Benedict,  ./, :  1  Concertvocalwerk  (Undine),  1  Clavierconcert. 

Bertini,  H.'.  4  Ciaviersextette. 

Blumner,  M.:  1  Oratorium  (Abraham). 

Boieldien,  A.  F.:  1  Oper  (Rothkäppchen). 

Boisselot,  X.:  1  Oper  (die  Königin  von  Leon). 

Brahms,  J.:  1  Serenade  für  Orchester,  1  Chxviertrio,  2  Claviersonaten. 

Bramhach,   C.  J.:  1  Ciaviersextett. 

Brassin ,  L, :  1  Clavierconcert. 

Bruch,  M.:  2  Streichquartette,  1  Ciaviertrio. 

Campagnoli,  B.'.  1  Violinconcert. 

Carafa,  M.:  1  Oper  (Masaniello). 

Cherubini,  L.:  2  Requiem,  6  Opern    (Ali   Baba,   der   portugiesische    Gasthof.  Elise 

Faniska,  Medea,  der  Wasserträger),  9  Ouvertüren. 
Chopin,  F.:     1  Clavierconcert,  1  Ciaviersonate  mit  Violoncello,  2   Claviersonaten. 
Cimarosa,  D.:  1  Oper  (die  Heirath  durch  List). 
Clementi,    M.:     Gradus     ad    Parnassum,    20    Claviertiios,     14     Claviersonaten    mit 

Violine    bez.  Flöte,    2    Sonaten   für  zwei    Claviere,   7   Claviersonaten    vierhändig, 

64  desgl.  zweihändig. 
Cramer,  J.  B.:  6  Clavierconcerte ,   1   Ciavierquartett,  8   Claviersonaten  mit  Violine 

bez.  Flöte,  2  Claviersonaten  vierhändig,  38  desgl.  zweihändig. 
David,  F.:  1  Streichsextett,  1  Streichquartett,  3  Violinconcerte ,  1  Violinschule. 
Dittersdorf,   C.  v.:  2  Opern  (Hieronimus  Knicker,  der  Schiffspatron). 
Donizetti,   G.:  2  Opern  (Adelia,  Lucrezia  Borgia). 
Dotzauer,  J.  J.  F.:  3  Streichquartette. 
Dussek,  J.  L.:  3    Streichquartette,    10   Clavierconcerte,    1    Ciavierquintett,   1   Cla- 

vierquartett,    16    Ciaviertrios,    über    40    Claviersonaten    mit    Violine    bez.    Flöte, 

8  Claviersonaten  vierhändig  32  desgl.  zweihändig. 
Eilerton,  J.  L.:  1  Wald-Symphonie. 
Ernst,  H.   W.:  \  Violinconcert. 
Fesca,  F.  E.:  1  Streichquartett. 

Field,  ./. :  7  Clavierconcerte,  1  Ciavierquintett,  4  Claviersonaten 
Gade,  N.   W.:  5  Concertvocalwerke  (Comala,   die   Kreuzfahrer,   Frühlingsphantasie, 

Frühlingsbotschaft,   die  heilige  Nacht),   4  SjTnphonien,  3  Ouvertüren,   1   Streich- 

octett,  1  Streichquintett,  1  Ciaviertrio ,  2  Claviersonaten  mit  Violine,  1  desgl.  ohne. 
Gernsheim ,  F.:  1  Ciavierquartett. 

Gluck,  J.   C.  V.:  1  Oper  (Iphigenie  in  Aulis,  nach  Richard    Wagnet's  Bearbeitung). 
Goltermann ,   G  :  \  Symphonie. 

Gouvy ,   Th.:  1  Symphonie,  1  Ciaviertrio,  1  Ciaviersonate. 
Graun,   C.  H.:  1  Cantate  (der  Tod  Jesu). 
Gross,  J.  B.:  1  Streichquartett,  1  Ciaviersonate  mit  Violoncello. 
Gyrowetz,  A.:  1  Oper  (der  Augenarzt). 

Halevy,  F.:  4  Opern    (die  Dreizehn,    Guido   und  Ginevra,  Karl   VL.  Pique-Dame). 
Händel,   G.  F.:  Messias,  Athalia,  Esther. 
Haydn,    J.  :    3    Oratorien    (Schöpfung,    Jahreszeiten,    Sieben    Worte),    7    Messen, 

1  Stabat  mater,  1  Te  Deum,    1  Oper    (Orpheus   und  Euridice),    12   Symphonien, 

3    Streichquartette,    31    Cla\nertrio.s ,     8    Claviersonaten    mit    Violine     bez.    Flöte. 

34  Claviersonaten. 
Heller,  St.:  1  Ciaviersonate. 
Henselt ,  A.:  \  Clavierconcert. 
Herold,  F.:  2  Opern  (Marie,  die  Täuschung). 


252 

Hesse,  A.:  2  Symphonien. 

Hiller,  J.  A.:  6  Opern  (Lisuart  und  Dariolette,  Lottchen  am  Hofe,  die  Liebe 
auf  dem  Lande,  der  Dorf  barbier,  die  Jagd,  der  Krieg). 

Hitler,  F.:  1  Oper  (ein  Traum  in  der  Christnacht),  1  Concertvocalwerk  (Ver 
saerum),  1  Ouvertüre. 

Himmel,  F.  H.:  1  Oper  (Fanchon),  9  Ciaviertrios. 

Hoven,  J.:  1  Oper  (ein  Abenteuer  Carl's  ü). 

Hummel,  J.  N.:  1  Clavierconcert,  1  Clavierquartett,  2  Ciaviersonaten  mit  Violine 
oder  Flöte. 

Jadassohn,    S.:  1  Ciaviertrio. 

Joachim,  J.:  1  Ouvertüre,  2  Violinconcerte. 

Kalkbrenner,  F.:  1  Clavierconcert,  1  Clavierseptett,  1  Ciavierquintett,  2  Ciavier- 
trios, 1  Ciaviersonate  vierhändig,  3  desgl.  zweihändig. 

Kalliwoda,  J.   W.:  1  Symphonie,  1  Violinconcert. 

Kittl,  J.  F.:  1  Oper  (Bianca  und  Giuseppe),  1  Symphonie. 

Klein,  B.:  1  Oratorium    (Hiob),  2  Ciaviersonaten. 

Klengel,  A.  A.:  Canons  und  Fugen  in  allen  Tonarten.     2  Bde. 

Kreutzer,  R.:  7  Violinconcerte,  11  Streichquartette,  6  Streichtrios,  1  Ciaviersonate 
mit  Violine. 

Kullak,  Th.:  1  Clavierconcert. 

Kunzen,  F.  L.  E.,  1  Oper  (Oberon). 

Lajont,  C.  P.:  2  Violinconcerte. 

Leonhard,  J.  E.:  1  Oratorium  (Johannes  der  Täufer),  1  Ciaviertrio. 

Lindhlad,  A.  F.:  1  Symphonie. 

Lindpaintner ,  P.:  1  Oper  (der  blinde  Gärtner),  10  Ouvertüren, 

Lipinshi.   C. :  1  Violinconcert,  1  Streichtrio. 

Lizst,  F.:  1  Messe,  12  sjTnphonische  Dichtungen,  1  Dante-Symphonie,  1  Clavier- 
sonate. 

Lobe,  J.   C. :  1  Oper  (die  Flibustier),  3  Ouvertüren,  2  Ciavierquartette. 

Lortzing,  A. :  7  Opern  (Casanova,  Czaar  und  Zimmermann,  zum  Grossadmiral, 
Hans  Sachs,  Undine,  der  Waffenschmied,  der  Wildschütz). 

Louis  Ferdinand,  Prinz:  1  Clavieroctett,  1  Ciavierquintett,  2  Ciavierquartette, 
3  Ciaviertrios. 

Luther,  M. :  Deutsche  geistliche  Lieder  (als  Festschrift  herausgegeben). 

Marliani,  M.  A.:  1  Oper  (die  Xacarilla). 

Marschner,  H:  1  Oper  (des  Falkners  Braut),  i  Ciaviersonate. 

Marx,  A.  B.:  Oratorium  (Mose-). 

Mehul,  F.:  4  Opern  (die  Schatzgräber,  Helene,  der  Tollkopf,  Joseph),  1  Sym- 
phonie. 

Mendelssohn,  F.:  Musik  zum  Sommernachtstraum,  zu  Athalia,  zu  Oedipus  in 
Kolonos,  zu  Christus,  zum  Loreley-Finale ;  2  Psalmen,  1  Liederspiel  (Heimkehr 
aus  der  Fremde),  1  Symphonie-Cantate ,  2  Symphonien,  4  Concertouverturen, 
1  Violinconcert,  1  Streichoctett,  1  Streichquintett,  6  Streichquartette,  2  Cla- 
vierconcerte,  2  Ciaviertrios,  6  Orgelsonaten. 

Meyerbeer,   G.:  2  Opern  (die  Hugenotten,  der  Prophet). 

Molique,  B.:  1  Oratorium  (Abraham),  2  Violinconcerte. 

Mozart,  W.  A.:  Requiem,  Davidde  penitente,  2  Messen;  9  Opern  (Don  Juan, 
Titus,  Cosi  fan  tutte,  il  Re  pastore,  Entführung,  Zauberflöte,  Hochzeit  des 
Figaro,  Idomeneo,  der  Schauspieldirector) ,  11  Symphonien,  7  Ouvertüren  in 
Stimmen,    1    Serenade  für    Blasinstrumente,  5    Streichquintette,    12   Streichquar- 


253 

tette    1  Flöten-,  1  Clarinettenconceit ,  1  Hornquintett,  iJO  Olavierconcerte,  1  Cla- 

vierquintett,  2    Ciavierquartette,    7    Clavicrtrios ,    18    Chwiersonaten    mit    Violine, 

1  Sonate  für  zwei  Clavierc,  5  Claviersonatcn  vierhändig,  17  desgl.  zweihändig. 
Müller,  C.  G.:  1  Symphonie,  3  Streichquartette. 
Naumann,  E.:  1  Ciaviertrio,  1  Ciaviersonate  mit  Viola. 
Naumann,  J.   G.:  1  Vaterunser,  1  Psalm,  1  Oper  (Orpheus  und  Euridice). 
Neukomm,    S.:  1    Oratorium    (Christi     Grahlegung),    1    Requiem,    1    Cantate    (der 

Ostermorgen),  1  Te  Deum,    2  Symphonien,    3   Ouvertüren,   1   Ciaviersonate  mit 

Violine. 
Nicolo,  J.:  1  Oper  (Aschenbrödel). 
Onslow     G:    2    Opern     (l'Alcade    de     la   Vega,    der     Hausirer),     1     Symphome, 

14    Streichquintette,  15  Streichquartette,  1  Ciaviersextett,  9    Ciaviertrio«,  9    Cla- 

vierduos,  2  Ciaviersonaten  vierhändig,  1  desgl.  zweihändig. 
Paer,  F.:  2  Opern  (Sargino,  die  Wegelagerer),  11  Ouvertüren,  3  Claviertnos. 
Palestrina,  J.  P.  da:  3  Bände  Messen,  1  Messe  ausserdem. 
Perfall,  K.:  2  Concertvocahverke  (Dornröschen,  Undine). 
Pixis    J   P-  1  Symphonie,  1  Ciavierquartett,  1  Ciaviersonate. 
Reicha,   Ä.:    2    Symphonien,   14    Streichquartette,  1    Ciaviertrio,  3    Ciaviersonaten 

mit  Violine. 
Reinecke,    C:    1    Operette    (der    vierjährige    Posten),    1    Symphonie,    1    Ouvertüre, 

1  Clavierconcert,  1  Ciaviertrio,  1  Ciaviersonate  mit  Violoncello. 
Reinthaler,   C. :  1  Oratorium  (Jephtha),  1  Symphonie. 
Reissiger,  C.  G.:  1  Ouvertüre,  1  Ciaviersonate  mit  Violine. 
Richter,    E.    F.:    3    Psalmen,    1    Streichquartett,     1     Ciaviersonate     mit     Violine, 

1  Ciaviersonate. 
Righini,  F.:  5  Opern    (Armida,  der  Zauberwald,  das  befreite  Jerusalem,  Tigranes. 

Aeneas  in  Lazium). 
Ries,  F.:  2  Symphonien,  1  Streichquintett,  1  Ciaviersonate. 
Rietz,  J.:  1  Symphonie,  1  Ouvertüre. 
Rode,  P.:  6  Violinconcerte,  4  Streichquartette. 
Rolle,  J.  H.:  1  Singspiel  (Melida). 

Romberg,  A.:  1  Violinconcert,  7  Streichquartette,  3  Ciaviersonaten  mit  Violine. 
Romberg,  B.:    1  Ouvertüre,  3  Streichquartette,  1  Streichtrio. 

Rossini,  J:  1  Cantate  (Trost  und  Erhebung),  13  Opern,  (Tancred,  die  Getäuschten, 

Elisabeth,    die    diebische    Elster,    der    Barbier   von    Sevilla,  Othello,    der    Türke 

in  Itahen,    das   Fräulein    vom   See,   Aschenbrödel,    Moses    in    Egypten,    Armida, 

die  Belagerung  von  Corinth,  Graf  Ory). 

Rubinstein,  A.:  6   Streichquartette,    4    Ciaviersonaten    mit  Violine  bez.   Viola   und 

Violoncello,  2  Ciaviersonaten. 
Salieri,  A.:  1  Oper  (Armida). 
Sarti,  J.:  1  Miserere. 
Scarlatti,  D.:  3  Hefte  Ciaviersonaten. 

Schicht,  J.   G.:  11  Hefte  Motetten,  1  grosse  Choralsammlung. 
Schmidt,  G.:  2  Opern  (Prinz  Eugen,  Weibertreue). 
Schmitt,  A  :  3  Streichquartette. 
Schneider,  F.:  1  Oratorium   (das    Weltgericht),   1    Clavierconcert,   1    Ciaviersonate, 

vierhändig. 
Scholz,  B.:  1  Requiem,  1  Ciaviersonate  mit  Violoncello. 
Schubert,  F.:  1  Symphonie. 
Schulz,  J.  A.  G.:  1  Oper  (Ahne). 


254 

^rJiu7naun,  R.:  Das  ^Paradies  und  die  Peri,  Musik  zu  Manfred,  Requiem  für 
Mignon,  Adventlied,  2  Sympiionien.  3  Streichquartette,  1  Violoncelloconcert, 
1   Clavierconcert,  1  Ciavierquintett,  2  Ciaviertrios,    1  Ciaviersonate    mit  Violine, 

1  Ciaviersonate,  1  Clavierjjhantasie. 
Seidelmann,  F.:  1  Singspiel  (Arsene). 
Seyfried,  J.:  4  Ouvertüren. 

Spohr.  L.:  1    Oratorium    (der  Fall    Babylons),  1    Quartett-Concert   mit   Orchester 

2  Violinconcerte,  1  Streichquintett,  1  Streichquartett. 

Steibeü,  D.:  5  Clavierconcerte,  4  Ciaviertrios,  38  Ciaviersonaten  mit,  25  desgl. 
ohne  Begleitung  eines  Instnimentes. 

Stiehl,  H.,  1  Ciavierquartett,  3  Ciaviertrios. 

Taubert,   W.:  Musik  zu  Shakespearc's  Sturm,  1  Streichquartett. 

Thalberg,   S.:  1  Ouvertüre,  1  Ciaviersonate. 

Thomas,  A.:  1  Oper  (der  Blumenkorb). 

Veity  W.  H.:  1  Symphonie,  1  Streichquartett. 

Verhdst,  J.  J.  H.:  1  Ouvertüre. 

Vierling,   G.:  1  Ouvertüre. 

Viotti,  J.  B.:  4  Violinconcerte,  6  Streichquartette,  12  Streichtrios. 

Vogt,  J.:  X  Oratorium,  die  Auferweckung  des  Lazarus. 

Volkmann,  R.:  1  Streichquartett. 

Wagner,  R.:  1  biblische  Scene  (das  Liebesmahl  der  Apostel),  2  Opern  (Lohen- 
grin,  Tristan  und  Isolde),  1  Faust- Ouvertüre,  1  Ciaviersonate. 

Weigl,  J.:  2  Opern  (das  Waisenhaus,  die  Schweizerfamilie). 

Winter,  R:  1  Requiem,  1  Cantate  (Timoteo),  3  Opern  (Calypso,  Ogus,  das 
unterbrochene  Opferfest),  1  Schlacht-Symphonie,  8  Ouvertüren. 

Wölfl,  J.:  2  SjTnphonien,  9  Streichquartette,  4  Clavierconcerte,  9  Ciaviertrios 
19  Ciaviersonaten  mit  Violine,  8  Ciaviersonaten. 

Wuerst,  R.:  1  Ciaviertrio. 

Zumsieeg,  J.  R.:  17  Cantaten,  1  Trauercantate,  1  Ode,  3  Opern  (die  Geister- 
insel, das  Pfauenfest,  Elboudokani). 

Bei  Revue  des  Cataloges  waren  wir  beflissen,  zugleich  zu  erforschen, 
welche  Namen  etwa  nicht  vertreten  seien,  haben  demgemäss  noch  Man- 
chen in's  Auge  gefasst,  der  in  obigem  Auszuge  nicht  mit  enthalten  ist. 
Nur  einen  Einzigen  können  wir  als  fehlend  bezeichnen,  selbst  bei  den 
zahlreichen  „Bildnissen":  dies  ist  der  von  C.  M.  v.  Weber.  Das  ist 
merkwürdig,  thut  aber  keinen  Eintrag.  Man  mag  nun  den  Schluss 
ziehen,  wie  viele  Platten  und  welches  Quantum  an  Papier  in  den  Nieder- 
lagen des  Geschäftes  sich  befinden  mögen,  was  für  Gewicht  und  Raum 
diese  Vorrathsmasse  innehält.  Dies  genau  festzustellen,  dürfte  selbst  den 
Eingeweihten  grosse  Mühe  verursachen. 

Die  Buchdruckerei,  welche  selbstverständlich  ihren  Ruhm  heute 
noch  ebenso  wie  vor  hundert  Jahren  behauptet,  arbeitet  zur  Zeit  mit 
6  Schnell-  und  8  Handpressen  und  beschäftigt  ein  Personal  von  ungefähr 
120  Personen.     Ihr  Schriftvorrath,  welcher  auf  fast  alle  Sprachen,  be- 


255 

sonders  auch  auf  Notensatz  eingerichtet  ist,  beläuft  sich  auf  mindestens 
1600  Centner,  wovon  558  Centner  auf  Fractur,  635  auf  Antiqua,  52  auf 
Griechisch,  Arabisch  etc.,  85  auf  Noten,  140  auf  Quadratendurchschuss, 
der  übrige  Theil  auf  Accidenzsachen  zu  rechnen  sein  dürften.  Eine 
Specialität  derselben  ist  auch  feiner  Vignettendruck.  Dem  Laien  wird 
es  zu  wissen  nicht  uninteressant  sein ,  dass  zu  solch*  einem  Centner 
durchschnittlich  40,000  einzelne  Typen  gehören;  die  Gesammtzahl  für 
letztere  würde  ein  einfaches  Multipliciren  bald  ergeben. 

Die  S  chriftgiesserei  arbeitet  fast  nur  für  den  eigenen  Gebrauch 
des  Hauses;  sie  ist  mit  Stereotypie  und  Galvanoplastik  verbunden. 

Die  Stein-  und  Kupferdruckerei  beschäftigt  sich  zum  grössten 
Theile  mit  Herstellung  von  Musikwerken  eigenen  und  fremden  Verlages; 
1  lithographische  Schnellpresse,  9  lithographische  und  15  Kupferdruck- 
Pressen  sind  hier  in  Thätigkeit.  Der  Fachmann  ersieht  hieraus,  wie 
viele  Drucke  täglich  geliefert  werden  können;  für  den  Laien  fügen  wir 
bei,  dass  die  Schnellpresse  täglich  6000  Drucke  fertig  bringt.  Die  be- 
rühmten „Härterschen  Titel",  deren  wir  bereits  gedacht  haben,  finden 
hierselbst  ihre  Entstehung. 

Die  Notenstecherei  liefert  jährlich  über  5000  Platten.  Auch  diese 
Ziffer  kann  nur  annähernd  beurtheilen  lassen,  wie  bedeutend  der  Verlasr 
jährlich  wachse,  indem  in  dringenden  Fällen  ausserhalb  des  Hauses  be- 
findliche Kräfte  zugezogen  werden.  Dass  der  Stich  selbst  und  die  durch 
ihn  bedingte  Ausstattung  der  Werke  den  zu  stellenden  Anforderungen 
guten  Geschmackes  entsprechen,  dass  diese  Ausstattung  letzterem  lange 
Zeit  hindurch  zur  Richtschnur  gedient  habe,  bedarf  unseres  Bedünkens 
keiner  besonderen  Beweisführung. 

Die  Piano fortefabrik  endlich,  welche  ihren  Vorzug  in  Lieferung 
des  Besten,  nicht  der  Menge  sucht,  entsendet  jährlich  80 —  100  Instru- 
mente und  beschäftigt,  abgesehen  von  den  ausserhalb  des  Hauses  thätigen 
Hülfsarbeitern ,  30  —  35  Personen.  Die  Güte  dieser  Instrumente  ist 
allenthalben  anerkannt,  und  es  thut  ihnen  nimmer  Eintrag,  wenn  manche 
Federn  mit  stereotypem  Eifer  und  bei  jeder  Gelegenheit  andere  Leipziger 
Fabrikate  in  den  Vordergrund  zu  stellen  bemüht  sind.  Wenigstens  Hess 
sich  kurz  vor  letztem  Weihnachten  an  mancherlei  Erdenbewohnern  die 
Erfahrung  machen,  dass  sie  nach  geschehener  Verloosun«-  der  „zum 
Besten  der  Hinterlassenen  gefallener  Sachsen  nnd  Invaliden  der  Sächsi- 


256 

sehen  Armee"  veranstalteten  Lotterie,  deren  Hauptgewinn  ein  Flügel 
von  Breitkopf  &  Härtel  war,  dem  glücklichen  Gewinner  gegenüber  kaum 
eines  unlöblichen  Neides  sich  erwehren  konnten.  Uebrigens  erhielt  die 
Handlung  schon  längst  die  ersten  Auszeichnungen.  So  wurde  ihr  1840 
die  grosse  goldene  Medaille  der  Sächsischen  Ausstellung  zu  Dresden, 
1844  die  silberne  Medaille  der  ersten  Zollvereins -Ausstellung  zu  Berlin, 
1850  die  grosse  goldene  Medaille  der  Sächsischen  Ausstellung  zu  Leip- 
zig, 1851  und  1862  die  Preis  -  Medaille  der  Ausstellungen  in  London 
verliehen,  wobei  nicht  ausser  Acht  zu  lassen,  dass  sie  die  Pariser  Aus- 
stellungen nie  beschickt  hat.    (Mit  Ausnahme  derjenigen  von  1867.) 

Dies  wäre  in  Kürze  oder  in  Länge  Dasjenige,  was  sich  vom  Hause 
Breithopf  S  Härtel  sagen  lässt.  Gern  hätten  wir  in  Bezug  auf  die  so- 
eben einzeln  aufgeführten  Geschäftszweige  genauere  Statistik  geliefert, 
um  dem  Culturhistoriker  ein  schätzbares  Material  zu  beschaffen.  Allein 
es  Hess  sich  ohne  Indiscretion  nicht  gut  thun,  die  dafür  nöthigen  Unter- 
lagen zu  gewinnen.  Der  geneigte  Leser  wolle  daher  mit  dem  Dargebo- 
tenen fürlieb  nehmen." 

Diese  Auszüge,  welche  wir  dem  beregten  Artikel  der  Signale  über 
das  berühmte  Haus  Breithopf  &  Härtet  entnommen  haben,  mögen  zu- 
gleich die  Anerkennung  beweisen,  die  wir  überhaupt  dem  „Adressbuch 
für  die  musikalische  Welt"  zollen.  Nachdem  dieses  „Adressbuch" 
theilweise  in  den  Signalen  erschienen  war,  hat  es  Herr  Senff  in  wei- 
terer Ausarbeitung  als  Buch  herausgegeben,  wodurch  in  der  musikali- 
schen Welt  eine  fühlbare  Lücke  ausgefüllt  worden  ist. 

Zum  Schluss  wollen  wir  noch  bemerken,  dass  auch  die  Häuser 
Feters,  'Kistner ,  Hofmeister,  Senff,  Bieter-Biedermann  nicht  wenig  zum 
musikalischen  Ruhme  Leipzigs  beigetragen  haben  und  in  der  ganzen 
Welt  als  Firmen  ersten  Ranges  geschätzt  sind.  Nähere  Nachrichten  über 
dieselben  findet  man  ebenfalls  in  dem  trefflich  gearbeiteten  „Adressbuch 
für  die  musikaUsche  Welt",  Leipzig,  Verlag  von  Bartholf  Senff  1868. 


Druck  von  A.  H.  Payne  in  Reudnitz  bei  Leipzig. 


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652 

P32 


Music 


Paul,  Oskar 

Geschichte  des  Claviers  vom 
Ursprünge  bis  zu  den  modernsten 
Formen  dieses  Instruments 
nebst  einer  Uebersicht  über 
die  musikalische  Abtheilung  der 
Pariser  Weltausstellung  im 
Jahre  1867 


Druck  von  A.  H.  Payne  in  Reudnitz  bei  Leipzig